Spruch:
Dem Rekurs wird Folge gegeben, die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben. Dem Erstgericht wird aufgetragen, nach Verfahrensergänzung eine neuerliche Entscheidung zu fällen.
Die Revisionsrekurskosten bilden weitere Verfahrenskosten erster Instanz.
Text
Begründung
Die gefährdete Partei (im folgenden Klägerin) begehrt vom Gegner der gefährdeten Partei (im folgenden Beklagter), ihrem geschiedenen Ehegatten, zu ***** des Erstgerichtes die Bezahlung eines monatlichen Unterhaltsbeitrages von S 3.000,-- ab 1.10.1996 sowie eines Betrages von S 417.000,-- an Schadenersatz aus Anlaß der Scheidung und an Unterhaltsrückstand. Das größtenteils klagsstattgebende Urteil des Erstgerichtes wurde mit Beschluß des Landesgerichtes Feldkirch als Berufungsgericht vom 16.Juni 1997 zur GZ *****, soweit es nicht hinsichtlich des Zuspruches eines Unterhaltsrückstandes von S 6.000,-- sowie des Zuspruches eines monatlichen Unterhaltsbeitrages von S 1.000,-- ab 1.10.1996 unbekämpft in Rechtskraft erwachsen ist, in seinem übrigen Umfang zur Gänze aufgehoben und die Rechtssache zur ergänzenden Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen. Dem vom Berufungsgericht zugelassenen Rekursen beider Teile gegen diesen Aufhebungsbeschluß wurde zu ***** keine Folge gegeben.
Nach Ergehen der Berufungsentscheidung erhob die Klägerin am 8. September 1997 das Provisorialbegehren, dem Beklagten die Zahlung eines monatlichen Unterhaltsbeitrages von S 3.000,-- ab 1.10.1994 für die Dauer des gegenständlichen Unterhaltsrechtsstreites aufzuerlegen. Dieses Begehren dehnte die Klägerin mit Schriftsatz vom 2.Oktober 1997 auf eine monatliche Unterhaltszahlung von S 5.000,-- ab 1.10.1994 aus. Sie begründete ihr Provisorialbegehren damit, daß sie ohne die begehrte Unterhaltsleistung in der Türkei nicht überleben könne und daß ihr eine entsprechende Beteiligung an den wesentlich besseren Einkommens- und Vermögensverhältnissen des Beklagten in Österreich zustehe. Der Beklagte verdiene monatlich mindestens S 24.000,-- und habe ein zusätzliches Einkommen als Übersetzer.
Der Beklagte beantragte die Abweisung des Provisorialbegehrens. Die Klägerin finde mit einer Rente von fast 2 Mio TL und dem vom Beklagten aufgrund des diesbezüglich in Teilrechtskraft erwachsenen erstgerichtlichen Unterhaltszuspruches von S 1.000,-- ihr Auslangen in der Türkei.
Das Erstgericht sprach der Klägerin den begehrten vorläufigen Unterhaltsbeitrag beginnend mit 8.9.1997 zu und wies das darüber hinausgehende Unterhaltsrückstandsbegehren ab. Es stellte über den zu ***** festgestellten Sachverhalt, auf den, um Wiederholungen zu vermeiden, verwiesen wird, hinaus noch zusätzlich fest, daß die Klägerin über ein monatliches türkisches Renteneinkommen ab April 1997 in Höhe von TL 19,800.000,-- verfügt und daß sie im Jahre 1995 zur Bestreitung ihrer Lebenshaltungskosten und jener des gemeinsamen Sohnes der Streitteile in der Türkei monatlich einen Betrag von TL 10 Mio aufwenden mußte. Dieser Sohn studiert derzeit an der Mittelöstlichen Technischen Universität in Ankara. Rechtlich folgerte das Erstgericht, daß der Zuspruch vorläufiger Unterhaltsbeträge für die Vergangenheit in einem Provisorialverfahren nicht in Betracht komme. Der Beklagte habe während der letzten drei Jahre keinerlei Unterhaltsleistungen an die Klägerin erbracht, weshalb trotz Berücksichtigung des Renteneinkommens der Klägerin von einer Unterhaltsverletzung auszugehen sei. Der Klägerin stünde ein "Bedürftigkeitsunterhalt nach Art 144 türk ZGB" zu. Für dessen Ausmittlung seien die tatsächlichen Lebensverhältnisse und wirtschaftlichen Umstände der Parteien maßgebend. Es sei darauf abzustellen, daß der Klägerin in der Türkei eine Lebensführung ermöglicht werde, die jener des Beklagten in Österreich entspreche und mit den Lebensverhältnissen der Klägerin in der Türkei in Einklang zu bringen sei. Da die Ermittlung all dieser Umstände den Rahmen des Provisorialverfahrens sprengen würde und das türkische materielle Recht ebenso wie das österreichische Unterhaltsrecht keine gesetzlichen Richtlinien für die Bemessung des Unterhaltes enthalte, sei im vorliegenden Fall die in der österreichischen Rechtsprechung entwickelte Prozentsatzmethode als Orientierungshilfe heranzuziehen. Danach stünden einer einkommenslosen unterhaltsberechtigten Ehegattin nach der Ehescheidung 33 % des Nettoeinkommens des Unterhaltspflichtigen zu, wobei für jede weitere Sorgepflicht 4 % in Abzug zu bringen seien. Der Beklagte sei für zwei Söhne sorgepflichtig, sodaß sich der Unterhaltsanspruch der Klägerin auf 25 % des durchschnittlichen Nettoeinkommens des Beklagten belaufe.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Beklagten nur teilweise Folge und sprach der Klägerin für die Monate September und Oktober 1997 über den bereits mit Urteil des Erstgerichtes vom 13.2.1997, GZ *****, rechtskräftig zugesprochenen monatlichen Unterhaltsbeitrag von S 1.000,-- einen weiteren einstweiligen Unterhaltsbetrag von monatlich S 2.000,-- zu und ab 1.10.1997 über den bereits zuerkannten monatlichen Unterhaltsbetrag von S 1.000,-- einen weiteren monatlichen einstweiligen Unterhaltsbetrag von S 3.000,-- zu. Es befristete diese einstweilige Verfügung bis zur rechtskräftigen Erledigung des Unterhaltsverfahrens. Das Mehrbegehren wies es ab. Es erklärte über Antrag gemäß §§ 78 EO, 528 Abs 2a iVm 508 ZPO, daß der ordentliche Revisionsrekurs zulässig ist. Selbst unter Berücksichtigung der monatlichen türkischen Rente im Gegenwert von etwa S 1.800,-- und der Zahlung des Beklagten von monatlich S 1.000,-- aufgrund eines in diesem Punkt in Teilrechtskraft erwachsenen Ersturteiles liege ein darüber hinausgehender Unterhaltsbedarf der Klägerin vor, weil diese mit einem Gesamtbetrag von monatlich ca. S 2.800,-- auch in der Türkei nicht das Auslangen finden könne. Bei der familienrechtlichen einstweiligen Verfügung nach § 382 Z 8 lit a EO handle es sich begrifflich um keine einstweilige Verfügung im Sinne der Exekutionsordnung, weil damit nicht ein Leistungsanspruch gesichert werde, sondern dem Berechtigten einstweiliger Unterhalt zugebilligt werde. Es bestehe daher kein Einwand, daß das Provisorialbegehren jenes des Hauptverfahrens übersteige. Für derartige Regelungsverfügungen sehe das Gesetz nur einen Zusammenhang mit einem Verfahren auf Leistung des Unterhaltes vor. Auch bei Durchsetzung türkischen Rechtes hätten die österreichischen Verfahrensbestimmungen Anwendung zu finden. Der Klägerin stehe daher die begehrte Provisorialmaßnahme zu. Nach dem vom Erstgericht als bescheinigt angenommenen Sachverhalt verdiene ein Lehrer in der Türkei monatlich zwischen S 5.500,-- und S 6.250,--. Das Einkommen des Beklagten in Österreich von monatlich durchschnittlich S 24.000,-- liege etwa im Bereich bzw etwas über den Einkommensverhältnissen eines Lehrers in Österreich. Es erscheine daher angemessen, daß der Klägerin zumindest jener Betrag pro Monat zur Verfügung stehe, den ein Lehrer in der Türkei als Lohn bekäme. Nach Abzug des Schillinggegenwertes der türkischen Rente erscheine es angemessen, dem Beklagten insgesamt eine Unterhaltsverpflichtung von S 4.000,-- aufzuerlegen. Dieser Betrag überspanne auch im Hinblick auf die weiteren Sorgepflichten des Beklagten nicht dessen Leistungsfähigkeit.
Der gegen diese Entscheidung vom Beklagten erhobene Revisionsrekurs ist berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Obwohl vom Rechtsmittelwerber nicht gerügt, war dennoch von Amts wegen aufzugreifen, daß die Klägerin neben dem aufgrund des Urteiles des Erstgerichtes vom 13.2.1997 in Rechtskraft erwachsenen monatlichen Unterhaltsteilbetrag von S 1.000,-- und neben ihrem türkischen Renteneinkommen von fast 20 Mio TL auch aufgrund der Entscheidung des Zivilbezirksgerichtes in Karsiyaka vom 2.12.1992 über einen weiteren Unterhaltstitel verfügt. In diesem Umfang steht - wie bereits in der Begründung zu ***** dargelegt wurde - auch dem Provisorialverfahren das Prozeßhindernis der entschiedenen Sache (res iudicata) entgegen. Die näheren Gründe sind in der letztzitierten Entscheidung dieses Senates ausgeführt. Schon allein deshalb ist die angefochtene Entscheidung als fehlerhaft aufzuheben und dem Erstgericht aufzutragen, zu erheben, welche Schillingbeträge ab Antragstellung aus diesem türkischen Titel vom gegenständlichen Unterhaltsbegehren der Klägerin mitumfaßt sind. In diesem Umfang wäre auch das Provisorialbegehren als unzulässig zurückzuweisen.
Wie ebenfalls in ***** ausgeführt wird, richtet sich der Unterhaltsanspruch der Klägerin nach ihrem Personalstatut, sohin nach türkischem Recht. Seine Durchsetzung in Österreich hat aber ausschließlich nach den österreichischen zivilgerichtlichen Verfahrensvorschriften zu erfolgen (vgl Schwimann in Rummel ABGB2 vor § 1 IPRG Rz 4 und 7 mwN), sodaß die Klägerin im Rahmen der gerichtlichen Geltendmachung des "Geschiedenenunterhaltes" auch berechtigt ist, einen Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung nach § 382 Z 8 lit a EO zu stellen. Daß das Provisorialbegehren jenes des Hauptbegehren übersteigt, widerspricht nicht dem Gesetz, handelt es sich doch bei dieser Art von einstweiliger Verfügung um eine gesetzliche Sonderregelung mit dem Ziel, den Unterhaltsanspruch für die Dauer des Prozeßverfahrens zu regeln. Das Gesetz sieht für eine solche Regelung nur den "Zusammenhang" mit dem Verfahren auf Leistung des Unterhaltes, aber auch nicht mehr vor. Um eine Titelübereinstimmung zu erreichen, wäre, falls die Vorinstanzen zu einem Zuspruch über das Hauptbegehren hinaus kommen sollten, der Klägerin eine Frist zu setzen, innerhalb der sie bei sonstigem Teilanspruchsverlust den Differenzbetrag im Hauptverfahren geltend zu machen hat (§ 391 Abs 2 ZPO).
Zur Ausmittlung des der Klägerin zustehenden Unterhaltsbeitrages darf, um Wiederholungen zu vermeiden, wiederum auf die Ausführungen zu ***** verwiesen werden. Eine Anwendung der österreichischen Prozentrechtsprechung scheidet daher aus, weil die Ermittlung des Unterhaltsanspruches nach türkischem Recht von anderen Kriterien ausgeht. Da die Unterhaltsausmittlung auf den konkreten Einzelfall abstellt, kommt der Frage des Einkommens eines Volksschullehrers in der Türkei keinerlei Relevanz zu. Allerdings wird die Klägerin ihre Lebensumstände (Lebenshaltungskosten) in der Türkei ab Antragstellung durch ihre unter Umständen vorläufig auch schriftlich darzulegende Aussage zu bescheinigen haben. Diesbezüglich fehlen noch Feststellungen über die anspruchsbegründenden Tatsachen. Von dem dann ermittelten Unterhaltsbetrag hätte sich die Klägerin den Schillinggegenwert der von ihr bezogenen Rente von nicht ganz 20 Mio TL, den Schillinggegenwert aus dem Titel des Zivilbezirksgerichtes in Karsiyaka vom 2.12.1992 sowie den in diesem Verfahren ihr zuerkannten Teilunterhalt von monatlich S 1.000,-- in Abzug zu bringen. Für die Ermittlung des Schillinggegenwertes der in türkischer Währung der Klägerin zukommenden Beträge wäre ab Antragstellung der entsprechende Schillinggegenwert etwa in Form einer Bankauskunft für das Provisorialverfahren darzulegen. Kam der Beklagte seiner sich letztlich errechneten Unterhaltsverpflichtung nur teilweise nach, so wäre auch die Gefährdung des Unterhaltsanspruches der Klägerin zu bejahen (vgl MGA EO13 § 382/138 ff).
Der Kostenvorbehalt gründet sich auf die §§ 393, 78, 402 EO und § 52 ZPO.
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