Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Die Erstklägerin hat die Kosten ihres erfolglosen Revisionsrekurses selbst zu tragen.
Text
Begründung
Die Erstklägerin hat ihren Sitz in New York. Sie ist Inhaberin zweier im Markenregister des Österreichischen Patentamtes registrierter Marken. Aufgrund einer Vereinbarung zwischen den Klägerinnen ist die Zweitklägerin zum europaweiten Vertrieb von Waren (gehobene Herrenoberbekleidung) unter den zugunsten der Erstklägerin registrierten Marken berechtigt.
Der Beklagte, ein Textilhändler in Bregenz, importierte mit diesen Marken versehene Ware nach Österreich und verkauft sie in seinem Detailgeschäft. Er hatte die Ware in den USA erworben, wo sie erstmals in Verkehr gebracht worden war.
Gestützt auf Art 7 Markenrichtlinie und § 10 a Markenschutzgesetz begehren die Kläger Unterlassung, Beseitigung, Zahlung und Urteilsveröffentlichung. Zur Sicherung ihres Beseitigungsanspruches begehren sie die Erlassung einer einstweiligen Verfügung, womit dem Beklagten geboten werde, sich jeder Verfügung über diese Bekleidungsstücke zu enthalten.
Der Beklagte beantragt unter Hinweis auf den Grundsatz der weltweiten Erschöpfung des Markenrechts Klageabweisung und Abweisung des Sicherungsantrages. Anläßlich der Klagebeantwortung stellte er den Antrag, der Erstklägerin eine Sicherheitsleistung für Prozeßkosten aufzuerlegen. Die Erstklägerin - eine Gesellschaft mit Sitz in New York - verfüge weder über eine Niederlassung, noch über Vermögen im Inland.
Mit Beschluß vom 8.4.1997 trug das Erstgericht der Erstklägerin auf, S 58.000 als Sicherheitsleistung für die Prozeßkosten zu erlegen (ON 7). Der dagegen erhobene Rekurs blieb erfolglos. Die Entscheidung des Rekursgerichtes (ON 12) wurde dem Klagevertreter am 1.8.1997 zugestellt. Die Erstklägerin erlegte die aufgetragene Sicherheitsleistung nicht, worauf der Beklagte am 11.9.1997 den Antrag stellte, die Klage hinsichtlich der Erstklägerin für zurückgenommen zu erklären und ihr die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen (ON 16).
Aus Anlaß des Revisionsrekurses der Klägerinnen gegen die vom Rekursgericht bestätigte Abweisung des Sicherungsantrages leitete der Oberste Gerichtshof mit Beschluß vom 7.10.1997, 4 Ob 262/97a (= ON
18) ein Vorabentscheidungsverfahren zur Auslegung des Art 7 Abs 1 der Markenrichtlinie ein und setzte das Verfahren bis zum Einlangen der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes gemäß § 90 a Abs 1 GOG aus.
Die Erstklägerin wies in ihrer Äußerung zum Antrag des Beklagten, die Klage ihr gegenüber für zurückgenommen zu erklären, auf die Aussetzung des Verfahrens hin.
Das Erstgericht erklärte die Klage hinsichtlich der Erstklägerin für zurückgenommen und verpflichtete sie zum Kostenersatz (Beschluß vom 17.11.1997, ON 20). Die Aussetzung nach § 90 a Abs 1 GOG beeinflusse die Entscheidung über die aktorische Kaution nicht. Die Erstklägerin habe die Sicherheitsleistung weder erlegt noch ihre Unfähigkeit zum Erlag eidlich belegt.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Erstklägerin nicht Folge und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 52.000 übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Nach § 90 a Abs 1 GOG dürfe ein Gericht, das einen Antrag auf Vorabentscheidung nach Art 177 EGV stellt, bis zum Einlangen der Vorabentscheidung nur solche Handlungen vornehmen oder Entscheidungen und Verfügungen treffen, die durch die Vorabentscheidung nicht beeinflußt werden können oder die die Frage nicht abschließend regeln und keinen Aufschub gestatten. Sinn dieser Bestimmung sei es, den Fortlauf des Verfahrens anzuhalten, bis der Europäische Gerichtshof über die vorgelegte Frage entschieden habe. Handlungen, die durch diese Vorabentscheidung nicht berührt werden, könnten trotz Aussetzung erfolgen. Daß derartige Handlungen lediglich von dem die Vorabentscheidung einleitenden Gericht vorgenommen werden dürften, sei nicht einsichtig. Die Wirkung eines Aussetzungsbeschlusses nach § 90 a Abs 1 GOG reiche auch nicht weiter als die eines Beschlusses nach §§ 57 und 62 VfGG. Für die Frage, ob die von der Erstklägerin erhobene Klage mangels Erlags der Prozeßkostensicherheit für zurückgenommen zu erklären ist, sei das Vorabentscheidungsverfahren auch nicht von Bedeutung.
Rechtliche Beurteilung
Der dagegen erhobene Revisionsrekurs der Erstklägerin ist zulässig, aber nicht berechtigt.
Gemäß § 528 Abs 2 Z 2 ZPO ist der Revisionsrekurs gegen einen den Beschluß des Erstgerichtes bestätigenden Beschluß des Rekursgerichtes dann nicht jedenfalls unzulässig, wenn das Rekursgericht die Zurückweisung einer Klage aus formellen Gründen - also ohne Sachentscheidung - bestätigte. Einer Klagezurückweisung aus formellen Gründen ist ein Beschluß gleichzuhalten, mit dem die Fortsetzung des gesetzmäßigen Verfahrens über eine Klage verweigert wird, somit ein prozessualer Rechtsschutzanspruch des Klägers, eine Sachentscheidung über das Klagebegehren zu erlangen, endgültig verneint wird (stRspr JUS-extra OGH-Z 2184 mwN, RIS-Justiz RS0044487). Das trifft auch im hier zu beurteilenden Fall zu, in dem das Rekursgericht den Beschluß, womit die Klage in Ansehung der Erstklägerin als zurückgenommen erklärt wurde, bestätigt hat. Eine Klage, die wegen Nichterlages der Prozeßkostensicherheit als zurückgenommen erklärt wird, gilt zwar nicht als unter Anspruchsverzicht zurückgenommen (RZ 1957, 74). Der Beschluß des Gerichts hat somit nur prozeßrechtliche Folgen, er beseitigt aber den prozessualen Rechtsschutzanspruch und lehnt im Ergebnis eine meritorische Streiterledigung aus formellen Gründen ab. Diese Beschlußfassung ist einer Zurückweisung der Klage im Sinn des § 528 Abs 2 Z 2 ZPO gleichzuhalten. Der Ausnahmetatbestand des § 528 Abs 2 Z 2 ZPO ist somit anzuwenden.
Zu den Wirkungen der Verfahrensaussetzung nach § 90 a GOG fehlt Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes, eine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 528 Abs 1 ZPO ist somit zu bejahen.
Die Auffassung der Revisionsrekurswerberin, § 90 a Abs 1 GOG nehme nur auf jenes Gericht Bezug, das die Aussetzung ausgesprochen habe, es hätte daher nur der Oberste Gerichtshof, nicht aber das Erstgericht eine durch das Vorabentscheidungsverfahren nicht beeinflußte Entscheidung treffen dürfen, wird nicht geteilt. Das Rekursgericht weist mit Recht auf Sinn und Zweck dieser Bestimmung hin, den Fortlauf des Verfahrens bis zur Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes anzuhalten. Die Aussetzung des Anlaßverfahrens soll sicherstellen, daß der Zweck der Vorabentscheidung nicht vereitelt wird. Diesem Zweck nicht entgegenstehende Handlungen und Entscheidungen dürfen aber getroffen werden (Schima, Das Vorabentscheidungsverfahren vor dem EuGH 77). Zur Vornahme derartiger, die Vorabentscheidung nicht beeinflussender Entscheidungen bzw Verfügungen (Schima aaO 77 führt hiezu beispielhaft Verfügungen über Beweisaufnahmen und die Entscheidung über die Verfahrenshilfe an) ist aber in aller Regel gerade das Erstgericht unabhängig davon berufen, ob es selbst das Vorabentscheidungsersuchen gestellt hat. § 90a Abs 1 GOG kann daher nur so verstanden werden, daß im Sinn dieser Bestimmung zulässige Handlungen, Entscheidungen und Verfügungen vom jeweils dafür zuständigen Gericht vorgenommen werden dürfen.
Der Revisionsrekurswerberin ist darin zuzustimmen, daß die Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofes im Ausgangsverfahren sowohl das vorliegende Gericht selbst als auch jedes andere Gericht, das im selben Rechtsstreit zu entscheiden hat, bindet (ÖBl 1997, 253 - T-Gewinnspiele; Kohlegger, Einwirkungen des "Vorabentscheidungsverfahrens" auf das österreichische Zivilverfahren ÖJZ 1995, 761 ff und 811 ff [821] Dauses, Handbuch des EG-Wirtschaftsrechts Rz 122). Vorbehaltlich der sich im Rahmen des Hauptverfahrens allenfalls ergebenden Notwendigkeit einer neuerlichen Anrufung des EuGH (vgl Dauses Rz 826) bindet es daher auch das für das Hauptverfahren zuständige Gericht. Daraus läßt sich aber entgegen der Auffassung des Revisionsrekurswerberin nicht die Unzulässigkeit der hier bekämpften Beschlußfassung ableiten. Selbst wenn man davon ausgeht, daß die im Vorlagebeschluß verfügte Aussetzung des Verfahrens auch eine Unterbrechung des Hauptverfahrens im Sinn des § 163 ZPO bewirkt, wären doch die in § 90 a Abs 1 GOG angeführten Entscheidungen auch in bezug auf das Hauptverfahren zulässig.
Der §§ 57 Abs 3 und 62 Abs 3 VerfGG nachgebildete § 90 a Abs 1 GOG (vgl RV 52 BlgNR 18.GP vgl Walter/Mayer Grundriß des österreichischen Bundesverfassungsrechts8 Rz 1111) gestattet zwei Fallgruppen zulässiger Handlungen, Entscheidungen und Verfügungen: zum einen solche, die durch die Vorabentscheidung nicht beeinflußt werden können, zum anderen solche, die die (von der Vorabentscheidung betroffenen) Fragen nicht abschließend regeln und keinen Aufschub dulden. Der Beschluß auf KIagerücknahme mangels Erlags der aufgetragenen Prozeßkostensicherheit ist einer Klagerückziehung ohne Anspruchsverzicht gleichzuhalten (RZ 1957, 74). Diese Beschlußfassung ist der ersten Fallgruppe des § 90 a Abs 1 GOG zuzurechnen, sie wird durch die Vorabentscheidung in keiner Weise beeinflußt. Damit wird auch keine die Vorlagefragen betreffende Regelung getroffen. Für die Zulässigkeit dieser Beschlußfassung ist damit auch nicht relevant, ob sie einen Aufschub duldet.
Ob die im Sinn des § 90 a GOG verfügte Aussetzung (deren Wirkungen mit der Beschlußfassung über die Vorlage ex lege eintreten (vgl Schima aaO 77), eine Unterbrechung von Erlagsfristen bewirkt (vgl Fasching II 792 Anm 3; vgl EvBl 1966/287, wonach die Unterbrechung des Verfahrens die Frist für die Vollmachtsvorlage nach § 38 ZPO unterbricht), ist hier ohne Bedeutung, weil die vom Erstgericht für den Erlag der aktorischen Kaution gesetzte 14-Tage-Frist im Zeitpunkt des Vorabentscheidungsersuchens bereits längst abgelaufen war.
Auch die am 19.11.1997 vom Präsidenten des EuGH nach Art 82 a § 1 Abs 1 lit b der Verfahrensordnung verfügte Aussetzung bewirkte nur, daß während der Zeit der Aussetzung für die Parteien keine Verfahrensfrist abläuft. Sie hatte aber keine Auswirkungen auf die schon davor abgelaufene Erlagsfrist. Die von der Revisionsrekurswerberin angeregte Einholung einer Vorabentscheidung zur Frage der Auswirkungen einer Aussetzung nach der Verfahrensordnung des EuGH ist entbehrlich, weil sich aus der Mitteilung des EuGH vom 12.2.1998 an die Erstklägerin im Zusammenhang mit dem Wortlaut von Art 82 a § 1 Abs 1 lit b Verfahrensordnung klar ergibt, daß "während der Zeit der Aussetzung keine Verfahrensfristen ablaufen". Entscheidungswesentlich ist im vorliegenden Fall jedoch, ob das Erstgericht den im § 60 Abs 3 ZPO vorgesehenen Beschluß auf Klagerücknahme noch während des ausgesetzten Verfahrens fassen durfte. Abgesehen davon, daß diese Beschlußfassung noch vor der Aussetzung des Verfahrens durch den EuGH erfolgte, wird diese Frage durch die Verfahrensordnung des EuGH nicht berührt und richtet sich nach innerstaatlichem Recht (§ 90 a GOG).
Soweit nun die Revisionsrekurswerberin die Regelungen über die Unterbrechung im Sinn des § 163 ZPO angewendet wissen will, ist ihr zu entgegnen, daß Entscheidungen über Zwischenstreitigkeiten trotz Unterbrechung des Verfahrens in der Hauptsache dann zulässig sind, wenn sie über Anträge ergehen, die vor Unterbrechung gestellt wurden und keiner amtswegigen Erhebungen oder Anhörung der Parteien bedurften (Fasching II 794 Anm 5). Gerade dies ist hier der Fall. Der Beklagte hat nach Ablauf der vom Erstgericht gesetzten Erlagsfrist und nach Rechtskraft des Erlagsbeschlusses beantragt, das Erstgericht möge die Klage in Ansehung der Erstklägerin für zurückgenommen erklären. Das Erstgericht hat die Erstklägerin zur Äußerung aufgefordert. Erst danach wurde die Aussetzung im Zuge des vom Obersten Gerichtshofes gestellten Vorabentscheidungsersuchens wirksam.
Im übrigen stünde auch eine Unterbrechung des Verfahrens (oder ein dieser nach § 168 ZPO gleichzuhaltendes Ruhen) einer Klagerückziehung genausowenig entgegen, wie die vom Gericht verfügte Aussetzung des Verfahrens (Holzhammer, Österreichisches ZPR2, 232 und 234). Die hier vorgenommene Beschlußfassung ist aber - wie bereits ausgeführt - einer Klagerückziehung ohne Anspruchsverzicht gleichzuhalten.
Der Umstand, daß (auch) das Hauptverfahren erst nach der Entscheidung des EuGH und nicht schon nach Erlag der Sicherheitsleistung fortgesetzt werden könnte, spricht entgegen der Auffassung der Revisionsrekurswerberin nicht gegen die hier vorgenommene Beschlußfassung. Zum einen kommt es im vorliegenden Fall nicht darauf an, ob die Beschlußfassung einen Aufschub duldet (dies wäre nur dann zu prüfen, wenn die bekämpfte Entscheidung vom Vorabentscheidungsersuchen betroffene Fragen behandelt). Zum anderen führt ein Aufschieben der Beschlußfassung bis nach Ergehen der Entscheidung des EuGH dazu, daß die Klagerücknahme mit Zustellung der Entscheidung des EuGH erklärt werden müßte, weil ihre Voraussetzungen bereits vor Aussetzung des Verfahrens vorlagen. Der vom Erstgericht erteilte Auftrag war bereits vor Aussetzung des Verfahrens rechtskräftig geworden, die gesetzte Frist zum Zeitpunkt der Aussetzung bereits abgelaufen. Eine derartige Vorgangsweise entspräche nicht dem Grundsatz der Prozeßökonomie.
Ob dem Beklagten im Einzelfall aus der unterlassenen Beschlußfassung über die Klagerücknahme Nachteile erwachsen, ist ohne Bedeutung. Der Umstand, daß das Verfahren ungeachtet der gegenüber der Erstklägerin ausgesprochenen Klagerücknahme von der Zweitklägerin fortgesetzt wird, kann die Beschlußfassung nicht hindern.
Die Vorinstanzen haben zu Recht die Zulässigkeit der Beschlußfassung über die Klagerücknahme während des ausgesetzten Verfahrens bejaht.
Dem unberechtigten Revisionsrekurs ist ein Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 50 und 52 Abs 1 ZPO. Die Frage der Zulässigkeit der Beschlußfassung wurde in einem selbständigen Zwischenstreit behandelt. Dem Beklagten konnten Kosten nicht zugesprochen werden, er hat keine Revisionsrekursbeantwortung erstattet. Die Erstklägerin hat damit die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels selbst zu tragen.
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