OGH 2Ob119/98h

OGH2Ob119/98h20.5.1998

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Angst als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Niederreiter, Dr.Schinko, Dr.Rohrer und Dr.Baumann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Anita K*****, vertreten durch Dr.Christian Pichler, Rechtsanwalt in Reutte, wider die beklagte Partei Gemeinde H*****, vertreten durch Dr.Ekkehard Beer und Dr.Kurt Bayr, Rechtsanwälte in Innsbruck, wegen Zahlung von S 640.163,75 sA und Feststellung, infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 30.Jänner 1998, GZ 1 R 7/98h-11, womit das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 13.November 1997, GZ 40 Cg 31/97p-7, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben und in der Sache selbst dahin zu Recht erkannt, daß das klagsabweisende Urteil des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S

78.920 (darin enthalten Umsatzsteuer von S 8.735 und Barauslagen von S 26.510) bestimmten Kosten der Rechtsmittelverfahren binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin ging am 16.2.1994 gegen 9.00 Uhr im Gemeindegebiet der beklagten Partei mit ihrem Ehegatten spazieren. Sie benützte den linken Fahrbahnrand der Kirchgasse. Die Fahrbahn war nicht gestreut, die Schneeauflage war teilweise niedergefahren, teilweise niedergetreten und wies eine verharschte Schneeschicht auf. Aufgrund der tiefen Temperaturen hatte sich Rauhreif gebildet, der auch die Straßen bedeckte. Sie trat auf mit Reif bedeckte Eisflächen, auf denen sie ausrutschte und mit dem Gesicht nach vorne stürzte. Diese Eisflächen wiesen eine Ausdehnung von 50 cm bis 60 cm im Durchmesser auf. Aufgrund der Rauhreifbildung hatte sie die Eisplatten nicht wahrgenommen.

Am 12.2.1994 betrug die Temperatur zwischen -2 und -10 Grad, am 13.2.1994 zwischen -2 und -8 Grad, am 14.2.1994 zwischen -4 und -14, am 15.2.1994 zwischen +2 und -12 Grad und am 16.2.1994 zwischen +2 und -13 Grad. In der Nacht vom 13. auf den 14.2.1994 schneite es noch leicht, anschließend war es bis einschließlich 16.2.1994 niederschlagsfrei. Aus meteorologischer Sicht waren zum Unfallszeitpunkt Glättebildung durch Reifablagerung am Boden oder durch wiedergefrierendes Schmelzwasser denkbar.

Der Winterdienst der beklagten Gemeinde wird von zwei Arbeitern versehen; das Wegenetz beträgt 30 km. Zu den Aufgaben eines der Gemeindearbeiter gehört es, in den Morgenstunden das Wegenetz abzufahren und zu überprüfen, ob Maßnahmen getroffen werden müssen. Da die Zufahrtsstraße zu den R***** Bergbahnen ebenfalls zum Gemeindegebiet der beklagten Partei gehört, durchfährt er zwangsläufig auch den Bereich des Kirchweges. Er geht davon aus, daß er bereits im Licht sieht, ob die Fahrbahn spiegelt und Glätte vorliegt. Ist dies der Fall, nimmt er auch eine Bremsprobe vor und fährt, wenn die Fahrbahn tatsächlich rutschig ist, mit dem Streuwagen aus. Daß sich an den Tagen vor dem Unfall Eiszapfen gebildet hätten und von der Kirche hingen, konnte nicht festgestellt werden, desgleichen nicht, daß die festgestellten Eisflächen im Bereich der Kirchenmauer für den Gemeindearbeiter bei seinen morgendlichen Rundfahrten augenfällig geworden wären.

Mit der gegenständlichen Klage begehrt die Klägerin die Zahlung von S 640.163,75 und die Feststellung der Haftung der beklagten Partei für alle künftigen Folgen und Schäden aus dem Unfall vom 16.2.1994 mit der Begründung, es hätten sich entlang der Außenmauer der Kirche durch Schmelzwasser tückisch glatte Eisflächen gebildet. Diese seien aber aufgrund der Rauhreifbildung optisch nicht erkennbar gewesen. Auf dem Kirchweg selbst sei festgefahrener Schnee gelegen und es sei nicht gestreut gewesen. Sie sei in einem Abstand von einem halben Meter von der Kirchenmauer entfernt ausgeglitten und mit dem Gesicht nach vorne gestürzt, wodurch sie sich schwere Verletzungen mit Dauerfolgen (Querschnittslähmung) zugezogen habe. Sie habe die Eisflächen aufgrund des Rauhreifes zuvor nicht wahrgenommen und sei gänzlich unvorbereitet zu Fall gekommen. Es existiere in diesem Bereich kein Gehweg. Der Bereich entlang der Kirchenmauer sei weder vom Schnee gesäubert noch gestreut gewesen.

Die Haftung der beklagten Partei ergebe sich daraus, daß sie es entgegen § 93 StVO unterlassen habe, den Straßenrand in einer Breite von einem Meter zu säubern und zu bestreuen. Sie habe die dem Grundstückseigentümer obliegende Streupflicht durch dauernde Übung konkludent übernommen und dadurch verletzt, daß sie jegliche Streuung der extrem glatten Stellen im unmittelbaren Nahebereich der Kirchenmauer unterlassen habe. Die Verletzung dieser Verpflichtung mache die beklagte Partei auch bereits bei leichter Fahrlässigkeit schadenersatzpflichtig.

Die beklagte Partei bestritt, die Pflichten des Straßenanrainers gemäß § 93 StVO übernommen zu haben. Zum Unfall sei es überdies lediglich dadurch gekommen, daß die offenbar bereits vorgeschädigte Klägerin infolge Unachtsamkeit aus eigenem Verschulden ausgeglitten sei. Es sei nicht richtig, daß im Bereich der Kirchenmauer nicht ausreichend gestreut gewesen sei.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab, wobei es über den eingangs wiedergegebenen Sachverhalt hinaus im wesentlichen folgende Feststellungen traf:

Der Kirchweg führt nach Norden und zunächst an der Südostfront der Kirche vorbei und mündet dann in die Dorfstraße. Er weist eine Bereite von 3 m bis 3,5 m auf, ein Gehsteig existiert nicht. An der Südostkante der Kirche befindet sich eine Dachrinne, die etwa 30 cm bis 40 cm über deren Mauerkante ragt.

Die beklagte Partei führt erst seit 1963/1964 Schneeräum- und Streuarbeiten durch. Diese erledigte zunächst in ihrem Auftrag eine Privatperson, seit 1974 führt sie sie selbst durch. Dazu wird ein Traktor verwendet, im Anschluß an die Räumarbeiten wird erforderlichenfalls die Sandstreuung vorgenommen. Der Räumschnee im Bereich des Kirchweges wird vom Schneepflug zur Seite geschoben und entlang der Kirchenmauer in Form von durchgehenden, unterschiedlich bereiten Schneehaufen abgelagert. Von dort wird er nicht entfernt.

Bis 1993 befand sich unmittelbar neben der Kirchenmauer ein Grünstreifen. Nach dessen Entfernung wurde die gesamte Fahrbahn gepflastert. Entlang der Kirchenmauer mit einem Abstand von ca 10 cm wurde eine 5 cm tiefe und 40 cm breite Wasserrinne in das Kopfsteinpflaster eingelassen.

Zwischen der beklagten Partei und der römisch-katholischen Filialkirche zu Maria-Hilf wurde keine ausdrückliche Vereinbarung darüber geschlossen, daß der Kirchweg von der beklagten Partei gesäubert und gestreut werde. Allerdings war und ist es für die Verantwortlichen der Kirche und der beklagten Partei selbstverständlich, daß diese Arbeiten von der beklagten Partei erledigt werden. Es ereigneten sich auch keine Unfälle, die auf eine mangelhafte Streuung oder Räumung zurückzuführen sind.

Die Kirche wird von Pfarramt W***** betreut. Die für sie zuständige Messnerin wohnt gegenüber der Kirche. In den letzten Jahren wurden dreimal wöchentlich in der Kirche Gottesdienste abgehalten. Der zwischen 1990 und September 1996 hier tätige Pfarrer kam auch sonst immer wieder bei der Kirche vorbei. Es fiel ihm nicht auf, daß der Kirchweg entlang der Kirche nicht ausreichend geräumt oder gestreut sei. Vielmehr stellte er fest, daß eine ausreichende Räumung und Streuung erfolgt war.

In rechtlicher Hinsicht vertrat das Erstgericht die Ansicht, die beklagte Partei habe die dem Anrainer gemäß § 93 Abs 1 StVO obliegende Verpflichtung durch langdauernde Räumung und Streuung konkludent übernommen. Dadurch trete sie als Haftpflichtige an die Stelle der Liegenschaftseigentümerin. Die bei Schneefall oder Eisbildung gegebene Streupflicht finde an dem, was dem Verpflichteten zugemutet werden könne, ihre Grenze. Dabei sei im Falle einer rechtsgeschäftlichen Übertragung der Streupflicht nicht auf die Zumutbarkeit in Bezug auf den jeweiligen Eigentümer der Liegenschaft abzustellen, sondern auf die Zumutbarkeit desjenigen, der die Verpflichtung rechtsgeschäftlich übernahm. Objektiv hätte der Kirchweg am Unfallstag entlang der Kirchenmauer gestreut werden müssen. Subjektiv sei die Verletzung dieser Streupflicht der beklagten Partei aber nicht vorzuwerfen, weil sie nicht täglich jeden Quadratmeter des 30 km umfassenden Wegenetzes einer genauen Prüfung unterziehen könne. Zudem weise der Kirchweg im Bereich der Unfallstelle keine als gefährlich einzustufende Steigung auf und komme ihm auch keine besondere Priorität zu. Die Vereisung sei von einer Rauhreifschicht überdeckt und für den Gemeindearbeiter nicht erkennbar gewesen. Die Unterlassung einer Streuung könne ihm daher nicht einmal als leichte Fahrlässigkeit, für welche die beklagte Partei einzustehen habe, angelastet werden.

Das von der Klägerin angerufene Berufungsgericht hob dieses Urteil auf und trug dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf; es sprach aus, daß der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei.

Das Berufungsgericht führte zur Rechtsfrage aus, die Pflichten des Liegenschaftseigentümers nach § 93 StVO fielen nicht unter die Haftungseinschränkungen des § 1319a ABGB. Dem Geschädigten könne demnach sowohl ein unter das Haftungsprivileg des § 1319a ABGB fallender Ersatzanspruch gegen den Halter des Weges, als auch ein nicht auf die Schuldform des Vorsatzes oder der groben Fahrlässigkeit eingeschränkter Ersatzanspruch gegen den Anrainer zustehen. Sei der Anrainer zugleich Wegehalter stehe es dem Geschädigten frei, auf welche dieser Bestimmungen er seinen Anspruch stütze. Gemäß § 93 Abs 1 StVO habe der Anrainer einer Straße dafür zu sorgen, daß die dem öffentlichen Verkehr dienenden Gehsteige und Gehwege entlang der ganzen Liegenschaft in der Zeit von 6.00 Uhr bis 23.00 Uhr von Schnee und Verunreinigungen gesäubert und bei Schnee und Glatteis bestreut seien; sei ein Gehsteig (Gehweg) nicht vorhanden, so sei der Straßenrand in einer Breite von einem Meter zu säubern und zu bestreuen. Trete ein Dritter durch ein Rechtsgeschäft nach § 93 Abs 5 StVO an die Stelle des Liegenschaftseigentümers, so habe er ebenfalls bei Verletzung seiner Pflichten auch für leichte Fahrlässigkeit einzustehen, er hafte so, als ob er Eigentümer wäre.

Zutreffend habe das Erstgericht dargelegt, daß die Durchführung der winterlichen Säuberung bzw Streuung von Gehsteigen im Ortsgebiet auch durch eine Gemeinde stillschweigend übernommen werden könne.

Bei der Vorschrift des § 93 StVO handle es sich um eine Schutznorm im Sinne des § 1311 ABGB, weshalb der Schädiger zu beweisen habe, das Schutzgesetz unverschuldet übertreten zu haben.

Im vorliegenden Fall hafte die beklagte Partei aufgrund der rechtsgeschäftlichen Übernahme der Streupflicht so, als ob sie Liegenschaftseigentümer wäre. Sie könne sich daher nicht darauf berufen, ausgedehnte Wegflächen in verkehrssicherem Zustand erhalten zu müssen. Die gegebenen Witterungsverhältnisse hätten jedenfalls eine Streuung am 15. und/oder 16.2.1994 erfordert; eine solche wäre den Arbeitern der beklagten Partei auch zumutbar gewesen. Es sei nicht ausreichend, den Weg zu befahren und eine Bremsprobe vorzunehmen, wenn die Fahrbahn im Licht der Scheinwerfer spiegle, weil so nicht gewährleistet sei, daß die gesamte Fahrbahn und insbesondere der ein Meter breite Streifen am Fahrbahnrand ausreichend erkundet werden könne. Auch einem Anrainer werde zugemutet, den Gehsteig, Gehweg oder einen ein Meter breiten Streifen entlang seiner Liegenschaft zu prüfen und im Bedarfsfall zu streuen.

Es sei eine Haftung der beklagten Partei dem Grunde nach zu bejahen, weil ihr jedenfalls leichte Fahrlässigkeit anzulasten sei. Selbst wenn man ihr zugute halte, die Vereisung nicht selbst herbeigeführt zu haben, sei für sie nichts gewonnen: Über die konkreten Schutzvorschriften hinaus seien nämlich auch die Verkehrssicherungspflichten zu beachten, deren schuldhafte Verletzung Ersatzpflichten auslöse. Derjenige, der eine Gefahrenquelle schaffe oder in seiner Sphäre bestehen lasse, müsse im Rahmen des Zumutbaren die Verkehrsteilnehmer vor Gefahren schützen, also jene Vorkehrungen treffen, die geeignet seien, eine Schädigung anderer nach Tunlichkeit hintanzuhalten.

Es bedürfe daher ergänzender Feststellungen über die Höhe des geltend gemachten Leistungs- und Feststellungsbegehrens und zum eingewendeten Verschulden der Klägerin.

Der Rekurs an den Obersten Gerichtshof sei zulässig, weil eine Rechtsprechung zur Frage fehle, ob bei vertraglich übernommenen Verpflichtungen im Sinne des § 93 Abs 1 StVO für die Beurteilung der Zumutbarkeit einzelner Maßnahmen und des Sorgfaltsmaßstabes die Verhältnisse des übertragenden oder jene des übernehmenden Vertragspartners maßgeblich seien.

Dagegen richtet sich der Rekurs der beklagten Partei mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, daß die Entscheidung des Erstgerichtes wiederhergestellt werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die klagende Partei hat Rekursbeantwortung erstattet und beantragt, das Rechtsmittel der beklagten Partei zurückzuweisen, in eventu, ihm keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist zulässig, weil das Rekursgericht von den in Lehre und Rechtsprechung zur Auslegung des § 863 ABGB entwickelten Grundsätzen abgewichen ist, er ist auch berechtigt.

Eine Nichtigkeit des Verfahrens erblickt die beklagte Partei darin, daß der Akt 18 Cg 24/97x des Landesgerichtes Innsbruck einverständlich verlesen wurde, obwohl sie an diesem Verfahren nicht beteiligt war. Gemäß § 281a ZPO könne aber von der neuerlichen Beweisaufnahme nur dann Abstand genommen und das Protokoll einer Streitverhandlung verlesen werden, wenn nicht eine der Parteien ausdrücklich das Gegenteil beantrage oder das Beweismittel nicht mehr zur Verfügung stehe, sofern beide Parteien an dem früheren gerichtlichen Verfahren beteiligt waren. Das Erstgericht habe daher gegen den Grundsatz der Unmittelbarkeit verstoßen.

Dem ist entgegenzuhalten, daß auch ein Verstoß gegen § 281a ZPO nur einen Verfahrensmangel verursacht (SZ 66/40 mwN) und keine Nichtigkeit darstellt. Eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens erster Instanz kann aber mit Rekurs an den Obersten Gerichtshof nicht mehr geltend gemacht werden.

Unter dem Rekursgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung macht die beklagte Partei unter anderem geltend, sie habe die dem Anrainer nach § 93 Abs 1 StVO obliegenden Pflichten nicht übernommen. Sie habe den Kirchweg lediglich im Rahmen der ihr obliegenden Verpflichtung als Wegehalter geräumt und gestreut, ohne aber die weitergehende Verpflichtung und insbesondere Haftung des Anrainers nach § 93 Abs 1 StVO dadurch zu übernehmen.

Diese Ausführungen sind grundsätzlich zutreffend:

Vorauszuschicken ist, daß eine auf § 1319a ABGB gestützte Klage bereits rechtskräftig abgewiesen wurde (AZ 18 Cg 18/96p des Landesgerichtes Innsbruck).

Zu prüfen bleibt daher, ob die beklagte Partei gegen § 93 StVO verstoßen und daher für den Schaden der Klägerin zu haften hat. Gemäß § 93 Abs 5 StVO kann die Verpflichtung nach § 93 Abs 1 StVO durch ein Rechtsgeschäft übertragen werden. Eine derartige Übertragung kann insbesondere auch schlüssig geschehen (ZVR 1996/113 mwN). Auch die tatsächliche Durchführung von Räumungs- und Streumaßnahmen durch eine andere (juristische) Person als den Eigentümer eines Grundstückes mehrere Jahrzehnte hindurch stellt die Übernahme der Verpflichtung zur Durchführung dieser Tätigkeiten durch schlüssige Handlung dar (ZVR 1995/128; ZVR 1988/50; SZ 44/187 ua). Dies ändert aber nichts daran, daß bei der Frage der schlüssigen Übernahme einer dartigen Verpflichtung ein strenger Maßstab anzulegen ist (Dittrich/Stolzlechner, StVO3 Rz 53 zu § 93). Nach den von Lehre und Rechtsprechung geforderten Kriterien muß die Handlung oder Unterlassung nach der Verkehrssitte und nach den im redlichen Verkehr geltenden Gewohnheiten und Gebräuchen eindeutig in einer Richtung zu verstehen sein, also den zwingenden Schluß zulassen, daß die Parteien einen Vertrag schließen, ändern oder aufheben wollten. Es darf kein vernünftiger Grund bestehen, daran zu zweifeln, daß ein ganz bestimmter Rechtsfolgewille vorliegt, wobei stets die gesamten Umstände des Einzelfalls zur Beurteilung heranzuziehen sind (1 Ob 2297/96; s die weiteren Nachweise bei Apathy in Schwimann**2 Rz 12 zu § 863).

Im vorliegenden Fall hat die beklagte Partei kein Verhalten gesetzt, daß den eindeutigen Schluß zuläßt, sie hätte die dem Anrainer obliegende Verpflichtung nach § 93 Abs 1 StVO schlüssig übernommen. Zur Räumung und Streuung des Kirchweges war sie gemäß § 1319a ABGB verpflichtet. Daß sie aber auch durch lange Zeit hindurch den ein Meter breiten Rand entlang der Kirchenmauer wie der Eigentümer der angrenzenden Liegenschaft geräumt und gestreut hätte, ergibt sich nicht aus den Feststellungen des Erstgerichtes. Vielmehr wurde festgestellt, daß der Räumschnee im Bereich des Kirchweges vom Schneepflug zur Seite geschoben und entlang der Kirchenmauer in Form von durchgehenden unterschiedlich breiten Schneehaufen abgelagert und von dort nicht mehr entfernt wurde. Aus einem derartigen Verhalten kann keinesfalls der eindeutige Schluß gezogen werden, es solle damit die dem Anrainer obliegende Verpflichtung, einen ein Meter breiten Teil der Straße zu räumen und zu streuen, übernommen werden. Würde man in den Fällen, in denen dieser Teil der Straße von deren Halter aufgrund der sich aus § 1319a ABGB ergebenden Verpflichtung bestreut wird, allein deshalb annehmen, daß er damit auch die den Liegenschaftseigentümer gemäß § 93 Abs 1 StVO treffende Verpflichtung zur Säuberung und Bestreuung schlüssig durch Rechtsgeschäft übernommen hat, so hätte diese Verpflichtung in der Praxis kaum mehr Bedeutung.

Es war deshalb dem Rekurs der beklagten Partei stattzugeben und das klagsabweisende Urteil des Erstgerichtes wiederherzustellen (§ 519 Abs 2 letzter Satz ZPO).

Die Entscheidung über die Kosten gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

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