OGH 7Ob224/97k

OGH7Ob224/97k9.6.1998

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr.Niederreiter als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Graf, Dr.Schalich, Dr.Tittel und Dr.Huber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A***** Gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr.Peter Spörk, Rechtsanwalt in Wiener Neustadt, wider die beklagte Partei E***** Gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr.Johannes Leon, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 68.383,80 und DM 2.458,80 (zusammen S 85.595,--) sA, infolge Revisionsrekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Handelsgerichtes Wien als Rekursgericht vom 13.März 1997, GZ 1 R 745/96x-14, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes für Handelssachen Wien vom 30.April 1996, GZ 13 C 1821/95-10, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 6.086,40 (darin S 1.014,40 USt) bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Im Verfahren ***** C *****/95m des Bezirksgerichtes für Handelssachen Wien verpflichtete sich die Klägerin mit dem am 29.6.1995 bedingt abgeschlossenen Vergleich, der Beklagten die Fracht für die in der Zeit vom 12.8.1994 bis 25.10.1994 abgeschlossenen Frachtverträge von DM 23.772 zu zahlen. In diesem Vergleich wurde festgehalten, daß die Klägerin bereits eine Widerklage (die vorliegende Klage) gegen die Beklagte eingebracht hat und daß die Beklagte hinsichtlich eines Betrages von DM 13.500,-- sA auf Exekution bis zur rechtskräftigen Entscheidung in diesem Verfahren, längstens aber bis zum 31.12.1996, verzichtet. Dieser Vergleich wurde (offensichtlich) mangels eines Widerrufes bis zum 7.7.1996 mit diesem Tag rechtswirksam.

Am Tag des Vergleichsabschlusses überreichte die Klägerin die vorliegende Widerklage beim Erstgericht, mit der der Ersatz von Schäden begehrt wird, die der Klägerin aus der Verletzung der Frachtverträge erwachsen seien.

Die Klägerin berief sich auf eine Zuständigkeitsvereinbarung nach § 104 JN sowie auf den Gerichtsstand der Widerklage. Im Zusammenhang mit der der Beklagten zustehenden Forderung von DM 13.500,-- sA und dem Umstand, daß die Klägerin ihren Sitz im Inland habe, sei auch die inländische Gerichtsbarkeit gegeben.

Die Beklagte wendete den Mangel der inländischen Gerichtsbarkeit ein. Art 31 CMR schaffe nicht die internationale Zuständigkeit der österreichischen Gerichte für Widerklagen aus Beförderungsverträgen. Der Gerichtsstand der Widerklage begründe auch nicht die erforderliche inländische Nahebeziehung.

Das Erstgericht wies - nach abgesonderter Verandlung über das eingewendete Prozeßhindernis - die Widerklage mangels inländischer Gerichtsbarkeit zurück. Die Voraussetzungen des Art 31 Abs 1 CMR lägen nicht vor. Außerdem fehle eine ausreichende inländische Nahebeziehung.

Das Rekursgericht hob den Beschluß des Erstgerichts auf und trug diesem die Fortsetzung des Verfahrens auf. Weiters sprach es aus, daß der (ordentliche) Revisionsrekurs zulässig sei. Art 31 Abs 1 CMR regle nur die Frage der internationalen Zuständigkeit, und zwar unabhängig davon, ob eine reale Beförderung stattgefunden habe. Aus der Formulierung "einer diesem Übereinkommen unterliegenden Beförderung" könne der Schluß gezogen werden, daß die CMR auch dann anzuwenden sei, wenn der Beförderungsvertrag als solcher gemeint sei, die Beförderung selbst aber unterblieben sei. Eine derartige Auslegung erscheine auch deshalb zweckmäßig, weil zusammengehörende Sachfragen nicht auseinandergerissen werden sollten. Die Klägerin berufe sich allerdings zu Unrecht auf einen Gerichtsstand im Sinne des Art 31 Abs 1 CMR. Die Erfordernisse einer Gerichtsstandsvereinbarung richteten sich nach dem inländischen Recht. Gemäß § 104 JN könne eine solche Vereinbarung nur urkundlich, nicht aber durch andere Beweismittel nachgewiesen werden. Eine diesen Anforderungen genügende Urkunde habe die Klägerin aber nicht vorgelegt. Da die CMR die Widerklage in anderem Zusammenhang als mit der Bestimmung über die internationale Zuständigkeit nenne, in Art 31 Abs 1 aber nicht erwähne, sei anzunehmen, daß sie die Regelung der internationalen Zuständigkeit dem nationalen Recht überlasse. Die internationale Zuständigkeit sei hier im Zusammenhalt mit dem Gerichtsstand der Widerklage und dem Vermögen der Beklagten (in Form einer Forderung gegen die in Österreich ansässige Klägerin) zu bejahen.

Der gegen diese Entscheidung von der beklagten Partei erhobene Revisionsrekurs ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Die Revisionswerberin bekämpft nicht, die auch vom erkennenden Senat unter Berufung auf Helm in Großkommentar zum HGB3 § 452 Anm 3 Anh III [Art 31 CMR] geteilte Auffassung, daß der Ausdruck Beförderung im Rahmen des CMR auch auf jene Fälle Anwendung zu finden hat, in denen der vereinbarte Beförderungsvertrag aus welchen Gründen immer nicht zustandegekommen ist, weil zusammengehörende Sachfragen nicht auseinandergerissen werden sollen. Es steht außer Zweifel, daß die beklagte Partei die Zuständigkeitsvoraussetzungen für die im Art 31 Abs 1 Z 3 CMR vorgesehenen internationalen Gerichtsstände nicht erfüllt. Zutreffend hat auch das Rekursgericht erkannt, daß die Voraussetzungen für eine Zuständigkeitsvereinbarung nach § 104 JN mangels Vorlage der entsprechenden Urkunde nach Bestreitung dieser Zuständigkeitsvoraussetzung nicht vorliegt. Für die Begründung des Vermögensgerichtsstandes muß das Vermögen vom Klagsanspruch verschieden und von der Entscheidung über das Klagebegehren unabhängig sein (vgl Mayr in Rechberger § 99 JN Rz 7 mwN). Die der Beklagten aus dem Vergleich vom 29.6.1995 zustehende Forderung von DM 13.500,-- soll aber gerade durch die vorliegende Widerklage kompensiert werden.

Das Vorliegen der Voraussetzungen für den weiteren von der Klägerin geltend gemachten Gerichtsstand der Widerklage nämlich, daß das ihr vorangehende (Vor-)Verfahren streitanhängig geworden ist, d.h. daß bereits die Zustellung der Klage an die Widerklägerin erfolgt ist und daß dieses (Vor-)Verfahren im Zeitpunkt der Erhebung der Widerklage noch nicht abgeschlossen worden ist (vgl Fasching I, 468 ff; Fasching LB2 Rz 1301 ff; Mayr in Rechberger JN § 96 Rz 2), wird von der Revisionsrekurswerberin ebenso nicht wie die Konnexität, Kompensabilität und Präjudizialität der mit der Widerklage begehrten Forderung gegenüber der im Vorverfahren eingeklagten Forderung bestritten. Die Revisionsrekurswerberin wendet sich aber gegen die Rechtsansicht, daß aus dem Wortlaut des Art 31 Abs 1 CMR, in dem der Begriff "Widerklage" nicht vorkommt, nicht abgeleitet werden dürfe, daß die internationale Zuständigkeit für Widerklagen aus der der CMR unterliegenden Beförderung nicht gegeben, sondern nach nationalem Recht zu beurteilen sei. Der erkennende Senat tritt jedoch der Lehrmeinung von Schmid/Seltmann in Thume, Kommentar zum CMR Art 41 Rz 25 bei, nämlich daß die CMR keine Regelung über den Ausschluß der Widerklage enthält und daher Ansprüche im Rahmen einer Widerklage geltend gemacht werden können, ohne daß sie vom Verbot des Art 41 CMR tangiert werden können. Dem steht auch der Schlußsatz von Art 31 Abs 1 CMR nicht entgegen, weil mit dieser Bestimmung nur die durch dieses Abkommen zusätzlich geschaffenen internationalen Gerichtsstände, nicht aber die darüber hinaus bestehende örtliche und sachliche inländische Zuständigkeit geregelt wird (vgl Demuth/Seltmann aaO Art 31 Rz 11 ff mwN sowie MGA, Transporthaftung Art 31/1 ff).

Nach der bis zum 31.12.1997 geltenden Indikationentheorie (§ 27a JN ist gemäß Art XXXII Z 8 WGN 1997 hier noch nicht anwendbar), wurde das Vorliegen der inländischen Gerichtsbarkeit trotz Bestehens eines inländischen Gerichtsstandes dann verneint, wenn keine ausreichende Nahebeziehung zum Inland bestand. Das Vorliegen eines Gerichtsstandes markiert aber bereits eine gewisse Inlandsbeziehung, deren Ausreichen für die Rechtfertigung der inländischen Jurisdiktion primär zu prüfen und die dann allenfalls durch eine weitere Inlandsbeziehung ergänzungsbedürftig ist (vgl Schwimann, Entscheidungsbesprechung JBl 1989, 50 f). Auch der vorliegende Gerichtsstand der Widerklage indiziert daher das Vorliegen der inländischen Gerichtsbarkeit (vgl JBl 1992, 330 mwN). Die erforderliche Ergänzung für den Inlandsbezug stellt aber der im Vorverfahren unter ausdrücklicher Einbeziehung der vorliegenden Widerklage abgeschlossene Vergleich dar. Der Revisionsrekurswerberin ist entgegenzuhalten, daß die von ihr zitierten Entscheidungen, die einen solchen Inlandsbezug in Zweifel ziehen, nicht den Gerichtsstand der Widerklage betreffen. Zusammenfassend ist daher die Rechtsmeinung des Rekursgerichtes im Hinblick auf die mit 1.1.1998 eingetretene Gesetzesänderung als durchaus vertretbar zu bezeichnen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO. Die beklagte Partei ist in einem Zwischenstreit der Klägerin unterlegen.

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