Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.
Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Erich S***** wurde des Verbrechens der Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB sowie des Vergehens des Mißbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 StGB schuldig erkannt.
Danach hat er
I. zwischen 12. und 18.März 1995 in Obertraun unter Ausnützung seiner Stellung als Lehrer gegenüber der seiner Ausbildung unterstehenden, am 2.Jänner 1982 geborenen und sohin unmündigen Monika B***** diese durch Betasten ihrer Brust auf andere Weise als durch Beischlaf zur Unzucht mißbraucht;
II. im Frühjahr 1996 in Kufstein unter Ausnützung seiner Stellung als Lehrer gegenüber der seiner Ausbildung unterstehenden, am 2.Jänner 1982 geborenen und sohin minderjährigen Monika B***** diese durch Betasten ihrer Scheide zur Unzucht mißbraucht;
III. Anfang 1992 in Kufstein unter Ausnützung seiner Stellung als Lehrer gegenüber der seiner Ausbildung unterstehenden, am 8.Juli 1978 geborenen und sohin unmündigen Daniela C***** die Genannte durch Betasten der Brust und Einführen von Fingern in die Scheide auf andere Weise als durch Beischlaf zur Unzucht mißbraucht.
Gegen diese Schuldsprüche richtet sich die auf die Z 4, 5, 5 a, 9 lit a und 11 des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, die jedoch nicht berechtigt ist.
Rechtliche Beurteilung
Die Verfahrensrüge (Z 4) kritisiert die Abweisung der in der Hauptverhandlung gestellten insgesamt zehn Beweisanträge (ausgenommen den sechsten Beweisantrag) des Angeklagten (S 25 ff/II), hiezu im einzelnen:
Zu 1.: Im Hinblick auf die Angaben der Zeugin Monika B*****, wonach der Angeklagte beim Vorfall gemäß Punkt I. des Schuldspruches so gehandelt hätte, daß ihre Zimmerkolleginnen zwar das Kitzeln, nicht aber den Griff auf die nackte Brust mitbekommen hätten (S 133, 213/I), sie diesen vom Vorfall auch nichts mitgeteilt hätte, hätte es im Beweisantrag der Angabe jener besonderen Gründe bedurft, die die Annahme rechtfertigen, daß durch die Einvernahme der Zeuginnen Nicole H***** und Silvia G***** das vom Beschwerdeführer angestrebte Ergebnis, nämlich der Ausschluß von Unzuchtshandlungen, zu erwarten gewesen wäre (Mayerhofer StPO4 § 281 Z 4 E 83, vgl auch E 90). Die bloße gleichzeitige Anwesenheit im Zimmer reicht dafür jedenfalls nicht hin. Im übrigen stellt das Beschwerdevorbringen ("...ob und was...", S 9 der Rechtsmittelschrift) unverhohlen auf einen unzulässigen Erkundungsbeweis ab.
Zu 2. und 7.: Durch das Unterbleiben der Vernehmung der Zeugen Gerhard H***** und Dagmar B***** wurde der Angeklagte schon deshalb nicht in seinen Verteidigungsrechten beeinträchtigt, weil die Tatrichter ohnehin im Sinne der Antragstellung weitere Kontakte zwischen der Zeugin und dem Beschwerdeführer bejahten (US 8 unten), und im übrigen diese Zeugen bloß über ein Verhalten der Monika B***** nach der Tat, dem sohin die Entscheidungswesentlichkeit mangelt, Auskunft geben sollen.
Zu 3.: Der Forderung nach einer Gutachtensergänzung ist grundsätzlich zu erwidern, daß die Beweiswürdigung gemäß § 258 StPO ausschließlich dem Gerichtshof zukommt und die Richter sich auf Grund des persönlichen Eindruckes von Zeugen (und Angeklagten) über die Verläßlichkeit der Aussagen schlüssig zu werden haben. Das Gutachten eines Psychiaters oder Jugendpsychologen wird sohin nur in besonders gelagerten Fällen, so etwa bei festgestellter abwegiger Veranlagung in psychischer und charakterlicher Hinsicht, Entwicklungsstörungen oder son- stigen Defekten von Jugendlichen für die Würdigung von Aussagen vonnutzen sein. Daß solche, die Ergänzung des Gutachtens notwendig erscheinenden Umstände vorliegen, ist weder aus dem Akt ersichtlich noch wurden sie im Beweisantrag behauptet.
Zu 4. und 5.: Ein Beitrag für die Lösung der Schuldfrage ist den Anträgen auf Ergänzung des Sachverständigengutachtens bezüglich der Schreiben der Zeuginnen Silvia L***** und Elisabeth N***** nicht zu entnehmen (siehe auch S 259/I), handelt es sich doch um keine Tatzeuginnen.
Zu 8., 9. und 10.: Abgesehen davon, daß die Anträge im Ergebnis (unzulässige) Erkundungsbeweise zum Ziel haben, lassen auch die Beweisthemen schon jeglichen Mangel an Entscheidungsrelevanz - nämlich für die Bestätigung der leugnenden Verantwortung des Angeklagten - erkennen. Es genügt unter anderem darauf hinzuweisen, daß die Taten außerhalb der Klassenräume stattfanden, weshalb bloß mangelnde Wahrnehmungen sexueller Übergriffe durch das sonstige Personal nichts über die vorgeworfenen Verfehlungen aussagen kann.
Die Mängelrüge (Z 5) behauptet vorerst eine Verletzung der Vorschrift des § 258 Abs 1 StPO dadurch, daß in der Hauptverhandlung (ON 36) die leugnende Verantwortung des Beschwerdeführers in den vorigen Verfahrensabschnitten nicht verlesen, jedoch in der Urteilsbegründung (US 7) zu den Schuldspruchfakten I. und II. (betreffend Monika B*****) verwertet worden wäre. Abgesehen davon, daß die Rüge insoweit gar nicht zum Vorteil ausgeführt wird, weil sie sich gegen die Berücksichtigung der die Tat bestreitenden Einlassung des Angeklagten im Urteil wendet, wurden darauf ohnehin keine nachteiligen Feststellungen gestützt. Entgegen den weiteren Beschwerdeausführungen wurde aber der Zeugin Monika B***** in der Hauptverhandlung die Verantwortung des Angeklagten (zum Schuldspruchfaktum II.) ausdrücklich vorgehalten (S 13/II Mitte). Im übrigen bedarf die Neudurchführung einer Hauptverhandlung nach § 276 a StPO keines förmlichen Beschlusses (Mayerhofer StPO4 § 276 a E 3 a).
Entgegen der in der Tatsachenrüge (Z 5 a) - die "aus den Akten erhebliche Bedenken aufzeigen soll - wiederholten Kritik an der Modalität der Vernehmung der Zeuginnen Monika B***** und Daniela C***** in der Hauptverhandlung, nämlich Bestätigung ihrer bisherigen, vom Vorsitzenden verlesenen (S 11, 17/jeweils II) Aussagen mit Einräumung des Fragerechtes (S 13, 19/jeweils II), widersprach diese nicht dem Gesetz (RZ 1998/15).
Die ebenfalls bekämpfte Annahme der Tauglichkeit der zur Tatzeit knapp vierzehnjährigen Zeugin Daniela C***** als Deliktsobjekt erschloß das Erstgericht empirisch einwandfrei und zureichend begründet aus deren Alter, wobei es pflichtgemäß deren Angaben vom damaligen körperlichen Entwicklungsstand mitberücksichtigte (US 11 erster Absatz).
Die Tatsachenrüge (Z 5 a) behauptet auch unvertretbare Verstöße gegen die Verpflichtung der Tatrichter zur Erforschung der materiellen Wahrheit, dies jedoch unberechtigt.
Zur weitwendigen Kritik zu den Einvernahmen der Zeuginnen Monika B***** und Daniela C***** sowie des Angeklagten genügt es, auf die diesbezüglichen Ausführungen zur Mängelrüge hinzuweisen.
Daß die Zeugin Daniela C***** entgegen § 248 Abs 1 zweiter Satz StPO während der Einvernahme der Zeugin Monika B***** im Verhandlungssaal anwesend war (S 15/II), macht ihre Einvernahme keineswegs unzulässig (Mayerhofer StPO4 § 248 E 4 und die dort zitierte Judikatur).
Entgegen der sowohl in der Mängel- als auch der Tatsachenrüge aufgestellten Behauptung hat das Schöffengericht das Gutachten Dris.W***** nicht für die Entscheidungsfindung herangezogen (US 9 zweiter Absatz).
Zum umfänglichen Einwand, die Tatrichter hätten die Glaubwürdigkeit der Belastungszeuginnen nur nach Einholung eines (ergänzenden) Sachverständigengutachtens beurteilen dürfen, genügt der neuerliche Verweis auf die vorangehenden Ausführungen zur Erledigung der Mängelrüge.
Erhebliche, sich aus den Akten ergebende Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Schuldspruch zugrundeliegenden entscheidenden Tatsachen vermag die Tatsachenrüge jedenfalls nicht zu erwecken.
Die Rechtsrüge (Z 9 a) entbehrt einer prozeßordnungsgemäßen Ausführung, weil sie zu den Urteilsfakten I. und II. jegliche Darlegung von Rechtsfehlern unterläßt und zum Schuldspruch III., gleich wie die Mängelrüge (Z 5) argumentierend, sich nicht am Urteilssachverhalt orientiert, was aber für eine gesetzeskonforme Geltendmachung dieses Nichtigkeitsgrundes erforderlich wäre.
Letztlich ist auch die Strafzumessungsrüge (Z 11) nicht berechtigt, weil weder für die Strafbemessung maßgebende entscheidende Tatsachen offenbar (rechtlich) unrichtig beurteilt wurden noch in unvertretbarer Weise gegen Bestimmungen über die Strafbemessung verstoßen wurde. Die bedingte Nachsicht von Rechtsfolgen nach § 44 Abs 2 StGB wurde nämlich nicht grundsätzlich, sondern (bloß) fallbezogen als unanwendbar angesehen; somit wird nur ein Ermessensfehler und damit ein Berufungsgrund behauptet (Mayerhofer4 § 281 Z 11 E 20).
Die Nichtigkeitsbeschwerde war demnach schon bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285 d StPO); unter Bezugnahme auf die gemäß § 35 Abs 2 StPO erstattete Äußerung des Angeklagten (zur Stellungnahme der Generalprokuratur zur Nichtigkeitsbeschwerde) ist darauf hinzuweisen, daß nur prozeßordnungsgemäß ausgeführte Rechtsrügen einer Entscheidung im Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung zuzuführen sind.
Die Zuständigkeit des Oberlandesgerichtes für die außerdem erhobenen Berufungen gründet sich auf § 285 i StPO, die Kostenentscheidung auf die bezogene Gesetzesstelle.
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