Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten wird verworfen.
Hingegen wird der Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft Folge gegeben, das angefochtene Urteil in seinem freisprechenden Teil sowie demgemäß auch im Strafausspruch (jedoch unter Aufrechterhaltung des Adhäsionserkenntnisses) aufgehoben und gemäß § 288 Abs 2 Z 3 StPO in der Sache selbst erkannt:
Josef Anton H***** ist schuldig, er hat am 9. März 1997 in Taxenbach die am 4. September 1984 geborene unmündige Sabine K***** mit Gewalt gegen ihre Person, indem er ihr mit seinen Knien ihre Beine auseinanderdrückte, zur Duldung des Beischlafs genötigt.
Er hat hiedurch das Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs 2 StGB begangen und wird hiefür sowie nach dem unverändert bleibenden Schuldspruch wegen des Verbrechens des Beischlafs mit Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB gemäß letzterer Gesetzesstelle unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt.
Gemäß § 43a Abs 4 StGB wird ein Teil dieser Freiheitsstrafe im Ausmaß von 21 Monaten unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen.
Der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft werden mit ihren Berufungen auf die Strafneubemessung verwiesen.
Gemäß § 390a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Josef Anton H***** des Verbrechens des Beischlafs mit Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB schuldig erkannt. Danach hat er am 9. März 1997 in Taxenbach mit der am 4. September 1984 geborenen unmündigen Sabine K***** den außerehelichen Beischlaf unternommen. Vom Vorwurf, er habe das Mädchen mit Gewalt zur Duldung des Beischlafs genötigt und hiedurch (auch) das Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs 2 StGB begangen, wurde er gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.
Den wesentlichen Urteilsfeststellungen zufolge fuhr der Angeklagte in seinem PKW mit dem unmündigen Mädchen in einen Steinbruch, um sich ihm sexuell zu nähern. Dort betätigte er die Zentralverriegelung des PKWs, um das Davonlaufen des Mädchens zu verhindern, und stellte die Beifahrersitzlehne zurück. Dann begann er das Mädchen an den Oberschenkeln und an den Brüsten zu betasten, öffnete die Träger der Latzhose und befahl ihm, die Hose, die Schuhe und den Slip auszuziehen. Da Sabine K***** zu schreien begann und ihn abzuwehren versuchte, hielt er ihr wenige Sekunden den Mund zu und versicherte, daß ihr nichts geschehen werde, wenn sie ruhig sei. Da das Mädchen total verängstigt war und vergeblich probierte, die PKW-Türe zu öffnen, kam sie der mit Nachdruck ausgesprochenen Aufforderung des Angeklagten, sich auszuziehen nach. Der Angeklagte entkleidete sich ebenfalls. Er versuchte die Oberschenkel der Sabine K***** mit den Händen auseinanderzudrücken, was ihm jedoch aufgrund ihrer Gegenwehr nicht gelang. Daraufhin kletterte er auf den Beifahrersitz und drückte mit seinen Knien die Beine des Opfers auseinander. Das Mädchen versuchte sich noch kurz zu wehren, indem es mit dem Fuß gegen den Angeklagten schlug. Dann gab es aus Angst vor dem Angeklagten jede Gegenwehr auf. Dieser drang zuerst mit einem Finger und in der weiteren Folge mit zwei Fingern in die Scheide des Mädchens ein. Daraufhin berührte er mit seinem erigierten Glied die Scheide des Mädchens im äußeren Bereich und drang ein Stück in sie ein. Dieser Vorgang dauerte ca eineinhalb Minuten. Zu einem Samenerguß kam es nicht. Das Opfer wurde durch die Tathandlung im Scheidenbereich verletzt, sodaß es zu bluten begann.
Dieses Urteil bekämpfen sowohl der Angeklagte als auch die Staatsanwaltschaft mit Nichtigkeitsbeschwerde.
Während der Angeklagte unter Geltendmachung der Gründe des § 281 Abs 1 Z 4, 5 und 5a StPO auf einen Schuldspruch bloß wegen des Verbrechens der Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB abzielt, strebt die Staatsanwaltschaft aus dem Nichtigkeitsgrund der Z 10 des § 281 Abs 1 StPO eine Verurteilung des Angeklagten auch wegen des Verbrechens der Notzucht nach § 201 Abs 2 StPO an.
Rechtliche Beurteilung
Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten ist nicht im Recht.
Die mit der Z 4 gerügte Abweisung des in der Hauptverhandlung gestellten Antrages des Verteidigers, eine "Anschauung des Autos" vorzunehmen (S 261), geht schon deshalb fehl, weil der Antragsteller es unterlassen hat, ein Beweisthema zu bezeichnen (Mayerhofer StPO4 § 281 Z 4 E 18); abgesehen davon begründet sie weder unter dem Gesichtspunkt der Wirkungsweise einer Zentralverriegelung (S 262) noch unter dem der Enge in einem Peugeot 306 (S 257) eine Nichtigkeit, zumal beide Fragen als mit der Lebenserfahrung in Einklang stehende Notorietät (US 6) keines Beweises bedürfen.
Sowohl in der Mängelrüge (Z 5) als auch in seiner Tatsachenrüge (Z 5a) bestreitet der Angeklagte, mit seinem Glied in die Scheide des Mädchens eingedrungen zu sein (US 4), ohne allerdings in Ansehung dieser Feststellung Begründungsmängel in der Bedeutung des § 281 Abs 1 Z 5 StPO aufzuzeigen oder auf sich aus den Akten ergebende erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der entscheidenden Urteilsfeststellungen hinzuweisen. Vielmehr versucht er nach Art einer im schöffengerichtlichen Rechtsmittelverfahren unzulässigen Schuldberufung die als glaubwürdig erachteten Angaben der Sabine K***** zu erschüttern, wobei er - urteilsfremd (US 8) - unterstellt, die blutende Verletzung im Scheidenbereich sei durch Fingerpenetration entstanden, und ausgehend von dieser Prämisse trachtet, seiner - insoweit leugnenden - Verantwortung doch noch zum Durchbruch zu verhelfen. Solcherart bringt er die geltend gemachten Nichtigkeitsgründe nicht zur gesetzmäßigen Darstellung.
Berechtigung kommt allerdings der Beschwerde der Staatsanwaltschaft zu.
Zutreffend weist die Anklagebehörde darauf hin, daß unter dem Gewaltbegriff des § 201 Abs 2 StGB jede nach Lage des Falles überlegene und zur Beugung eines tatsächlichen Widerstandswillens des Opfers geeignete physische Kraft zu verstehen ist. Es genügt daher, daß tätergewollt gerade der aufgewendete Krafteinsatz das Opfer zur Abstandnahme von seinem dem Täterverhalten entgegenstehenden Bestreben motiviert und solcherart kausal zur Realisierung des Tätervorhabens führt (13 Os 17/98).
Nach den insofern unbedenklichen erstinstanzlichen Urteilsfeststellungen setzte der Angeklagte dosiert Gewalt, und zwar zunächst mit den Händen, dann verstärkt mit den Knien, bis zu jenem Ausmaß ein, das erforderlich war, um den entgegenstrebenden Willen des verängstigten 12-jährigen Mädchens zu brechen. Damit wurde aber die vom Erstgericht - an sich zutreffend - verlangte tatbestandsessentielle Erheblichkeitsschwelle des "Krafteinsatzes" bei weitem überschritten, war doch die eingesetzte Gewalt, nämlich das Auseinanderdrücken der Beine des Mädchens mit den Knien des Täters nach seinem vergeblichen Versuch, die Oberschenkel des Opfers mit den Händen auseinanderzudrücken, nach dem Tätervorhaben tatsächlich ein ausreichendes Nötigungsmittel, um den - bei einem 12-jährigen Kind erfahrungsgemäß nicht besonders manifest in Erscheinung tretenden - Widerstand des Opfers zu brechen.
Somit erübrigt sich ein Eingehen darauf, ob der Angeklagte auch die Entziehung der persönlichen Freiheit als ein - vom Vorsatz umfaßtes - Nötigungsmittel einsetzte oder ob er durch das Betätigen der Zentralverriegelung nur die Flucht des Opfers verhindern wollte (US 3). Jedenfalls hat der Angeklagte idealkonkurrierend zum Verbrechen des Beischlafs mit Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB überdies den Tatbestand des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 2 StGB verwirklicht.
Bei der dadurch erforderlich gewordenen Strafneubemessung wertete der Oberste Gerichtshof als erschwerend das Zusammentreffen zweier Verbrechen, als mildernd hingegen den bisher ordentlichen Lebenswandel, den wesentlichen Beitrag des Angeklagten zur Wahrheitsfindung und seine teilweise (finanzielle) Schadensgutmachung verbunden mit seiner Entschuldigung bei der Mutter des Opfers.
Unter Abwägung dieser Strafzumessungsgründe sowie bei Bedacht auf den Umstand, daß das Mädchen auf die Redlichkeit des Angeklagten vertraut hat, dieser dieses Vertrauen aber gröblich mißbraucht hat, erweist sich die nunmehr ausgemessene Freiheitsstrafe als tätergerecht und schuldangemessen.
Die Schuldeinsicht des Angeklagten und sein bisher ordentlicher Lebenswandel rechtfertigen die Anwendung des § 43a Abs 4 StGB. Die Gewährung gänzlicher bedingter Strafnachsicht nach § 43 Abs 1 StGB scheitert am Ausmaß der Freiheitsstrafe.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a StPO.
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