OGH 6Nd517/97

OGH6Nd517/9726.5.1998

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kellner und Dr.Prückner als weitere Richter in der vom Bezirksgericht Fünfhaus zu 2 P 293/97g geführten Pflegschaftssache des mj Jörg L*****, in alleiniger Obsorge des Vaters, Georg Max L*****, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die vom Bezirksgericht Fünfhaus verfügte Übertragung der pflegschaftsgerichtlichen Zuständigkeit in Ansehung des im Sprengel des Bezirksgerichtes Liezen gelegenen Liegenschaftsvermögens des Kindes an das Bezirksgericht Liezen wird nicht genehmigt.

Text

Begründung

Der Nachlaß nach der am 26.1.1995 verstorbenen Mutter des Minderjährigen wurde diesem zu 2/3 und dem ehelichen Vater zu 1/3 eingeantwortet. Zum Nachlaß gehören zwei im Sprengel des Bezirksgerichts Liezen gelegene Liegenschaften. Das Eigentumsrecht hinsichtlich einer der beiden Liegenschaften, die land- und forstwirtschaftlich genutzt wird, wurde für den Minderjährigen allein einverleibt, hinsichtlich der weiteren Liegenschaft (Baugrundstück) wurde Miteigentum der Erben begründet. Der Minderjährige und sein Vater haben ihren Wohnsitz in Wien. Das Bezirksgericht Fünfhaus führt das Pflegschaftsverfahren.

Am 14.11.1997 beantragte der Vater unter Hinweis auf in Zukunft notwendig werdende gerichtliche Maßnahmen bei der Vermögensverwaltung und auf die Absicht, Teile der Liegenschaften zu verkaufen, die Übertragung des Pflegschaftsverfahrens betreffend das Liegenschaftsvermögen an das Bezirksgericht Liezen.

Das Bezirksgericht Fünfhaus übertrug mit Beschluß vom 17.11.1997 die Pflegschaftssache in Ansehung des Liegenschaftsvermögens an das Bezirksgericht Liezen. Aus dem Vorbringen des Vaters ergeben sich verschiedene Verwaltungsmaßnahmen. Er arbeite mit dem örtlichen Notar bei der Verwaltung des Vermögens zusammen und plane einen teilweisen Liegenschaftsabverkauf. Das Gericht der gelegenen Sache könne den Sachverhalt am zweckmäßigsten beurteilen. Das übertragende Gericht könne den Sachverhalt nur mit Hilfe von Sachverständigengutachten ermitteln, was bei einer Zuständigkeit des Gerichtes der gelegenen Sache allenfalls nicht notwendig wäre.

Das Bezirksgericht Liezen verweigerte die Übernahme des Pflegschaftsverfahrens. Bei der Vermögensverwaltung seien keine örtlichen Spezialkenntnisse erforderlich. Die mangelnde Sachkenntnis des übertragenden Gerichts sei kein Übertragungsgrund. § 111 Abs 1 JN sei als Ausnahmebestimmung einschränkend auszulegen.

Rechtliche Beurteilung

Nach § 109 JN obliegt die Pflegschaftsgerichtsbarkeit dem Gericht, in dessen Sprengel der Minderjährige seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Von dieser gesetzlichen Zuständigkeit kann nur aus besonderen Gründen des Kindeswohls abgegangen werden. Das Aufenthaltsgericht ist grundsätzlich als das zur Führung der Pflegschaft bestgeeignete anzusehen (EFSlg 49.268, 75.980, 79.101 uva). Auch wenn das zu verwaltende Liegenschaftsvermögen des Minderjährigen sich zur Gänze im Sprengel des Bezirksgerichtes Liezen befindet, ist eine Übertragung der Gerichtszuständigkeit an dieses Gericht nicht gerechtfertigt. Für die laufende Liegenschaftsverwaltung, soweit sie nicht nach § 154 ABGB der gerichtlichen Genehmigung bedarf, ist die Gerichtszuständigkeit ohne Relevanz, für die genehmigungspflichtigen außerordentlichen Verwaltungsmaßnahmen könnten zwar besondere örtliche Sachkenntnisse des Gerichtes der gelegenen Sache ins Treffen geführt werden. Diese Erwägung muß hier aber schon deshalb in den Hintergrund treten, weil die Ausnahmebestimmung des § 111 JN grundsätzlich einschränkend auszulegen ist (Mayr in Rechberger, ZPO Rz 1 zu § 111 JN mwN) und daher für eine Durchbrechung der gesetzlichen Zuständigkeitsregel ein eindeutiges Überwiegen der Interessen des Minderjährigen an der Zuständigkeitsübertragung vorliegen müßte. Dies ist jedoch nicht der Fall.

Vermögensangelegenheiten, die nicht zum ordentlichen Wirtschaftsbetrieb gehören, bedürfen der Mitwirkung des Pflegschaftsgerichtes (§ 154 Abs 3 ABGB). Bei der Sachentscheidung ist immer das Kindeswohl zu berücksichtigen. Gemäß § 178a ABGB sind dabei ua die Persönlichkeit des Kindes und seine Bedürfnisse, besonders seine Anlagen, Fähigkeiten, Neigungen und Entwicklungsmöglichkeiten zu berücksichtigen. Diese Voraussetzungen können nur unter persönlicher Mitwirkung des obsorgeberechtigten Vaters, allenfalls aber auch des nun bereits 13 1/2jährigen Minderjährigen ermittelt werden. Dem allfälligen Vorteil aus der örtlichen Nahebeziehung des Gerichtes der gelegenen Sache (insbesondere bei Wertermittlungen) steht der Nachteil gegenüber, daß die maßgeblichen weiteren Umstände vom Gericht des Aufenthalts des Kindes (und seines gesetzlichen Vertreters) besser ermittelt werden können, insbesondere wenn es um die Anhörung der Beteiligten geht. Insgesamt sprechen die Zweckmäßigkeitserwägungen daher gegen die angestrebte Teilung der Pflegschaftsgerichtsbarkeit und für die perpetuatio fori.

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