OGH 7Nd505/98

OGH7Nd505/9821.7.1998

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kropfitsch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Niederreiter und Dr.Schalich als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj. Yasmin Y*****, geboren am 9.November 1988, gemäß § 47 JN den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Pflegschaftssache wird dem Bezirksgericht K***** an der K***** übertragen.

Text

Begründung

Die mit Beschluß des Bezirksgerichtes Eisenerz vom 25.7.1989 der Mutter der Minderjährigen übertragene Obsorge über dieses Kind wurde mit rechtskräftigem Beschluß des gleichen Gerichtes vom 21.10.1997 wegen zunehmender Verwahrlosung und Erziehungsschwierigkeiten hinsichtlich der Teilbereiche Pflege und Erziehung der Bezirkshauptmannschaft Leoben-Jugendwohlfahrtsamt übertragen. Nachdem eine Pflegeplatzunterbringung aufgrund unüberbrückbarer Probleme mit 21.5.1997 aufgehoben werden mußte, wurde die Minderjährige ab 5.8.1997 (Einweisungsverfügung vom 26.9.1997) in der Wohngemeinschaft H***** GesmbH in M*****dorf ***** in W***** untergebracht, wo sie sich nach wie vor aufhält. Die Mutter stimmte dieser Maßnahme zu, erklärte aber nach Verbesserung ihres Kontaktes zu ihrer Tochter, die Pflege und Erziehung wieder übernehmen zu wollen. Über den von ihr gestellten Besuchsrechtsantrag wurde bislang noch nicht entschieden. Tatsächlich besuchte die Mutter laut Bericht der Bezirkshauptmannschaft Leoben-Jugendwohlfahrtsamt das Kind nur einmal am 18.3.1998. Zur Frage der Beurlaubung der Minderjährigen nach Hause wurde dabei festgehalten, daß keine präzise Zeitangabe dafür möglich sei, und eine solche nur sinnvoll erscheine, wenn der Kontakt zwischen Mutter und Tochter behutsam aufgebaut und erhalten werde und daß daran erst in den Sommerferien in Form einer ersten Heimfahrt über zwei bis drei Tage zu denken sei. Bei diesem Besuch erklärte die Kindesmutter, in zwei Monaten heiraten zu wollen und zu ihrem zukünftigen Mann nach Wien verziehen zu wollen.

Mit Beschluß vom 24.4.1998 (ON 38) trat das Bezirksgericht E***** die Zuständigkeit zur Besorgung dieser Pflegschaftssache an das Bezirksgericht K***** an der K***** ab. Dieses lehnte mit Beschluß vom 5.6.1998 die Übernahme der Pflegschaft ab. Der Aufenthalt der Minderjährigen in seinem Sprengel sei nur vorübergehender Natur. Für die Übernahme der Pflegschaftssache wäre jedoch eine dauernde Beziehung der Minderjährigen zu ihrem Aufenthaltsort im Sprengel des Bezirksgerichtes K***** an der K***** erforderlich. Solange kein ständiger Aufenthaltsort des Kindes vorliege, läge die vom Gesetz für die Übertragung der Pflegschaftssache geforderte Zweckmäßigkeit nicht vor.

Über Vorlage des Aktes durch das Bezirksgericht E***** war wie folgt zu befinden:

Rechtliche Beurteilung

Entgegen der Auffassung des Bezirksgerichtes K***** an der Krems kann nicht davon gesprochen werden, daß der seit August 1997 andauernde Aufenthalt der Minderjährigen in der Wohngemeinschaft H***** GesmbH nur vorübergehender Natur ist; dies schon deshalb, weil seine alsbaldige Beendigung nicht absehbar ist. Voraussetzung für die Übertragung der Obsorge auf die Mutter wäre, daß die bisher noch immer nicht sehr intensiven Kontakte zwischen ihr und ihrer Tochter so verfestigt werden, daß eine für die Erziehung tragfähige Beziehung wieder möglich ist. Nicht geklärt ist auch, ob die Mutter wieder geheiratet hat oder heiraten wird und ob sich dann deren Lebens- und Wohnverhältnisse für eine Integration der Minderjährigen in der neuen Familie eignen. Bis zu diesem Zeitpunkt werden jedoch nach der Lebenserfahrung eine Reihe von Maßnahmen anfallen, die entweder einer pflegschaftsbehördlichen Überwachung oder einer pflegschaftsbehördlichen Bewilligung bedürfen. Diese Maßnahmen sind vor Ort zweckmäßiger zu treffen. Diese Zweckmäßigkeitsgründe sprechen daher für eine Übernahme des Pflegschaftsverfahrens durch das Bezirksgericht K***** an der K*****. Offene Anträge hindern eine Übertragung der Pflegschaftssache an das Gericht, in dessen Sprengel der Minderjährige seinen Lebensmittelpunkt hat, grundsätzlich nicht. Gerade bei der Einräumung eines Besuchsrechtes ist es zweckmäßiger, daß sich der Pflegschaftsrichter sowohl von der Mutter als auch vom Persönlichkeitszustand der Minderjährigen einen persönlichen Eindruck verschaffen kann.

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