Spruch:
Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben.
Dem Erstgericht wird aufgetragen, das Edikt der klagenden Partei zuzustellen, gegebenenfalls zur Wahrung ihrer Rechte nach § 116 ZPO vorzugehen.
Text
Begründung
In der Verwahrungsabteilung beim Oberlandesgericht Wien sind zu III HMB 239/64 zwei Sparbücher mit einem Einlagestand per 31.12.1995 in Höhe von je S 93.347,91 der Ersten Österreichischen Sparkasse mit den Nr.1920-77910 (Erlag I) und Nr.1920-77929 (Erlag II) verwahrt, die im Jahre 1964 mit einem Einlagestand von je S 30.000,- im Zuge des Verfahrens 39 Cg 30/64 des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien von der dortigen Klägerin, einer englischen Gesellschaft mit beschränkter Haftung, damals vertreten durch Dr.Hugo Zörnlaib, zugunsten des Erst- und Zweitbeklagten einerseits (Erlag I) und der drittbeklagten Partei andererseits (Erlag II) als aktorische Kautionen erlegt worden sind. In dem genannten Verfahren ist nach dem Tod des damaligen Klagevertreters 1967 eine Unterbrechung des Verfahrens gemäß § 160 Abs 1 ZPO eingetreten; weitere Verfahrensschritte wurden nicht mehr gesetzt, insbesondere wurde das Verfahren nicht fortgesetzt.
Es handelt sich bei den erlegten Sparbüchern um gerichtliche Verwahrnisse iSd BG über die Einziehung gerichtlicher Verwahrnisse (VerwEinzG), BGBl 281/1963 idF Wertgrenzennovelle 1989. Mit Edikt des Erstgerichtes vom 19.9.1996 wurde das Verfahren zur Einziehung dieser Verwahrnisse nach dem VerwEinzG eingeleitet, darin die bevorstehende Einziehung der in Rede stehenden nicht geringwertigen Verwahrnisse verlautbart und in der Wiener Zeitung bekanntgemacht (allerdings ist in der Bekanntmachung nur von einer Einziehung nach § 7 dieses BG und einer Frist von nur 30 Tagen die Rede - und nicht von einer sechsmonatigen Frist gemäß § 12 dieses Gesetzes - und wird als Erleger Dr.Zörnlaib fälschlicherweise als Vertreter des Erst- und Zweitbeklagten bezeichnet).
Über einen innerhalb offener Ediktalfrist gestellten Ausfolgungsantrag des Vertreters des Erst- und Zweitbeklagten entschied das Erstgericht mit Beschluß vom 5.5.1997 in dem genannten Verfahren 39 Cg 30/64 dahingehend, daß das Sparbuch I an den Vertreter des Erst- und Zweitbeklagten ausgefolgt, hingegen das Sparbuch II zugunsten der Republik Österreich eingezogen wird.
Die Finanzprokuratur erhob Rekurs gegen die Ausfolgung an den Erst- und Zweitbeklagten.
Das Rekursgericht erteilte vorerst dem Erstgericht den Auftrag, den angefochtenen Beschluß auch der klagenden Partei und der drittbeklagten Partei zuzustellen.
Letztere erhob hierauf Rekurs gegen die Einziehung des Sparbuches II zugunsten der Republik Österreich und stellte einen Antrag auf Ausfolgung (während des anhängigen Revisionsrekursverfahrens stellte sie auch einen Fortsetzungsantrag betreffend das Verfahren 39 Cg 30/64).
Die zulässigerweise (Art IV lit a Z 3 des öster- reichisch-britischen Rechtshilfeabkommens, BGBl 45/1932; § 31 Abs 1 RHE 1997) per Post verfügte Zustellung an die anwaltlich nun nicht mehr vertretene klagende Partei konnte nicht erfolgen; das Schreiben kam mit dem Vermerk "unbekannt" zurück.
Das Rekursgericht gab sich mit dieser Vorgangsweise zufrieden und erledigte die Rekurse dahingehend, daß es beiden Rekursen stattgab und den erstinstanzlichen Beschluß dahin abänderte, daß es sowohl den Ausfolgungsantrag des Vertreters des Erst- und Zweitbeklagten als auch den "Ausfolgungsantrag" (richtigerweise Einziehungsantrag) der Republik Österreich abwies; den ordentlichen Revisionsrekurs an den Obersten Gerichtshof ließ es nicht zu.
Es meinte in rechtlicher Hinsicht, daß das Verfahren, in dem die Prozeßkostensicherheit von der klagenden Partei erlegt worden sei, gemäß § 160 Abs 1 ZPO (Tod des Rechtsanwaltes) unterbrochen sei. Dies berühre die Streitanhängigkeit nicht, doch seien offensichtlich keine Schritte unternommen worden, um die Aufnahme des Verfahrens nach § 160 Abs 2 ZPO zu bewirken. Eine Verfügung über den Erlag bzw dessen Einziehung zugunsten des Bundes sei im derzeitigen Stadium des Verfahrens noch nicht zulässig. Der Antrag des Vertreters des Erst- und Zweitbeklagten auf Ausfolgung der Sicherheitsleistung sei unberechtigt, verfügten doch diese über keinen Exekutionstitel. Über den im Rekurs der drittbeklagten Partei gegen die Einziehung durch den Bund auch enthaltenen Ausfolgungsantrag werde das Erstgericht zu entscheiden haben.
Dagegen richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der Republik Österreich mit dem Antrag, dem Beschluß des Rekursgerichtes dahin abzuändern, daß beide Verwahrnisse zugunsten der Republik Österreich eingezogen würden. Zur als erheblich anzusehenden Rechtsfrage, ob die Streitanhängigkeit des Prozesses, in welchem die Sicherheitsleistung erfolgt ist, die Einziehung hindere, fehle oberstgerichtliche Rechtsprechung; diese Frage sei aber für den Vollzug des VerwEinzG von grundsätzlicher Bedeutung.
Das Rekursgericht gehe offenbar davon aus, daß die Einziehung deshalb unzulässig sei, weil das Verfahren, in welchem die Erläge vorgenommen worden seien, seit 13.6.1967 gemäß § 160 Abs 1 ZPO unterbrochen, damit noch streitanhängig sei und deshalb auch noch nicht über die Sicherheitsleistungen verfügt werden könne. Zwar gehe das Rekursgericht zu Recht davon aus, daß eine Ausfolgung der Sparbücher an die Beklagten nicht zulässig sei, weil infolge der Unterbrechung des Verfahrens kein Kostentitel vorliege, der Voraussetzung für einen Zugriff auf die Prozeßkostensicherheit sei. Nicht richtig sei aber, daß aus dem Umstand, daß über die Sicherheitsleistung im noch anhängigen Verfahren nicht verfügt werden könne, auch eine Einziehung unzulässig wäre. Das Rekursgericht übersehe dabei, daß sich die Voraussetzungen für die Einziehung ausschließlich nach dem VerwEinzG richteten. Gemäß § 4 leg cit seien Verwahrnisse, die nicht geringwertig seien, für den Bund einzuziehen, wenn sie während dreißig Jahren nicht ausgefolgt würden. Das Einziehungsverfahren werde durch Ediktierung der bevorstehenden Einziehung eingeleitet, wobei das Edikt auch die Bekanntmachung zu enthalten habe, daß Ausfolgungsansprüche binnen sechs Monaten geltend gemacht werden könnten. Einzige Voraussetzung für die Einziehung zugunsten des Bundes sei, daß die dreißigjährige Einziehungsfrist abgelaufen sei und daß innerhalb der sechsmonatigen Ediktalfrist niemand gerechtfertigt Ausfolgungsansprüche gestellt habe. Beide Voraussetzungen seien hier erfüllt. Die Erläge seien bereits im Jahre 1964 erfolgt, sodaß die Einziehungsfrist zum Zeitpunkt der Einleitung des Einziehungsverfahrens bereits abgelaufen gewesen sei. Die Ausfolgungsansprüche sowohl des Erst- und des Zweitbeklagten als auch der drittbeklagten Partei seien daher zu Recht zu verneinen. Die beiden Sparbücher seien richtigerweise zugunsten des Bundes einzuziehen.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist aus dem vom Revisionsrekurswerber genannten Grund zulässig.
Aus Anlaß dieses zulässigen Rechtsmittels sind die Entscheidungen der Vorinstanzen zu beheben. Die Entscheidung ist noch nicht spruchreif.
Das Edikt ist - im Gegensatz zu Verfahren zur Einziehung geringwertiger Verwahrnisse, wonach möglichen Ausfolgungsanspruchswerbern das Edikt nur zuzustellen ist, soweit dem Gericht die Anschrift dieser Personen bekannt ist (§ 8 Abs 3 VerwEinzG) - bei nicht geringfügigen Verwahrnissen dem Erleger und den nach der Aktenlage möglicherweise berechtigten Ausfolgungswerbern zuzustellen. Sie sollen durch die Zustellung des Edikts auf die bevorstehende Einziehung aufmerksam gemacht werden (§ 12 Abs 2 VerwEinzG). Für Personen, denen das Edikt zuzustellen ist, beginnt die Frist für die Geltendmachung der Ansprüche erst mit der Zustellung (§ 12 Abs 3 VerwEinzG).
Zu den Personen, denen das Edikt zuzustellen ist, gehört expressis verbis auch der Erleger; dies ist vorliegendenfalls die klagende Partei. Dieser wurde das Edikt aber nicht ordnungsgemäß zugestellt. Da der Vertreter der klagenden Partei verstorben ist, wodurch das Verfahren seit 1967 unterbrochen und nicht mehr fortgesetzt wurde, wurde das Edikt der klagenden Partei an ihre damalige Adresse zuzustellen versucht, was aber nicht gelang; es kam mit dem Vermerk "Empfänger unbekannt" zurück. Das reicht für eine ordnungsgemäße Zustellung nicht aus.
Das Erstgericht wird daher zu versuchen haben zu erheben, ob die klagende Partei, eine englische Gesellschaft mit beschränkter Haftung, noch existiert und wo sie nunmehr ihren Sitz hat; sollten diese Erhebungen zu keinem Ergebnis führen, wird nach § 116 ZPO vorzugehen sein, um auch der Erlegerin die Möglichkeit zur Wahrung ihrer Rechte zu geben: Im vorliegenden Fall binnen sechs Monaten einen Ausfolgungsantrag zu stellen und gegebenenfalls Rechtsmittel gemäß § 15 VerwEinzG zu erheben.
Erst danach kann über die Ausfolgungsanträge bzw der Einziehungsanträge des Bundes entschieden werden.
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