OGH 5Ob138/98z

OGH5Ob138/98z26.5.1998

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Klinger als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schwarz, Dr.Floßmann, Dr.Baumann und Dr.Hradil als weitere Richter in der Mietrechtssache des Antragstellers Sahin S*****, vertreten durch Mag.Walter Krauß, Sekretär der Mietervereinigung Österreichs, Gentzgasse 45, 1180 Wien, wider die Antragsgegnerin Hildegard B*****, vertreten durch Dr.Peter Bock, Rechtsanwalt in Wien, wegen § 5, § 37 Abs 1 Z 3 MRG, infolge Revisionsrekurses des Antragstellers gegen den Sachbeschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 10. Februar 1998, GZ 40 R 478/97h, womit der Sachbeschluß des Bezirksgerichtes Döbling vom 28.April 1997, GZ 5 Msch 68/96z-13, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Sachbeschluß wird aufgehoben.

Die Mietrechtssache wird zur neuerlichen Entscheidung nach allfälliger Verfahrensergänzung an das Gericht zweiter Instanz zurückverwiesen.

Die für den Revisionsrekurs verzeichneten Barauslagen sind als weitere Verfahrenskosten zu behandeln.

Text

Begründung

Das Erstgericht, zu dem die gegenständliche Mietrechtssache nach vorheriger Befassung der Schlichtungsstelle gemäß § 40 Abs 1 MRG gelangt ist, verpflichtete die Antragsgegnerin, die Wohnung Nr.3 im Haus ***** gemäß § 5 Abs 2 MRG dem Antragsteller zur Zumietung und Zusammenlegung mit dessen benachbarter Wohnung Nr.4 anzubieten. Es ging dabei von folgenden Feststellungen aus:

Die beiden Wohnungen liegen im Erdgeschoß des Hauses ***** rechts vom Hauseingang. Top Nr.3 befindet sich am Ende des Ganges, Top Nr.4 liegt davor.

Die Wohnung des Antragstellers Top Nr.4 besteht aus zwei Räumen. Der Wohnraum wird mittels Öleinzelheizung beheizt, er ist tapeziert und mit Spannteppichboden ausgelegt. Der zweite Raum dient gleichzeitig als Vorraum, Küche und Waschraum.

Die Duschstelle, eine halblange Badewanne, ist durch eine verflieste Wand vom Küchenbereich abgetrennt. In der Küche befindet sich eine Abwasch mit Warm- und Kaltwasseranschluß. Das Warmwasser wird mittels Elektroboiler erzeugt. Außerdem verfügt die Küche noch über einen Herd, einen Kühlschrank, und über eine Kücheneinrichtung. Die Küche ist selbständig nicht beheizbar, wird aber vom Wohnraumheizkörper mitbeheizt.

Die Wohnung des Antragstellers verfügt über kein eigenes WC, dieses befindet sich am Gang.

Die Nachbarwohnung Top Nr. 3 besteht ebenfalls aus zwei Räumen. Die Wohnfläche beträgt insgesamt 30,91 m2, womit die Wohnung ungefähr gleich groß ist wie Top Nr.4.

Auch hier befindet sich in der Küche ein durch Gipskartonplatten abgetrennter Waschbereich. Die Warmwasserversorgung erfolgt durch einen Elektroboiler. Der Waschbereich besteht aus einem Handwaschbecken und einer Blechduschkabine, die stark verschimmelt und verrostet ist. Der Bereich ist raumhoch tapeziert, die Tapeten lösen sich teilweise von den Wänden.

Die Kücheneinrichtung besteht aus einer Küchenzeile mit Elektroherd und einteiliger Abwasch mit Warm- und Kaltwasser. Die Küche ist selbständig nicht beheizbar, sie wird vom Zimmer aus mitbeheizt.

Auch die Wohnung Top Nr.3 verfügt über kein eingebautes WC. Der Mietvertrag über diese Wohnung wurde am 1.4.1996 abgeschlossen. Dem Mieter war der Antragsteller zu jenem Zeitpunkt nicht bekannt, auch war ihm nicht bekannt, daß der Antragsteller die Wohnung zu seiner dazumieten wollte. Im Mietvertrag wurde die Wohnung Top Nr.3 als Kategorie C-Wohnung eingestuft.

Eine Zusammenlegung der Wohnungen Top Nr.3 und Top Nr.4 ist technisch möglich. Dazu ist es nötig, den Gang hinter dem Kellerabgang abzutrennen und die WC-Tür zu versetzen. Dadurch wäre der Zugang zum WC nur mehr von der Wohnung aus möglich. Auch die über den gegenständlichen Wohnungen liegenden Objekte wurden auf diese Weise verbunden. Durch die Zusammenlegung würde keine mehr als 90 m2 umfassende Wohnung geschaffen.

In rechtlicher Hinsicht hatte sich das Erstgericht mit den Argumenten der Antragsgegnerin auseinanderzusetzen, es habe keine Anbotspflicht bestanden, weil es sich bei der Wohnung Top Nr.3 um eine Wohnung der Ausstattungskategorie C gehandelt habe. Das fehlende WC im Wohnungsverband sei durch die Duschgelegenheit ausgeglichen. Darüber hinaus sei der Antragsteller gar nicht in der Lage, die Zusammenlegung zu finanzieren und den dadurch entstehenden höheren Mietzins zu bezahlen. Die Wohnung Top Nr.3 stehe für eine Zusammenlegung auch gar nicht zur Verfügung, weil sie bereits an einen gutgläubigen Nachmieter vermietet sei.

Dem hielt das Erstgericht entgegen, daß beide Wohnungen unter die Ausstattungskategorie D fielen. Auch die übrigen Voraussetzungen des § 5 MRG, insbesondere die baurechtliche Zulässigkeit und bautechnische Möglichkeit der Zusammenlegung lägen offenkundig vor. Zur Zusammenlegung der beiden Wohnungen sei es nötig, den Gang hinter dem Kellerabgang abzutrennen und die WC-Tür zu versetzen. Dies würde eine gut gegliederte Vier-Zimmer-Wohnung schaffen, sodaß die Verbindung der Wohnungen auch als zweckmäßig anzusehen sei. Die finanzielle Leistungsfähigkeit des Antragstellers sei kein Kriterium des § 5 Abs 2 MRG.

Das von der Antragsgegnerin angerufene Rekursgericht änderte diesen Sachbeschluß dahingehend ab, daß es das Begehren des Antragstellers abwies. Ein Eingehen auf die Beweisrüge der Antragsgegnerin hielt es für entbehrlich, weil dem Zusammenlegungsbegehren schon auf Grund des unstrittigen Sachverhalts nicht entsprochen werden könne:

Die vom Antragsteller behauptete und vom Erstgericht festgestellte Möglichkeit der Zusammenlegung entspreche nicht dem § 5 MRG. Es würde nämlich nicht eine bloße Zusammenlegung zweier Wohnungen erfolgen, sondern auch eine Ausdehnung der Mietrechte beider Wohnungen auf einen Gangteil, der hinter dem Kellerabgang abgetrennt und in den Wohnungsverband des Antragstellers integriert würde. Eine derartige Ausdehnung des Mietrechtes auf nicht vermietete allgemeine Teile des Hauses falle auch nicht unter den Veränderungsbegriff des § 9 MRG, da dies nur in den gesetzlich vorgesehenen Fällen, etwa § 9 Abs 2 Z 4 und 5 MRG, zulässig sei (vgl Würth/Zingher, Miet- und Wohnrecht20 Rz 5 zu § 9 MRG; MietSlg 42.211/6; 45.241). Es könne dem Sinn einer Zusammenlegung gemäß § 5 MRG nicht entsprechen, daß diese nur durch Veränderungen möglich ist, die selbst im Wege der Erzwingung von Veränderungen im Sinne des § 9 MRG nicht erzielt werden könnten. Da aus dem angefochtenen Sachbeschluß keine andere Art der mit einer Standardanhebung verbundenen Zusammenlegung ersichtlich sei, bestehe kein Anspruch des Antragstellers auf Anbot der Nachbarwohnung.

Diese Entscheidung enthält den Ausspruch, daß der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Begründet wurde dies mit dem Fehlen einer Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Frage der Zusammenlegung von Wohnungen gemäß § 5 MRG unter Einbeziehung eines Gangteiles.

Im jetzt vorliegenden Revisionsrekurs macht der Antragsteller im wesentlichen geltend, daß § 5 MRG nicht im Zusammenhang mit dem Veränderungsrecht des Mieters nach § 9 MRG, sondern im Zusammenhang mit den in § 4 MRG geregelten nützlichen Verbesserungen durch bautechnische Maßnahmen zu lesen sei. Sinn der Anbotspflicht sei es, auf eine sukzessive Beseitigung von Substandardwohnungen hinzuwirken, auch durch die Nutzung von Zusammenlegungsmöglichkeiten unter Einbeziehung allgemeiner Teile des Hauses. Eine solche Zusammenlegung sei zuzulassen, wenn sie - abgesehen von den sonstigen Voraussetzungen des § 5 Abs 2 MRG - zweckmäßig sei. Der Revisionsrekursantrag geht dahin, den angefochtenen Sachbeschluß entweder im Sinn einer Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung abzuändern oder aber aufzuheben und die Mietrechtssache zur Ergänzung des Verfahrens und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen.

Von der Antragsgegnerin liegt dazu eine fristgerecht erstattete Revisionsrekursbeantwortung vor. Sie teilt im wesentlichen den Rechtsstandpunkt des Rekursgerichtes, daß sich eine Wohnungszusammenlegung nach § 5 Abs 2 MRG auf die betroffenen Objekte zu beschränken habe und eine Ausdehnung auf bisher nicht gemietete Objekte auszuschließen sei. Das ergebe sich schon daraus, daß die Anbotspflicht erst mit der Bereitschaft eines Dritten entstehe, die frei gewordene Wohnung zu mieten. Auch die Anbotspflicht beziehe sich folglich nur auf dieses Objekt. Die Ausdehnung auf allgemeine Teile des Hauses wäre ein unzulässiger Eingriff in das Eigentumsrecht des Vermieters. Unabhängig davon seien zahlreiche Voraussetzungen der Anbotspflicht noch nicht geklärt. Die Antragsgegnerin beantragte die Bestätigung des angefochtenen Sachbeschlusses.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig; er ist im Sinne einer Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und neuerlichen Befassung des Rekursgerichtes mit den von der Antragsgegnerin gegen den erstinstanzlichen Sachbeschluß geltend gemachten Anfechtungsgründen auch berechtigt.

Zutreffend weist der Rechtsmittelwerber darauf hin, daß sich die in § 9 MRG enthaltenen Regeln über die Veränderung (Verbesserung) des Mietgegenstandes nicht spiegelbildlich auf den gesetzlichen Zumietungs- und Zusammenlegungsanspruch des Mieters bei Freiwerden einer Nachbarwohnung nach § 5 Abs 2 MRG übertragen lassen. Dazu sind die Regelungsbereiche und Ziele der genannten Gesetzesbestimmungen bei allen Gemeinsamkeiten, die sich aus dem da wie dort verwendeten Begriff der "Verbesserung" ergeben, doch zu verschieden. § 5 MRG bezieht sich auf die "nützliche Verbesserung durch Vereinigung von Wohnungen". Die in § 5 Abs 2 MRG normierte Verpflichtung des Vermieters, eine freigewordene Substandardwohnung dem Mieter der benachbarten Substandardwohnung zur standardverbessernden Zusammenlegung und Zumietung anzubieten, falls der Vermieter (unter Vernachlässigung sonstiger Ausnahmen) nicht selbst für eine Standardanhebung sorgt, sollte nach dem ausdrücklich erklärten Willen des Gesetzgebers die Initiative zur Standardverbesserung von Häusern mit Substandardwohnungen verstärken (vgl den AB zum MRG, abgedruckt bei Würth/Zingher, MRG - Das neue Mietrechtsgesetz2, 31; MietSlg 36/39; WoBl 1990, 97/55). Daß dieses Ziel oft nur durch Baumaßnahmen erreicht werden kann, die allgemeine Teile des Hauses (etwa wie hier einen Teil des Ganges) in den neuen Wohnungsverband einbeziehen, was wiederum zu einer Erweiterung der Mietrechte des Begünstigten führt, liegt auf der Hand. Diese Möglichkeit ist mit den aus § 5 Abs 2 MRG hervorleuchtenden Wertungen des Gesetzgebers auch durchaus vereinbar, weil es ja zum Wesen der Anbotspflicht zwecks standardanhebender Wohnungszusammenlegung gehört, daß sich dadurch das Mietobjekt eines Mieters vergrößert. Dem können auch nicht Befürchtungen eines unzumutbaren Eingriffs in das Eigentumsrecht des Vermieters oder einer allzu großen Beschneidung der allgemeinen Teile des Hauses entgegengehalten werden, weil die Nutzfläche der neu entstehenden Wohnung nicht größer als 90 m2 sein darf und überdies zu prüfen ist, ob die Zusammenlegung baurechtlich zulässig, bautechnisch möglich und dazu auch noch zweckmäßig ist. Letzteres Kriterium gebietet nicht nur eine Prüfung der Wirtschaftlichkeit der Wohnungszusammenlegung (vgl Würth in Würth/Zingher, Miet- und Wohnrecht20, Rz 5 zu § 5 MRG), sondern auch der Zumutbarkeit unter dem Aspekt einer sinnvollen Nutzung des Hauses.

Daß die vom Antragsteller angestrebte Zusammenlegung seiner Wohnung mit der freigewordenen Nachbarwohnung nur durch die Einbeziehung eines Gangteils zu verwirklichen ist, rechtfertigt daher für sich allein keine Abweisung des Sachantrages (die mittlerweilige Vermietung des Objektes wurde ohnehin zu Recht nicht als Abweisungsgrund erkannt; Würth aaO Rz 8 zu § 5 MRG). Das Rekursgericht wird sich mit den sonstigen Anfechtungsgründen im Rekurs der Antragsgegnerin gegen den erstinstanzlichen Sachbeschluß auseinanderzusetzen haben.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 39 Abs 3 Z 19 MRG iVm § 52 Abs 1 ZPO.

Stichworte