OGH 9ObA84/98p

OGH9ObA84/98p29.4.1998

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Maier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Steinbauer und Dr.Spenling sowie die fachkundigen Laienrichter SR Dr.Raimund Kabelka und Mag.Thomas Kallab als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Oswald K*****, Angestellter, ***** vertreten durch Dr.Kurt Klein ua, Rechtsanwälte in Graz, wider die beklagte Partei E*****gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr.Reinhard Tögl, Rechtsanwalt in Graz, wegen S 142.555,60 brutto sA (Revisionsinteresse S 118.801,69 brutto sA), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 27.November 1997, GZ 7 Ra 184/97a-42, womit das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits- und Sozialgericht vom 30.Mai 1997, GZ 38 Cga 5/95p-35, teils bestätigt und teils abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die angefochtene Entscheidung wird dahin abgeändert, daß das Urteil des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Die beklagte Partei ist schuldig, binnen 14 Tagen der Kammer für Arbeiter und Angestellte für Steiermark einen pauschalierten Aufwandersatz von S 3.700,- für das Berufungsverfahren zu zahlen und der klagenden Partei die mit S 20.855,- bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 1.267,50 Umsatzsteuer und S 13.250,- Barauslagen) zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger war bei der Beklagten vom 1.9.1994 bis zu seiner am 20.12.1994 erfolgten Entlassung als technischer Verkäufer beschäftigt. In dieser Zeit unternahm er drei Dienstreisen nach China.

Mit der Behauptung, er sei zu Unrecht entlassen worden, begehrt er von der Beklagten letztlich S 142.555,60 brutto sA an aliquoten Sonderzahlungen, Kündigungs- und Urlaubsentschädigung sowie Reisekosten.

Die Beklagte beantragte, das Klagebegehren abzuweisen. Nach Prüfung der vom Kläger - weisungswidrig verspätet gelegten - Reisekostenabrechnungen habe sich herausgestellt, daß der Kläger entgegen ausdrücklicher Weisungen an einen Mitarbeiter in China Geld ausgezahlt habe. Zudem seien die Reisekostenabrechnungen völlig unrichtig gewesen; der Kläger habe versucht, Privatausgaben von der Beklagten ersetzt zu erhalten und habe zu hohe Tagessätze verrechnet. Ferner sei durch schuldhaftes Verhalten des Klägers ein bereits fix zustandegekommenes Geschäft gescheitert, wodurch der Beklagten ein Schaden von zumindest S 831.480,50 entstanden sei, der kompensando als Gegenforderung eingewendet werde.

Der Kläger hielt dem entgegen, daß ihm nicht gesagt worden sei, daß der chinesische Mitarbeiter W***** kein Gehalt mehr von der Beklagten beziehe. In der genauen Reisekostenabrechnung habe er weniger begehrt, als ihm zustehe. Die Zahlung an W***** habe er bei der Abrechnung in Abzug gebracht. Am behaupteten Schaden der Beklagten treffe ihn kein Verschulden.

Das Erstgericht erkannte die Klageforderung als berechtigt, die Gegenforderung hingegen als nicht berechtigt und gab dem Klagebegehren statt. Es traf folgende wesentliche Feststellungen:

Während der ersten Dienstreise des Klägers nach China beglich der Geschäftsführer der Beklagten verschiedene Spesen des Dieter W*****, der für die Beklagte in China tätig war und ua als Dolmetscher des Klägers fungierte. Während der zweiten Dienstreise arbeitete der Kläger mit W***** und einem weiteren chinesischen Mitarbeiter zusammen. Schon vor Antritt der Reise wurde dem Kläger von der Beklagten mitgeteilt, er dürfe W***** kein Geld auszahlen. Während der Reise wurde er mit Telefax vom 18.10.1994, in dem er aufgefordert wurde, dem weiteren Mitarbeiter ein Gehalt von 1.500 Yuan zu zahlen, neuerlich angewiesen, W***** kein Geld zu geben. Trotzdem zahlte der Kläger aufgrund ihm vorgelegter Spesenbelege dem Mitarbeiter W***** 7.331,9 Yuan (ca. S 9.700,-) aus. Der Auszahlungsbeleg wurde von W***** nicht unterschrieben. In der Zeit vom 2.11. bis 20.11.1994 arbeitete der Kläger in Österreich. In dieser Zeit wurde er vom Geschäftsführer der Beklagten mehrmals aufgefordert, die Reiserechnung für die beiden bereits absolvierten Dienstreisen zu legen; die Entlassung wurde ihm in diesem Zusammenhang aber nicht angedroht. Während der dritten Dienstreise des Klägers nach China sandte die Beklagte an seine Adresse in Österreich ein Schreiben, in dem erklärt wurde, daß das Dienstverhältnis "im beiderseitigem Einvernehmen" mit 31.12.1994 gekündigt werde. Hievon wurde der Kläger von seiner Gattin am 1.12.1994 telefonisch informiert. Am 2.12.1994 wurde er von der Beklagten aufgefordert, die Dienstreise vorzeitig abzubrechen, weil er nach Meinung der Beklagten die von ihm zu realisierenden Projekte nicht umsetzte. Am 13.12.1994 teilte der Geschäftsführer der Beklagten dem Kläger auch mündlich mit, daß das Arbeitsverhältnis mit 31.12.1994 enden werde und daß der Kläger um den 20.12.1994 in Urlaub gehen könne. Ferner wurde ihm aufgetragen, die Reiserechnungen über seine Dienstreisen bis 16.12.1994 zu legen. Der Kläger stimmte einer einvernehmlichen Auflösung des Dienstverhältnisses nicht zu. Am 16.12.1994 erstellte der Kläger die Reiserechnungen. Bei deren Kontrolle stellte der Geschäftsführer der Beklagten fest, daß der Kläger dem Mitarbeiter W***** 7.331,9 Yuan ausgezahlt hatte. Darauf sprach er am 20.12.1994 die Entlassung des Klägers aus. Der Kläger hat seine Reisekostenabrechnungen zwar formell falsch gelegt, jedoch keine Privatausgaben verrechnet. Aus diesen Abrechnungen ergibt sich ein Anspruch zu seinen Gunsten von S 17.605,- (S 10 des Ersturteiles). Daß die Beklagten durch das Verhalten des Klägers ein Geschäft in Shanghai nicht habe abschließen können und dadurch einen Schaden erlitten habe, erachtete das Erstgericht als nicht feststellbar.

Das Erstgericht vertrat die Rechtsauffassung, daß die Entlassung nicht gerechtfertigt gewesen sei. Durch die formell unrichtige Legung der Reisekostenabrechnung sei Vertrauensunwürdigkeit nicht eingetreten, zumal sich der Kläger zu seinen Ungunsten verrechnet habe. Auch die Zahlung an W*****stelle keinen Entlassungsgrund dar, weil der ausgezahlte Betrag durch Belege W*****gedeckt gewesen sei und dem Kläger nicht habe klar sein können, ob ihm auch untersagt worden sei, anfallende Spesen des Mitarbeiters zu ersetzen. Daß der Kläger seine Reisekostenabrechnung verspätet gelegt habe, stelle keine beharrliche Dienstverweigerung dar, zumal er nicht verwarnt worden sei. Außerdem sei die Entlassung nicht unverzüglich geltend gemacht worden. Die Klageforderung bestehe daher in voller Höhe zu Recht. Die Gegenforderung sei hingegen nicht berechtigt.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil im Zuspruch von S 15.384,62 brutto abzüglich S 8.877,37 netto sowie von S 17.246,66 netto sA und änderte es im Sinne der Abweisung des darüber hinausgehenden Mehrbegehrens ab. Es übernahm die erstgerichtlichen Feststellungen und vertrat die Rechtsauffassung, daß die Entlassung zu Recht erfolgt sei. Die Tätigkeit eines überwiegend allein im Ausland arbeitenden Angestellten setze besondere Vertrauenswürdigkeit voraus. Vor diesem Hintergrund könne die weisungswidrige Zahlung an W*****nicht als bloße Unkorrektheit gewertet werden. Unklarheiten über die Weisung hätten nicht bestehen können. Außerdem hätte der Kläger, der mit der Beklagten in ständigem Kontakt gestanden sei, rückfragen können. Dazu komme die verspätete Legung der Reiserechnungen, die ebenfalls zu einem schrittweisen Vertrauensverlust geführt habe. Für die Beklagte habe somit insgesamt die objektiv gerechtfertigte Befürchtung bestanden, daß ihre Interessen durch den Kläger gefährdet seien. Seine Weiterbeschäftigung sei ihr daher nicht zumutbar gewesen. Trotzdem seien aber dem Kläger die restlichen Sonderzahlungen und die von ihm begehrten Reisekosten zuzusprechen.

Gegen dieses Urteil, und zwar erkennbar gegen seinen das Klagebegehren abweisenden Teil, richtet sich die Revision des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, es iS der Wiederherstellung des Ersturteiles abzuändern.

Die Beklagte beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Die Revision ist berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Der vom Berufungsgericht herangezogene Entlassungsgrund des § 27 Z 1 AngG, 3. Tatbestand, ist verwirklicht, wenn sich der Angestellte einer Handlung schuldig macht, die ihn des Vertrauens des Dienstgebers unwürdig erscheinen läßt. Dabei kommt es vor allem darauf an, ob für den Dienstgeber vom Standpunkt vernünftigen kaufmännischen Ermessens die gerechtfertigte Befürchtung bestand, daß seine Belange durch den Angestellten gefährdet seien, wobei nicht das subjektive Empfinden des Dienstgebers entscheidet, sondern an das Gesamtverhalten des Angestellten ein objektiver Maßstab anzulegen ist, der nach den Begleitumständen des einzelnen Falles und nach der gewöhnlichen Verkehrsauffassung angewendet zu werden pflegt. Maßgebend ist, ob das Verhalten des Angestellten das Vertrauen des Dienstgebers so schwer erschüttert hat, daß diesem die Fortsetzung des Dienstverhältnisses nicht mehr zugemutet werden kann (SZ 69/14; Ris-Justiz RS0029833).

Durch die vom Kläger entgegen der ihm erteilten Weisung an den chinesischen Mitarbeiter W***** geleistete Zahlung wird dieser Entlassungsgrund nicht verwirklicht. Dem Kläger, der sich offenkundig im Hinblick auf die Notwendigkeit weiterer Zusammenarbeit mit W***** zur Zahlung veranlaßt sah, mußte angesichts der ihm seitens des Dienstgebers erteilten Weisungen klar sein, daß er damit auf eigenes Risiko handelt. Es mußte ihm klar sein, daß die Beklagte - sollte sie mit seinem Verhalten nicht einverstanden sein - die betreffende Zahlung bei der mit ihm nach der Dienstreise vorzunehmenden Abrechnung nicht anerkennen werde. Der Vorwurf eines schweren Vertrauensbruches wäre daher nur dann gerechtfertigt, wenn der Kläger versucht hätte, die Zahlung an W***** zu verheimlichen und die Anerkennung des ausgezahlten Betrages durch Vortäuschung zu berücksichtigender Ausgaben zu erschleichen. Davon kann aber keine Rede sein. Der Kläger hat der Beklagten den klar und deutlich eine Zahlung an W***** offenlegenden Auszahlungsbeleg mit seiner Abrechnung vorgelegt, was schließlich auch dazu geführt hat, daß die Beklagte die Zahlung nicht anerkannte und der Kläger - wie er unbestritten vorbrachte (siehe auch das Gutachten des Sachverständigen, insbesondere dessen Beil. 3) - den ausgezahlten Betrag von seinen Ansprüchen in Abzug brachte. Wenngleich der Eintritt eines Schadens für den Dienstgeber keine Voraussetzung für die Verwirklichung des Entlassungsgrundes darstellt (Kuderna, Entlassungsrecht**2 86), ist hier zu berücksichtigen, daß eine Schädigung des Dienstgebers aus dem eben dargestellten Grund von vornherein nicht zu erwarten war. Daran ändert auch der - im übrigen weder behauptete noch festgestellte, aber aus dem Akteninhalt erschließbare - Umstand nichts, daß der Kläger die Zahlung aus einem ihm ausgezahlten Vorschuß geleistet hat, zumal jeglicher Anhaltspunkt dafür fehlt, daß die Einbringlichmachung des ausgezahlten Betrages durch die Beklagte im Zuge der Abrechnung mit dem Kläger gefährdet gewesen sein könnte. Derartiges wurde von der Beklagten mit keinem Wort geltend gemacht. Trotz der vom Berufungsgericht zutreffend betonten hohen Ansprüche, die an das Verhalten von Außendienstmitarbeitern gestellt werden müssen, war das Verhalten des Klägers objektiv daher nicht geeignet, das Vertrauen der Beklagten so schwer zu erschüttern, daß ihr die Fortsetzung des Dienstverhältnisses nicht mehr zumutbar war.

Die Vorwürfe der Beklagten gegen die inhaltliche Richtigkeit der Abrechnung des Klägers wurden von den Vorinstanzen nicht als erwiesen angenommen. Die Tatsache, daß die ersten vom Kläger in diesem Dienstverhältnis gelegten Abrechnungen zwar inhaltlich richtig waren, aber formelle Unrichtigkeiten aufwiesen, ist nicht geeignet, die Entlassung des Klägers zu rechtfertigen. Gleiches gilt für den Umstand, daß der Kläger die Abrechnungen verspätet legte, zumal die Beklagte nach den Feststellungen diese Verspätungen hingenommen hat, ohne eine Verwarnung oder Ermahnung des Klägers auszusprechen.

Da somit die Entlassung des Klägers nicht gerechtfertigt war, war in Stattgebung seiner Revision das Ersturteil wiederherzustellen.

Die Entscheidung über die Verfahrenskosten gründet sich auf die §§ 41 und 50 Abs 1 ZPO in Verbindung mit § 58 a Abs 4 ASGG.

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