OGH 1Ob357/97z

OGH1Ob357/97z9.6.1998

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr.Schlosser als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr.Schiemer, Dr.Gerstenecker, Dr.Rohrer und Dr.Zechner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1.) Harald K*****, und 2.) Yvonne K*****, beide vertreten durch Dr.Josef List, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagten Parteien 1.) Alois Z*****, und 2.) Alois Josef Z*****, beide vertreten durch Dr.Alfred Lind und Dr.Klaus Rainer, Rechtsanwälte in Graz, wegen Entfernung (Streitwert 50.000 S), infolge von Rekursen aller Parteien gegen den Beschluß des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Berufungsgerichts vom 27.August 1997, GZ 4 R 218/97a-51, womit infolge Berufung der beklagten Parteien das Urteil des Bezirksgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 24.Februar 1997, GZ 4 C 2777/91b-44, in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 7.März 1997, GZ 4 C 2777/91b-45, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Keinem der Rekurse wird Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Verwiesen wird auf die Entscheidung des erkennenden Senats im ersten Rechtsgang 1 Ob 622/95 idF des Berichtigungsbeschlusses vom 3.Oktober 1996 (veröffentlicht in NZ 1997, 213).

Die beiden Kläger sind als Bewohner der etwa 1985/1986 erbauten „Holzhaussiedlung“ Miteigentümer an zwei Liegenschaften: Einerseits zu je 1/26stel an einer Liegenschaft mit dem unbehausten Grundstück (GSt) 11/10 - innerhalb dessen „enklavenartig“ einzelne andere GSte liegen, auf denen die Gebäude der „Holzhaussiedlung“ errichtet sind - und je zur Hälfte Eigentümer eines teilweise mit einem Wohnhaus bebauten GSt (15/5) innerhalb der „Holzhaussiedlung“. Die Beklagten sind je zur Hälfte Eigentümer der daran angrenzenden landwirtschaftlich genutzten Liegenschaft EZ 102, die seit einem Dienstbarkeitsbestellungsvertrag von 1899 (im folgenden nur Vertrag von 1899) als dienendes Grundstück mit der verbücherten Servitut des Fahrrechts über die zu ihrem Gutsbestand gehörigen GSte 56/2, 49/2, 11/5, 14/2 und 11/4 zugunsten mehrerer Liegenschaften einschließlich jener der Kläger als herrschendes Gut belastet ist. Der Weg verläuft in der Natur von der Einmündung ins öffentliche Gut einerseits über die mit der verbücherten Wegeservitut belasteten GSte 11/4, 14/2 und 11/5 der Liegenschaft EZ 102 der Beklagten sowie andererseits über bücherlich nicht mit einer Wegeservitut belastete Grundstücke, nämlich die GSte 12 und 13 der EZ 102, sowie über das GSt 11/11 der Liegenschaft, die EZ 103 im Eigentum der nicht verfahrensbeteiligten Albin und Waltraude W***** steht.

Die Kläger begehrten von den Beklagten mit ihrer actio confessoria die Entfernung eines an der Ostgrenze des GSt 14/2 errichteten Drahtmaschenzauns sowie der im Bereich dieses Grundstücks abgestellten landwirtschaftlichen Geräte, weil hiedurch die Benützung des Servitutswegs unmöglich gemacht bzw behindert werde. Der Weg sei in der Natur ersichtlich und werde seit Menschengedenken, jedenfalls aber seit mehr als als 30 Jahren benützt, während die Störungen der Beklagten etwa um die Jahreswende 1990/91 ihren Anfang genommen hätten.

Die Beklagten wendeten im wesentlichen ein, daß der ursprüngliche über die GSte 11/4 und 14/2 führende Servitutsweg seit Jahrzehnten nicht mehr existent und in der Natur auch nicht mehr ersichtlich sei. Eine von ihnen auf den GSten 11/4 und 10 schon seit Jahrzehnten betriebene Bohnenzucht habe den seinerzeit vorhandenen Weg unterbrochen, weshalb die Servitut durch die andauernde Unbenützbarkeit erloschen sei. Erst mit Erwerb der herrschenden Liegenschaften durch die Kläger sei die Servitut überhaupt wieder in Anspruch genommen worden. Der vertraglich begründete Servitutsweg habe nur jenen Liegenschaftseigentümern dienen sollen, deren Objekte westlich der von den Beklagten erworbenen Liegenschaften und nicht nördlich davon liegen; die „Holzhaus-Siedlung“ liege jedoch nördlich davon.

Das Erstgericht gab im ersten Rechtsgang dem Klagebegehren statt. Das Berufungsgericht hob dieses Urteil zur Klärung der Frage auf, ob der in der Natur ersichtliche und von den Klägern in Anspruch genommene Weg mit dem Servitutsweg entsprechend dem Vertrag von 1899 identisch sei. Überdies müßten Feststellungen zur fortbestehenden Utilität der Servitut sowie deren Inhalt und Umfang bei Erwerb der Liegenschaften durch die Kläger getroffen werden. Der erkennende Senat bestätigte zwar mit der genannten Entscheidung diesen Aufhebungsbeschluß, führte jedoch dazu aus, grundsätzlich stelle der in der Natur vorhandene Weg auf dem belasteten Grundstück den Servitutsweg dar, weshalb der Störer darzutun habe, daß der Servitutsberechtigte gerade kein Recht zur Benutzung des in der Natur vorhandenen Wegs habe. Wenn ein Teil des Wegs derzeit außerhalb der mit der Servitut belasteten Grundstücke verlaufe, sei es hingegen Sache des Klägers, die Identität dahin darzutun, daß eine derartige Verlegung zumindest die stillschweigende Billigung durch den Eigentümer des betroffenen Grundstücks gefunden habe.

Im zweiten Rechtsgang brachten die Kläger - abgesehen von der nicht mehr relevanten Verlegung des Wegs - ergänzend vor (ON 43 AS 289 f), der von ihnen in Anspruch genommene und in der Natur ersichtliche Servitutsweg bestehe im jetzigen Verlauf zumindest seit 1952. Bezüglich jenes Bereichs, in welchem dieser Weg nicht die im Grundbuch angeführten dienenden GSte 11/8, 11/4 und 11/11 sowie die Fremdgrundstücke 13 und 12 berühre“, werde ausdrücklich Ersitzung in der Dauer von mehr als 30 Jahren rückgerechnet von 1990 an, geltend gemacht, weil dieser Weg ohne Beanstandung durch die Beklagten von den Klägern bzw deren Rechtsvorgängern als Fußweg benützt worden sei. Dazu beriefen sie sich auf die bereits vorliegende Zeugenaussage der Ehegattin des Erstbeklagten und Mutter des Zweitbeklagten.

Die Beklagten wendeten noch ein, der nunmehrige Weg sei erst in den letzten Jahren von den Klägern und den übrigen Miteigentümern des herrschenden Grundstücks ausgebildet worden. Im übrigen stelle die Benützung des Wegs durch die Kläger eine unzulässige Ausdehnung des Belastungsumfangs dar, weil die verbücherte Wegeservitut nur zum Zweck der landwirtschaftlichen Nutzung des herrschenden Guts eingeräumt, dabei jährlich nur wenige Male begangen und befahren worden und die Begehung bei landwirtschaftlicher Bewirtschaftung ungleich geringer sei als sie nun von den Klägern und den übrigen Angehörigen der „Holzhaus-Siedlung“, insbesondere als Schulweg für die Kinder, in Anspruch genommen werde, wobei an Flurschäden, Abfälle etc zu denken sei.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren neuerlich statt und traf dazu die Feststellung, der in der Natur ersichtliche, von den Klägern in Anspruch genommene und im einzelnen beschriebene Weg sei mit dem aufgrund des Vertrags von 1899 verbücherten Servitutsweg nicht identisch, der bücherliche Weg sei auch nicht verlegt werden. In rechtlicher Hinsicht vertrat der Erstrichter im wesentlichen den Standpunkt, von den Klägern und ihren Rechtsvorgängern sei ein Gehrecht neu begründet worden, sei doch (auch) jener Bereich des Wegs, in welchem dieser nicht die im Grundbuch angeführten dienenden Grundstücke berühre, bereits seit mehr als 30 Jahren, zumindest seit 12.Februar 1952 bis zur Klagseinbringung, ungestört als Fußweg von den Klägern und deren Rechtsvorgängern benutzt worden.

Das Berufungsgericht hob das Ersturteil neuerlich auf und verwies die Rechtsache an das Erstgericht zurück.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen den Aufhebungsbeschluß der zweiten Instanz von dieser zugelassenen Rechtsmittel beider Parteien, die gemeinsam behandelt werden, sind im Ergebnis nicht berechtigt.

a) Bereits in der Vorentscheidung hat der erkennende Senat deutlich gemacht, daß die actio confessoria, auf die die Kläger inhaltlich ihre Ansprüche stützen, ua einen aufrechten Titel zum Erwerb erfordert. Von den Titeln zur Erwerbung des Rechts der Dienstbarkeit nach § 480 ABGB kommen hier nur der Dienstbarkeitsbestellungsvertrag aus 1899 und dessen Verbücherung sowie die Ersitzung in Frage. Nun haben die in erster Instanz obsiegenden Kläger die sie belastenden erstgerichtlichen - positiven und nicht bloß negativen - Feststellungen, der von ihnen in Anspruch genommene Weg sei mit dem 1899 vertraglich begründeten und verbücherten Servitutsweg nicht identisch, der verbücherte Servitutsweg sei auch nicht verlegt werden, in ihrer Berufungsbeantwortung ON 47 nicht bekämpft. Der erkennende Senat hat bereits in seiner Entscheidung 1 Ob 2234/96p (= EvBl 1997/80 mwN) in einem Amtshaftungsfall die stRspr (EvBl 1995/148 ua; RIS-Justiz RS0042740), die in erster Instanz siegreich gebliebene Partei sei nicht gehalten, in der Berufungsbeantwortung sie belastende Feststellungen zu bekämpfen, für bedenklich erachtet, auch wenn dort diese Frage keiner endgültigen Klärung bedurfte. In der Entscheidung 10 Ob 156/97g wurde unter Berufung auf JBl 1986, 121 ausgesprochen, die erstmalige Bekämpfung von erstgerichtlichen Feststellungen mit einer außerordentlichen Revision durch jene Partei, die in erster Instanz obsiegte, sei unzulässig. Schließlich hat der erkennende Senat in Vertiefung seiner Bedenken in der Entscheidung 1 Ob 2342/96k mit eingehender Begründung dargelegt, daß - im zeitlichen Geltungsbereich der ZPO vor der grundlegenden Änderung durch die WGN 1997 - die in erster Instanz siegreich gebliebene Partei in der Berufungsbeantwortung die ihr nachteiligen Feststellungen bekämpfen müsse, wolle sie im weiteren Verfahren daran nicht gebunden sein. An dieser Auffassung ist festzuhalten. Davon könnte wohl nur dann abgesehen werden, wenn es sich um derart verschränkte Feststellungen handelte, die bei Wegfall eines Teils für sich allein nicht bestehen könnten. Im vorliegenden Fall haben die Kläger indes zwei klar voneinander abgrenzbare Rechtsgründe ihrem Unterlassungsbegehren zugrunde gelegt, auf die das Klagebegehren gestützt werden kann und auch tatsächlich gestützt wurde. Dadurch, daß die Kläger die ihnen nachteiligen Feststellungen über die Identität des 1899 eingeräumten und nun in Anspruch genommenen Rechts in der Berufungsbeantwortung, können sie sich daher im fortzusetzenden Verfahren nicht mehr mit Erfolg auf den Dienstbarkeitsbestellungsvertrag aus 1899 als Grundlage für ihre actio confessoria stützen, weil der verbücherte Servitutsweg mit dem in der Natur vorhandenen und von den Klägern benützten Weg eben nicht identisch ist und eine Verlegung des verbücherten Servitutswegs nicht stattgefunden hat.

Deshalb kommt entgegen der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts einer allfälligen Verlegung des Wegs und einer insoweit bestehenden Beweispflicht, auf die in der Vorentscheidung eingegangen wurde, für den Streitausgang keine Bedeutung mehr zu.

b) Es verbleibt den Klägern zur Durchsetzung ihrer Ansprüche daher nur mehr der Rechtsgrund der Ersitzung, auf den schon in der Vorentscheidung 1 Ob 622/95 Bezug genommen wurde. Ungeachtet des von den Klägern im zweiten Rechtsgang dazu erstatteten Vorbringens liegt in dem bereits in der Klage (ON 1 AS 2) erstatteten Vorbringen, darüber hinaus werde dieser in der Natur als Feldweg erkennbare Weg schon seit Menschengedenken (mehr als 30 Jahre) von den Vorbesitzern der Kläger im Eigentum des GSt 11/10 und den Voreigentümern sämtlicher herrschender Güter einschließlich der näheren und weiteren Nachbarschaft als Gehweg benützt, der Weg bestehe seit 1952 und sei über mindestens 30 Jahre ungestört benutzt worden, ausreichend deutlich die Behauptung, die Kläger bzw ihre Rechtsvorgänger hätten an dem gesamten Weg - und nicht bloß an den Teilen desselben, die über die mit der Wegeservitut bücherlich nicht belasteten Grundstücke führen - ein Gehrecht durch Ersitzung erworben. Die Rechtsauffassung der zweiten Instanz, weiterhin sei einziger Rechtsgrund für das Entfernungsbegehren der Kläger das Fortbestehen der 1899 vertraglich begründeten Servitut zugunsten der Liegenschaften der Kläger, ist deshalb verfehlt.

Soweit das Berufungsgericht aber dessenungeachtet zur Frage der Ersitzung die erstgerichtlichen Feststellungen als zu vage und unbestimmt erachtet und weitere Feststellungen für erforderlich hält, kann der Oberste Gerichtshof, der nicht Tatsacheninstanz ist, dem nicht entgegentreten (SZ 69/135 uva; Kodek in Rechberger, § 519 ZPO Rz 5). Weitere erhebliche Rechtsfragen stellen sich dabei nicht. Der erkennende Senat hat zuletzt in seiner Entscheidung 1 Ob 516/96 = SZ 69/135 unter Hinweis auf die bisherige Rspr dargelegt, von welchen Voraussetzungen und in welchem Umfang eine solche Ersitzung abhängig ist.

Die Rechtsauffassung der zweiten Instanz, daß der Weg eine Einheit bilde und die notwendige Utilität nur dann bestehe, wenn die Kläger den Weg in seinem gesamten Verlauf bis zur Einmündung in den öffentlichen Weg zu benutzen berechtigt seien, ist zutreffend (§ 510 Abs 3 ZPO). Zur entsprechenden Beweispflicht wurde bereits in der Vorentscheidung Stellung genommen. Auch die Ausführungen der zweiten Instanz, daß für den Fall der Annahme einer Ersitzung auf den Einwand der Beklagten die Erweiterung (vgl dazu Hofmeister/Egglmeier in Schwimann 2, § 844 ABGB Rz 8 mwN) einer durch Ersitzung begründeten Wegeservitut sei unzulässig, unter Bedachtnahme auf die Entwicklung des Liegenschaftsbesitzes und das Entstehen der „Holzhaus-Siedlung“, worauf das Berufungsgericht hingewiesen hat, im fortzusetzenden Verfahren einzugehen ist, treffen zu. Rechtliche Überlegungen der dritten Instanz, unter welchen rein hypothetischen Tatsachenannahmen von einer Ausweitung eines ersessenen Gehrechts gesprochen werden könnte, sind mangels jedweder Feststellung dazu allerdings verfrüht.

Aus diesen Erwägungen ist der Aufhebungsbeschluß des Berufungsgerichts zu bestätigen. Der Kostenvorbehalt fußt auf dem § 52 Abs 1 ZPO.

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