OGH 4Ob143/98b

OGH4Ob143/98b26.5.1998

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kodek als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofes Dr. Griß, den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Pimmer, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofes Dr. Schenk sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Vogel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei SCHUTZVERBAND DER ÖSTERRREICHISCHEN LEBENSMITTELINDUSTRIE, *****, vertreten durch Schönherr Barfuß Torggler & Partner, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei K***** Handels-GmbH, *****, vertreten durch Briem Dullinger Kustor, Rechtsanwälte in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Provisorialverfahren S 450.000,-), infolge Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgericht vom 12. März 1998, GZ 3 R 205/97g-9, womit der Beschluß des Handelsgerichtes Wien vom 9. September 1997, GZ 37 Cg 171/97v-5, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 19.845.- (darin S 3.307,50 USt) bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Satzungsgemäßer Zweck des klagenden Schutzverbandes, dem auch Mitglieder angehören, die Bier erzeugen und in Verkehr bringen, ist unter anderem die Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs auf den Gebieten des Lebensmittelrechts, Maß- und Eichrechts, Kennzeichnungsrechts, im Bereich der Gewichtsnormierung, der reellen Handelsbräuche sowie des Gütezeichenrechts, und zwar auch durch Geltendmachung von Unterlassungsansprüchen nach § 14 UWG.

Die Beklagte vertreibt Bier unter der Bezeichnung "Primus". Die Gebinde, in denen dieses Bier verkauft wird, entsprechen den "alten" - nicht EU-konformen - Bierflaschen; sie weisen auf der Vorderseite jeweils folgende (in den Farben gold, weiß, grün, rot und schwarz gehaltene) Etiketten auf:

Auf der Rückseite dieser Bierflaschen befindet sich folgendes Etikett:

Die Flaschen sind mit einem gebräuchlichen goldenen Kronenkorken verschlossen, auf dem mit schwarzer Schrift in dem aus den Etiketten ersichtlichen Schriftzug das Wort "Primus" aufgedruckt ist.

Zur Sicherung eines inhaltsgleichen Unterlassungsanspruches beantragt der Kläger, der Beklagten mit einstweiliger Verfügung aufzutragen, es bis zur Rechtskraft des über die Klage ergehenden Urteils im geschäftlichen Verkehr zu unterlassen, Schankbier mit der Bezeichnung "Primus" ohne Angabe der handelsüblichen Sachbezeichnung feilzuhalten, zu verkaufen oder sonst in Verkehr zu bringen. Gemäß § 4 Z 1 Lebensmittelkennzeichnungsverordnung 1993 (LMKV 1993) seien verpackte Waren unter anderem mit handelsüblichen Sachbezeichnungen zu kennzeichnen. Eine derartige Kennzeichnung fehle jedoch auf den von der Beklagten in Verkehr gebrachten Flaschen. Da laut Etikettenaufschrift das darin enthaltene Bier einen Stammwürzegehalt von 10 Grad aufweise, wäre es erforderlich gewesen, das Getränk gemäß Kodex-Kapitel B 13 (Bier) Absatz 7 als "Schankbier" zu deklarieren. Es handle sich dabei um die handelsübliche Sachbezeichnung, welche laut § 4 Z 1 LMKV zwingend auf verpackten Waren anzubringen sei. Durch die Mißachtung dieser Vorschrift habe sich die Beklagte gegenüber ihren gesetzestreuen Mitbewerbern einen Vorsprung im Wettbewerb verschafft. Der Verstoß sei zweifellos geeignet, den freien Leistungswettbewerb zu beeinträchtigen, sodaß eine sittenwidrige Gesetzesverletzung im Sinne des § 1 UWG vorliege. Besondere Bedeutung komme der Weglassung der handelsüblichen Sachbezeichnung auch deshalb zu, weil durch die Verwendung der Begriffe "Primus" und "exklusiv aus Pilsen" den Verbrauchern ein qualitativ hochwertiges Bier angepriesen werde, während es in Wahrheit der untersten Qualitätsstufe angehöre. Die Angabe des Stammwürzegehaltes auf der Etikette könne die fehlende Sachbezeichnung nicht ausgleichen, weil die überwiegende Zahl der Konsumenten mit den Werten der Stammwürze keinerlei Vorstellungen verbinde.

Die Beklagte beantragt die Abweisung des Sicherungsbegehrens. § 4 Z 1 LMKV in der an die Etikettierungs-Richtlinie der Europäischen Gemeinschaft angepaßten Form bestehe nicht mehr auf einer handelsüblichen Sachbezeichnung, sondern begnüge sich auch mit Beschreibungen, die Rückschlüsse auf Art und Beschaffenheit der Ware ermöglichten. Gerade eine solche Beschreibung habe die Beklagte aber gewählt. Durch die Angaben auf der Etikette der beanstandeten Bierflasche über Alkoholgehalt, Menge und Stammwürzegehalt erhalte der Verbraucher alle Informationen, um Rückschlüsse auf Art und Beschaffenheit der Ware zu ziehen. Auch daß es sich bei dem Getränk um "Bier" handle, sei offensichtlich. Maßstab für die Frage, ob die Bezeichnung zur Kennzeichnung hinreiche, sei im übrigen nach der Judikatur des EuGH der mündige und interessierte Verbraucher. Das österreichische Lebensmittelbuch (Codex), welches früher quasi gesetzliche Bedeutung gehabt habe, sei seit dem Beitritt Österreichs zur EU nur noch von eingeschränkter Bedeutung, insbesondere seien darin aufgelistete Sachbezeichnungen nicht als verbindliche Deklarationsvorschriften zu verstehen. Die Anordnung von Verpflichtungen beim Inverkehrbringen von Waren sei vielmehr ausschließlich Rechtsvorschriften im formellen Sinn (Gesetzen, Verordnungen, Bescheiden, unmittelbar geltendem Gemeinschaftsrecht) vorbehalten. Beim Wort "Primus" handle es sich um eine Phantasiebezeichnung und Marke, keinesfalls aber um einen Hinweis auf eine höhere Qualitätsstufe, als das vertriebene Bier tatsächlich habe. Da die Kennzeichnungsvorschriften den Verbrauchern dienten, diese aber in der Regel mit Begriffen wie "Bockbier", "Lagerbier", "Märzenbier", "Vollbier" oder "Schankbier" kaum konkretere Vorstellungen verbänden als mit den von der Beklagten verwendeten Angaben, sei die Sinnhaftigkeit einer derartigen Deklaration sehr zweifelhaft. Schließlich sei das Unterlassungsbegehren der Klägerin auch zu weit gefaßt.

Das Erstgericht wies den Sicherungsantrag ab. Über den eingangs angeführten Sachverhalt hinaus hielt es für bescheinigt, daß der aktuelle, am 12.5.1995 von der Bundesministerin für Gesundheit und Konsumentenschutz herausgegebene Codex im Kapitel B 13 Abs 7 ausführt:

"Bier wird nach seinem Alkohol- bzw. Stammwürzegehalt in Kategorien eingeteilt und mit folgenden Sachbezeichnungen versehen:

Alkoholgehalt

alkoholfreies Bier nicht mehr als 0,5 vol.%

alkoholarmes Bier nicht mehr als 1,9 vol.%

Leichtbier nicht mehr als 3,7 vol.%

Stammwürzegehalt

Schankbier 9 bis 11 Grad

Vollbier mindestens 11 Grad

Stark- bzw. Bockbier mindestens 16 Grad

(Oster-Weihnachtsbock)

Neben den oben angeführten Sachbezeichnungen können folgende in Österreich gebräuchliche spezifische Typenbezeichnungen verwendet werden:

Die Verwendung von Phantasiebezeichnungen, z.B. Export- oder Jubiläumsbier ist neben der entsprechenden Sachbezeichnung möglich."

Das von der Beklagten vertriebene Bier wird aus der Tschechischen Republik importiert und hat einen Stammwürzegehalt, der mit der Deklaration auf der Bierflasche übereinstimmt. Die Angabe des Alkoholgehaltes auf der Flasche liegt innerhalb der Toleranz.

Rechtlich meinte das Erstgericht, es sei für jeden Konsumenten offensichtlich, daß es sich bei dem von der Beklagten vertriebenen Getränk um Bier handle. Die auf den Etiketten angebrachten Angaben zur Stammwürze, zum Alkoholgehalt, die Hinweise "gebraut und abgefüllt nach dem deutschen Reinheitsgebot", "kühl und dunkel lagern" und "exklusiv aus Pilsen" seien Beschreibungen, die hinreichende Rückschlüsse auf Art und Beschaffenheit der Ware ermöglichten. Somit liege ein Verstoß gegen § 4 LMKV 1993 nicht vor. Es sei auch nicht nachvollziehbar, warum durch die konkrete Etikettierung der freie Leistungswettbewerb zwischen Erzeugern und Vertreibern von Bieren beeinträchtigt werden sollte. Daran ändere auch die Marke "Primus" nichts, weil der verhältnismäßig geringe Stammwürzegehalt ohnehin auf der Etikette angeführt sei.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung, bewertete den Entscheidungsgegenstand mit mehr als S 260.000.- und sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs deshalb zulässig sei, weil auf dem Gebiet der richtlinienkonformen Interpretation inländischer Rechtsvorschriften höchstgerichtliche Rechtsprechung kaum bestehe und auch die Frage der Anwendung von Grundsätzen der EuGH-Judikatur auf inländische Sachverhalte von rechtserheblicher Bedeutung sei. § 4 LMKV 1993 schreibe vor, daß die Kennzeichnung verpackter Waren (ua) mittels handelsüblicher Sachbezeichnung, bei Fehlen einer solchen durch eine Beschreibung, die Rückschlüsse auf Art und Beschaffenheit der Ware ermöglicht, zu erfolgen habe. Bemerkenswert in diesem Zusammenhang sei die engere Formulierung der Vorgängervorschrift in der LMKV 1973, dessen § 3 nur die handelsübliche Sachbezeichnung ohne Alternative hiezu anführe. Auslöser für die Neuformulierung der LMKV sei die Etikettierungsrichtlinie (Etikettierungs-RL) des Rates der Europäischen Gemeinschaft Nr.79/112 vom 18.12.1978, welche für Lebensmittel, die ohne weitere Verarbeitung an den Endverbraucher sowie Gaststätten u.ä. abgegeben werden, gilt. Bei der Etikettierungs-RL handle es sich um eine horizontale (d.h. für sämtliche Lebensmittel geltende) Richtlinie, welche gem. Art 189 EGV in nationales Recht umzusetzen sei. Genau diesen Versuch habe die neu gefaßte LMKV unternommen. Allerdings decke sich ihr Wortlaut nicht mit dem der Richtlinie. Zunächst sei festzuhalten, daß die in Art 5 Abs 1 Etikettierungs-RL primär vorgesehene Verkehrsbezeichnung zur Voraussetzung hat, daß sie in einer Rechts- oder Verwaltungsvorschrift des Mitgliedsstaates vorgesehen ist. Das sei bei den von der Klägerin vermißten Sachbezeichnungen nicht der Fall, weil sie nur im Lebensmittel-Codex zu finden seien. In zweiter Linie fordere Art 5 Abs 1 der Etikettierungs-RL entweder die verkehrsübliche Bezeichnung oder die sonstige (hinreichende) Beschreibung des Lebensmittels. Demgegenüber halte § 4 Z 1 LMKV am Primat der handelsüblichen Sachbezeichnung fest und lasse nur für den Fall, daß eine solche fehlt, als subsidiäre Kennzeichnung die "hinreichende Beschreibung" zu. Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH (14.7.1994 - Facini Dori - Slg 1994, 3347) bestehe allerdings generell das Gebot, die Vorschriften des innerstaatlichen Rechts gemeinschaftskonform, insbesondere auch richtlinienkonform, auszulegen. Da Art 30 EGV, der mengenmäßige Einfuhrbeschränkungen sowie alle Maßnahmen gleicher Wirkung verbietet, nach der jüngeren Judikatur des EuGH auch auf ausschließlich innerstaatliche Sachverhalte wie den vorliegenden anzuwenden sei, bedeute dies, daß die strengere Norm des § 4 Z 1 LMKV im Sinne der großzügigeren Regelung des Art 5 Etikettierungs-RL auszulegen sei. Das heiße aber, daß handelsübliche Sachbezeichnung und sonstige Beschreibung echte Alternativen seien. Der Codex artikuliere zwar auch nach dem EU-Beitritt Österreichs weiterhin den österreichischen Herstellungs- und Handelsbrauch und damit die österreichischen Verbrauchererwartungen, könne jedoch fehlende gesetzliche Regelungen nicht ersetzen. Die von der Klägerin geforderte Sachbezeichnung "Schankbier" finde sich in keiner Rechts- oder Verwaltungsvorschrift. Es handle sich dabei somit im Sinne von Art 5 Etikettierungs-RL nicht um eine Verkehrsbezeichnung, sondern nur um eine verkehrsübliche Bezeichnung. Nach Ansicht des Rekursgerichtes könne ein interessierter Verbraucher aus der Gestaltung der Verpackung und Etikettierung der von der Beklagten vertriebenen Getränke nicht nur das Lebensmittel "Bier", sondern auch die Art "Schankbier" erkennen. Die auf der Etikette befindlichen Angaben über die Stammwürze hätten mindestens dieselbe Aussagekraft wie die Sachbezeichnung "Schankbier". Damit liege aber eine hinreichende Beschreibung iSd Art 5 Abs 1 Etikettierungs-RL (als zulässige Alternative zur verkehrsüblichen Bezeichnung) vor. Eine sittenwidrige Normenverletzung könne der Beklagten deshalb nicht vorgeworfen werden.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs des Klägers ist zulässig, weil eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Frage, wie die Beschreibung eines Lebensmittels gestaltet sein muß, um den Anforderungen des § 4 Z 1 LMKV 1993 iVm Art 5 Abs 1 Etikettierungs-RL zu genügen, nicht besteht; er ist aber nicht berechtigt.

Der Kläger vertritt weiterhin den Standpunkt, die Beklagte habe gegen § 4 Z 1 LMKV 1993 verstoßen, fehle doch auf der Etikette des beanstandeten Produktes dessen Sachbezeichnung und damit ein zwingendes Kennzeichnungselement; es sei verfehlt anzunehmen, die von den Vorinstanzen angenommene "offenkundige Erkennbarkeit" eines zu kennzeichnenden Merkmales (hier: daß es sich beim vertriebenen Getränk um Bier der Qualitätsstufe Schankbier handle) befreie von der Kennzeichnungspflicht. Der Normverstoß sei der Beklagten auch subjektiv vorwerfbar. Dem ist nicht zu folgen:

Art 3 Abs 1 der Etikettierungs-RL lautet: "Die Etikettierung der Lebensmittel enthält nach Maßgabe der Art 4 bis 14 und vorbehaltlich der dort vorgesehenen Ausnahmen nur folgende zwingende Maßnahmen: 1.)

Die Verkehrsbezeichnung...". Art 5 Abs 1 der Etikettierungs-RL lautet: "(1) Die Verkehrsbezeichnung eines Lebensmittels ist die Bezeichnung, die in den diesbezüglichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften vorgesehen ist, und, bei Fehlen einer solchen, die verkehrsübliche Bezeichnung in dem Mitgliedsstaat, in dem die Abgabe an den Endverbraucher und an gemeinschaftliche Einrichtungen erfolgt, oder eine Beschreibung des Lebensmittels und erforderlichenfalls seiner Verwendung, die hinreichend genau ist, um es dem Käufer zu ermöglichen, die tatsächliche Art des Lebensmittels zu erkennen und es von ähnlichen Erzeugnissen zu unterscheiden, mit denen es verwechselt werden könnte". Die in Umsetzung dieser Richtlinie neu gefaßte Bestimmung des § 4 Z 1 LMKV 1993 verlangt, daß verpackte Waren mit der handelsüblichen Sachbezeichnung, bei Fehlen einer solchen mit einer Beschreibung zu kennzeichnen sind, die Rückschlüsse auf Art und Beschaffenheit der Ware ermöglichen.

Der Oberste Gerichtshof anerkennt in stRsp, daß Gemeinschaftsrecht Vorrang vor innerstaatlichem Recht hat (WBl 1996, 284; WBl 1996, 369; EvBl 1997/71; ZfRV 1997, 215); damit in Zusammenhang steht das Gebot, daß innerstaatliches Recht gemeinschaftskonform auszulegen ist (Gamerith, Das Vorabenscheidungsverfahren nach Art 177 EGV in Wettbewerbssachen, ÖBl 1995, 51 ff [54]; Thun-Hohenstein/Cede, Europarecht**2, 179; EuGH EuZW 1993, 544 - Nissan; ÖBl 1996, 28 - Teure Schilling 185; ÖBl 1996, 231- Chargen-Nummer; ÖBl 1998, 48 - XTC). § 4 Z 1 LMKV 1993 kann demnach im Lichte des Art 5 Abs 1 Etikettierungs-RL nur so ausgelegt werden, daß eine Beschreibung des Lebensmittels nicht erst dann zulässig ist, wenn eine handelsübliche Sachbezeichnung überhaupt nicht besteht (was bei Bier nicht der Fall ist, kennt doch der Codex Sach- und Typenbezeichnungen dieses Lebensmittels), sondern auch dann, wenn sie bei der Etikettierung nicht gebraucht wird, daß also handelsübliche Sachbezeichnung und sonstige Bescheibung als gleichrangige Alternativen nebeneinanderstehen.

Das Rekursgericht hat zutreffend dargestellt, daß in Österreich eine Bezeichnung für Bier in Rechts- oder Verwaltungsvorschriften nicht vorgesehen ist; damit fehlt eine Verkehrsbezeichnung für dieses Lebensmittel iS Art 5 Abs 1 Etikettierungs-RL. Wer Bier für Letztverbraucher vertreibt, kann deshalb nach den (harmonisierten) innerstaatlichen und gemeinschaftsrechtlichen Kennzeichnungsvorschriften (§ 4 Z 1 LMKV 1993 bzw. Art 5 Abs 1 Etikettierungs-RL) zwischen zwei Varianten der Bezeichnung wählen:

Entweder er verwendet die handelsübliche Sachbezeichung (LMKV) bzw. verkehrsübliche Bezeichnung (RL), oder er wählt eine Beschreibung, die Rückschlüsse auf Art und Beschaffenheit der Ware ermöglicht (LMKV) bzw. eine Beschreibung, die hinreichend genau ist, um es dem Käufer zu ermöglichen, die tatsächliche Art des Lebensmittels zu erkennen und es von ähnlichen Erzeugnissen zu unterscheiden, mit denen es verwechselt werden könnte (RL). Es handelt sich dabei um zwei gleichwertige Alternativen (Nentwich, Das Lebensmittelrecht der Europäischen Union, 129; Hauer, Österreichisches Lebensmittelrecht und EU, 70).

Ratio der Etikettierungsvorschriften ist nach der Rsp des EuGH der Verbraucherschutz: Der Endverbraucher soll über das Lebensmittel korrekt informiert werden und damit die Möglichkeit haben, seine Kaufentscheidung nach Maßgabe dieses Wissens zu treffen; Irreführungsgefahr soll ausgeschlossen werden (Nentwich aaO 81 FN 304; 83 FN 319). Um dieses Ziel zu erreichen, sieht Art 14 Abs 2 Etikettierungs-RL vor, daß die Angaben auf dem Etikett in einer leicht verständlichen Sprache abgefaßt sein müssen, es sei denn, die Unterrichtung des Käufers ist durch andere Maßnahmen gewährleistet; § 3 Abs 1 lit a LMKV 1993 sieht vor, daß die Kennzeichnungselemente (Angaben) leicht verständlich sein müssen. Insbesondere die Formulierung in Art 14 Etikettierungs-RL läßt erkennen, daß nicht nur sprachliche Elemente für die Aufklärung der Endverbraucher über die Art des Lebensmittels in Frage kommen; als andere Maßnahmen können daher durchaus auch bildliche Darstellungen auf dem Etikett die verbale Beschreibung ergänzen und verdeutlichen. Daß die Beschreibung des Lebensmittels etwa nur mittels eines einzigen Schlagwortes ("Bier") oder einer definitionsartigen Wortgruppe ("hefevergorenes alkohol- und kohlensäurehältiges Getränk aus Zerealien, Hopfen und Wasser") zu erfolgen habe, ist hingegen nicht angeordnet. Eine dem § 4 Z 2 deutsche Lebensmittel-Kennzeichnungsverordnung entsprechende Bestimmung, wonach in der Beschreibung insbesondere die wertbestimmenden oder geschmackgebenden Bestandteile des Lebensmittels sowie jene Merkmale, durch die es sich von verwechselbaren Erzeugnissen unterscheidet, angegeben werden müssen, kennt die österreichische Rechtsordnung nicht.

In Anwendung dieser Grundsätze ist den Vorinstanzen darin beizupflichten, daß die auf dem Etikett des vom Kläger beanstandeten Produktes enthaltenen Angaben eine hinreichend genaue und deutliche Beschreibung des Lebensmittels enthalten, um es dem Endverbraucher zu ermöglichen, das Getränk als solches der Gattung Bier zu erkennen und es von ähnlichen Getränken (etwa alkoholfreien Bieren oder Mischgetränken aus Bier und Limonade) zu unterscheiden; eine Vorschrift für Bier, wonach die entsprechende Qualitätsstufe auf dem Etikett ersichtlich zu machen ist, besteht hingegen nicht. Neben den Angaben zur Stammwürze, zum Alkoholgehalt, zur Herstellungsart ("gebraut und abgefüllt nach dem deutschen Reinheitsgebot") und zur Lagerung ("kühl und dunkel lagern") klärt vor allem auch die Angabe des Herkunftsortes ("exklusiv aus Pilsen"; "abgefüllt in Pilsen") unzweideutig darüber auf, daß es sich bei dem zum Kauf angebotenen Produkt um Bier handelt. Die bildlichen Darstellungen von bei der Bierproduktion unentbehrlichen und bekannten Hilfsmitteln (Bierfaß, Getreideschaufel, Getreidemaß) ergänzen und verdeutlichen noch die verbale Beschreibung auf der Etikette, die somit insgesamt - entgegen der Meinung des Revisionsrekurswerbers - eine der verkehrsüblichen Bezeichnung gleichwertige Beschreibung des Lebensmittels aufweist.

Soweit der Kläger damit argumentiert, der Verbraucher würde durch die totale Vereinheitlichung aller Kennzeichnungsmerkmale in den Mitgliedstaaten in die Lage versetzt, Gleiches mit Gleichem zu vergleichen und müsse keine Überlegungen mehr darüber anstellen, ob der Gebrauch verschiedener Begriffe auch eine substantielle Verschiedenheit bedeute, er könne also "alle Produkte einheitlich lesen", übersieht er, daß die harmonisierten Kennzeichnungsordnungen eben (bei Fehlen einer Verkehrsbezeichnung) auch die Möglichkeit einer individuellen Beschreibung des Lebensmittels vorsehen müssen. Der Letztverbraucher findet in diesen Fällen auf dem Etikett keine Sachbezeichnung von allgemein üblicher Bedeutung vor und muß die Frage, um welches Lebensmittel es sich handelt, eigenständig anhand der ihm zur Verfügung stehenden Informationen beantworten; solange ihm dies - wie hier - aufgrund einfacher und naheliegender Überlegungen möglich ist, liegt ein Verstoß gegen innerstaatliche und gemeinschaftsrechtliche Kennzeichnungsvorschriften (§ 4 Z 1 LMKV 1993 bzw. Art 5 Abs 1 Etikettierungs-RL) nicht vor.

Ist der Beklagten demnach kein Normverstoß vorzuwerfen, erfolgte die Abweisung des Sicherungsantrages frei von Rechtsirrtum. Dem Revisionsrekurs konnte damit kein Erfolg beschieden sein.

Der Ausspruch über die Kosten gründet sich auf §§ 78, 402 Abs 4 EO iVm §§ 41, 50 Abs 1, § 52 ZPO.

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