OGH 12Os34/98

OGH12Os34/9828.5.1998

Der Oberste Gerichtshof hat am 28.Mai 1998 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Rzeszut als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schindler, Dr.E.Adamovic, Dr.Holzweber und Dr.Philipp als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Maschl als Schriftführerin in der Strafsache gegen Gertrude R***** und eine andere Angeklagte wegen des Verbrechens der Untreue nach § 153 Abs 1 und Abs 2 zweiter Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Angeklagten Gertrude R***** sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 16.September 1997, GZ 12 c Vr 1.766/95-76, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr.Jerabek, der Angeklagten Gertrude R***** und des Verteidigers Dr.Brand zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Den Berufungen wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen der Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch einen rechtskräftigen Freispruch der Mitangeklagten Gabriele V***** vom Vorwurf der Mittäterschaft enthält, wurde Gertrude R***** des Verbrechens der Untreue nach § 153 Abs 1 und Abs 2 zweiter Fall StGB schuldig erkannt, weil sie vom 1.April 1993 bis 8.Juni 1994 in Wien als Buchhalterin und Leiterin des Rechnungswesens der Firmen A***** GmbH und C***** GmbH die ihr durch Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen, dadurch wissentlich mißbrauchte und den genannten Gesellschaften einen 500.000 S übersteigenden Vermögensnachteil zufügte, daß sie in insgesamt 49 im Urteil näher bezeichneten Fällen bei der bankmäßigen Durchführung von Sammelüberweisungsaufträgen an die Firma M***** GmbH & Co KG im Widerspruch zu den in der Buchhaltung der geschädigten Unternehmen abgelegten Belegen jeweils zwei Zahlungsaufträge herstellte, und zwar einen zugunsten der Firma M*****, in welchem der Rechnungsbetrag durch Abzug eines Skontos vermindert worden war (US 6), und einen auf den Differenzbetrag lautenden Zahlungsauftrag unter verschleiernder Angabe lieferantenähnlicher Empfänger zugunsten ihr gehöriger, im Urteil näher angeführter Sparkonten, auf welche sie solcherart (1.) zu Lasten der A***** GmbH insgesamt 761.308,14 S und (2.) zu Lasten der C***** GmbH insgesamt 777.248,47 S überweisen ließ.

Die dagegen aus Z 4, 5, 5 a, 9 lit a und (nominell) 10 des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten ist in keinem Punkt berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Ihr Antrag auf "Einholung eines Schriftsachverständigengutachtens unter Heranziehung der Originalsammelüberweisungsbelege, welche sich bei der Bank befinden müßten, in Kombination mit den Durchschriften, welche sich in der Firmenbuchhaltung befinden, zwecks Feststellung, ob die unterschiedlichen Sammelüberweisungsunterlagen bei der Bank von einer deren Person stammen als die von der Firmenbuchhaltung bzw ob und welche der beiden von der Angeklagten stammen" (341/IV), läßt auf der Basis der Aktenlage einen beweisrelevanten Sinn nicht erkennen und wurde daher zu Recht abgelehnt. Belegsdurchschriften existieren in der Firmenbuchhaltung im konkreten Fall nämlich nur - und auch hier keinesfalls durchgehend (71, 81, 181, 215, 361, 389, 409, 419, 435 in ON 57/III) - von den Sammelüberweisungsaufträgen, deren Unterfertigung in 44 Fällen durch Gertrude V*****, im übrigen Umfang durch die Angeklagte und Andreas H***** gemeinsam (ON 57/III), gänzlich unbestritten ist (87, 95/IV), während die strittigen Zahlungsaufträge an die Firma M***** und zugunsten mehrerer Sparkonten, welche im übrigen ausnahmslos weder unterfertigt sind (ON 57/III) noch - dem Wesen eines Sammelüberweisungsauftrages entsprechend - einer Unterfertigung bedurften, in der Buchhaltung keinerlei Niederschlag fanden, sondern durch Rechnungsbelege der Firma M***** ersetzt wurden, die jeweils auf den vollen Rechnungsbetrag lauteten. Dazu kommt, daß die Zahlungsanweisungen zugunsten der Sparkonten bei der C***** durchgehend und vollständig maschinell ausgefüllt sind. Die unter gänzlicher Ignorierung dieses Akteninhalts aufgestellte Beschwerdebehauptung (Z 4), ein Schriftsachverständigengutachten wäre jedenfalls zur Überprüfung erforderlich gewesen, "wer die unterschriftspflichtigen Zahlungsaufträge für die im Spruch genannten Sparbücher angefertigt hat", geht daher in substanzloser Berufung auf Art 6 EMRK ins Leere.

Auch die Mängelrüge (Z 5) versagt.

Soweit sie sich nicht überhaupt in einem unbeachtlichen Angriff auf die schöffengerichtliche Beweiswürdigung erschöpft, was beispielsweise bei sämtlichen Einwänden (teilweise auch Z 5 a) gegen die Erwägungen des Erstgerichtes im Zusammenhang mit dem Ausschluß anderer, an sich auch im Gelegenheitsverhältnis gestandener Angestellten der geschädigten Unternehmen der Fall ist (US 19 f), ist sie unbegründet:

Da das Schriftsachverständigengutachten nur eine von mehreren tragenden Begründungskomponenten des Schuldspruchs darstellt, versagt zunächst der Einwand, die vom Sachverständigen angenommene sehr hohe Wahrscheinlichkeit, daß die Losungsworte der Auszahlungsbelege von der Angeklagten geschrieben wurden, sei als Beweisgrundlage nicht ausreichend.

Auch die behauptete Widersprüchlichkeit dieses Gutachtens, welches auf einem Vergleich von Schriftproben beider Angeklagter mit den vom Beheber der fraglichen Spareinlagen stammenden Belegstellen beruht, liegt nicht vor. Denn die fachkundige Einschätzung, daß einzelne Übereinstimmungen im Schriftbild der Gabriele V***** vernachlässigbar wären, wurde unmißverständlich im Konnex mit den gleichfalls konstatierten "zahlreichen, mit besonderen Schreibbedingungen oder Verstellungsbemühungen nicht erklärbaren Unterschieden" getroffen. Diese Prämisse fehlt allerdings bei der gutachterlichen Bewertung des Schriftbildes der Beschwerdeführerin, das ohne jegliche Unterschiede allein "bemerkenswerte graphische Übereinstimmungen" aufweist, welche "nach ihrer Art und Zahl in sehr hohem Maß die Schrifteinheit der Urheber beweisen (37, 39/II).

Das Erstgericht hat auch keinesfalls eine der Angeklagten tatsächlich nicht zustehende Alleinvertretungsmacht "konstruiert"; wie von der Beschwerde an anderer Stelle selbst eingeräumt, geht es vielmehr ohnehin aktenkonform davon aus, daß der Beschwerdeführerin im Gegensatz zur alleinvertretungsbefugten Geschäftsführerin Gabriele V***** die Berechtigung, über das Vermögen der im Urteilsspruch genannten Unternehmen zu verfügen, nur gemeinsam mit Andreas H***** eingeräumt war (US 6, 16). Davon unabhängig sind die Erwägungen der Tatrichter über die firmeninterne Stellung der Angeklagten, welche (im Zusammenhalt mit anderen Verfahrensergebnissen) allein zur Stützung der Annahme herangezogen wurden, daß die Beschwerdeführerin die inkriminierten Manipulationen an den der jeweiligen Sammelüberweisung zugrundeliegenden Einzelaufträgen entweder selbst durchgeführt oder (durch gutgläubige andere) veranlaßt hat (US 22).

Ob die Sparbücher auch von der Angeklagten eröffnet wurden, ist für die Lösung der Schuldfrage irrelevant und betrifft damit keine entscheidende Tatsache. Der insoweit erhobene Vorwurf offenbar unzureichender Begründung geht daher ins Leere.

Da die Beschwerdehypothese, wonach sich Bankangestellte "für gewöhnlich an Kunden erinnern", die über einen Zeitraum eines Jahres regelmäßig Beträge bis zu 170.000 S abheben, jedenfalls im großstädtischen Raum auf reiner Spekulation beruht, erweist sich der Einwand unterlassener amtswegiger Vernehmung dieser Personen als Zeugen (der Sache nach allein Z 5 a) als ungeeignet, gegen die dem Schuldspruch zugrundeliegenden tragenden Urteilsannahmen erhebliche Bedenken zu erwecken. Gleiches gilt auch insoweit, als die Angeklagte unter teilweiser Wiederholung ihrer leugnenden Verantwortung die Lösung der Beweisfrage mit der Behauptung in Zweifel zu ziehen sucht, auch andere Angestellte hätten zu den Manipulationen die erforderlichen Fähigkeiten und Möglichkeiten gehabt, und überhaupt böten Schriftähnlichkeiten im Blockbuchstabenbereich keine eindeutige Sicherheit.

Soweit in den Rechtsrügen (der Sache nach allein Z 9 lit a) unter Mißachtung ausdrücklich anderslautender Feststellungen, welche auch in keiner Weise irgendeiner Ergänzung bedürfen, die Täterschaft der Beschwerdeführerin vor allem in subjektiver Hinsicht bestritten wird, gelangt die Beschwerde nicht zur prozeßordnungsgemäßen Darstellung.

Gesetzmäßig, wenn auch unberechtigt, ist allein der - auch im Rahmen der formellen Nichtigkeitsgründe erhobene - Einwand, der Angeklagten wäre die zur Tatbestandsverwirklichung der Untreue essentielle Befugnis, über das Vermögen der in Rede stehenden Unternehmen zu verfügen, deshalb nicht zugestanden, weil sie nur unter der Bedingung der Gegenzeichnung durch eine andere Person zeichnungsberechtigt gewesen wäre. Zur Erwiderung dieses Rechtsstandpunktes genügt der Hinweis auf die gesicherte Rechtsprechung, wonach auch ein nur kollektivvertretungsbefugter Machthaber sich dann der Untreue schuldig macht, wenn er - wie hier - das Einverständnis des gutgläubig handelnden Mitvertretungsberechtigten erschleicht (Mayerhofer/Rieder StGB4 E 9 und 10 zu § 153).

Das Erstgericht hat allerdings die strafrechtlichen Konsequenzen der pauschal festgestellten Tatsache (US 6) übersehen, daß die Angeklagte von der ihr grundsätzlich eingeräumten Verfügungsmacht nicht in allen Fällen tatsächlich Gebrauch machte, sondern (im sogar weit überwiegenden Ausmaß) die nach Überzeugung der Tatrichter gutgläubige Mitangeklagte V***** zur Unterzeichnung der Sammelüberweisungsaufträge veranlaßte, welche die rechtliche Basis für die bankmäßige Durchführung der ihnen angeschlossenen Zahlungsaufträge auf Sparkonten der Beschwerdeführerin darstellten. Ersichtlich auf Grund dieses Versehens unterließ es das Schöffengericht auch, den Urteilssachverhalt an Hand des von ihm ausdrücklich als Grundlage herangezogenen Buchsachverständigengutachtens (ON 57/III) dahingehend zu konkretisieren, daß die Angeklagte nur in insgesamt fünf Fällen (nämlich zu Punkt C/1, C/2, A/1, A/12 und A/23 der Gutachtensbeilagen mit einem Schadensbetrag von insgesamt 166.000 S) selbst die ihr eingeräumte Befugnis mißbrauchte, während sie die Sammelüberweisungsaufträge sonst ausnahmslos von Gabriele V***** unterzeichnen ließ.

Infolge Freispruchs der Mitangeklagten Gabriele V***** vom Anklagevorwurf einer Mittäterschaft (Leukauf/Steininger Komm3 § 153 RN 46) kann demnach nur in diesem eingeschränkten Ausmaß eine Verurteilung der Angeklagten wegen des Verbrechens der Untreue nach § 153 Abs 1, Abs 2 erster Fall StGB in Betracht kommen.

Die im übrigen rechtsirrige Subsumtion wurde von ihr allerdings nicht geltend gemacht.

Da sie der Angeklagten zum Vorteil gereicht, besteht für eine amtswegige Veranlassung gemäß § 290 Abs 1 StPO kein Anlaß.

Bei umfassender Sicht - unter Einbeziehung der Freispruchsbegründung - enthält der Urteilssachverhalt in dem einer Qualifikation nach § 153 StGB unzugänglichen Tatsachenbereich nämlich alle für die hier in Betracht kommende Unterstellung unter den Tatbestand des schweren Betruges essentiellen Feststellungen. Darnach hat die Beschwerdeführerin dort, wo sie nicht selbst von ihrer Verfügungsmacht pflichtwidrig Gebrauch machte, die gutgläubige Geschäftsführerin V***** jeweils unter vorsätzlicher Täuschung durch Angabe von lieferantenähnlichen Zahlungsempfängern zur Unterzeichnung der Sammelüberweisungsaufträge auch in Ansehung der Zahlungsaufträge zugunsten von Sparkonten der Angeklagten veranlaßt und solcherart tatplangemäß zum Zwecke persönlicher Bereicherung und zum Schaden der im Spruch bezeichneten Unternehmen die Überweisung eines ihr nicht zustehenden Skontobetrages (in Höhe von insgesamt 1,372.556,61) auf ihre Privatkonten bewirkt. Damit wäre dieses Tatverhalten - ganz abgesehen von der damit geradezu denknotwendig verbundenen gewerbsmäßigen Zielsetzung nach § 148 zweiter Fall StGB - rechtsrichtig nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1, 147 Abs 3 StGB zu qualifizieren.

Bei gleicher Strafdrohung wie § 153 Abs 2 zweiter Fall StGB fielen der Angeklagten in diesem Fall als zusätzliche Erschwerungsgründe das Zusammentreffen mit einem Vergehen und die mehrfache Qualifikation des Betruges zur Last. Die rechtsirrige Subsumtion gereicht ihr demnach zum Vorteil.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Bei der Strafbemessung wertete das Schöffengericht die Wiederholung der Straftaten durch lange Zeit als erschwerend, die Unbescholtenheit der Angeklagten demgegenüber als mildernd. Davon ausgehend verhängte es über Gertrude R***** eine zweijährige Freiheitsstrafe, wovon es unter Berücksichtigung der Schadenshöhe einen Strafteil von vier Monaten von der im übrigen gewährten bedingten Nachsicht ausnahm (§ 43 a Abs 3 StGB).

Weder die Angeklagte noch die Staatsanwaltschaft vermögen in ihren Berufungen einen stichhaltigen Grund für eine Abänderung des Sanktionsausspruchs ins Treffen zu führen.

Erstere begnügt sich hauptsächlich überhaupt damit, ihre leugnende Verantwortung zu wiederholen und verfehlt es insoweit, einen Berufungsgrund auch nur zu behaupten. Die Angeklagte vermag aber auch keine zusätzlichen Milderungsgründe aufzuzeigen, weil die Straftaten einerseits nach dem Urteilssachverhalt nicht auf Arbeitsüberlastung und einem unübersichtlichen Buchhaltungssystem, sondern einem vorgefaßten kriminellen Plan unter gezielter Ausnützung mangelhafter Kontrollen beruhen und andererseits dem Akteninhalt nichts zu entnehmen ist, was als Beitrag der Berufungswerberin zur Wahrheitsfindung gedeutet werden könnte. Denn ihre Überführung ist allein auf die Auswertung der von der Bank und den geschädigten Unternehmen beigeschafften Buchhaltungsunterlagen und das Schriftsachverständigengutachten zurückzuführen.

Die konsequente, großteils betrügerische Schädigung des Dienstgebers während eines Zeitraums von mehr als einem Jahr und die Beendigung dieses kriminellen Verhaltens allein durch die Kündigung und anschließende Aufdeckung der Straftaten läßt unter Berücksichtigung der von der Angeklagten gewählten Verantwortungsstrategie trotz ihrer Unbescholtenheit absolut keinen Grund erkennen, der künftighin ihre verläßliche Distanzierung von gleichartigen Straftaten erwarten ließe.

Somit scheidet nicht nur die begehrte Strafherabsetzung, sondern auch die Anwendung des § 43 Abs 1 StGB nach Lage des Falles aus.

Ebensowenig bedarf es aus spezial- oder generalpräventiver Sicht angesichts des zwar bedeutenden, den Bereich mittelschwerer Kriminalität jedoch nicht übersteigenden Schadens der von der Staatsanwaltschaft geforderten Anhebung des unbedingten Strafteils.

Beiden Berufungen war daher ein Erfolg zu versagten.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.

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