OGH 2Ob168/98i

OGH2Ob168/98i13.8.1998

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Angst als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter, Dr. Schinko, Dr. Tittel und Dr. Baumann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden und widerbeklagten Partei Rebecca W*****, vertreten durch Dr. Rolf Philipp, Rechtsanwalt in Feldkirch, wider die beklagte und widerklagende Partei Josef W***** , vertreten durch Mag. Klaus Tusch und andere Rechtsanwälte in Feldkirch, wegen Ehescheidung, infolge außerordentlicher Revision der beklagten und widerklagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch als Berufungsgericht vom 31. März 1988, GZ 1 R 519/97z-42, womit infolge Berufung der klagenden und widerbeklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Feldkirch vom 19. August 1997, GZ 2 C 127/96t-25, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben und das angefochtene Urteil dahin abgeändert, daß die Entscheidung des Erstgerichts einschließlich seiner Kostenentscheidung wiederhergestellt wird.

Die klagende und widerbeklagte Partei ist schuldig, der beklagten und widerklagenden Partei die mit S 31.785,44 bestimmten Kosten der Rechtsmittelverfahren (darin enthalten S 4.194,24 Umsatzsteuer und S 6.620 Barauslagen) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Parteien haben am 23 .2. 1973 vor dem Standesamt Feldkirch die Ehe geschlossen, aus der der am 10. 7. 1989 geborene Sohn Jeremy entstammt. Die Klägerin ist seit 1995 österreichische Staatsangehörige, während sie zuvor Britin war. Der Beklagte ist österreichischer Staatsangehöriger.

Die Klägerin begehrt die Scheidung der Ehe aus dem Verschulden des Beklagten. Der Beklagte verhalte sich ihr gegenüber seit längerer Zeit schikanös, beschimpfe sie auch vor den Kindern, nenne sie Schlampe und habe erklärt, sie müsse verschwinden. Er verletze seine Unterhaltspflicht gegenüber ihr und dem gemeinsamen Sohn und habe in letzter Zeit lediglich zwischen S 3.000 und S 3.300 monatlich zur Bestreitung des Unterhalts für die gesamte Familie zur Verfügung gestellt. Der Beklagte habe wichtige Entscheidungen einseitig getroffen, ohne vorher die Meinung der Klägerin einzuholen. So habe er überraschend den Entschluß gefaßt, ein Eigenheim zu bauen. Die Klägerin habe erst im nachhinein erfahren, daß sie nicht Miteigentümerin geworden und ihrer Schwiegermutter ein Wohnrecht eingeräumt worden sei. Der Beklagte habe entgegen dem Wunsch der Klägerin viel Zeit bei seiner Mutter verbracht. Die unbegründete Verweigerung des Geschlechtsverkehrs durch den Beklagten habe jedenfalls zur Zerrüttung der Ehe beigetragen.

Der Beklagte beantragt die Abweisung der Ehescheidungsklage und erhob seinerzeit Widerklage, in der er das Alleinverschulden der Klägerin behauptete. Die Klägerin habe drei Kinder aus einer früheren Beziehung in die Ehe mitgebracht. Sie sei mit der Erziehung ihrer Kinder überfordert gewesen und habe die Kinder mehrfach mißhandelt. Von ihm ausgehende positive Einflüsse habe die Klägerin abgelehnt und ihm gegenüber eine völlig unverständliche Abneigung entwickelt. So habe sie ihn mehrfach mit Schimpfwörtern belegt, bedroht und provoziert. Eine Unterhaltsverletzung sei ihm nicht vorwerfbar, weil er das Haushaltsgeld berechtigterweise gekürzt habe. Die Klägerin habe mit Geld nicht umgehen können. Im übrigen seien mit dem Hausbau beträchtliche Mehrbelastungen einhergegangen, die es erforderlich gemacht hätten, das Haushaltsgeld zu kürzen.

Das Erstgericht schied die Ehe aus gleichteiligem Verschulden der Streitteile. Dabei ging es von folgenden Feststellungen aus:

Nach der Eheschließung ließen die Streitteile über Wunsch des Beklagten die drei vorehelichen Kinder der Klägerin, Lancia (geboren 1973), Daviann (geboren 1977) und Nicolas (geboren 1980), die bis dahin in Jamaika gelebt hatten, nach Österreich kommen. Die fünf Personen lebten in einer Mietwohnung. Der Mietzins betrug monatlich S

3.500. Der Beklagte verdient als Angestellter monatlich ca S 26.680 netto. Die Klägerin war seit der Eheschließung bis auf zwei kurze Ausnahmen Hausfrau. Der Beklagte war damit einverstanden. Für den Einkauf von Lebensmitteln und Bekleidung für sich und die Kinder erhielt die Klägerin vom Beklagten zwischen S 9.000 bis S 11.000 monatlich. Die übrigen Ausgaben bestritt der Beklagte aus seinem Einkommen. Seit 1995 leben nur mehr der voreheliche Sohn der Klägerin Nicolas und der eheliche Sohn Jeremy im ehelichen Haushalt. Die Klägerin hat ihre vorehelichen Kinder über Jahre hinweg geschlagen. Öfters schlug sie auch Jeremy, meist mit festem Klaps auf den Hintern, die Schenkel oder die Hände. Es kam immer wieder vor, daß Jeremy geschwollene Hände hatte. Der Beklagte sprach sich regelmäßig gegen die körperliche Züchtigung der Kinder aus, was die Klägerin jedoch nicht davon abhielt. Der Beklagte gab Jeremy allerdings gleichfalls hin und wieder einen Klaps. Ob er die Kinder sonst schlug, ist nicht feststellbar.

Im Jahr 1990 entschlossen sich die Streitteile, ein Haus zu bauen, in das auch die Mutter des Beklagten einziehen sollte. Die Klägerin sprach sich gegen den Einzug ihrer Schwiegermutter aus. Ursprünglich war vorgesehen gewesen, daß beide Parteien jeweils Hälfteeigentümer dieses Hauses werden würden. Daß der Beklagte dieses Vorhaben aus nicht näher feststellbaren Gründen nicht umgesetzt hatte, erfuhr die Klägerin erst 1993; ebenso vom Wohnrecht ihrer Schwiegermutter. Es ist nicht feststellbar, ob der Beklagte den Bau ohne Mithilfe seiner Mutter finanzieren hätte können. Als die Klägerin von den tatsächlichen Eigentumsverhältnissen erfuhr, forderte sie vom Beklagten ihre Eintragung ins Grundbuch. Trotz einer entsprechenden Zusage hat der Beklagte zur Durchführung nichts unternommen.

Die Streitteile zogen 1992 in das Einfamilienhaus ein. Spätestens seit diesem Zeitpunkt beschimpfen sie sich gegenseitig in massiver Weise, auch ohne vorherige Provokation durch den jeweils anderen Partner. Die Beschimpfungen der Klägerin überwiegen jene des Beklagten nach Art und Umfang. Die Klägerin neigt zur Gewalttätigkeit. Abgesehen von den Schlägen gegen die Kinder versuchte sie im Februar 1997, den Beklagten im Anschluß an einen größeren Streit über die Treppe zu stoßen, was allerdings keinerlei Folgen hatte.

Seit dem Umzug der Parteien beliefen sich die Haushaltsausgaben auf etwa S 25.960 monatlich. Diese Aufwendungen bestritt der Beklagte, der von seiner Mutter monatlich durchschnittlich S 3.000 erhält. Nachdem die Parteien umgezogen waren, reduzierte der Beklagte die Zahlungen an die Klägerin auf ca S 3.000 monatlich.

Seit dem Frühjahr 1994 haben die Parteien nicht mehr geschlechtlich verkehrt. Der Grund hiefür ist nicht feststellbar. Ca ein Jahr nach dem letzten Geschlechtsverkehr verlangte die Klägerin vom Beklagten einen Aids-Test, weil eine Freundin, die der Beklagte vor der Eheschließung gehabt hatte, an Aids gestorben war. Der Beklagte verweigerte diesen Test.

Der Beklagte besucht häufig seine Mutter, was die Klägerin stört. Trotz eines Ersuchens der Klägerin änderte der Beklagte dieses Verhalten nicht.

Der Beklagte hat Probleme mit dem Sohn der Klägerin Nicolas. Diesen Schwierigkeiten steht die Klägerin teilnahmslos gegenüber und vertritt den Standpunkt, dies alles gehe sie nichts an.

Der Beklagte schleuderte zweimal aus Wut die Milchflasche seines Sohnes Jeremy zur Seite. Es war schwierig, mit ihm zu diskutieren. Er pflegte Diskussionswünsche der Klägerin abzubrechen. Einmal manipulierte er an der Hausklingel, so daß Daviann sie nicht benutzen konnte.

Die Klägerin verstellte dem Beklagten mehrmals den Durchgang zwischen zwei Zimmern und nahm dabei eine drohende Haltung ein. Sie wechselte auch eigenmächtig das Fernsehprogramm, das der Beklagte gerade ansah. Der Beklagte wiederum wurde aus nichtigen Gründen zornig. so warf er einmal eine noch halbvolle Schachtel Cornflakes in den Keller, einmal einen Wecken Brot aus dem Fenster. Ein anderes Mal regte sich der Beklagte über einen lockeren Hemdknopf dermaßen auf, daß er fünf Hemden zerriß.

Im Jahr 1995 besuchte die Klägerin Jamaika. Der Beklagte lieh ihr hiefür S 5.000. Für eine entsprechende Reise im Jahr 1996 leistete er keinen Reisekostenzuschuß, obwohl die Klägerin diesmal Jeremy mitnahm. Seit 12. 5. 1997 haben die Parteien getrennte Schlafzimmer. Der Beklagte empfindet die Ehe seit 1993, die Klägerin empfindet sie seit Oktober 1992 zerrüttet. Damals sagte der Beklagte zur Klägerin sinngemäß, sie solle eine Türe im Keller morgens um 6,00 Uhr nicht zuschlagen. Diese Behauptung der Mutter des Beklagten bezeichnete die Klägerin als Lüge, worauf der Beklagte die Klägerin fragte, warum sie nicht einfach ihre Sachen packe, verschwinde und ihn ebenso wie seine Mutter in Frieden lasse.

In rechtlicher Hinsicht beurteilte das Erstgericht die Ehe der Streitteile als unheilbar zerrüttet. Das Schlagen der Kinder gegen den Willen des Ehepartners, die gegenseitigen Beschimpfungen und die unabgesprochenen Entscheidungen seien gegenseitige Eheverfehlungen, die dazu geführt hätten, daß sich die Parteien auseinandergelebt hätten. Ein überwiegendes Verschulden einer der Parteien sei nicht hervorgekommen, weshalb die Ehe aus gleichteiligem Verschulden zu scheiden gewesen sei.

Das Berufungsgericht änderte das Urteil des Erstgerichts im Verschuldensausspruch dahin ab, daß das Verschulden des Beklagten überwiege, und sprach aus, daß die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Es traf folgende abweichende und ergänzende Feststellungen:

Nach dem Umzug der Streitteile kam es vermehrt zu Streitigkeiten, die ihren Ausgangspunkt meistens in "Geldfragen" hatten. Im Zuge solcher Auseinandersetzungen beschimpften sich die Parteien gegenseitig. So betitelte der Beklagte die Klägerin etwa als "gottverfluchte, dumme, blöde, nutzlose Sau" und als "Schlampe, die nur gut zum Fressen, Schlafen und Ficken" sei. Die Klägerin ihrerseits warf dem Beklagten vor, er sei dumm, bei anderen unbeliebt, er werde noch Hundescheiße von der Straße fressen und er habe "a fucking nasty mind". Bei diesen Streitereien pflegte die Klägerin zu schreien, zu weinen und sehr laut zu sprechen. Daß die Beschimpfungen einer der Streitteile nach Art und Umfang überwiegen, ist nicht feststellbar.

Die Klägerin ist immer wieder gegen ihre Kinder handgreiflich geworden und hat sie auch mit Gegenständen (zB Gürtel) geschlagen. Sie war der Ansicht, diese Erziehungsmittel seien notwendig und angemessen, weil sie in ihrer Heimat sogar in Schulen angewandt würden. Der Beklagte hat die Handgreiflichkeiten der Klägerin abgelehnt und versucht, Abhilfe zu schaffen. Die Klägerin ließ sich jedoch nicht auf Dauer davon abhalten. Der Beklagte selbst ist im Rahmen der Ausübung seiner Erziehungsgewalt gleichfalls hin und wieder handgreiflich geworden. So gab er vor allem seinem Sohn Jeremy Klapse und zog ihn an den Haaren. Daß er ihn auf den Kopf geschlagen hätte, ist nicht nachweisbar. Gleichfalls läßt sich nicht feststellen, ob die Klägerin im Jahr 1991 Jeremy im Zuge einer Tätlichkeit so stark verletzt hat, daß dieser ins Krankenhaus gebracht werden mußte.

Nach der Eheschließung war die erste Zeit für beide Streitteile in finanzieller Hinsicht hart, doch herrschte zwischen den Parteien im großen und ganzen Einvernehmen über die Gestaltung der gemeinsamen Lebensführung. Der Beklagte übergab der Klägerin zwischen S 9.000 und S 11.000 monatlich für den Einkauf von Lebensmitteln und Bekleidung für sie selbst und die Kinder. Die übrigen Ausgaben bestritt er aus seinem Einkommen. Die Familienbeihilfe bezog damals der Beklagte. Die Klägerin war über das Einkommen des Beklagten nicht im einzelnen informiert. Allerdings hat sie sich darum auch nicht gekümmert und nicht nachgefragt, weil sie damals Vertrauen zum Beklagten hatte. Nach dem Umzug der Streitteile wurde die finanzielle Situation enger. Im Frühjahr 1992 reduzierte der Beklagte ohne vorherige Absprache mit der Klägerin einseitig das Haushaltsgeld auf monatlich S 3.000 bis S

3.500. Der Beklagte hielt diese Reduktion für gerechtfertigt, weil er den Verdacht hegte, daß die Klägerin mit dem Geld nicht haushalten könne. Die Klägerin war mit dieser Vorgangsweise nicht einverstanden und erklärte, auf dieser Basis nicht weitermachen zu wollen. Sie ersuchte den Beklagten, er solle ihr wenigstens die Familienbeihilfe überlassen. Dieser Bitte kam der Beklagte nicht nach, weil er der Ansicht war, das der Klägerin überlassene Geld reiche für deren Unterhalt und jenen der Kinder aus, weil er selbst die größeren Einkäufe bezahlte. Durch diese Einschränkung des Haushaltsgeldes wurde die Klägerin gezwungen, Geld von ihrer Schwiegermutter, zu der sie kein gutes Verhältnis hat, auszuleihen. Vor 1993 hatte der Beklagte zusätzlich zu den monatlichen Zahlungen zwischen S 12.000 und S 13.000 jährlich zur Anschaffung von Bekleidungsstücken für die ganze Familie ausgegeben. Ab dem Jahr 1993 hat er auch keine Kleiderkäufe mehr finanziert. Er war der Ansicht, daß genügend Kleider vorhanden seien. Für Geburtstage, zu Weihnachten und an Hochzeitstagen hat der Beklagte der Klägerin nicht viel gegeben. Ab dem Jahr 1995 hat er ihr überhaupt nichts mehr geschenkt. Wegen der Einschränkung der finanziellen Mitteln wandte sich die Klägerin schon vor Jahren an das Bezirksgericht Feldkirch. Als Folge davon begab sie sich 1994 zum Finanzamt Feldkirch und erreichte dort, daß ihr ab Mai 1994 die Familienbeihilfe für die Kinder ausgezahlt wurde. Daß die Klägerin nicht haushalten konnte, in finanziellen Dingen ungeschickt war oder einen übertriebenen Lebensaufwand pflegte, läßt sich nicht feststellen. Die vom Kläger einseitig herbeigeführte Reduzierung des Haushaltsgeldes führte zu ständigen Auseinandersetzungen zwischen den Parteien und hatte wesentlichen Einfluß auf die Zerrüttung der Ehe.

Im Rahmen des Hausbaues hatte die Klägerin Kreditverpflichtungen und Haftungen übernommen. Sie wurde aber nicht als Miteigentümerin ins Grundbuch eingetragen. Beim Erwerb des Grundstücks war sie noch nicht österreichische Staatsbürgerin. Ob dieser Umstand eine Eigentumsübertragung gehindert hätte, ist nicht geklärt. Als die Klägerin zufällig herausgefunden hatte, daß sie nicht ins Grundbuch eingetragen war, ersuchte sie den Beklagten, das nachzuholen. Der Beklagte erklärte, das selbst nicht gewußt zu haben, worauf ihn die Klägerin als Lügner bezeichnete. Anläßlich des Erwerbs des Grundstücks hatte der Voreigentümer dem Beklagten erklärt, daß eine Eigentumsübertragung auf die Klägerin als Ausländerin nicht möglich sei. Der Beklagte gab sich damit zufrieden und stellte keine weiteren Erkundigungen an. Auf das 1993 gestellte Ersuchen der Klägerin um nachträgliche Eintragung ins Grundbuch hat der Beklagte nicht reagiert.

Rechtlich meinte das Berufungsgericht, daß bei der Verschuldensabwägung die eigenmächtige Kürzung des Haushaltsgeldes durch den Beklagten entscheidendes Gewicht habe. Beide Parteien seien auch der Ansicht, daß die "Geldfrage" der Hauptgrund für die im Laufe der Jahre zugenommenen Auseinandersetzungen gewesen sei und das Problem entscheidend zur Zerrüttung der Ehe beigetragen habe. Wenngleich der Grund für den Geldmangel im Hausbau gelegen sei, rechtfertige dieser die vom Beklagten gewählte einseitige Vorgangsweise nicht. Durch dieses einseitige Abgehen von der bisher bestandenen Gepflogenheit habe er die Klägerin in eine finanzielle Zwangslage gebracht, die sie genötigt habe, in entwürdigender Weise selbst bei ihrer Schwiegermutter um Geld zu "betteln". Diese "Entmündigung" habe die Klägerin nicht akzeptieren müssen, weshalb das Verhalten des Beklagten Ursache für die immer wieder vorkommenden Auseinandersetzungen und Streitigketien gewesen sei. Der Beklagte habe sich auch nach den anfänglichen Beschwerden der Klägerin nicht bemüht, eine einvernehmliche Regelung herbeizuführen. Vielmehr habe er die Zuwendungen an die Klägerin noch weiter gekürzt und letztlich sogar jegliche Geschenke an die Klägerin eingestellt. Die gegenseitigen Beschimpfungen seien zwar nicht zu entschuldigen, müßten jedoch im Lichte des Geldproblems gesehen werden. Da der Beklagte auch hier mitgewirkt habe, sei kein Übergewicht zugunsten des einen oder anderen Streitteiles zu erblicken. Das Verschulden des Beklagten wiege daher schwerer, wogegen das Mitverschulden der Klägerin demgegenüber eher in den Hintergrund trete. Dies rechtfertige einen Verschuldensausspruch dahin, daß das Verschulden des Beklagten überwiege.

Rechtliche Beurteilung

Die außerordentliche Revision des Beklagten ist im Interesse der Rechtssicherheit zulässig, weil das Berufungsgericht in der einseitigen Gestaltung der finanziellen Lebensverhältnisse durch den Beklagten zu Unrecht einen überwiegenden Schuldfaktor gesehen hat; sie ist auch berechtigt.

Hat der Beklagte - wie hier - Widerklage erhoben und wird die Ehe wegen Verschuldens beider Ehegatten geschieden, so sind beide für schuldig zu erklären; ist das Verschulden des einen Ehegatten erheblich schwerer als das des anderen, so ist zugleich auszusprechen, daß seine Schuld überwiegt (§ 60 Abs 2 EheG). Der Ausspruch des überwiegenden Verschuldens eines Ehegatten setzt voraus, daß das Verschulden dieses Ehegatten erheblich schwerer wiegt und das geringere Verschulden des anderen Teils fast völlig in den Hintergrund tritt; es muß ein sehr erheblicher gradueller Unterschied im beiderseitigen Verschulden bestehen, der offenkundig hervortritt; subtile Abwägungen sind daher nicht vorzunehmen; das Verschulden des Teiles wiegt schwerer, der mit der schuldhaften Zerrüttung der Ehe begonnen und dessen schuldhaftes Verhalten das des anderen Ehegatten nach sich gezogen hat (Gruber in Schwimann, ABGB2 Rz 11 zu § 60 EheG und die dort angeführte Rechtsprechung). Besteht kein Unterschied des beiderseitigen Verschuldens in dem dargelegten Ausmaß, so kann nur ein gleichteiliges Verschulden ausgesprochen werden (Gruber aaO; EFSlg 57.233). Überwiegendes Verschulden ist daher ein erheblich schwereres Verschulden, das grundsätzlich dem Alleinverschulden gleichsteht (Pichler in Rummel, ABGB2 Rz 1 zu § 60 EheG und die dort angeführte Rechtsprechung).

Im vorliegenden Fall tritt das Verschulden der Klägerin gegenüber dem Verschulden des Beklagten nicht fast völlig in den Hintergrund. Die Klägerin zeigte sowohl gegenüber ihren Kindern als auch gegenüber dem Beklagten ein aggressives Verhalten und war auch über Zureden des Beklagten nicht davon abzubringen. Zur Bereinigung der Probleme, die der Beklagte mit ihrem vorehelichen Sohn Nicolas hat, trägt die Klägerin nichts bei, weil sie - unter Mißachtung der Pflicht zur partnerschaftlichen Lösung von Problemen - der Auffassung ist, daß sie das nichts angehe. Die Beschimpfungen gegenüber dem Beklagten können auch angesichts des Umstands, daß der Beklagte die Klägerin in gleicher Weise beschimpft hat, nicht vernachlässigt werden. Schließlich hat die Klägerin auch nicht auf die Bedürfnisse und Interessen des Beklagten Rücksicht genommen. Alle diese Verhaltensweisen wurden vom Beklagten als ehezerstörend empfunden. Eine Unterhaltsverletzung durch den Beklagten geht aus den vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen nicht hervor. Der Beklagte hat allerdings einseitig die Gepflogenheit, der Klägerin einen als Kostgeld bestimmten Betrag zur Bezahlung der notwendigen Einkäufe zu übergeben, dahingehend abgeändert, daß er den Bargeldbetrag reduziert und die größeren Einkäufe zur Befriedigung der Lebensbedürfnisse selbst getätigt hat. Daß er Naturalunterhalt in einer Weise erbracht hat, die mit der Stellung der Klägerin als gleichberechtigter Ehepartnerin nicht vereinbar und entwürdigend war, kann auch angesichts des Umstands, daß die Klägerin danach von ihrer Schwiegermutter Geld leihen mußte, nicht erkannt werden. Dieses einseitige Abgehen von einer einvernehmlich getroffenen Modalität hat jedoch nicht das Gewicht, daß das Verschulden der Klägerin demgegenüber völlig in den Hintergrund treten würde. Auch im Zusammenhalt mit den übrigen Eheverfehlungen des Beklagten, daß er Diskussionen mit der Klägerin abgelehnt hat, gleichfalls gegen die Kinder handgreiflich geworden ist, nicht immer das nötige Verständnis für die Klägerin aufgebracht und sich zu wenig um einen Ausgleich zwischen der Klägerin und seiner Mutter bemüht hat, ergibt sich nicht ein derartiges Überwiegen der Eheverfehlungen des Beklagten, daß man nahezu von einem Alleinverschulden an der Zerrüttung der Ehe sprechen könnte. Schließlich läßt sich auch im Zusammenhang mit der Ablehnung des Aids-Tests durch den Beklagten, den die Klägerin mit der Begründung verlangt hatte, daß die frühere Freundin des Beklagten an Aids gestorben war, keine solche Wertung gewinnen, weil diese Freundschaft des Beklagten in der Zeit vor der Eheschließung, also vor 1973 lag, wogegen die frühere Freundin des Beklagten erst im Jahr 1995 starb.

Somit erweist sich die Rechtsrüge des Beklagten als berechtigt, weshalb die Entscheidung des Erstgerichts einschließlich seiner Kostenentscheidung wiederherzustellen war.

Im Rechtsmittelverfahren ist die Klägerin zur Gänze unterlegen. Sie hat dem Beklagten daher gemäß den §§ 41, 50 ZPO die Kosten dieses Verfahrens zu ersetzen. Da nur mehr das - mit der Klage verfolgte - Verschulden des Beklagten strittig war, beträgt die Bemessungsgrundlage nur S 60.000.

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