OGH 13Os68/98

OGH13Os68/9817.6.1998

Der Oberste Gerichtshof hat am 17.Juni 1998 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Brustbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Markel, Dr.Schmucker, Dr.Habl und Dr.Ratz als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Maschl als Schriftführerin in der Strafsache gegen Aydin K***** wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 erster Fall StGB über die vom Generalprokurator erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen den Beschluß der Ratskammer des Landesgerichtes Feldkirch vom 8.Jänner 1997, AZ RK 98/96, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr.Plöchl, jedoch in Abwesenheit des Verurteilten zu Recht erkannt:

 

Spruch:

In der Strafsache gegen Aydin K***** wegen §§ 142 Abs 1, 143 StGB, AZ 24 Vr 1498/96 des Landesgerichtes Feldkirch, verletzt der Beschluß der Ratskammer des Landesgerichtes Feldkirch vom 8.Jänner 1997, RK 98/96 (ON 15), § 149 a Abs 1 StPO.

Text

Gründe:

Auf Grund eines mündlichen Antrages der Staatsanwaltschaft (S 3) ordnete (wegen Gefahr im Verzug) der Untersuchungsrichter des Landesgerichtes Feldkirch in dem (zu diesem Zeitpunkt gegen unbekannte Täter geführten) im Spruch bezeichneten Verfahren gemäß § 149 a Abs 1 Z 2 lit b StPO eine Rufdatenrückverfolgung zur Feststellung an, welche beiden Anschlüsse beim Telefonat mittels "Handy" jener Person, die am 6.Dezember 1996 zwischen 8,55 Uhr und 8,59 Uhr vor dem Gebäude der Raiffeisenbank in 6812 Meiningen, Schweizerstraße 49, ein Ferngespräch führte, miteinander Verbindung hatten.

Dieser Anordnung lagen die Angaben eines Zeugen zugrunde, wonach unmittelbar vor einem bewaffneten Raubüberfall auf die bezeichnete Bank (Beute ca 310.000 S) entsprechend der mitgeteilten Personenbeschreibung "der Täter vor dem Gebäude der Raiffeisenbank in Meiningen ein Telefonat mittels 'Handys'" führte. Die Auswertung der Rufdaten würde zur Ausforschung des Täters bzw allfälliger Hintermänner und damit zur Aufklärung der Straftat führen (ON 3).

Die Ratskammer des Landesgerichtes Feldkirch verweigerte nach zwischenzeitiger Ausforschung des (vor der Gendarmerie S 43 ff, und dem Untersuchungsrichter, ON 5, geständigen) Täters auf Grund anderer Umstände mit Beschluß vom 8.Jänner 1997, RK 98/96, die nachträgliche Genehmigung der Rufdatenrückverfolgung.

Eine solche Maßnahme liege zwar grundsätzlich im Anwendungsbereich des § 149 a StPO. Unter dem dort verwendeten Begriff "Fernmeldeanlage" sei jedoch nur ein entsprechendes "Endgerät" eines Endverbrauchers zu verstehen. Bei einer Sendestation zur Umsetzung von Gesprächssignalen handle es sich jedoch nicht um eine spezifische Fernmeldeanlage in einer Wohnung, einem Büro oder einem Geschäft oder - im gegenständlichen Fall - um ein Mobiltelefon, welches einem bestimmten Inhaber zugeordnet werden könne. Außerdem ging die Ratskammer (aktenmäßig nicht nachvollziehbar) davon aus, daß die Datenrückverfolgung genau zwanzig Gespräche (im sogenannten "D-Netz", vgl auch S 3) betroffen hätte, die "von irgend welchen unbekannten und mit der Tat überhaupt nicht in Verbindung stehenden Personen geführt wurden". Es hätten daher eine unbestimmte Anzahl von bis zu vierzig Personen von der Gendarmerie im Rahmen der Ermittlungstätigkeit überprüft werden müssen. Dies wäre ein unzulässiger Eingriff in das verfassungsrechtlich geschützte Fernmeldegeheimnis (ON 15).

Zutreffend releviert die Beschwerde des Generalprokurators, daß die Entscheidung der Ratskammer des Landesgerichtes Feldkirch mit dem Gesetz nicht im Einklang steht.

Rechtliche Beurteilung

Die diesbezüglichen Normen des Strafverfahrensrechtes stellen im Bereich der Überwachung des Fernmeldeverkehrs (X.Hauptstück V., §§ 149 a bis 149 c StPO) auf Begriffe des zur Zeit der angefochtenen Entscheidung in Geltung stehenden Fernmeldegesetzes 1993 (BGBl Nr 908) ab (außer Kraft gesetzt durch das Telekommunikationsgesetz-TKG, BGBl I Nr 100/1997).

Diese Begriffe waren für den Bereich des Fernmeldewesens gesetzlich definiert. Soweit eine solche Definition nicht erfolgte, sind sie dem Grundsatz der Einheit der Rechtsordnung folgend auch für den Bereich des Strafverfahrens in derselben Weise auszulegen.

Danach ist eine "Fernmeldeanlage" (für den Bereich des § 149 a StPO auch synonym als "Anlage" bezeichnet) eine technische Anlage (unter anderem wie hier) zur Aussendung, zur Übertragung oder zum Empfang von Nachrichten auf dem Funkweg (§ 2 Z 2 FernmeldeG 1993), unter "Fernmeldeverkehr" sind alle Mitteilungen, die auf solchen Fernmeldeanlagen befördert (oder zur Beförderung aufgegeben) werden zu verstehen (§ 4 Abs 1 leg cit) und Inhaber einer Fernmeldeanlage ist jeder, in dessen Gewahrsame sie sich befindet (Kratzer/Stratil, FernmeldeG, MSA, § 16 Anm 2; der letzte Begriff nunmehr aufgespalten in "Teilnehmer" und "Benutzer", § 39 Abs 3 Z 2 und 3 TKG).

Der Begriff der Fernmeldeanlage umfaßt somit einerseits die bei Übertragung im Funkweg die Signale umsetzenden Sendestationen als auch (bereits begrifflich nach gesetzlicher Definition, § 2 Z 4 FernmeldeG) die zur Aussendung oder zum Empfang von Nachrichten dienenden "Endgeräte". Durch die Bindung der Bewilligung zur Überwachung des Fernmeldeverkehrs an Voraussetzungen, die unter anderem an den Inhaber einer Anlage als Tatverdächtigen oder Betroffenen der strafbaren Handlung anknüpfen (§ 149 a Abs 1 Z 1 und 2 StPO), wurde aber die Heranziehung von Fernmeldeanlagen, die in keinem unmittelbaren Bezug zu einem solchen Inhaber stehen (wie etwa Funkanlagen nach § 2 Z 3 FernmeldeG), als zur Durchführung einer solchen Überwachung verwendete Mittel nicht unzulässig.

Der in der Beschwerde ausgedrückten Rechtsmeinung, als Objekt einer Überwachungsmaßnahme wären nur "Endgeräte" im Sinne des Fernmeldegesetzes in Frage gekommen, kann somit nicht einschränkungslos beigetreten werden. Für Maßnahmen zur Überwachung des Fernmeldeverkehrs können (und konnten auch im Geltungszeitraum des Fernmeldegesetzes) vielmehr alle jene Einrichtungen herangezogen werden, die nach dem jeweiligen Stand der Technik für eine Überwachung irgendeiner Form des Fernmeldeverkehrs im Sinne der §§ 149 a ff StPO erforderlich sind (vgl dazu nunmehr § 89 Abs 1 TKG; EBVR 759 BlgNR XX.GP, bei Stratil/Weissenburger, TKG MSA; siehe auch Glas/Vartian, Handbuch Telekommunikationsrecht, Verlag Österreich, Anm 483; beides bei § 89).

Die vorliegendenfalls aktuellen Vermittlungsdaten (vgl auch dazu nunmehr § 87 Abs 3 Z 5 TKG) sind (und waren auch nach der Gesetzeslage im Zeitpunkt der angefochtenen Entscheidung) unbestrittenermaßen einer Überwachung des Fernmeldeverkehrs zugänglich (13 Os 161/95; Schmölzer, Rückwirkende Überprüfung von Vermittlungsdaten im Fernmeldeverkehr - Anmerkungen zur vorzitierten Entscheidung, JBl 1997 S 211 ff, hier 214), als sie technisch mögliche und erforderliche Maßnahmen zur Aufklärung schwerer oder mittelschwerer Straftaten durch Überwachung des Fernmeldeverkehrs darstellen. Das in § 149 a Abs 1 Z 2 lit b StPO verwendete grammatikalische Tempus ("... daß eine der Tat dringend verdächtige Person die Anlage benützen oder eine Verbindung mit ihr herstellen werde ...") tut dem keinen Abbruch, kann es doch zur Aufklärung einer vorsätzlich begangenen, mit mehr als einjähriger Freiheitsstrafe bedrohten strafbaren Handlung erforderlich erscheinen, durch die bereits über einen erfolgten Fernmeldeverkehr aufgenommenen Vermittlungsdaten einen erst in der Zukunft liegenden weiteren Fernmeldeverkehr (inhaltlich) überwachen zu können (aM Schmölzer, aaO).

Vermittlungsdaten ieS (s. Schmölzer, Das Telekommunikationsgesetz 1997, JBl 1998 S 378 ff, insbes S 383 ff) unterliegen jedenfalls (unter anderem) dem verfassungsrechtlichen Schutz des Fernmeldegeheimnisses. Ein Eingriff bedarf gemäß § 10 a StGG eines auf Grund innerstaatlicher Rechtsvorschriften erlassenen gerichtlichen Befehls, dessen gesetzliche Grundlage die entsprechenden Ausnahmeregelungen der §§ 149 a ff StPO darstellen. Solche Maßnahmen haben einem anerkannten, legitimen Ziel sowie einem zwingenden sozialen Bedürfnis zu dienen und müssen verhältnismäßig sein. Daß die Offenlegung derartiger Rufdaten zur Ausforschung des Täters im Rahmen der Überwachung des Fernmeldeverkehrs im Sinne des § 149 a StPO zulässig ist, ist nicht das Ergebnis kriminalpolitischer Überlegungen, sondern ergibt sich aus der grundrechtlich erforderlichen Verhältismäßigkeitsprüfung, weil derartige Maßnahmen jedenfalls einen geringeren Eingriff als das nach den Strafverfahrensvorschriften unter entsprechenden Voraussetzungen zulässige Abhören aktueller Gesprächsinhalte darstellen und solcherart im Zuge der Überwachung lediglich aufgezeichnete Daten zur Feststellung bestimmter Fernsprechteilnehmer überprüft werden.

Aber auch in bezug auf die mit dem Straffall nicht im Zusammenhang stehenden (damals) Inhabern von Fernmeldeanlagen (§ 16 Abs 1 FernmeldeG; nunmehr Benutzer öffentlicher Telekommunikationsdienste, § 87 Abs 3 Z 3 TKG), deren Vermittlungsdaten erfaßt worden waren, ergibt (auch unter Bedachtnahme auf den äußert kurzen Überwachungszeitraum von nur vier Minuten) die Verhältnismäßigkeitsprüfung ein Prävalieren wohlerwogener Interessen der Strafverfolgung, weil im Hinblick auf die in § 149 c StPO normierten Kautelen nur die für die Untersuchung bedeutsamen und als Beweismittel zulässigen Daten aufgezeichnet und zum Akt genommen worden (und verwertbar gewesen) wären. Nicht tatverdächtige Teilnehmer am Fernsprechverkehr wiederum unterliegen dem Schutz von § 149 c Abs 3 bis 7 StPO, weswegen die vom Untersuchungsrichter angeordnete (zunächst auf Erfassung von Rufdaten abzielende) Überwachungsmaßnahme zulässig gewesen ist (siehe dazu insgesamt nochmals 13 Os 161/95).

Die Frage, inwieweit die Überwachung auf § 149 a Abs 1 Z 2 lit a StPO zu stützen gewesen wäre, weil der Inhaber des "Handys" als Fernmeldeanlage (derjenige, in dessen Gewahrsam es sich befand) selbst dringend verdächtig war, die zu untersuchende Tat begangen zu haben, kann dahingestellt bleiben. Zwischenzeitig ist der zur Zeit der Anordnung des Untersuchungsrichters auf Überwachung des Fernmeldeverkehrs Tatverdächtige rechtskräftig verurteilt worden, der Oberste Gerichtshof konnte sich somit auf die Feststellung der unterlaufenen Gesetzesverletzung beschrän- ken.

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