OGH 10ObS73/98b

OGH10ObS73/98b28.4.1998

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Bauer als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Ehmayr und HonProf.Dr.Danzl als weitere Richter sowie durch die fachkundigen Laienrichter Dr.Karlheinz Kux (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Mag. Maria Pree (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Mag.Egon S*****, vertreten durch Dr.Helmut A.Rainer und Mag.Sebastian Ruckensteiner, Rechtsanwälte in Innsbruck, wider die beklagte Partei Tiroler Gebietskrankenkasse, 6020 Innsbruck, Klara-Pölt-Weg 2, vertreten durch Dr.Hans-Peter Ullmann und Dr.Stefan Geiler, Rechtsanwälte in Innsbruck, wegen S 18.871,08 sA, infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 29.Oktober 1997, GZ 23 Rs 32/97w-21, womit das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 5.Juni 1997, GZ 47 Cgs 195/95w-17, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird teilweise Folge gegeben.

Hinsichtlich des Teilbetrages von S 432 wird das angefochtene klageabweisliche Urteil des Berufungsgerichtes als Teilurteil bestätigt.

Hinsichtlich des restlichen Klagebegehrens in Höhe von S 18.439,08 werden die Urteile der Vorinstanzen aufgehoben und die Sozialrechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger nahm bei einer Zahnärztin in L***** als Wahlärztin ärztliche Hilfe in Anspruch, wofür ihm laut deren Honorarnote vom 28.6.1995, vom Kläger bezahlt am selben Tag, ein Betrag von S 19.040 zuzüglich 20 % Umsatzsteuer, zusammen sohin S 22.848, in Rechnung gestellt wurde, der sich wie folgt zusammensetzte:

3 Anästhesien einschließlich Injektionsmittel bei Vitalexstirpation

und Vitalamputation a S 120 S 360

4 Zahnröntgen a S 70 S 280

1 Panoramaröntgen S 600

3 Gußfüllungen (Inlay-Onlay)

jeder Ausdehnung a S 3.600 S 10.800

1 Keramikinlay (laborgef.) S 7.000.

Aufgrund dieser eingereichten Honorarnote wurden dem Kläger von der beklagten Partei mit dem bekämpften Bescheid vom 23.10.1995 folgende Positionen ersetzt:

4 Zahnröntgen S 256,--

1 Panoramaröntgen S 398,--

3 Gußfüllungen S 2.400,--

1 Keramikinlay S 800,--

S 3.854,--

20 % USt S 770,80

zusammen S 4.624,80.

Mit seiner gegen diesen Bescheid erhobenen Klage begehrte der Kläger den Ersatz des offenen Differenzbetrages von S 18.223,20 zuzüglich weiterer S 539,90 zuzüglich 20 % Umsatzsteuer (zusammen S 647,88) für verwendetes Zahngold, insgesamt sohin S 18.871,08, samt 4 % Zinsen seit 5.7.1995. Das Zinsenbegehren wurde später zurückgezogen.

Die beklagte Partei wendete dagegen ein, daß ihre Berechnung der Kostenerstattung sowohl mit der hier anzuwendenden Satzung vom 30.11.1994 als auch mit der Honorarordnung für die Vertragsfachärzte für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde in Einklang stehe.

Das Erstgericht - welches zunächst beim Verfassungsgerichtshof einen Antrag gemäß Art 89 Abs 2 erster Satz B-VG auf Aufhebung des Anhanges 1 Punkt 4. d und e dieser Satzung sowie Punkt 3. dieser Honorarordnung jeweils wegen Gesetzwidrigkeit gestellt hatte, welcher jedoch mit dessen Erkenntnis vom 24.2.1997, V 49,50/96-10, zurückgewiesen wurde - wies das Klagebegehren ohne weitere Beweisaufnahmen ab. Es traf die eingangs wiedergegebenen Feststellungen und führte rechtlich aus, daß die gewährten Zuschüsse gemäß § 153 Abs 2 ASVG der Satzung und der Honorarordnung entsprachen, sodaß der Kläger die Mehrkosten selbst zu tragen habe.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und übernahm auch dessen rechtliche Beurteilung gemäß § 500 a ZPO als zutreffend und unbedenklich. Die ordentliche Revision wurde nicht zugelassen.

Gegen dieses Urteil richtet sich die auf den Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gestützte Revision des Klägers mit dem Antrag, die bekämpfte Entscheidung im Sinne einer vollinhaltlichen Klagestattgebung abzuändern; hilfsweise wird auch ein Aufhebungsantrag gestellt. Des weiteren enthält das Rechtsmittel die Anregung, "die auf den gegenständlichen Sachverhalt anzuwendenden Gesetzes- und Satzungsbestimmungen dem Verfassungsgerichtshof gemäß Art 89 Abs 2 erster Satz B-VG bzw Art 89 Abs 3 iVm Art 139 B-VG zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit bzw Gesetzmäßigkeit vorzulegen".

Die Revision ist zulässig, weil das Berufungsgericht bei der inhaltlichen Behandlung und Erledigung des Klagebegehrens teilweise von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes abgewichen ist. Dem Rechtsmittel kommt jedoch nur teilweise Berechtigung zu.

Die beklagte Partei hat nach Freistellung eine Revisionsbeantwortung erstattet.

Rechtliche Beurteilung

Nach Auffassung des Revisionswerbers, womit auch die Zulässigkeit der Revision begründet wird, hätten die Vorinstanzen seiner Klage deshalb (und zwar im Sinne des gestellten Rechtsmittelantrages vollinhaltlich) stattgeben müssen, weil bei einer Zahnbehandlung (notwendigem Zahnersatz) die Sachleistung der Krankenbehandlung ohne Kostenbeteiligung zum Tragen komme; Gußfüllungen und Keramikinlays zählten zur konservierenden Zahnbehandlung im Sinne des § 153 Abs 1 ASVG und nicht zum Zahnersatz im Sinne des § 153 Abs 2 ASVG. Sollte letzteres dennoch angenommen werden, wäre die Satzung der beklagten Partei, nach der lediglich Zuschüsse gewährt würden, gleich jener der oberösterreichischen Gebietskrankenkasse, welche der Verfassungsgerichtshof insoweit bereits aufgehoben habe, gesetzwidrig.

Hiezu ist vom Obersten Gerichtshof bereits einleitend die Klarstellung zu treffen, daß es sich bei den bescheid- und damit auch klagegegenständlichen zahnärztlichen Leistungen beim Kläger tatsächlich um solche im Rahmen durchgeführter Zahnbehandlungen (nach § 153 Abs 1 ASVG) und nicht eines Zahnersatzes (nach § 153 Abs 2 ASVG) handelt (vgl hiezu auch Anhang 2, Punkt I. Z 1 der derzeit in Geltung stehenden, zufolge ihres Inkrafttretens am 1.7.1995 hier freilich nicht anzuwendenden Satzung der beklagten Partei Amtliche Verlautbarung Nr.63/1995 in SozSi 1995, 478 ff [491]): Bereits in der Entscheidung SSV-NF 6/114 = JBl 1993, 467 hat der Oberste Gerichtshof (dort übrigens ebenfalls im Zusammenhang mit Keramik-Inlays, dort allerdings aufgrund des festgestelltermaßen medizinischen notwendigen Austausches von Amalgamfüllungen zufolge Auftretens gesundheitlicher Probleme durch erhöhte Quecksilberbelastung, wie dies der Kläger auch hier bereits in seiner Klage unter Hinweis auf medizinische Kontraindikationen behauptet hat) ausgesprochen, daß Zahnbehandlung grundsätzlich eine Pflichtleistung mit Rechtsanspruch ist (so auch SSV-NF 4/163 = SZ 63/222, SSV-NF 9/90 und SozSi 1998,218) und (so wie grundsätzlich jede Krankenbehandlung) ausreichend und zweckmäßig sein muß, jedoch das Maß des Notwendigen nicht überschreiten darf (§ 133 Abs 2 ASVG), wobei mangels Regelung in den jeweils geltenden Verträgen mit Zahnbehandlern für diese Inlays der Versicherungsträger mangels anderer Anhaltspunkte nur die üblichen Marktpreise für derartige Leistungen zu ersetzen habe.

Im vorliegenden Fall wurde nun vom Erstgericht bisher nicht nur nicht geprüft, ob das von der Zahnärztin verrechnete Honorar im Lichte dieser Ausführungen angemessen war, sondern auch (und primär) unerhoben gelassen, ob die gegenständliche Zahnbehandlung in der vorgenommenen (und sodann in Rechnung gestellten) Art bzw Umfang medizinisch unbedenklich notwendig war (SSV-NF 6/114). Voraussetzung für einen über die übliche Behandlung hinausgehenden Kostenersatz ist es nämlich, daß dieser jedenfalls medizinisch indiziert war. Dies hat der Kläger auch bereits in Punkt 1 seiner Klage behauptet und es ist daher in erster Linie dieser Umstand einer Überprüfung zu unterziehen. Sollte sich dabei herausstellen, daß tatsächlich - wie behauptet - Amalgamunverträglichkeit bestand, hätte im Sinne der Kriterien der zitierten Vorentscheidung die nächstgünstigste Lösung gewählt werden müssen; ob dies die hier eingesetzten Keramik-Inlays und Gußfüllungen sind, kann derzeit nicht beantwortet werden und ist daher gleichfalls überprüfungsbedürftig. Die übrigen Kosten für Zahn- und Panoramaröntgen sind dabei jedenfalls auf die Höhe der entsprechenden Vertragsarzttarife zu beschränken.

All dies wurde nach der Aktenlage von den Vorinstanzen bisher weder berücksichtigt noch auch mit den Parteien erörtert. Damit stellt sich freilich die vom Kläger in seiner Revision relevierte (und zur Anfechtung angeregte) Frage eines Gesetzesverstoßes (im Sinne des Erkenntnisses V 21,22/92 zur Satzung der oberösterreichischen Gebietskrankenkasse) mit (neuerlicher) Anfechtung vor dem Verfassungsgerichtshof nicht, weil es hier eben nicht um einen Fall (bloßer) Kostenbeteiligung nach § 153 Abs 2 ASVG (iVm den maßgeblichen Satzungsbestimmungen der beklagten Partei) geht, und diese auch für den vorliegenden Fall damit gar nicht präjudiziell sind.

Schon aus diesem Grunde müssen daher die Urteile der Vorinstanzen insoweit aufgehoben werden, um den Parteien Gelegenheit zu einem der dargestellten Rechtslage entsprechenden Vorbringen und erforderlichenfalls der zum Beweis eines solchen Vorbringens notwendigen Anträge zu geben, sowie um sodann nach entsprechender Beweisaufnahme die für die abschließende rechtliche Beurteilung erforderlichen Feststellungen treffen zu können. Insoweit bedarf es daher jedenfalls auch einer Verhandlung in erster Instanz.

Dabei war allerdings vom Obersten Gerichtshof betreffend die Höhe des streitgegenständlichen Klagebegehrens, welches mit Ausnahme des bereits in der Berufung zurückgezogenen Zinsenbegehrens bezüglich seines Hauptsachenbetrages weiterhin vollumfänglich aufrecht ist, zu beachten, daß jedenfalls die Teilposition S 360 (zuzüglich 20 % Umsatzsteuer, zusammen sohin S 432) für "drei Anästhesien bei Vitalexstirpation und Vitalamputation" nicht zu Recht bestehen kann, weil der Kläger selbst in der Streitverhandlung vom 5.6.1997 außer Streit gestellt hat, daß diese Leistungen bei ihm nicht vorgenommen worden sind (AS 59) und auch das Erstgericht in Seite 11 seiner Entscheidung eine entsprechende Feststellung ausdrücklich getroffen hat. Insoweit ist die Klageabweisung des Berufungsgerichtes daher als Teilurteil zu bestätigen und vom Aufhebungsbeschluß damit nicht mehr erfaßt.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO iVm § 2 Abs 1 ASGG.

Stichworte