OGH 3Ob98/98b

OGH3Ob98/98b27.5.1998

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Hofmann als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Tittel, Dr.Pimmer, Dr.Zechner und Dr.Sailer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Ing.Johannes H*****, vertreten durch Dr.Wolfgang Rumpl, Rechtsanwalt in Mödling, 2. Verlassenschaft nach dem am 3.März 1997 verstorbenen Franz H*****, vertreten durch den Verlassenschaftskurator Dr.Wolfgang Rumpl, Rechtsanwalt in Mödling, wider die beklagte Partei S*****, vertreten durch Dr.Rudolf Gimborn und Dr.Fritz Wintersberger, Rechtsanwälte in Mödling, wegen § 36 EO, infolge Rekurses der klagenden Parteien gegen den Beschluß des Landesgerichtes Wiener Neustadt als Berufungsgerichtes vom 17.Jänner 1998, GZ 18 R 314/97y-19, womit die Berufung der klagenden Parteien gegen das Urteil des Bezirksgerichtes Mödling vom 25.Juni 1997, GZ 10 C 23/96x-11, zurückgewiesen wurde, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs der erstklagenden Partei wird nicht Folge gegeben.

Dem Rekurs der zweitklagenden Partei wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß des Berufungsgerichtes über die Berufung der zweitklagenden Partei wird aufgehoben. Dem Berufungsgericht wird die Entscheidung über die Berufung der zweitklagenden Partei unter Abstandnahme von dem gebrauchten Zurückweisungsgrund aufgetragen.

Die erstklagende Partei hat die Rekurskosten selbst zu tragen.

Die Kosten des Rekurses der zweitklagenden Partei sind weitere Kosten des Berufungsverfahrens.

Text

Begründung

Zweitkläger war ursprünglich Franz H*****, der am 3.3.1997 verstarb; er war der Vater des Erstklägers.

Die beklagte Partei führt gegen die Kläger zu 5 E 4/94v des Erstgerichtes Exekution zur Hereinbringung ihrer Forderung von S 2,276.000 sA durch Zwangsversteigerung einer in deren Hälfteeigentum stehenden Liegenschaft.

Die nicht anwaltlich vertretenen Kläger begehrten - gestützt auf eine Vereinbarung vom Sommer 1996 - in der am 5.9.1996 eingebrachten Klage das Urteil, die Fortführung dieses Liegenschaftsversteigerungsverfahrens sei unzulässig und dieses Exekutionsverfahren sei einzustellen.

In der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung am 30.9.1996 legte der Erstkläger eine ihm für dieses Verfahren vom Zweitkläger erteilte Vollmacht vor.

Das Erstgericht faßte in der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung am 18.11.1996 den Beschluß auf Schluß der Verhandlung. Mit Schreiben vom 7.3.1997, beim Erstgericht am 11.3.1997 eingelangt, teilte der Erstkläger mit, daß der Zweitkläger am 3.3.1997 verstorben sei.

Das Erstgericht wies mit Urteil vom 25.6.1997 die Klage ab; es führte im Kopf des Urteils als zweitklagende Partei die Verlassenschaft nach Franz H***** an, nicht jedoch einen Vertreter der zweitklagenden Partei.

Mit Verfügung vom 30.6.1997 (ON 12) ordnete das Erstgericht die Zustellung des Urteils an den Erstkläger und an den Beklagtenvertreter sowie die Übermittlung des Aktes an die Verlassenschaftsabteilung mit dem Ersuchen um Bestellung eines Verlassenschaftskurators für den verstorbenen Zweitkläger an. Das Urteil wurde dem Erstkläger durch Hinterlegung am 3.7.1997 (Beginn der Abholfrist) zugestellt.

Mit Beschluß des Bezirksgerichtes Mödling vom 4.7.1997, 1 A 300/97b, wurde Dr.Wolfgang Rumpl, Rechtsanwalt in Mödling, zum Verlassenschaftskurator gemäß § 811 ABGB bestellt und insbesonders dazu ermächtigt, die Verlassenschaft im Verfahren 10 C 23/96x beim Bezirksgericht Mödling zu vertreten.

Das Erstgericht verfügte hierauf am 16.7.1997 die Zustellung des Urteils an den Verlassenschaftskurator Rechtsanwalt Dr.Wolfgang Rumpl; die Zustellung erfolgte am 18.7.1997.

Die Kläger gaben die Berufung am 18.8.1997 zur Post, wobei Rechtsanwalt Dr.Wolfgang Rumpl den Erstkläger unter Berufung auf die ihm erteilte Vollmacht und die zweitbeklagte Verlassenschaft nach Franz H***** als Verlassenschaftskurator vertritt.

Das Berufungsgericht wies diese Berufung aus folgenden Gründen als verspätet zurück:

Die Kläger machten geltend, daß die Weiterführung des Zwangsversteigerungsverfahrens im Hinblick auf eine mit der beklagten Partei getroffene Vereinbarung über die Bezahlung von S 350.000 "zur Zeit" unzulässig sei. Die Beklagte sei schuldig, das Exekutionsverfahren gemäß § 200 Z 3 EO einzustellen. Aus diesem Begehren und dem Aufschiebungsantrag, wonach im Zwangsversteigerungsverfahren eine "Zwangspause" von sechs Monaten erreicht werden solle, ergebe sich, daß die Klage nicht etwa einen behaupteten dauernden Exekutionsverzicht zum Gegenstand habe, sondern nur ein Aufschub in der Dauer von sechs Monaten (§ 200 Z 3 EO) erreicht werden solle. Auch ein zeitlich befristeter Exekutionsverzicht nach Einleitung der Exekution sei im Bestreitungsfall mit einer Klage nach § 36 EO geltend zu machen. In diesem Fall könne der Streitgegenstand im Prozeß nicht der betriebenen Forderung im Zwangsversteigerungsverfahren gleichgesetzt werden. Hier werde nämlich nur behauptet, daß die Vornahme der Exekution zur Zeit unstatthaft sei. In einem solchen Fall sei das Interesse des Impugnationsklägers an der (zeitlich befristeten) Unzulässigerklärung der Exekution geringer als der Betrag der betriebenen Forderung. Da weder der Wert der Liegenschaft (§ 57 JN) noch der von den Klägern angeblich bezahlte Betrag zur Erwirkung des zeitlich befristeten Exekutionsverzichts streitwertbegründend sei, wäre es Sache der Kläger gewesen, die Klage zu bewerten (§ 56 Abs 2 JN). Da eine solche Bewertung nicht erfolgt sei, gelte der "Zweifelstreitwert" von S 30.000 (§ 56 Abs 2 zweiter Satz JN). Im erstgerichtlichen Verfahren habe daher weder absoluter (§ 27 ZPO) noch relativer (§ 29 ZPO) "Anwaltszwang" geherrscht. Die vom Zweitkläger dem Erstkläger erteilte Vollmacht vom 30.9.1996 sei als Prozeßvollmacht im Sinn des § 31 ZPO anzusehen, weil sie nicht nur für einzelne bestimmte Prozeßhandlungen erteilt worden sei (§ 33 Abs 1 ZPO), sondern ausdrücklich die Ermächtigung enthalte, bei dieser Klage die Interessen des Zweitklägers zu vertreten. Die Verwendung der Bezeichnung "Prozeßvollmacht" sei nicht wesentlich, eine sinngemäß entsprechende Formulierung reiche aus. Gemäß § 35 Abs 1 ZPO werde die Prozeßvollmacht - entgegen der bürgerlich-rechtlichen Vollmacht (§ 1022 ABGB) - durch den Tod des Vollmachtgebers nicht aufgehoben. Habe eine Partei für einen Rechtsstreit Prozeßvollmacht erteilt, so hätten bis zur Aufhebung der Prozeßvollmacht alle diesen Rechtsstreit betreffenden Zustellungen an den namhaft gemachten Bevollmächtigten zu geschehen (§ 93 Abs 1 ZPO). Die Zustellung des Ersturteils an den Erstkläger am 3.7.1997 habe daher auch in Ansehung des zu diesem Zeitpunkt bereits verstorbenen Zweitklägers den Lauf der Rechtsmittelfrist in Gang gesetzt. Die Urteilszustellung an den am 4.7.1997 bestellten Verlassenschaftskurator habe daher keine Rechtswirkungen in Bezug auf den Beginn und Ablauf der Berufungsfrist auslösen können. Eine Verfahrensunterbrechung infolge des Todes des Zweitklägers sei im Hinblick auf die von ihm dem Erstkläger erteilte Prozeßvollmacht nicht eingetreten (§ 155 Abs 1 ZPO). Im Hinblick auf die Zustellung des Urteils an den Erstkläger am 3.7.1997 habe die vierwöchige Berufungsfrist am 31.7.1997 geendet. Die am 18.8.1997 zur Post gegebene Berufung sei daher verspätet und wäre bereits vom Erstgericht zurückzuweisen gewesen (§ 468 Abs 1 ZPO), was das Berufungsgericht nachzuholen gehabt habe.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs des Erstklägers ist nicht begründet, wohl aber derjenige der zweitklagenden Partei.

Dem Erstkläger wurde das Ersturteil durch Hinterlegung am 3.7.1996 (Beginn der Abholfrist) zugestellt. Da die in den §§ 35 bis 37 EO bezeichneten Streitigkeiten Ferialsachen sind (§ 224 Abs 1 Z 5 ZPO), haben die Gerichtsferien auf den Anfang und Ablauf von Fristen keinen Einfluß (§ 225 Abs 2 ZPO). Die am 18.8.1997 zur Post gegebene Berufung des (nunmehr anwaltlich vertretenen) Erstklägers wäre nur dann rechtzeitig, wenn es sich bei den Klägern um eine einheitliche Streitpartei (§ 14 ZPO) handeln würde - wie sie dies in der Berufung ohne Begründung behaupten - und die Berufungsfrist für den Zweitkläger noch gewahrt wäre. Streitgenossen bilden gemäß § 14 Satz 1 ZPO dann eine einheitliche Streitpartei, wenn die Wirkung des zu fällenden Urteils sich kraft der Beschaffenheit des streitigen Rechtsverhältnisses oder kraft gesetzlicher Vorschrift auf sämtliche Streitgenossen erstreckt. Keine einheitliche Streitpartei liegt dann vor, wenn trotz der Gemeinsamkeit des rechtserzeugenden Sachverhalts keine rechtliche Notwendigkeit zu einer in jedem Fall einheitlichen Entscheidung vorliegt. Daher bildet etwa eine Solidarverpflichtung aus Vertrag, Gesetz oder unerlaubter Handlung keine einheitliche Streitpartei. Eine Mehrheit von Oppositionsklägern ist nur dann eine einheitliche Streitpartei, wenn sie dies im Titelprozeß war; bei ihnen muß aber auch noch ein einheitlicher Einwendungstatbestand hinzukommen (Fasching, Kommentar II 196).

Diese Grundsätze gelten auch für den hier vorliegenden Fall einer Impugnationsklage (§ 36 EO): Durch die Solidarhaftung mehrerer Verpflichteter für eine Geldschuld entsteht für das Exekutionsverfahren keine notwendige Streitgenossenschaft (EvBl 1977/88). Dann bilden aber auch Impugnationskläger bei solidarischer Verpflichtung grundsätzlich keine einheitliche Streitpartei; anders wäre dies nur bei einem einheitlichen Einwendungstatbestand, bei dem es auch dem einzelnen Impugnationskläger verwehrt wäre, ihn unabhängig vom Willen der anderen Kläger fallen zu lassen. Dieser Fall liegt hier nicht vor. Genauso wie in dem Fall, in dem es darauf ankommt, ob eine bestimmte Zahlung auf die vollstreckbare Forderung oder auf eine andere Forderung geleistet wurde (vgl OLG Wien EvBl 1934/315), kann auch mehreren solidarisch Verpflichteten gegenüber, eine Exekutionsstundung nur einem nicht aber dem anderen gewährt worden sein.

Der Entscheidung ZBl 1927/56, wonach dann, wenn Hauptschuldner und dessen Bürge und Zahler wegen der vom Gläubiger jenem gewährten Stundung eine Vollstreckungsgegenklage gegen den die Exekution wider sie führenden Gläubiger erheben, zwischen den Klägern eine einheitliche Streitgenossenschaft besteht, ist schon Petschek in der Entscheidungsglosse (aaO) zutreffend entgegengetreten; die Stundung betrifft nur den Anspruch des Gläubigers gegenüber jedem der Schuldner; er kann gegenüber beiden verschiedene Geschicke erfahren, die Stundung kann sich auf einen von ihnen beschränken.

Mangels Vorliegens einer einheitlichen Streitpartei hat somit das Berufungsgericht im Ergebnis zu Recht die Berufung des Erstklägers als verspätet zurückgewiesen.

Was hingegen die zweitklagende Partei betrifft, geht das Berufungsgericht unzutreffend davon aus, daß der Streitwert der Klage nach § 36 EO sich hier nicht nach der betriebenen Forderung richte und mangels anderer Bewertung durch die Impugnationskläger der Zweifelsstreitwert (§ 56 Abs 2 Satz 2 JN) von S 30.000 maßgeblich wäre. Bei einer Klage nach § 36 EO, die sich gegen die gesamte zur Hereinbringung einer Geldforderung geführte Exekution richtet, bildet die Höhe des betriebenen Kapitalbetrages den Streitwert (EFSlg 57.896; JBl 1979, 436; 2 Ob 552/92; 3 Ob 6-11/85; 3 Ob 189/82 ua). Der Streitwert der Klage nach § 36 EO kann den Wert der Forderung nicht übersteigen; eine darüber hinausgehende Bestimmung des Streitwerts im Sinn des § 54 JN ist überflüssig und nicht zu beachten (SZ 19/322; 3 Ob 322/97t).

Das Berufungsgericht, verkennt mit seiner Annahme, hier wäre der Streitwert, weil nur eine Stundung behauptet werde, geringer als die betriebene Forderung, diese nunmehr ständige Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes, welcher der Meinung von Heller/Berger/Stix 439, daß das Interesse des Impugnationsklägers an der Unzulässigerklärung der Exekution erheblich geringer als der Betrag der Forderung sein kann, namentlich wenn die Exekution nur zur Zeit unstatthaft ist, nicht folgt.

Somit besteht kein Anhaltspunkt. Gerade aus dem Umstand, daß die Kläger keine Bewertung vorgenomen haben, ergibt sich, daß tatsächlich der Wert der betriebenen Forderung maßgeblich ist. Dies ist hier die Kapitalsforderung von S 2,244,781. Danach richten sich auch die Auswirkungen des Todes des Zweitklägers auf das Verfahren. In diesem Fall liegt nämlich gemäß § 27 Abs 2, § 29 Abs 1 ZPO relative Anwaltspflicht vor; die vom Zweitkläger dem Erstkläger erteilte Prozeßvollmacht war hier nicht ausreichend. Der Tod des Zweitklägers hatte somit gemäß § 155 Abs 1 ZPO die Unterbrechung des Verfahrens zur Folge. Der Umstand, daß das Erstgericht zwar den Mangel einer gültigen vom Zweitkläger an den Erstkläger erteilten Prozeßvollmacht, nicht aber die Verfahrensunterbrechung beachtete, ist nach Zustellung des Urteils an den nunmehr als Vertreter der zweitklagenden Verlassenschaft auftretenden Kurator geheilt, dessen Berufung schon deshalb rechtzeitig eingebracht wurde, weil der Berufungsschriftsatz die Aufnahme des Verfahrens nach § 155 Abs 2 ZPO bedeutete.

Im übrigen wäre die Rechtsmeinung des Berufungsgerichtes selbst dann verfehlt, wenn der Zweitkläger dem Erstkläger gültig Prozeßvollmacht erteilt hätte. Da das Erstgericht ausdrücklich die Zustellung nur an den Erstkläger als Partei, nicht jedoch als Vertreter des Zweitklägers verfügt hatte und dieser auch im Kopf des Ersturteils nicht genannt wird, kann keineswegs davon ausgegangen werden, daß das Urteil überhaupt der zweitklagenden Partei zugestellt wurde.

Das Berufungsgericht wird somit die tatsächlich rechtzeitig eingebrachte Berufung der zweitklagenden Partei zu behandeln haben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 52 Abs 1 ZPO.

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