OGH 10ObS222/98i

OGH10ObS222/98i23.6.1998

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Bauer als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Ehmayr und Hon.Prof.Dr.Danzl als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Dr.Michael Braun und Dr.Reinhard Drössler (beide aus dem Kreis der Arbeitgeber) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Hermann U*****, vertreten durch Dr.Wolfgang Hochsteger, Dr.Dieter Perz und Dr.Georg Wallner, Rechtsanwälte in Hallein, gegen die beklagte Partei Allgemeine Unfallversicherungsanstalt, 1200 Wien, Adalbert Stifter-Straße 65, vertreten durch Dr.Vera Kremslehner, Dr.Josef Milchram und Dr.Anton Ehm, Rechtsanwälte in Wien, wegen Versehrtenrente, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 24.März 1998, GZ 12 Rs 50/98d-25, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 18.September 1997, GZ 19 Cgs 158/95s-22, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger hat die Kosten seines Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger war am 27.4.1995 auf Grund mehrerer Gewerbeberechtigungen, insbesondere betreffend den Handel mit Automaten, nach dem GSVG pflichtversichert. Zur Ausübung dieses Gewerbes war er u.a. geschäftsführender Gesellschafter der Firma Freizeittechnik U***** GesmbH, welche sich mit der Vermietung von Automaten in Österreich samt Kundendienst befaßt. Bereits 1990 hatte der Kläger in Ungarn ein später verkauftes Unternehmen gegründet, welches er jedoch neben seiner Handelstätigkeit so wie auch andere Unternehmen beim Einkauf, Verkauf und bei der Aufstellung von Automaten berät. Zur Ausübung dieser Geschäftstätigkeiten befindet sich der Kläger alle vierzehn Tage in Ungarn. Da es immer wieder vorkam, daß der Kläger Automaten dorthin lieferte, diese im Zollfreilager standen und sich schließlich herausstellte, daß die Abnehmerkunden in Ungarn zahlungsunfähig waren, sodaß solche Geräte mit erheblichem Aufwand wieder nach Österreich zurücktransportiert werden mußten, kam es im Dezember 1994 zum Zweck der Unterstützung der Geschäftstätigkeit in Ungarn zur Gründung der Firma P***** HandelsgesmbH mit Sitz in Budapest. Seither werden die für Ungarn bestimmten Automaten an diese Firma geliefert und vom ungarischen Kunden direkt von dieser gekauft. Der Kläger ist zu 52 % Gesellschafter der Firma P***** HandelsgesmbH (die übrigen Anteile werden von ungarischen Gesellschaftern gehalten) und weiters auch Geschäftsführer dieser Gesellschaft.

Im April 1995 beabsichtigte der Kläger, in Budapest für die Firma P***** HandelsgesmbH ein Büro anzumieten. Zu diesem Zwecke wollte er am 27.4.1995 die hiefür in Aussicht genommenen Räumlichkeiten besichtigen. Hiebei mußten er und die ihn begleitende Verfügungsberechtigte über diese Räume feststellen, daß die Eingangstüre aufgebrochen war und sich in der Wohnung noch Einbrecher aufhielten. Einer der Einbrecher bedrohte den Kläger mit einer Pistole; bei der Flucht der Einbrecher lösten sich im Handgemenge mehrere Schüsse, von denen einer den Kläger im Bereich des rechten Gesäßes und des rechten Oberschenkels traf.

Der Kläger war bis 5.6.1995 arbeitsunfähig. Bis zum 6.6.1995 betrug seine unfallsbedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit 20 %, danach weniger als 10 %.

Mit Bescheid vom 12.9.1995 sprach die beklagte Partei aus, daß dieser Unfall vom 27.4.1995 nicht als Arbeitsunfall anerkannt werde, und lehnte die Erbringung von Leistungen aus Anlaß dieses Unfalles ab.

Mit seiner Klage stellte der Kläger das (später präzisierte) Begehren, die beklagte Partei schuldig zu erkennen, ihm zur Abgeltung der Folgen dieses Unfalles eine Versehrtenrente im gesetzlichen Ausmaß zu gewähren. Inhalt der Geschäftstätigkeit der P***** GesmbH sei ausschließlich die Förderung der Geschäftstätigkeit der Freizeit U***** GesmbH gewesen, so daß er auch bei Anmietung von Räumen für die ungarische Gesellschaft in Wahrheit im Interesse des österreichischen Unternehmens gehandelt habe; die Besichtigung der für die Anmietung in Aussicht genommenen Räume in Budapest sei daher seiner selbständigen Erwerbstätigkeit im Rahmen der Freizeittechnik U***** GesmbH zuzurechnen.

Das Erstgericht verurteilte die beklagte Partei, dem Kläger wegen der Folgen des Arbeitsunfalles vom 27.4.1995 ab dem 6.6.1995 bis 5.12.1995 eine 20 %ige Versehrtenrente zu gewähren; die Abweisung eines Mehrbegehrens über diesen Zeitraum hinaus wurde zwar spruchmäßig unterlassen, ergibt sich jedoch aus dem Inhalt der Entscheidungsgründe und blieb im übrigen seitens des Klägers unbekämpft, sodaß hierauf nicht weiter einzugehen ist.

Das Erstgericht vertrat im Rahmen seiner rechtlichen Beurteilung die Auffassung, daß sich bei selbständigen Erwerbstätigen der Schutz der Unfallversicherung auf jene Tätigkeit, die unmittelbar der Aufrechterhaltung, Förderung oder Abwicklung der selbständigen Existenz diene, erstrecke; im gegebenen Fall habe die Anmietung des Büros unmittelbar der Aufrechterhaltung bzw Förderung der selbständigen Existenz des Klägers als Verkäufer von Automaten gedient. Da die Firma P***** HandelsgesmbH lediglich gegründet worden sei, um die Geschäftstätigkeit des Klägers in Ungarn zu erleichtern bzw zu ermöglichen, sei von einer Beschäftigung im Inland und damit vom Unfallversicherungsschutz für das Schadensereignis auszugehen.

Das Berufungsgericht gab der von der beklagten Partei erhobenen Berufung Folge und änderte das angefochtene Urteil im Sinne einer Klageabweisung ab. Es vertrat - rechtlich - die Ansicht, daß die Firma P***** HandelsgesmbH mit Sitz in Budapest nicht Mitglied einer Kammer der gewerblichen Wirtschaft in Österreich sei, weshalb der Kläger in seiner Funktion als geschäftsführender Gesellschafter dieses Unternehmens in Österreich auch nicht sozialversichert gewesen sei. Der Kläger sei zum Unfallszeitpunkt auch nicht im Rahmen seiner österreichischen Gewerbeberechtigung für einen seiner Betriebe in Österreich tätig gewesen, sodaß keine Beschäftigung im Inland im Sinne des § 3 ASVG vorgelegen sei. Der Umstand, daß die Firma P***** HandelsgesmbH lediglich deshalb gegründet worden sei, um die Geschäftstätigkeit des Klägers in Ungarn zu erleichtern bzw zu ermöglichen, vermöge mangels Vorliegens einer inländischen Beschäftigung den Versicherungsschutz ebensowenig zu begründen wie ganz allgemein allfällige mittelbare positive Auswirkungen durch die Geschäftstätigkeit der genannten Firma auf den unternehmerischen Erfolg des Klägers in Österreich.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die auf den Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gestützte Revision des Klägers mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne einer Klagestattgebung abzuändern; hilfsweise wird auch ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die beklagte Partei hat eine Revisionsbeantwortung erstattet.

Die Revision ist gemäß § 46 Abs 3 ASGG auch ohne Vorliegen der besonderen Voraussetzungen des Abs 1 leg cit zulässig, jedoch nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Die oben wiedergegebene rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichtes ist zutreffend, sodaß gemäß § 510 Abs 3 zweiter Satz ZPO grundsätzlich hierauf verwiesen werden kann. Ergänzend ist den Ausführungen des Revisionswerbers im Rahmen seiner Rechtsrüge noch folgendes entgegenzuhalten:

Die Behauptung des Klägers in der Revision, daß seine (nach seiner Auffassung unfallversicherungsgeschützte) Tätigkeit in Budapest am 27.4.1995 nicht für die dort ansässige Firma P***** HandelsgesmbH, sondern für die in Österreich ansässige Firma Freizeittechnik U***** GesmbH ausgeübt wurde, steht insoweit mit den Feststellungen der Vorinstanzen nicht in Einklang: Danach beabsichtigte der Kläger nämlich am Unfalltag, nicht für die zweitgenannte (österreichische) Gesellschaft, sondern für die erstgenannte (ungarische) Gesellschaft mit Sitz in Budapest, deren Mehrheitsgesellschafter und Geschäftsführer er jedenfalls damals war, ein Büro ebenfalls in Budapest anzumieten; bei dieser Besichtigung (und nicht etwa im Rahmen der Ausübung einer Geschäftstätigkeit zB Veräußerung von Automaten an ungarische Kunden der österreichischen Firma, allenfalls unter Beiziehung und Vermittlung der ungarischen GmbH) wurde er von Einbrechern bedroht und auf der Flucht derselben angeschossen. Der Unfallversicherungsschutz des Klägers bestand auf Grund seiner beruflichen Tätigkeit als selbständig Erwerbstätiger im Rahmen der österreichischen Gesellschaften. Ob die in Frage stehende Tätigkeit (Besichtigung von für eine Anmietung in Frage kommender Büroräumlichkeiten) dem Unfallversicherungsschutz unterlag, ist nicht eine Frage des Territorialitätsprinzips, sondern des Schutzbereiches der Unfallversicherung, der der Kläger damals in Österreich unterlag.

Unstrittig ist die P***** GesmbH nicht Mitglied der (österreichischen) Wirtschaftskammer, vielmehr gilt dies nur für die (Mutter)Gesellschaft Freizeittechnik U***** GesmbH mit Sitz in Österreich. Auf die gesellschaftliche Art der Verbindung dieser beiden Gesellschaften (vgl hiezu etwa Reich-Rohrwig, Österr. GmbH-Recht, Band I2, Rz 3/78) oder die Unterscheidung unmittelbare-mittelbare Tochterunternehmen (Reich-Rohrwig, aaO Rz 3/383) kommt es dabei zufolge Beurteilung des vorliegenden Sachverhaltes ausschließlich nach sozialversicherungsrechtlichen Gesichtspunkten nicht an. Daß die (ausschließlich aus wirtschaftlich - ökonomischen Gründen erfolgte) Gründung der P***** GesmbH nur im Zusammenhang mit der Verlegung von Teilen der Geschäftstätigkeit der österreichischen Gesellschaft ins Ausland erfolgte, vermochte daher den Unfall nicht zu einem in Österreich unfallversicherungsgeschützten zu machen; der Kläger war nämlich zum Zeitpunkt des Unfallgeschehens gerade nicht Selbständiger mit österreichischem Wohn- und Betriebssitz, dessen Berufstätigkeit ihn ins Ausland führte (Tomandl aaO 301), sondern Selbständiger mit österreichischem Wohn-, jedoch (bezogen auf die Firma P***** HandelsgesmbH) ausländischem Betriebssitz. Wie erwähnt, erfolgte das Unfallereignis nicht im Zusammenhang mit einer Geschäftstätigkeit für die inländische Firma, sondern im Zusammenhang mit einem Besichtigungsvorgang zur Anmietung von Räumlichkeiten für die ausländische Gesellschaft. Zwar ist unter Umständen auch die bloße Förderung von Geschäftsinteressen des eigenen Unternehmens (der inländischen Gesellschaft) vom Unfallversicherungsschutz umfaßt (vgl SSV-NF 6/21); eine solche Förderung scheidet aber nach Auffassung des Senates dann aus, wenn eine Tätigkeit entwickelt wurde, die unmittelbar im Interesse eines anderen (hier: ausländischen) Unternehmens lag, auch wenn dadurch mittelbar allenfalls die Geschäftstätigkeit des inländischen Unternehmens gefördert werden sollte. Auch ein Fall der Ausnahmetatbestände des § 3 Abs 2 ASVG ("Ausstrahlungsprinzip") liegt damit nicht vor und wird ein solcher auch vom Kläger selbst gar nicht ins Treffen geführt.

Damit hat aber der Kläger zum Unfallszeitpunkt für ein ausländisches Unternehmen im Ausland eine Tätigkeit verrichtet; daß es sich hiebei um ein Tochterunternehmen für ein österreichisches Mutterunternehmen handelt, welches geschaffen wurde, um deren Geschäftstätigkeit im Ausland (insbesondere kostenminimierend) zu erleichtern, ist somit nicht wesentlich, weil es eben ausschließlich darauf ankommt, ob zum Zeitpunkt des Unfalles eine Beschäftigung im Sinne des § 3 Abs 1 ASVG im Inland gegeben war, was aber - wie vom Berufungsgericht zutreffend erkannt - zu verneinen ist, sodaß der Kläger in dieser Funktion auch nicht unfallversicherungsgeschützt war. Das Berufungsgericht hat sohin das auf Leistungen hieraus gestützte Klagebegehren zutreffend abgewiesen. Da die Unterlassung einer damit gemäß § 82 Abs 5 ASGG gebotenen Entscheidung über das eingeschlossene Eventualbegehren (auf Feststellung) nach dieser Gesetzesstelle vom Kläger nicht als Verfahrensmangel gerügt wurde, kann dies vom Obersten Gerichtshof nicht mehr nachgeholt werden (SSV-NF 5/37, 5/93, 6/76, 7/111).

Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG.

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