OGH 15Os86/98

OGH15Os86/9818.6.1998

Der Oberste Gerichtshof hat am 18.Juni 1998 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Reisenleitner als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag.Strieder, Dr.Schmucker, Dr.Zehetner und Dr.Ratz als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Kolarz als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Enes S***** wegen des teils im Stadium des Versuches verbliebenen Verbrechens nach § 28 Abs 2 SMG und § 15 StGB sowie einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 19.Februar 1998, GZ 4 b Vr 186/98-31, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

1. Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

2. Aus deren Anlaß wird jedoch gemäß § 290 Abs 1 (§ 285 e) StPO das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, in der rechtlichen Unterstellung der dem Angeklagten unter A 2. angelasteten Tat als in der Entwicklungsstufe des Versuches (§ 15 StGB) (ebenfalls) begangenen Verbrechens nach § 28 Abs 2 SMG sowie im gesamten Strafausspruch (mit Ausnahme jenes nach § 26 Abs 1 StGB) aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

3. Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf die kassatorische Entscheidung verwiesen.

4. Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die durch seine erfolglos gebliebene Nichtigkeitsbeschwerde verursachten Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Enes S***** des "teils vollendeten, teils versuchten" Verbrechens nach § 28 Abs 2 SMG und § 15 StGB (A.) sowie der Fälschung besonders geschützter Urkunden nach §§ 223 Abs 2, 224 StGB, teils § 12 StGB (B.) schuldig erkannt.

Danach hat er - soweit für das Nichtigkeitsverfahren von Relevanz - in Wien

zu A. den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgift in einer großen Menge in Verkehr gesetzt bzw in Verkehr zu setzen versucht, indem er

1. in der Zeit von Ende April 1997 bis zuletzt am 14.Mai 1997 dem gesondert verfolgten Zoran S***** insgesamt 58,5 Gramm Kokain verkaufte;

2. bis zum 18.November 1997 insgesamt 10,2 Gramm Heroin und 8,3 Gramm Kokain zum Zwecke des Verkaufs bereithielt.

Gegen diese Schuldspruchsfakten richtet sich die auf die Z 4, 5 und 5 a des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, der jedoch keine Berechtigung zukommt.

Rechtliche Beurteilung

Die Verfahrensrüge (Z 4) wendet sich gegen die Abweisung des Beweisantrages auf Einholung eines Sachverständigengutachtens über den Reinheitsgehalt sowohl des Heroins als auch des Kokains zum Beweise dafür, daß die "Grenzmenge" nicht überschritten worden sei; indes zu Unrecht.

Im Hinblick auf die im abweisenden Beschluß genannten Umstände, nämlich die vom gesondert verfolgten Zoran Sa***** nach dem Kauf vorgenommenen Vermischung und Streckung des bei ihm in der Folge sichergestellten Kokains und unter weiterer Berücksichtigung der Angaben Sa*****s über den an den Angeklagten bezahlten Preis hätte es jedenfalls auch der Anführung jener besonderen Umstände bedurft, kraft deren im konkreten Fall das angestrebte Beweisergebnis durch ein Sachverständigengutachten dennoch zu erzielen sei (Mayerhofer StPO4 § 281 Z 4 E 83, vgl auch E 90); die (unrealistische) Möglichkeit einer Separierung des Gemisches in die ursprünglichen Quanten wurde gar nicht behauptet. Betreffend die an Zoran Sa***** weitergegebene Kokainmenge (A.1.) war der beantragte Beweis somit nicht zielführend; demnach betraf - ausgehend von einem Überschreiten der Grenzmenge bereits zu diesem Teil des Schuldspruchs der Beweisantrag, soweit er auch die Suchtgiftmengen zu Faktum A.2. betrifft, keine entscheidungswesentliche Tatsache mehr, weil die diesbezüglichen Tathandlungen ebenfalls dem § 28 Abs 2 SMG, § 15 StGB unterstellt wurden.

Darauf, daß - aus anderen Erwägungen - eine solche Untersuchung dennoch erforderlich sein wird, wird noch in untenstehenden Ausführungen zum Vorgang nach § 290 StPO zurückgekommen werden.

Die vermengt ausgeführten Mängel- und Tatsachenrügen (Z 5 und 5 a) vermögen weder formelle Begründungsmängel noch erhebliche, sich aus den Akten ergebende Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Schuldspruch zugrundeliegenden entscheidenden Tatsachenfeststellungen aufzuzeigen, sondern versuchen nach Art einer im Nichtigkeitsverfahren gegen schöffengerichtliche Urteile unzulässigen Schuldberufung die tatrichterlichen Konstatierungen dadurch in Zweifel zu ziehen, daß spekulativ selbst Beweiswerterwägungen angestellt und das Übergehen angeblich bedeutsamer Widersprüchlichkeiten in den Zeugenaussagen behauptet wird.

Die Tatrichter haben jedoch - unter Berücksichtigung des Gebotes zur gedrängten Darstellung der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) - die entscheidenden Tatsachen bezeichnet und schlüssig und zureichend begründet, warum sie von der Richtigkeit dieser Annahmen überzeugt sind, ohne dagegensprechende wesentliche Umstände mit Stillschweigen zu übergehen. Daß aus diesen formell einwandfrei ermittelten Prämissen für den Angeklagten allenfalls auch günstigere Schlußfolgerungen möglich gewesen wären, sich die Erkenntnisrichter aber dennoch für die dem Angeklagten ungünstigeren entschieden haben, ist ein mit Nichtigkeitsbeschwerde unanfechtbarer Akt der freien richterlichen Beweiswürdigung, gegen deren Ergebnisse auch keine erheblichen Bedenken bestehen.

Soweit sich der Beschwerdeführer dagegen wendet, daß das Erstgericht in seiner Beweiswürdigung ausführt, "bei einem Kaufpreis von 1.000 S pro Gramm dürfte es sich zumindest um mittlere Qualität gehandelt haben" (US 11), ist ihm zuzugeben, daß dieser Satz - für sich allein betrachtet - in seiner sprachlichen Form tatsächlich nur eine Vermutung darstellt. Es hätte besser eine andere Formulierung gewählt werden sollen. Der Angeklagte seinerseits übergeht jedoch die unmittelbar anschließenden Deduktionen über die faktische Untunlichkeit einer (tatsächlich vorgenommenen) weiteren Streckung bei unterdurchschnittlicher Qualität des Ausgangsproduktes. Die Verwendung einer Formulierung der beanstandeten Art begründet dann keine Nichtigkeit nach § 281 Abs 1 Z 5 StPO, wenn eine darüber hinausgehende (mängelfreie) Begründung geboten wird (Mayerhofer aaO § 270 E 88 b).

Der Vollständigkeit halber sei darauf hingewiesen, daß die Frage, ob ein Teil des Kokains verkauft oder auf andere Weise - durch Verschenken - in Verkehr gesetzt wurde, keine den Schuldspruch betreffende entscheidende Tatsache berührt.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher schon bei einer nichtöffentlichen Beratung zurückzuweisen (§ 285 d StPO).

Anläßlich der Überprüfung des Urteils hat sich allerdings gezeigt, daß der Schuldspruch zu Punkt A.2. mit einer - von keiner Prozeßpartei geltend gemachten - materiell- rechtlichen Nichtigkeit behaftet ist. Die dem Angeklagten hier vorgeworfenen Tathandlungen - das Bereithalten der genann- ten Suchtgiftmengen - wird ihm nämlich im Urteil ebenfalls als ein (im Stadium des Versuchs gebliebenes) Verbrechen nach § 28 Abs 2 SMG angelastet, doch läßt das Urteil ein über das bloße "Bereithalten" des Suchtgiftes hinausgehende Feststellung vermissen, aus welcher sich bereits eine Ausführungsnähe der Tat und sohin ein Versuchsstadium des Verbrechens nach § 28 Abs 2 SMG erkennen ließe - worauf das Erstgericht selbst hinweist (US 12) - (vgl EvBl 1997/143, 1994/78 ua). Dieser Feststellungsmangel begründet eine Nichtigkeit im Sinn der Z 10 des § 281 Abs 1 StPO; auch unter Zugrundelegung der erstgerichtlichen Konstatierungen (des bloßen Bereithaltens) ist eine Entscheidung durch den Obersten Gerichtshof in der Sache selbst (§ 288 Abs 2 Z 3 StPO) in Richtung einer rechtlichen Unterstellung dieser Tat unter das Vergehen nach § 28 Abs 1 SMG nicht möglich; ist doch bei gesonderter Beurteilung dieses Vorwurfes das zusätzlich (zu A.1.) auch hier bestehende Erfordernis der großen Suchtgiftmenge von - wie hier aktuell - je brutto 10,2 Gramm Heroin und 8,3 Gramm Kokain nicht mit einer für einen Schuldspruch der in Rede stehenden Art erforderlichen Deutlichkeit festgestellt.

Da somit in diesem Punkt die Durchführung einer neuen Hauptverhandlung unumgänglich ist, war das angefochtene Urteil, welches im übrigen unberührt zu bleiben hatte, von Amts wegen in der rechtlichen Unterstellung dieses Punktes des Schuldspruches und demgemäß auch im gesamten Strafausspruch (ausschließlich des Einziehungserkenntnisses zum Urkundendelikt) bereits bei der nichtöffentlichen Beratung aufzuheben, die Sache insoweit zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen sowie der Angeklagte mit seiner Berufung auf die kassatorische Entscheidung zu verweisen (§§ 290, 285 e StPO).

Im erneuerten Verfahren wird das Erstgericht demnach allenfalls ergänzende Feststellungen zur Ausführungsnähe des Verbrechens nach § 28 Abs 2 SMG, sollte sich eine solche aber nicht ergeben, jedenfalls Konstatierungen zur (reinen) Suchtgiftmenge laut Faktum A.2. zu treffen haben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.

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