Spruch:
1. Der "Nachtrag zur außerordentlichen Revisionsrekursbeantwortung" der Klägers wird zurückgewiesen.
2. Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß die Entscheidung wie folgt zu lauten hat:
"Der Antrag des Klägers, der Beklagten zur Sicherung seines Anspruches auf Unterlassung wettbewerbswidriger Handlungen für die Dauer des Rechtsstreites über das Unterlassungsbegehren im geschäftlichen Verkehr zu verbieten, Korrektionsbrillen zu vertreiben und/oder anzubieten, solange sie nicht im Besitz der dafür erforderlichen Gewerbeberechtigung für das Augenoptikerhandwerk ist, wird abgewiesen.
Der Kläger ist schuldig, der Beklagten die mit S 9.147,60 bestimmten Äußerungskosten (darin S 1.524,60 USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen."
Der Kläger hat die Kosten des Provisorialverfahrens endgültig selbst zu tragen.
Die Kläger ist schuldig, der Beklagten die mit S 25.160,40 bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens (darin S 4.193,40 USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung
Der Kläger ist ein Verein zur Wahrung wirtschaftlicher Unternehmerinteressen, dessen Zweck es vor allem ist, unlauteren Wettbewerb zu bekämpfen. Zu seinen Mitgliedern zählen mehr als 370 Fachgruppen, Gremien und Innungen der österreichischen Wirtschaftskammern; unter ihnen ist die Wiener Landesinnung der Optiker und Hörgeräteakustiker.
Die Beklagte betreibt an mehreren Standorten Warenhäuser. Sie besitzt eine Gewerbeberechtigung für das Handelsgewerbe gemäß § 124 Z 11 GewO 1994 (§ 124 Z 10 GewO 1994 idF GRNov 1997); sie ist jedoch nicht im Besitz einer Gewerbeberechtigung für das Augenoptikergewerbe nach § 94 Z 64 GewO 1994 (§ 94 Z 32 GewO 1994 idF GRNov 1997).
Die Beklagte vertreibt in ihren Warenhäusern auch "Fertiglesebrillen mit asphärischen Kunststoffgläsern", die mit folgenden Hinweisen versehen sind:
"Fertiglesebrille
mit
asphärischen
Kunststoffgläsern
o mehr Qualität
o leichtere Scheiben
höherer
Tragekomfort
ohne Einverständnis
ihres Augenarztes
immer nur kurzzeitig tragen
Erzeugnis ist nickelhältig
und deshalb mit
Allergieschutzbeschichtung versehen"
Die Beklagte bezieht die Fertiglesebrillen in verschiedenen Dioptrieabstufungen aus Deutschland. Die Brillen werden nicht durch einen Augenarzt verordnet oder unter Bedachtnahme auf den Sehfehler des Kunden angepaßt, sondern im Wege der Selbstbedienung vertrieben. Die Brillen kosten inklusive Umsatzsteuer etwa S 158,70. Sie sind damit erheblich billiger als individuell angepaßte Brillen, wie sie bei Optikern erhältlich sind.
Der Kläger begehrt zu Sicherung seines inhaltsgleichen Unterlassungsanspruches, der Beklagten mit einstweiliger Verfügung im geschäftlichen Verkehr zu untersagen, Korrektionsbrillen zu vertreiben und/oder anzubieten, solange sie nicht im Besitz der dafür erforderlichen Gewerbeberechtigung für das Augenoptikerhandwerk ist. Die Fertiglesebrillen seien Korrektionsbrillen, deren Vertrieb gemäß § 94 Z 64, § 96 GewO 1994 den Augenoptikern vorbehalten sei. Die Beklagte besitze keine Gewerbeberechtigung für das Augenoptikergewerbe. Ihr Verstoß gegen die Bestimmungen der Gewerbeordnung sei sittenwidrig im Sinne des § 1 UWG. Nicht passende Korrektionsbrillen könnten sich negativ auf die Gesundheit und das Sehvermögen auswirken.
Die Beklagte beantragt, den Sicherungsantrag abzuweisen. Fertiglesebrillen gefährdeten die Gesundheit nicht. In Deutschland sei der Vertrieb von Fertiglesebrillen ohne Einschränkung gestattet.
§ 96 GewO sei mit dem Gemeinschaftsrecht unvereinbar. Die Regelung schränke den Handel mit Fertiglesebrillen massiv ein, indem der Vertrieb der sehr kleinen Gruppe von Optikern vorbehalten werde. Gerade die Optiker hätten aber kein Interesse, Fertiglesebrillen zu vertreiben. Fertiglesebrillen stünden in Konkurrenz zu den wesentlich teureren, individuell angepaßten Brillen.
Das Erstgericht erließ die einstweilige Verfügung. Fertiglesebrillen seien Korrektionsbrillen, deren Vertrieb den Optikern vorbehalten sei. Mit dem Vertrieb von Fertiglesebrillen verstoße die Beklagte gegen § 96 GewO 1994 und, da sie sich dadurch Aufwendungen erspare und ihre wettbewerbliche Ausgangsposition verbessere, auch gegen § 1 UWG. Der Optikervorbehalt gemäß § 96 GewO 1994 sei eine Verkaufsmodalität und stehe daher nicht im Widerspruch zu Art 30 EGV.
Das Rekursgericht bestätigte die Entscheidung des Erstgerichtes und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000,-- übersteige (§ 500 Abs 2 Z 1, § 526 Abs 3 ZPO idF vor der WGN 1997) und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Die Beklagte ziehe nicht in Zweifel, daß sie mit dem Vertrieb von Fertiglesebrillen gesetzwidrig handelt, wenn § 94 Z 64, § 96 GewO 1994 mit Art 30 EGV vereinbar sind. Dies sei zu bejahen, weil es sich dabei um eine Verkaufsmodalität handle. Die Einschränkung gelte für alle, die Korrektionsbrillen in Verkehr bringen. Sie umfasse unterschiedslos inländische und ausländische Erzeugnisse.
Rechtliche Beurteilung
Der gegen diese Entscheidung gerichtete außerordentliche Revisionsrekurs der Beklagten ist zulässig und berechtigt.
Zu 1:
Der "Nachtrag zur außerordentlichen Revisionsrekursbeantwortung" des Klägers war zurückzuweisen, weil jeder Partei im Rechtsmittelverfahren grundsätzlich nur ein Schriftsatz zusteht ("Einmaligkeit des Rechtsmittels"; s Kodek in Rechberger, ZPO vor § 461 Rz 12 mwN).
Zu 2:
Der erkennende Senat hat mit Beschluß vom 7. Oktober 1997 das Verfahren gemäß § 90a Abs 1 GOG ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften gemäß Art 177 EGV folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:
Steht Art 30 EGV einer Regelung entgegen, welche die Anpassung und Abgabe von Korrektionsbrillen und damit auch den Vertrieb von Fertiglesebrillen Augenoptikern vorbehält, die ihr handwerksmäßiges Gewerbe nur nach Erbringung eines Befähigungsnachweises ausüben dürfen, wenn berücksichtigt wird, daß
a) von Augenoptikern angepaßte Brillen wesentlich teurer sind als Fertiglesebrillen und Augenoptiker daher am Verkauf der von ihnen angepaßten Brillen stärker interessiert sein werden als am Verkauf von Fertiglesebrillen und
b) Fertiglesebrillen (auch) aus dem Ausland kommen, während die von Optikern angepaßten Brillen Teil der inländischen Produktion sind?
Die Vorlagefrage betraf die im vorliegenden Verfahren als Vorfrage für den vom Kläger behaupteten Verstoß gegen § 1 UWG zu beurteilende Frage, ob die Beklagte mit dem Vertrieb von Fertiglesebrillen gesetzwidrig handelt, weil sie zwar eine Gewerbeberechtigung für das Handelsgewerbe gemäß § 124 Z 11 GewO 1994 (§ 124 Z 10 GewO 1994 idF GRNov 1997) besitzt, nicht jedoch im Besitz einer Gewerbeberechtigung für das Augenoptikergewerbe nach § 94 Z 64 GewO 1994 (§ 94 Z 32 GewO 1994 idF GRNov 1997) ist. Diese Vorfrage hat der Verwaltungsgerichtshof am 28. Oktober 1997, Z 97/04/0120, dahin entschieden, daß der bloße Verkauf von Korrektionsbrillen nicht in den Vorbehaltsbereich des Augenoptikergewerbes fällt.
Aufgrund der bindenden Vorfrageentscheidung steht nunmehr fest, daß die Beklagte mit dem Vertrieb von Fertiglesebrillen nicht gesetzwidrig handelt. Damit ist nicht nur die Vorlagefrage gegenstandslos geworden - der erkennende Senat hat das Vorabentscheidungsersuchen mit Beschluß vom 14. Juli 1998 zurückgezogen -, sondern es ist auch der vom Kläger behauptete Verstoß gegen § 1 UWG zu verneinen. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Beklagte gar nicht bezweifelt hat, mit dem Vertrieb von Fertiglesebrillen gesetzwidrig zu handeln. Maßgebend ist die durch die bindende Vorfrageentscheidung des Verwaltungsgerichtshofes geschaffene Rechtslage.
Dem Revisionsrekurs war Folge zu geben.
Die Entscheidung über die Kosten des Klägers beruht auf § 393 Abs 1 EO; jene über die Kosten der Beklagten auf §§ 78, 402 Abs 4 EO iVm §§ 41, 50 ZPO.
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