OGH 14Os77/98-6 (14Os78/98)

OGH14Os77/98-6 (14Os78/98)30.6.1998

Der Oberste Gerichtshof hat am 30. Juni 1998 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Massauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Mayrhofer, Dr. Holzweber, Dr. Ratz und Dr. Philipp als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Köberl als Schriftführer, in den Strafsachen gegen Hermine N***** wegen des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung, AZ 1 b E Vr 1.399/93 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien, und wegen des Vergehens nach § 36 Abs 1 Z 2 WaffG 1986, AZ U 178/95 des Bezirksgerichtes Schwechat über die vom Generalprokurator erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 9. Oktober 1997 (ON 36) sowie einen Vorgang im Verfahren des Bezirksgerichtes Schwechat, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Fabrizy, jedoch in Abwesenheit der Verurteilten zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Es verletzen das Gesetz

1. der Vorgang, daß das Bezirksgericht Schwechat von seinem gemeinsam mit dem Urteil vom 3. November 1995, GZ U 178/95-10, (unter Absehen vom Widerruf) gefaßten Beschluß auf Verlängerung der Probezeit der der Hermine N***** mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 20. Juli 1993, GZ 1 b E Vr 1.399/93-23, gemäß § 43 Abs 1 StGB gewährten bedingten Strafnachsicht nicht unverzüglich diesen Gerichtshof verständigte, in der Bestimmung des § 494 a Abs 7 StPO;

2. der Beschluß des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 9. Oktober 1997, GZ 1 b E Vr 1.399/93-36, mit dem die im Urteil vom 20. Juli 1993 verhängte Freiheitsstrafe endgültig nachgesehen wurde, obwohl infolge der zu 1. erwähnten Verlängerung der Probezeit auf fünf Jahre noch nicht feststand, daß die bedingte Strafnachsicht nicht widerrufen wird, in dem sich aus § 43 Abs 2 StGB iVm §§ 53 und 56 StGB ergebenden Gebot, die endgültige Strafnachsicht erst nach Ablauf der Probezeit auszusprechen.

Text

Gründe:

Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 20. Juli 1993, GZ 1 b E Vr 1.399/93-23, wurde Hermine N***** der Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB und der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB schuldig erkannt und zu einer gemäß § 43 Abs 1 StGB für eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von sechs Wochen verurteilt. Der dagegen erhobenen Berufung der Angeklagten wegen Nichtigkeit, Schuld und Strafe gab das Oberlandesgericht Wien mit Urteil vom 10. Jänner 1994, AZ 22 Bs 518/93 (ON 31), nicht Folge, sodaß das Urteil des Erstgerichtes an diesem Tag in Rechtskraft erwuchs.

Mit Urteil des Bezirksgerichtes Schwechat vom 3. November 1995, GZ U 178/95-10, wurde Hermine N***** des am 3. Feber 1995 (also in der Probezeit) begangenen Vergehens nach § 36 Abs 1 Z 2 WaffG 1986 schuldig erkannt und zu einer Geldstrafe verurteilt. Zugleich faßte das Gericht gemäß § 494 a Abs 1 Z 2 und Abs 6 StPO den Beschluß, vom Widerruf der mit dem oben bezeichneten Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien gewährten bedingten Strafnachsicht abzusehen und verlängerte die Probezeit auf fünf Jahre.

Die in § 494 a Abs 7 StPO vorgeschriebene unverzügliche Verständigung des Landesgerichtes für Strafsachen Wien von der Verlängerung der Probezeit ist unterblieben. Das Bezirksgericht Schwechat ordnete erst am 15. März 1996 nach eingetretener Rechtskraft seiner Entscheidungen mit der Endverfügung (ON 15) die Verständigung des Landesgerichtes für Strafsachen Wien an, welche am 22. März 1996 abgefertigt wurde. Ob diese Verständigung beim erwähnten Gericht auch einlangte, kann aus den Akten nicht festgestellt werden.

Mit rechtskräftigem Beschluß vom 9. Oktober 1997, GZ 1 b E Vr 1.399/93-36, stellte das Landesgericht für Strafsachen Wien - dem Antrag der Staatsanwaltschaft entsprechend - unter Außerachtlassung der jedenfalls aus der Strafregisterauskunft (ON 35) ersichtlichen Entscheidung über die Verlängerung der Probezeit und damit vor deren Ablauf fest, daß die über Hermine N***** verhängte Freiheitsstrafe endgültig nachgesehen ist.

Rechtliche Beurteilung

Dieser Beschluß steht, wie der Generalprokurator mit der deshalb erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes zutreffend aufzeigt, mit dem Gesetz nicht im Einklang. Denn die Bestimmung des § 43 Abs 2 StGB über die endgültige Strafnachsicht setzt voraus, daß die Nachsicht nicht widerrufen wird. Dieses Erfordernis war aber im Zeitpunkt der Beschlußfassung zufolge rechtswirksamer Verlängerung der Probezeit (und der damit verbundenen Möglichkeit des späteren Eintritts eines Widerrufsgrundes) noch nicht gegeben.

Diese Gesetzesverletzung war ersichtlich auch durch die ihrerseits gesetzwidrige Unterlassung des Bezirksgerichtes Schwechat bedingt, das entgegen der Vorschrift des § 494 a Abs 7 StPO dem hievon betroffenen Landesgericht für Strafsachen Wien nicht sogleich seine Entscheidung auf Verlängerung der Probezeit auf fünf Jahre bekanntgegeben hat. Die in dieser Gesetzesstelle normierte Verständigungspflicht soll nämlich sicherstellen, daß das von der neuen Entscheidung betroffene Gericht keine weitere Entscheidungskompetenz in Anspruch nimmt. Dieser Zweck kann aber nur erreicht werden, wenn die Verständigung unmittelbar nach der jeweiligen Entscheidung (ohne Rücksicht auf deren Rechtskraft) vorgenommen wird (12 Os 190, 191/94 uva).

Da sich die aufgezeigte Gesetzesverletzung durch das Bezirksgericht Schwechat und die dadurch mitausgelöste (gesetzwidrige) endgültige Strafnachsicht durch das Landesgericht für Strafsachen Wien noch vor Ablauf der (verlängerten) Probezeit zum Vorteil der Verurteilten auswirkten, muß es insoweit - anders als bei Vorliegen von begrifflichen miteinander völlig unvereinbaren Entscheidungen - mit der Feststellung der Gesetzesverletzungen sein Bewenden haben (12 Os 190,191/94 uva; gegenteilig 11 Os 104,105/97).

Somit bleibt der Beschluß des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 9. Oktober 1997, mit dem die endgültige Nachsicht der Freiheitsstrafe festgestellt wurde, rechtswirksam. Dem Beschluß des Bezirksgerichtes Schwechat auf Verlängerung der Probezeit ist damit allerdings (nachträglich) der Boden entzogen. Dem Bezirksgericht Schwechat wird es obliegen, das Strafregisteramt davon in Kenntnis zu setzen, daß die Verlängerung der Probezeit zufolge der zwischenzeitig (wenn auch irrtümlich) ausgesprochenen endgültigen Strafnachsicht gegenstandslos ist.

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