OGH 2Ob152/98m

OGH2Ob152/98m9.7.1998

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Angst als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Niederreiter, Dr.Schinko, Dr.Tittel und Dr.Vogel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Manfred R*****, vertreten durch Dr.Peter Rosenthal, Rechtsanwalt in Salzburg, wider die beklagten Parteien 1.) Michael P*****, und 2.) G*****-AG, ***** vertreten durch Dr.Reinhold Glaser, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen S 94.980,-- sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Berufungsgericht vom 16.Februar 1998, GZ 53 R 7/98f-20, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Salzburg vom 31. Oktober 1997, GZ 15 C 231/97-14, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien die mit S 6.695,04 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 1.115,84 USt) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Am 1.5.1996 gegen 18.45 Uhr ereignete sich im Bereich der Gaisberg-Landesstraße L 108, Straßenkilometer 0,040, ein Verkehrsunfall, an dem der Kläger mit einem Motorrad und der Erstbeklagte mit einem PKW beteiligt waren. Die Zweitbeklagte ist der Haftpflichtversicherer des Erstbeklagten. Die Unfallstelle liegt im Bereich der dreiecksförmig ausgebildeten Kreuzung der Gaisberg-Landesstraße mit der Wolfgangsee-Bundesstraße. Der Kläger näherte sich der Kreuzung von Osten her auf der Wolfgangsee-Bundesstraße und wollte in die Gaisberg-Landesstraße einfahren. Die Gaisberg-Landesstraße beschreibt unmittelbar vor der dreiecksförmigen Kreuzung eine Kurve. In den Kurvenscheitel mündet die vom Kläger benützte Wolfgangsee-Bundesstraße ein. Vor der Einmündung in die Gaisberg-Landesstraße befindet sich für Fahrzeuge mit Fahrtrichtung des Klägers das Vorschriftszeichen "Vorrang geben". Dieses Vorschriftszeichen ist mit keiner Zusatztafel zum bevorrangten Straßenverlauf versehen. Innerhalb des Scheitels der Kurve der Gaisberg-Landesstraße münden in diese links neben der vom Kläger benützten Verbindungsstraße eine Parkplatzausfahrt eines Gasthauses sowie weiter links davon unmittelbar anschließend eine vom Erstbeklagten benützte Privatstraße ein. Kurz nach dem Verkehrszeichen "Vorrang geben" verbreitert sich die vom Kläger benützte Straße stark nach links zur Einmündung der beiden anderen Verkehrsflächen. An deren Einmündungen in die Gaisberg-Landesstraße befinden sich keine den Vorrang betreffende Verkehrszeichen.

Die Kollisionsstelle liegt 1 bis 1 1/2 m innerhalb der Gaisberg-Landesstraße nach Überschreiten der Fluchtlinie der Gaisberg-Landesstraße von der vom Kläger benützten Straße aus. Nach dem Einfahren in die Gaisberg-Landesstraße von der vom Erstbeklagten benützten Privatstraße aus wird die Gaisberg-Landesstraße vom Überschreiten der Fluchtlinie bis zur Kollisionsstelle etwa 12 m in Anspruch genommen.

Der Kläger faßte 1,7 Sekunden vor der Kollision bzw 17 m vor der Kollisionsstelle mit einer Geschwindigkeit von 40 km/h den Entschluß zur Ausführung einer starken Bremsung. Zu diesem Zeitpunkt war der PKW des Erstbeklagten bereits im Begriff, in die Gaisberg-Landesstraße einzufahren. Infolge der gewählten Geschwindigkeit war der Kläger nicht in der Lage, sein Fahrzeug vor der Fluchtlinie der Gaisberg-Landesstraße anzuhalten. Hätte der Kläger 1,7 Sekunden vor der Kollision eine Geschwindigkeit von lediglich 30 km/h eingehalten, hätte er sein Fahrzeug vor Erreichen der Kollisionsstelle anhalten können.

Der Kläger begehrt den Ersatz des Sachschadens am Motorrad von insgesamt S 43.980,-- und ein Schmerzengeld von S 55.000,--. Das Alleinverschulden an dem Unfall treffe den Beklagten, weil dieser aus einer benachrangten Privatausfahrt kommend, ohne auf den Verkehr zu achten, in die Gaisberg-Landesstraße eingefahren und so mit dem von rechts kommenden Fahrzeug des Klägers zusammengestoßen sei.

Die Beklagten beantragen die Abweisung des Klagebegehrens. Das Alleinverschulden an dem Unfall treffe den Kläger, weil dieser beim Einfahren in die Gaisberg-Landesstraße das Vorschriftszeichen "Vorrang geben" mißachtet habe.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Der Kläger sei im Sinne des § 19 Abs 4 StVO wartepflichtig gewesen. Zwar hätten Fahrzeuge, die aus Grundstückseinfahrten oder Parkplätzen kämen, grundsätzlich den Nachrang zu beachten, es sei denn, daß Verkehrszeichen etwas anderes regelten. Das treffe hier im Verhältnis zum Kläger zu. Der Kläger sei durch das uneingeschränkte Vorschriftszeichen "Vorrang geben" auch gegenüber dem Erstbeklagten benachrangt gewesen und hätte diesem die Vorfahrt einräumen müssen. Dies sei ihm nicht möglich gewesen, weil er sich entgegen § 20 StVO mit zu hoher Geschwindigkeit der Kreuzung genähert habe. Er hätte die Pflicht gehabt, sich so dem Beginn der Kreuzung zu nähern, daß er dem gesamten Querverkehr den Vorrang einräumen hätte können.

Das Berufungsgericht bestätigte das Urteil des Erstgerichtes und sprach aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei. Der vom Kläger benützte Straßenast sei mit dem Vorschriftszeichen "Vorrang geben" ohne Zusatztafel nach § 54 Abs 5 lit d oder e StVO ausgestattet. Da an der Einmündung der Parkplatzausfahrt und der Privatstraße in die Gaisberg-Landesstraße keine Vorschriftszeichen nach § 52 Z 3 oder Z 24 StVO aufgestellt seien, habe sich die Wartepflicht des Klägers auf den gesamten Kreuzungsbereich und damit auch auf Verkehrsteilnehmer, die von der Privatstraße in die Gaisberg-Landesstraße einfahren, erstreckt. Daß eine Privatstraße ansonsten gemäß § 19 Abs 6 StVO zu den benachrangten Verkehrsflächen zähle, ändere daran nichts.

Die Revision des Klägers ist nicht berechtigt.

Der Kläger vertritt in seiner Revision die Auffassung, daß für einen Sachverhalt wie den vorliegenden die "Rechtsregel" im Sinne des § 19 Abs 1 StVO anzuwenden sei. Untergeordnete Verkehrsflächen, wie die Privatstraße, den der Erstbeklagte benützt habe, seien zugunsten des fließenden Verkehrs benachrangt. Schließlich treffe den Erstbeklagten auch ein Mitverschulden. Diesen Ausführungen kann nicht gefolgt werden.

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 2 Abs 1 Z 17 StVO ist eine Kreuzung eine Stelle, auf der eine Straße eine andere überschneidet oder in sie einmündet, gleichgültig in welchem Winkel. Zum Kreuzungsbereich gehört zwar - bei Einmündungen - die gesamte innerhalb des Einmündungstrichters liegende Fläche; der Bereich beginnt daher in der Regel dort, wo die durch die Einmündung bedingte Verbreiterung der Straße deutlich sichtbar wird (ZVR 1974/123; ZVR 1985/185; ZVR 1990/155). Die vom Erstbeklagten benützte Privatstraße mündet aber nicht in die vom Kläger benützte Wolfgangsee-Bundesstraße, sondern - weiter westlich von der Einmündung dieser Straße - in die Gaisberg-Landesstraße. Zwischen den Einmündungen der Privatstraße und der Wolfgangsee-Bundesstraße jeweils in die Gaisberg-Landesstraße mündet auch noch die Zufahrt zu einem dort gelegenen Gasthaus in die Gaisberg-Landesstraße. Der Unfall ereignete sich erst, nachdem der Erstbeklagte vom Überschreiten der Fluchtlinie der Gaisberg-Landesstraße 12 m auf dieser gefahren und so zum Einmündungsbereich der Wolfgangsee-Bundesstraße gelangt war. Der allfällige Nachrang der Privatstraße gegenüber der Gaisberg-Landesstraße war demnach nach dem zulässigen Einordnen des Erstbeklagten in den fließenden Verkehr der Gaisberg-Landesstraße bereits beendet (vgl ZVR 1973/25). Gegenüber dem Verkehr auf der Gaisberg-Landesstraße aber war der Kläger als Benützer der einmündenden Wolfgangsee-Bundesstraße durch das Vorschriftszeichen gemäß § 52 Z 23 StVO ("Vorrang geben") im Nachrang. Der Kläger hat daher den Vorrang des Erstbeklagten verletzt. Worin ein Mitverschulden des Erstbeklagten liegen soll, führt die Revision nicht aus. Der Kläger macht darin nur geltend, daß der Erstbeklagte ihm gegenüber wartepflichtig gewesen sei. Das ist jedoch nicht der Fall.

Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 40, 50 ZPO.

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