OGH 13Os61/98

OGH13Os61/9817.6.1998

Der Oberste Gerichtshof hat am 17.Juni 1998 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Brustbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Markel, Dr.Schmucker, Dr.Habl und Dr.Ratz als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Maschl als Schriftführerin in der Strafsache gegen Johann Georg R***** und eine andere Angeklagte wegen des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Johann Georg R***** sowie über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes Krems an der Donau als Schöffengericht vom 3.Februar 1998, GZ 16 Vr 575/97-30, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr.Weiss, der Angeklagten Johann Georg R***** und Agnes R***** und des Verteidigers Dr.Ofner zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft wird teilweise Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im freisprechenden Teil und demgemäß auch im Strafausspruch aufgehoben und gemäß § 288 Abs 1 Z 3 StPO im Umfang der Aufhebung in der Sache selbst erkannt:

Johann Georg R***** und Agnes R***** sind schuldig, sie haben am 12. Februar 1997 in Traunstein mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern versucht, Maria H***** unter Vortäuschung, sie habe für die von ihr angekaufte Bettwäsche zum Kaufpreis von 2.000 S lediglich 200 S bezahlt, zur nochmaligen Übergabe von 2.000 S zu verleiten, wodurch Maria H***** am Vermögen geschädigt werden sollte; wobei Georg R***** den Betrug in der Absicht begangen hat, sich durch dessen wiederkehrende Begehung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen.

Johann Georg R***** hat hiedurch das Verbrechen des versuchten gewerbsmäßigen Betruges nach §§ 15, 146, 148 erster Fall StGB, Agnes R***** das Vergehen des versuchten Betruges nach §§ 15, 146 StGB begangen.

Sie werden hiefür sowie für die aufrecht gebliebenen Schuldsprüche (Johann Georg R***** wegen der Verbrechen des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB und des gewerbsmäßigen Diebstahls nach §§ 127, 130 erster Strafsatz StGB, Agnes R***** wegen des Vergehens des Diebstahls nach § 127 StGB)

Johann Georg R***** nach §§ 28, 142 Abs 1 StGB zu

3 1/2 (dreieinhalb) Jahren Freiheitsstrafe,

Agnes R***** nach §§ 28, 127 StGB zu

5 (fünf) Monaten Freiheitsstrafe

verurteilt.

Gemäß § 43 StGB wird bei Agnes R***** die Strafe unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen.

Der Ausspruch über die Vorhaftanrechnung bei Johann Georg R***** wird aus dem angefochtenen Urteil übernommen.

Im übrigen werden die Nichtigkeitsbeschwerden verworfen.

Die Staatsanwaltschaft und Johann Georg R***** werden mit ihren Berufungen auf die Entscheidung über die Strafneubemessung verwiesen.

Gemäß § 390 a StPO fallen den Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Das Schöffengericht erkannte Johann Georg R***** der Verbrechen des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB (I.) und des gewerbsmäßigen Diebstahls nach §§ 127, 130 erster Fall StGB (II.1.), seine Gattin Agnes R***** des Vergehens des Diebstahls nach § 127 StGB (II.2.) schuldig, sprach beide jedoch gemäß § 259 Z 3 StPO von der weiteren Anklage, am 12. Februar 1997 in Traunstein mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz gewerbsmäßig Maria H***** durch Täuschung über Tatsachen, nämlich durch Vortäuschung, sie habe für die von ihr angekaufte Bettwäsche zum Kaufpreis von 2.000 S lediglich 200 S bezahlt, zur nochmaligen Übergabe von 2.000 S verleitet und nach Rückgabe von 200 S (an sie) um 1.800 S am Vermögen geschädigt zu haben, frei (III. der Anklageschrift ON 19).

Nach den Schuldsprüchen hat der Erstangeklagte mit unrechtmäßigem Bereicherungsvorsatz am 1.August 1997 einer 85-jährigen Frau mit Gewalt, nämlich, indem er ihr ein Papiersäckchen aus den Händen riß, 10.000 S weggenommen (I.) sowie (nur er) gewerbsmäßig am 2.Juli 1997 einer knapp 85-jährigen 5.000 S und im Zusammenwirken mit der Zweitangeklagten, seiner Gattin, einen inzwischen verstorbenen Mann 10.000 S weggenommen (II.1.), welcher Diebstahl dieser ohne weitere Qualifikation angelastet wurde (II.2.).

Die von der Staatsanwaltschaft auf § 281 Abs 1 Z 5 und 9 lit a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde wendet sich gegen den Freispruchsteil sowie die Ablehnung der Annahme gewerbsmäßigen Handelns der Zweitangeklagten, jene aus § 281 Abs 1 Z 5 a und 10 StPO des Erstangeklagten gegen den Schuldspruch zu II.1.b und die Subsumtion als Raubverbrechen zu I. des Schuldspruchs.

Davon ist nur jene der Staatsanwaltschaft teilweise im Recht.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Erstangeklagten:

Rechtliche Beurteilung

Die Tatsachenrüge (Z 5 a) moniert, den Feststellungen zu II.1.b läge weder eine Zeugenaussage des (am 7.November 1997 verstorbenen, ON 23) Opfers in der Hauptverhandlung noch eine solche vor der Gendarmerie, sondern lediglich deren Erhebungsbericht zugrunde, der zur Täterschaft nur eine Hypothese der Ermittlungsbehörden enthalte.

Demgegenüber ergibt sich aus der Aktenlage, daß das Opfer etwa sechs Stunden nach der Tat von der Gendarmerie befragt wurde und seine Angaben im Erhebungsbericht festgehalten wurden (S 221, 269 f in ON 17). Die Anfertigung einer Niederschrift mußte jedoch wegen seines schlechten Gesundheitszustandes unterbleiben (S 209, 269; siehe auch 273). Der die "Vorgangsweise der Verdächtigen" beschreibende Bericht, der die entscheidungsrelevanten Umstände enthält und Basis deren Konstatierung war, gibt somit das wieder, was das Opfer, das die Angeklagten auf Fotos identifizierte (S 273), geschildert hat. Es beschrieb dabei unter anderem, daß es den Verdächtigen möglich war, den Aufbewahrungsort des Geldes zu beobachten, dessen Diebstahl von ihm sehr bald danach (Eintreffen der Täter vor dem Haus gegen 12 Uhr, Entdeckung des Fehlens des Geldes gegen 13,45 Uhr) bemerkt worden war. Den Erhebungen über den Verdacht einer strafbaren Handlung entsprechend ist der Berichtsteil über jene Umstände, die das Opfer nicht selbst unmittelbar beobachten konnte, im Konjunktiv gehalten, weil er keine Wahrnehmungen des Bestohlenen, sondern dessen Vermutungen wiedergibt.

Dieser Bericht wurde als amtliches Schriftstück, in dem Aussagen eines Zeugen festgehalten worden sind, gemäß § 252 Abs 1 Z 1 StPO in der Hauptverhandlung verlesen (S 401). Auch unter Berücksichtigung der die Tat bestreitenden Verantwortung der Angeklagten ergeben sich daraus keine erheblichen Bedenken gegen die dem diesbezüglichen Schuldspruch zugrundeliegenden Tatsachenfeststellungen des Schöffengerichtes; dies umsoweniger, als der Bericht das Gelegenheitsverhältnis der Angeklagten zum Diebstahl dokumentiert und in der Hauptverhandlung nichts vorgebracht worden ist, was Zweifel daran aufkommen hätte lassen, daß der verlesene Bericht die Angaben des Opfers enthält und auch Anträge in diese Richtung nicht gestellt worden sind (nochmals S 401).

Die Subsumtionsrüge (Z 10) des Erstangeklagten behauptet, sein Vorgehen zu I. (Entreißen eines Papiersäckchens mit Geld) stelle keine Gewalt gegen eine Person dar, weswegen es richtigerweise als Diebstahl zu beurteilen wäre.

Nach den Urteilsfeststellungen (Mayerhofer StPO4 § 281 Z 10 E 9 a, § 285 a E 61) entriß der Beschwerdeführer seinem am 5.Oktober 1912 geborenen Opfer ein Papiersackerl mit insgesamt ca 65.000 S. Dieses hielt das Papiersäckchen ganz fest (krampfhaft, sh dazu US 22) in der Hand und wehrte sich dabei so stark, daß dieses zerriß, bevor es dem Beschwerdeführer gelang, es dem Opfer zu entreißen, wobei er es nicht nur ernstlich für möglich hielt und sich damit abfand, durch das gewaltsame Entreißen in den Besitz von 10.000 S zu kommen, sondern es ihm geradezu darauf ankam, seinem Opfer das Geld durch Gewaltanwendung wegzunehmen (US 8 f, 15). Die Wegnahme des Papiersäckchens samt Inhalt erfolgte somit unter gewaltsamer Brechung des widerstrebenden Willens des Opfers, welcher sich im krampfhaften Festhalten des Papiersäckchens dokumentierte. Dadurch wurde der Einsatz körperlicher Kraft des Angeklagten, insbesondere ein gewaltsames Zerren am festgehaltenen Papiersäckchen erforderlich (US 23).

Gewalt ist die Anwendung nicht unerheblicher physischer Kraft zur Überwindung eines wirklichen oder auch nur erwarteten Widerstandes. Dies ist nach objektiv-individualisierenden Kriterien zu prüfen. Dabei sind auch Alter und körperlicher Zustand des Opfers einzubeziehen (Leukauf-Steininger, Komm3 § 142 RN 6).

Räuberische Gewalt muß keineswegs immer in einer unmittelbaren Einwirkung auf den Körper des Opfers selbst bestehen. Beim Entreißen eines Gegenstandes kommt es lediglich darauf an, ob die Wegnahme unter gewaltsamer Ausschaltung oder Überwindung des widerstrebenden Behauptungswillens der - wenn auch fallweise überraschend - angegriffenen Person durch Einsatz körperlicher Kraft des Täters unternommen wurde. Auch ein gewaltsames Zerren an der vom Angegriffenen festgehaltenen Sache oder einmaliges Reißen daran kann (unter Umständen und nach Lage des Falles) genügen. Diebstahl liegt demgegenüber vor, wenn der Zugriff so unversehens erfolgte, daß das Opfer einen Behauptungswillen und daher einen Widerstandsentschluß gar nicht fassen konnte (Mayerhofer/Rieder, StGB4 E 9, 10 und 44; Leukauf-Steininger aaO RN 21; Zipf in WK, Rz 13 ff, 52; Kienapfel BT II3 Rz 26, 39 bis 42).

Gewalt gegen eine Person zum Zweck der Sachwegnahme im Sinn von § 142 StGB wird schon dann ausgeübt, wenn sie tatplangemäß jedenfalls dazu dient, den Attackierten am Schutz der in seinem Gewahrsam stehenden Sachen vor einem Zugriff Unbefugter zu hindern (15 Os 152/89).

Diesen rechtlichen Erwägungen entsprechend (die in gleicher Weise auch von den in der Beschwerde zitierten Entscheidungen hervorgehoben werden) ist dem Tatgericht, legt man den festgestellten Sachverhalt zugrunde, bei der rechtlichen Beurteilung der Tat des Angeklagten zu II. des Schuldspruches kein Fehler unterlaufen, weswegen auch die Subsumtionsrüge scheitern muß.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft:

Der zur Nichtannahme der Qualifikation der Gewerbsmäßigkeit beim Diebstahl der Zweitangeklagten geltend gemachte formelle Begründungsmangel (Z 5) liegt nicht vor. Auch wenn eine Straftat von zwei Tätern "als gut eingespieltes und sich ohne weitere Worte verständigendes Team" begangen wird (US 11), steht hiezu die Feststellung, nur einer der beiden habe gewerbsmäßig gehandelt, nicht in Widerspruch. Entscheidend für die Annahme gewerbsmäßiger Tatbegehung ist allein die Absicht des Täters, sich selbst (unmittelbar aus der Tat oder mittelbar auf dem Umweg über einen Dritten, immer als eine unmittelbare wirtschaftliche Folge der Tat) eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen. Es genügt nicht, daß er dies für einen Dritten anstrebt (Leukauf-Steininger aaO § 70 RN 6 a).

Nach den Urteilsfeststellungen hat der Erstangeklagte seine wiederholten Straftaten zwar auch zur Verbesserung der finanziellen Situation seiner Familie begangen (US 11, 13). Die tatrichterliche Annahme, die nur fallweise an seinen Straftaten mitwirkende Gattin habe es nicht darauf angelegt, auch sich selbst durch wiederkehrende Begehung von Straftaten ein fortlaufendes Einkommen zu verschaffen, ist jedoch keineswegs denkgesetzwidrig. Die Mängelrüge verfehlt damit ihr Ziel.

Hingegen ist die Rechtsrüge (Z 9 lit a) gegen den Teilfreispruch der beiden Angeklagten berechtigt. Nach den unbedenklichen Feststellungen der Tatrichter hat das Opfer in diesem Fall den Trickbetrugsversuch der Angeklagten durchschaut. Der Vermögensschaden (durch nochmalige Übergabe von 2.000 S für bereits bezahlte Ware) war nicht auf die mißlungene Täuschung, sondern festgestelltermaßen nur auf dessen Angst vor den Angeklagten zurückzuführen (US 12, 13). Rechtlich zog das Erstgericht daraus den richtigen Schluß, daß mangels Gelingens der Täuschung lediglich ein Betrugsversuch vorliegt. Entgegen der Ansicht des Schöffengerichtes ist jedoch Straflosigkeit des Versuchs (§ 15 Abs 3 StGB), weil (so das Erstgericht) sich das Opfer in einer außerordentlich guten geistigen Verfassung befunden habe, sodaß die Täuschung unter keinen wie immer gearteten Umständen möglich gewesen wäre (US 28), nicht gegeben.

Ob die Vollendung einer bloß versuchten strafbaren Handlung unter keinen wie immer gearteten Umständen zu erwarten gewesen wäre, ist in bezug auf die Tauglichkeit des Objektes objektiv (ex-post) zu beurteilen (SSt 57/81 verst.Senat). Danach ist die Vollendung der Tat nur dann als ausgeschlossen anzusehen, wenn sie auch bei abstrahierender und generalisierender Betrachtungsweise geradezu denkunmöglich erscheint (Leukauf-Steininger aaO RN 37 bis 39; Kienapfel AT6 Z 24 Rz 12 bis 17).

Das Tatopfer war für die Herbeiführung des tatbildlichen Erfolges und damit als Betrugsopfer in abstracto keineswegs ungeeignet. Die (auch nach Ansicht des Erstgerichts taugliche) Täuschung scheiterte festgestelltermaßen nur an der besonderen Aufmerksamkeit der letztlich (aus anderen Gründen doch) Geschädigten. Demgegemäß ist die Tat rechtsrichtig als strafbarer Versuch zu beurteilen.

Auf Basis der mängelfrei begründeten Feststellungen, nach denen der Erstangeklagte (nicht aber seine Gattin) auch bei diesem Betrugsversuch gewerbsmäßig gehandelt hat (US 13), war dieser somit in Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde sogleich des Verbrechens des versuchten gewerbsmäßigen Betruges nach §§ 15, 146, 148 erster Fall StGB, die Zweitangeklagte hingegen des Vergehens des versuchten Betruges nach §§ 15, 146 StGB schuldig zu erkennen.

Ob darüber hinaus durch die nach dem Betrugsversuch mit unrechtmäßigem Bereicherungsvorsatz vorgenommene tatsächliche Wegnahme eines Betrages von 1.800 S auf Grund der allenfalls durch das Verhalten der Angeklagten ausgelösten Angst eine (weitere) Straftat begangen wurde, kann schon mangels einer darauf gerichteten Anfechtung (bzw Antragstellung) dahingestellt bleiben.

Der Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft war somit teilweise Folge zu geben, der Freispruch sowie die Strafaussprüche aufzuheben, ein Schuldspruch zu fällen und die Strafen neu zu bemessen.

Dabei konnten die vom Erstgericht vollständig festgestellten Strafzumessungsgründe sowie die zu den allgemeinen Grundsätzen der Strafbemessung (§ 32 StGB) angestellten Überlegungen im wesentlichen als zutreffend übernommen werden. Als zusätzlich erschwerend fällt (neben dem weiteren Milderungsgrund, daß die Tat beim Versuch blieb; wobei aber das Opfer letztlich dennoch geschädigt wurde) dem Erstangeklagten nunmehr auch noch die Bege- hung eines weiteren Verbrechens (des gewerbsmäßigen Betruges), der Zweitangeklagten ein weiteres Vergehen (des Betruges) zur Last. Die Voraussetzungen zur Strafschärfung bei Rückfall (§ 39 StGB) liegen nicht vor. Die nunmehr beim Erstangeklagten mit dreieinhalb Jahren, bei der Zweitangeklagten mit fünf Monaten festgesetzten Freiheitsstrafen sind tatschuldangemessen. Bei der Zweitangeklagten war aus den schon im Urteil des Erstgerichtes zutreffend angeführten Gründen bedingte Strafnachsicht anzuordnen.

Die Kostenentscheidung findet in § 390 a Abs 1 StPO ihre Begründung.

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