OGH 11Os34/98

OGH11Os34/9823.6.1998

Der Oberste Gerichtshof hat am 23.Juni 1998 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kuch als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Ebner, Dr.Schmucker, Dr.Habl und Dr.Zehetner als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Kofler als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Helmut I***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens der Untreue nach § 153 Abs 1 und Abs 2 zweiter Fall StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Heinrich M***** sowie die Berufung des Angeklagten Helmut I***** gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 14.August 1997, GZ 5 Vr 610/95-65, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten M***** wird teilweise Folge gegeben, das angefochtene Urteil - das im übrigen unberührt bleibt - teils demgemäß (Punkt A des Urteilssatzes), teils gemäß § 290 Abs 1 StPO hinsichtlich des Angeklagten I***** (Punkt B III des Urteilssatzes) im Ausspruch, durch die Tat sei ein 500.000 S übersteigender Schaden herbeigeführt worden und in der darauf beruhenden rechtlichen Beurteilung der diesen Angeklagten weiterhin als Vergehen der Untreue nach § 153 Abs 1 StGB (Helmut I***** als Beitragstäter nach § 12 dritter Fall StGB) zur Last liegenden Tat auch als Verbrechen der Untreue nach § 153 Abs 2 StGB und demzufolge in den diesen Angeklagten betreffenden Strafaussprüchen sowie dem Zuspruch an die Privatbeteiligte A*****-Bank AG aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten M***** im übrigen wird zurückgewiesen.

Auf die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten I***** war keine Rücksicht zu nehmen.

Mit ihren Berufungen werden die Angeklagten auf diese Entscheidung verwiesen.

Den Angeklagten M***** und I***** fallen auch die auf den erfolglos gebliebenen Teil ihres Rechtsmittels entfallenden Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch in Rechtskraft erwachsene Teilfreisprüche der Angeklagten Heinrich M***** und Helmut I***** sowie den ebenfalls in Rechtskraft erwachsenen Schuldspruch des Angeklagten Rudolf L***** enthält, wurden (A) Heinrich M***** des Verbrechens der Untreue nach § 153 Abs 1 und 2 zweiter Deliktsfall, "14 Abs 1" StGB, (B) Helmut I***** der Verbrechen (II) des gewerbsmäßigen schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 3, teilweise auch §§ 147 Abs 1 Z 1, 148 zweiter Deliktsfall StGB und (III) der Untreue nach § 153 Abs 1 und 2 zweiter Deliktsfall, 12 dritter Fall StGB, (IV) der Veruntreuung nach § 133 Abs 1 und 2 zweiter Deliktsfall StGB sowie der Vergehen (I 1 und 2) der fahrlässigen Krida nach § 159 Abs 1 Z 1 und 2 StGB sowie (V) nach § 114 Abs 1 ASVG und (C) Rudolf L***** des (richtig): der Vergehen der fahrlässigen Krida nach § 159 Abs 1 Z 1 und 2 StGB schuldig erkannt.

Nach dem für das Rechtsmittelverfahren relevanten Teil des Schuldspruchs hat

(zu A) Heinrich M***** in Leibnitz die ihm in seiner Eigenschaft als Geschäftsstellenleiter der A*****-Bank AG, somit durch Rechtsgeschäft, nämlich Arbeitsvertrag, eingeräumte Befugnis über fremdes Vermögen zu verfügen, dadurch wissentlich mißbraucht und der A*****-Bank AG einen insgesamt 500.000 S übersteigenden Vermögensnachteil zugefügt, daß er unter Mißachtung der von der A*****-Bank AG in seiner Dienstanweisung ab 1.Jänner 1994 festgelegten Sorgfaltspflichten bei der Vergabe von Krediten auf Grund von Helmut I***** vorgelegter Kreditanträge nachstehende, von ihm ohne Identitätsnachweis bewilligte Kreditauszahlungen an Helmut I***** vornahm, und zwar

am 16.März 1994 120.000 S,

am 16.März 1994 240.000 S,

am 17.März 1994 261.000 S,

am 29.März 1994 233.500 S,

am 14.April 1994 254.000 S,

am 14.April 1994 230.000 S,

am 28.April 1994 210.000 S,

am 28.April 1994 230.000 S und

am 9.Mai 1994 310.000 S,

somit Auszahlungen im Gesamtbetrag von 2,088.500 S;

(zu B III) Helmut I***** in Leibnitz in der Zeit vom 16.März bis 9. Mai 1994 zur Untreuehandlung des Heinrich M***** dadurch beigetragen, daß er Heinrich M***** gefälschte Kreditanträge über einen Betrag von 2,088.500 S ohne Identitätsnachweis zum Abschluß, zur Bewilligung und zur Auszahlung der Kreditsumme durch die A*****-Bank AG vorlegte.

Dagegen richten sich die auf die Z 5 und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten M***** sowie die (nicht ausgeführte) Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten I*****.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten

I*****:

Rechtliche Beurteilung

Nach Urteilsverkündung und Rechtsmittelbelehrung durch den Vorsitzenden am 14.August 1997 erbat sich der Angeklagte zunächst drei Tage Bedenkzeit und meldete sodann in einem von seinem Verteidiger am 14.August 1997 zur Post gegebenen Schriftsatz Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung an (ON 66/III). Nach Zustellung einer Urteilsausfertigung brachte er fristgerecht nur das Rechtsmittel der Berufung ein, die Nichtigkeitsbeschwerde wurde hingegen nicht ausgeführt (ON 69/III). Da der Angeklagte I***** bei der Anmeldung der Nichtigkeitsbeschwerde keinen der in § 281 Abs 1 Z 1 bis 11 StPO angegebenen Gründe deutlich und bestimmt bezeichnet und dieses Rechtsmittel in der Folge auch nicht ausgeführt hat, der Vorsitzende des Schöffengerichtes hinwieder die Zurückweisung dieser Nichtigkeitsbeschwerde unterlassen hat (§§ 285 a Z 2, 285 b Abs 1 StPO), war auf die Beschwerde keine Rücksicht zu nehmen (§ 285 Abs 1 StPO).

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten

M*****:

Als berechtigt erweist sich die Mängelrüge (Z 5), mit der der Beschwerdeführer die unzureichende Begründung hinsichtlich der Annahme des auf einen Betrag von 2,088.500 S bezogenen Schädigungsvorsatzes (US 32) moniert.

Vorauszuschicken ist, daß die Frage, ob ein Vermögensnachteil eintritt, bei der Untreue durch einen Vergleich der Vermögenslage vor und nach dem Befugnis- mißbrauch im Weg der Gesamtsaldierung zu ermitteln ist (Leukauf/Steininger Komm3 RN 28, Kienapfel BT II3 RN 72). Dabei könnte nur ein gleichzeitig mit dem durch den Befugnismißbrauch hervorgerufenen Vermögensschaden entstandener Vermögensvorteil schadensmindernd wirken. Eine - wenngleich auch von den Tätern vorweg miteingeplante - fortlaufende Schadensreduktion wirkt sich hingegen nicht in Ansehung der Deliktsverwirklichung schadensmindernd aus (Kienapfel aaO RN 73), zumal der durch die Untreue hervorgerufene Vermögensnachteil kein dauernder sein muß (abermals Leukauf/Steininger aaO RN 28; Kienapfel aaO RN 70). Eine derartige Schadensgutmachung könnte sich allerdings als Milderungsgrund auswirken, sofern sie nicht ihrerseits durch eine strafbare Handlung bewirkt wurde (15 Os 18/97).

Zwar basiert der Schuldspruch des Erstgerichtes auf den in den Kreditverträgen angeführten Nettosummen (S 313/I ff), allerdings hält es in den Entscheidungsgründen fest, daß nach den Angaben des Angeklagten M***** mit den ausgezahlten Kreditsummen bereits längst fällige und anstehende Rückstände des Helmut I***** bei der A*****-Bank "etwa auch beglichen wurden" und die durch die Kreditauszahlungen des Angeklagten M***** erfolgte Neuverschuldung des Helmut I***** bei der A*****-Bank AG "einerseits dazu diente, bestehende, bereits längst fällige Altschulden zumindest teilweise abzudecken (Loch auf-Loch zu-Methode) und andererseits den insolventen Geschäftsbetrieb des Helmut I***** aufrechtzuerhalten" (US 48).

Sollte der Beschwerdeführer tatsächlich in diesem Sinn (siehe auch seine Verantwortung S 395/II) die Verwendung eines Teils der von ihm gewährten Kreditsummen uno actu zur Abdeckung der bereits bestehenden Verbindlichkeiten des Angeklagten I***** bei der A*****-Bank AG veranlaßt haben und nur darüber hinausgehende Teilbeträge an den Kreditnehmer ausbezahlt haben, würde eben jener erstgenannte Betrag - allenfalls auch die Wertgrenze des § 153 Abs 2 StGB berührend - schadensmindernd wirken. Mangels Objektivierung dieser Frage war der Schuldspruch in dem - allerdings den Grundtatbestand des Vergehens des § 153 Abs 1 StGB nicht tangierenden - Umfang - bezüglich des Mitangeklagten I***** von Amts wegen gemäß § 290 Abs 1 StPO - aufzuheben und insoweit die Verfahrenserneuerung anzuordnen (§ 285 e StPO).

Indem der Beschwerdeführer in seiner Rechtsrüge (Z 9 lit a) - lediglich auf den Regelungszweck des seit 1.Jänner 1994 geltenden § 40 BWG und der darauf beruhenden Dienstanweisung der A*****-Bank abstellend - das Vorliegen eines Rechtswidrigkeitszusammenhanges (bzw Risikozusammenhanges) zwischen dem Normeninhalt dieser Vorschrift und dem deliktischen Verhalten des Angeklagten bestreitet und daraus den Mangel des Tatbestandes abzuleiten sucht, negiert er (entgegen den Verfahrensvorschriften) die getroffenen Urteilsfeststellungen in ihrer Gesamtheit, daß der Befugnismißbrauch und die pflichtwidrigen Kreditbewilligungen bzw -auszahlungen (auch) in der mangelnden Bonitätsprüfung der (vorgeblichen) Kreditnehmer (die naturgemäß bei Nichtüberprüfung deren Identität nicht erfolgen konnte) im Gewähren nicht rückführbarer Kredite lag (US 31 und 32, 47). Dieses Begehren läßt somit die prozeßordnungsgemäße Ausführung des materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrundes missen, weil es nicht den gesamten objektiven und subjektiven Urteilssachverhalt mit dem darauf angewendeten Gesetz vergleicht und nachweist, daß das Schöffengericht bei Beurteilung dieses Tatsachensubstrates einem Rechtsirrtum unterlegen sei (Mayerhofer StPO4 § 281 E 26, 30, 44; § 281 Z 9 lit a E 5). Zusätzlich übergeht die Beschwerde mit der Behauptung, die Dienstanweisung vom 28.Dezember 1993 (Beilage A zum HV-Protokoll ON 64/II) vollziehe lediglich die Bestimmungen des § 40 BWG, die anderslautenden Urteilsfeststellungen, wonach die in der Dienst- bzw Arbeitsanweisung durch Hinweis auf §§ 39 und 40 BWG angeordnete Legitimationsprüfung der Kreditnehmer nicht nur im Fall der Geldwäscherei gilt, sondern eine grundsätzliche Sorgfaltsverpflichtung zur Begrenzung des bankgeschäftlichen Risikos darstellt, die bei jeder Anknüpfung einer dauernden Geschäftsbeziehung wie Kontoeröffnung oder Kreditgewährung zu beachten ist und vom Angeklagten auch in diesem Sinn verstanden worden ist (US 45 und 46). Ebenso weicht sie mit der Behauptung, hinsichtlich der Kreditauszahlung vom 16.März 1994 im Betrag von 120.000 S mangle es jedenfalls an der Tatbestandsmäßigkeit, da die Überprüfung der Identität eines Bankkunden erst bei einem Bankgeschäft mit einem Volumen von mehr als 200.000 S verpflichtend sei, von den obzitierten Urteilsfeststellungen in ihrer Gesamtheit, wonach sich die Identitäts- und Bonitätsprüfung auf alle im Zeitraum des Schuldspruchs genannten Kredite bezog, ab (wiederum US 30 ff, 45 ff). Damit erübrigt sich aber ein weiteres Eingehen auf die Ausführungen der Rechtsrüge, inwieweit "sich aus der Diktion des § 40 BWG die ausschließliche Zielsetzung im Hinblick auf die Bekämpfung und Aufklärung von Transaktionen im Zusammenhang mit der Geldwäscherei ergebe".

Insofern die Beschwerde das Vorliegen der subjektiven Tatseite zum Zeitpunkt der jeweiligen Kreditgewährung in Abrede zu stellen sucht, orientiert sie sich gleichfalls nicht am Urteilssachverhalt; die zur Deckung der Behauptungen herangezogenen Urteilszitate betreffen nicht das diesem Schuldspruchfaktum zugrundeliegende Tatsachensubstrat.

Mit dem Vorwurf unzureichender Feststellungen des Ersturteils dahingehend, daß eine Identitätskontrolle der Kreditnehmer auch mit Hilfe der vorgelegten Typenscheine möglich gewesen wäre, bleibt die Beschwerde - insofern von aktenfremden Grundlagen ausgehend - völlig unsubstantiiert, weshalb auch damit eine Ausrichtung an den Verfahrensvorschriften verfehlt wird.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher, soweit sie sich gegen den Schuldspruch wegen des Grundtatbestandes der Untreue wendet, schon bei der nichtöffentlichen Sitzung zurückzuweisen (§ 285 d Abs 1 StPO). Durch die Teilaufhebung des Urteils (auch im Strafausspruch) ist den Berufungen der Angeklagten der Boden entzogen.

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