OGH 5Ob493/97d

OGH5Ob493/97d9.6.1998

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Klinger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schwarz, Dr.Floßmann, Dr.Baumann und Dr.Hradil als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1.) Dr.Brigitta W***** und

2.) Univ.Prof.Dr.Gustav W*****, ebendort, beide vertreten durch Univ.-Doz.Dr.Bernd A. Oberhofer, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte Partei Dipl.Ing.Hermann L*****, vertreten durch Dr.Walter Hausberger und andere Rechtsanwälte in Wörgl, wegen Unterlassung, infolge außerordentlicher Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 28. Mai 1997, GZ 2 R 145/97f-20, womit das Urteil des Bezirksgerichtes Innsbruck vom 23.Dezember 1996, GZ 12 C 2021/95d-14, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß sie wie folgt zu lauten haben:

"Die beklagte Partei ist schuldig zu unterlassen, in Hinkunft ihren Pkw auf den Parkplätzen der Wohnungseigentumsgemeinschaft des Hauses ***** abzustellen oder sonstige Eigentumseingriffe dieser Art zu setzen.

Die beklagte Partei ist schuldig, den Klägern binnen 14 Tagen die S 40.734,80 (darin S 5.420,80 Umsatzsteuer und S 8.210,- sonstige Barauslagen) bestimmten Kosten des Verfahrens erster und zweiter Instanz zu ersetzen."

Die beklagte Partei ist schuldig, den Klägern binnen 14 Tagen die mit S 11.978,14 (darin S 893,02 Umsatzsteuer und S 6.620,- sonstige Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Kläger stellten das aus dem Spruch dieses Urteiles ersichtliche Klagebegehren mit der Begründung, die Hoffläche stelle einen allgemeinen Teil der Liegenschaft dar, für welche keine spezielle Nutzungsregelung bestehe. Der Beklagte habe wiederholt auf der den Miteigentümern der Liegenschaft zugewiesenen Parkfläche sein Fahrzeug abgestellt, obwohl ihm genau bekannt sei, daß dies von den Klägern nicht geduldet werde. Der Beklagte habe keine Berechtigung, sein Fahrzeug dort abzustellen. Es liege vor allem keine Beschlußfassung der Eigentümer vor, dem Beklagten die Benutzung der Parkfläche unter bestimmten Voraussetzungen zu gestatten. Die von den Miteigentümer Fritz W***** angeblich erteilte Erlaubnis habe keine Wirksamkeit, weil dieser Miteigentümer nicht berechtigt sei, ein derartiges Recht einzuräumen.

Der Beklagte beantragte die Abweisung der Klage und führte aus:

Der Hofraum des Hauses sei nicht der ausschließlichen Nutzung durch die Kläger zugewiesen.

Im Zusammenhang mit der Anmietung der Wohnung Nr.5 im Haus G***** (Nachbarhaus der Liegenschaft der Kläger) sei Dr.H***** und den Beklagten die Erlaubnis erteilt worden, im Falle der Auslastung der Abstellflächen im Hof der Liegenschaft G***** auf den angrenzenden Hof der Liegenschaft ***** auszuweichen. Diese Vereinbarung sei im November 1993 geschlossen worden und noch immer aufrecht.

Die Einräumung eines bloß ausnahmsweisen Benützungsrechtes am Hofraum durch den Mehrheitseigentümer stelle keine Maßnahme der außerordentlichen Verwaltung dar, sodaß der Miteigentümer Fritz W***** (773/320 Miteigentumsanteile) als Mehrheitseigentümer zur Einräumung eines solchen Rechtes berechtigt gewesen sei.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.

Der Entscheidung des Erstgerichtes liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

An der Liegenschaft EZ ***** GB ***** Innsbruck, auf der sich das Wohnhaus ***** befindet, wurde mit Wohnungseigentumsvertrag vom 27.5.1981 Wohnungseigentum begründet. Die klagenden Parteien haben mit Kaufvertrag vom 6.3.1985 je 80/1320-Miteigentumsanteile an dieser Liegenschaft von Fritz W***** erworben. Mit diesen Miteigentumsanteilen ist das Wohnungseigentum an der Wohnung W 10 untrennbar verbunden.

Fritz W***** ist Eigentümer mehrerer Wohnungen mit insgesamt 773/1320-Miteigentumsanteilen dieser Liegenschaft. Zu dem Wohnhaus bzw. zur Liegenschaft gehört eine Hoffläche, die nicht zu einer Wohnungseigentumseinheit parifiziert ist, sondern eine Gemeinschaftsfläche darstellt. Der Miteigentümer Fritz W***** hat seine Eigentumswohnungen in dem Haus vermietet.

Im Wohnungseigentumsvertrag vom 27.5.1981 ist unter Punkt IV. unter anderem folgendes ausgeführt:

"Die Änderung der Nutzungsart der Wohnung sowie der um das Haus zur Verfügung stehenden Abstellplätze, Grünflächen, Wäscheaufhänge etc. kann nur einstimmig erfolgen."

Unter Punkt V. ist ausgeführt:

"Alle Teile des Gebäudes und des Grundstückes, die nicht gemäß § 2 in Sondernutzung der Wohnungseigentümer stehen, stehen allen Miteigentümern zur ordnungsgemäßen Nutzung gemäß der Zweckbestimmung als gemeinschaftliches Eigentum zur Verfügung. Es ist daher keinem Miteigentümer gestattet, sich über sein Wohnungseigentum hinaus Räume, Grünflächen, Einrichtungen oder Vorrichtungen, welcher Art immer, zu schaffen und alleine zu nutzen z.B. Vorbauten, Terrassen, Abstellplätze, Balkone etc." (Blg. A).

Es besteht keine schriftliche Vereinbarung zwischen den Miteigentümern der Liegenschaft über die Aufteilung der Parkplätze auf die Miteigentümer bzw sonstigen Hausbewohner. Es gibt auch keinen Beschluß der Miteigentümergemeinschaft über die Nutzung der Hoffläche.

Als Verwalter der Liegenschaft wurde bereits vor 1993 die Fa.B***** bestellt. Ab Jänner 1996 wurde die Verwaltung der Fa.G***** übertragen.

Der Beklagte ist Angestellter und Gesellschafter der Fa."T***** Ges.m.b.H.", die im Haus G***** (Nachbarhaus zum Haus *****) ein Büro gemietet hat. Vermieterin und Eigentümerin dieses Büros ist Eleonore T*****, die ebenfalls mit ihrem Ehemann (Dr.Hans T*****) Gesellschafter der genannten Ges.m.b.H. ist.

Fritz und Trude W***** haben im Jahr 1993 sowohl Eleonore T***** als auch ihrem Ehemann (Dr.Hans T*****) und dem Beklagten zugestanden, daß sie ihre Fahrzeuge im Hof des Hauses ***** abstellen können, wenn im Hof des Hauses G***** keine freien Abstellplätze vorhanden sind. Mit den übrigen Miteigentümern des Hauses ***** wurde darüber nicht gesprochen.

Der Beklagte hat daher ab Frühjahr 1994 sein Fahrzeug mit dem Kennzeichen I***** gelegentlich im Hofraum des Hauses ***** abgestellt, und zwar unter anderem am 25.4., 26.4. und 25.9.1995. Wegen des Abstellens im April 1995 haben die Kläger den Beklagten auf Besitzstörung geklagt. In diesem Verfahren ist Ruhen eingetreten, weil sich der Beklagte darauf berufen hat, die Erlaubnis von Fritz W***** erhalten zu haben (Akt 12 C 878/95g BG Innsbruck).

Rechtlich beurteilte das Erstgericht diesen Sachverhalt dahin, daß ab dem Moment der Bestellung eines gemeinsamen Verwalters kein Miteigentümer mehr zur Setzung von Verwaltungshandlungen, abgesehen den Fall der Gefahr in Verzug, berechtigt sei. Die Klagsführung auf Unterlassung gehöre zu den Maßnahmen der Verwaltung, sodaß die Kläger nicht aktivlegitimiert seien.

Das Berufungsgericht bestätigte das Urteil des Erstgerichtes und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 50.000,- übersteigt und daß die ordentliche Revision nicht zulässig sei.

Das Berufungsgericht ging zwar davon aus, daß Abwehransprüche gegen außenstehende Dritte auch von einzelnen Wohnungseigentümern geltend gemacht werden könnten, daß jedoch das Klagebegehren deswegen nicht berechtigt sei, weil der Mehrheitseigentümer berechtigt gewesen sei, einem Dritten das Recht einzuräumen, gelegentlich sein Kraftfahrzeug im Hof der genannten Liegenschaft abzustellen.

Die ordentliche Revision sei nicht zulässig, weil keine erhebliche Rechtsfrage zu entscheiden gewesen sei und weil die Bedeutung der Entscheidung über den Einzelfall nicht hinausgehe.

Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes richtet sich die außerordentliche Revision der klagenden Parteien mit dem Antrag, die Urteile der Vorinstanzen in klagestattgebendem Sinn abzuändern; hilfsweise wurde ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Beklagte begehrt in der ihm freigestellten Revisionsbeantwortung, die Revision der Kläger zurückzuweisen, in eventu, ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Kläger ist zulässig und berechtigt.

a) Zur Zulässigkeit:

Die Revision ist zulässig, weil das Berufungsgericht - wie bei Begründung der Sachentscheidung gezeigt werden wird - hinsichtlich der Befugnisse des Mehrheitseigentümers im Falle, daß ein Verwalter bestellt ist, die Rechtslage verkannte.

b) Zur Sachentscheidung:

Zutreffend ging das Gericht zweiter Instanz unter Berufung auf die herrschende Lehre und Rechtsprechung (s Seite 9 der Ausfertigung des Urteiles des Berufungsgerichtes) davon aus, daß zur Abwehr von Eingriffen (hier: Benützung der Hoffläche durch hausfremde Personen) in das gemeinsame Eigentum - und damit auch in jeden Miteigentumsanteil - jeder Miteigentümer berechtigt ist, und zwar wegen der genannten Wirkung der Eigentumsstörung unabhängig davon, ob ein gemeinsamer Verwalter bestellt ist.

Anders verhält es sich jedoch bezüglich der Erteilung von Rechten an dritte Personen, mögen diese auch Maßnahmen der ordentlichen Verwaltung darstellen:

Schon nach allgemeinen Miteigentumsrecht gilt nach herrschender Lehre und Rechtsprechung (dargestellt von Gamerith in Rummel, ABGB2, Rz 7 zu § 837), wovon abzugehen kein Grund besteht, daß dann, wenn ein Verwalter bestellt ist, kein Miteigentümer mehr selbständig Verwaltungshandlungen vornehmen kann. Dies gilt auch im Falle der Begründung von Wohnungseigentum (Palten, Wohnungseigentumsrecht2, Rz 196; Meinhart, Wohnungseigentumsgesetz 1975, 163). Demgemäß war der Miteigentümer W*****, mag er auch Mehrheitseigentümer sein, nicht berechtigt, anderen Personen (hier: einzelnen Miteigentümern der Nachbarliegenschaft, an der er auch Anteile hat) die Benützung der Hoffläche zum Abstellen von Kraftfahrzeugen zu Lasten der Eigentümergemeinschaft zu gestatten. Dies hat zur Folge, daß jeder Miteigentümer von den bloß auf Grundlage der vom Miteigentümer W***** erteilten Erlaubnis die Hoffläche benützenden Beklagten erfolgreich die Unterlassung dieses Verhaltens begehren kann.

In Stattgebung der Revision der klagenden Parteien waren daher die Urteile der Vorinstanzen in klagestattgebendem Sinn abzuändern.

Die Kostenentscheidungen gründen sich auf die §§ 41 und - bezüglich des Rechtsmittelverfahrens - 50 ZPO.

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