OGH 1Ob65/98k

OGH1Ob65/98k28.4.1998

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr.Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr.Schiemer, Dr.Gerstenecker, Dr.Rohrer und Dr.Zechner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dkfm.Dr.Franz Josef K*****, vertreten durch Gabler und Gibel, Rechtsanwaltspartnerschaft in Wien, wider die beklagte Partei Elisabeth K*****, vertreten durch Dr.Hubert Mayrhofer, Rechtsanwalt in Wien, wegen Räumung, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtsachen Wien als Berufungsgericht vom 10.Dezember 1997, GZ 39 R 632/97y-18, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichts Döbling vom 10.September 1997, GZ 15 C 187/97y-14, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 8.112,-- (darin enthalten S 1.352,-- Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die zwischen den Streitteilen 1975 geschlossene Ehe wurde im Jahre 1995 geschieden. Mit Vertrag vom 23.4.1987 mietete der Kläger eine Wohnung. Mittels einstweiliger Verfügung des Erstgerichts wurde er im Jahre 1992 dazu verhalten, dieses - bis dahin als Ehewohnung dienende - Mietobjekt zu verlassen. Seither bewohnt die Beklagte mit der Tochter der Streitteile diese Wohnung; die Beklagte bezahlt den Mietzins. Ein Aufteilungsverfahren wurde nicht eingeleitet.

Mit der am 27.8.1996 eingebrachten Klage begehrte der Kläger die Räumung der Wohnung aufgrund seiner Mietereigenschaft. Er brachte vor, die Beklagte benutze das Bestandobjekt titellos.

Die Beklagte wendete gegen das Räumungsbegehren des Klägers ein, ihr sei die Pfändung der dem Kläger zustehenden Mietrechte sowie des daraus resultierenden Anspruchs auf Räumung bewilligt worden. Demzufolge sei dem Kläger verboten worden, den Räumungsanspruch gegen die Beklagten geltend zu machen.

Schon am 29.8.1996 habe die Beklagte gegen den Kläger die Bewilligung der Exekution zur Hereinbringung rückständigen sowie zur Sicherung laufenden Unterhalts beantragt. Mit Beschluß vom 17.9.1996 bewilligte ihr das Erstgericht die Exekution durch Pfändung der Mietrechte des Klägers an der Wohnung sowie des daraus resultierenden Räumungsanspruchs. An den Kläger wurde das Gebot erlassen, sich jeder Verfügung über die gepfändeten Mietrechte und den darauf beruhenden Räumungsanspruch zu enthalten; insbesondere wurde ihm verboten, die Mietrechte zu übertragen, sie aufzugeben oder einen Räumungsanspruch zu erheben. Ein vom Kläger gegen diesen Beschluß erhobener Rekurs blieb erfolglos. Aufgrund eines weiteren, am 12.9.1996 eingebrachten Exekutionsantrags wurde der Beklagten zur Hereinbringung einer Geldforderung abermals die Pfändung der Mietrechte des Klägers im oben wiedergegebenen Sinn bewilligt. Auch der vom Kläger gegen diesen Beschluß erhobene Rekurs blieb erfolglos.

Das Erstgericht wies das Räumungsbegehren ab. Durch die zugunsten der Beklagten verfügte gerichtliche Pfändung der Mietrechte und des Räumungsanspruchs sei dem Kläger das Verfügungsrecht über den Räumungsanspruch genommen worden. Das durch die Pfändung bewirkte Verfügungsverbot stehe einer Realisierung des schuldrechtlichen Räumungsanspruchs des Klägers entgegen. Die erst im Zuge des Verfahrens eingetretene (rechtliche) Unmöglichkeit der Leistung sei bei der Entscheidung zu berücksichtigen. § 234 ZPO komme nicht zur Anwendung, weil der Streitgegenstand nicht freiwillig veräußert, sondern im Exekutionsverfahren gepfändet worden sei.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, daß die ordentliche Revision nicht zulässig sei. § 234 ZPO sei nicht anzuwenden, wenn der Streitgegenstand nicht freiwillig veräußert, sondern im Exekutionsverfahren gepfändet worden sei; eine im Zuge des Rechtsstreits eingetretene (rechtliche) Unmöglichkeit der Leistung sei bei der Entscheidung zu berücksichtigen. In Anbetracht dessen, daß dem Kläger das Verfügungsrecht über den gepfändeten Räumungsanspruch genommen worden sei, sei die Klagsabweisung berechtigt. Der als Kläger auftretende Verpflichtete dürfe nach Pfändung des Räumungsanspruchs die Leistung an sich nicht mehr verlangen und sei in seinen Verfügungen über die gepfändete Forderung schon vor deren Überweisung insoweit beschränkt, als diese mit dem vom betreibenden Gläubiger (= beklagte Partei) erworbenen Pfandrecht kollidierten.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Klägers ist zulässig, aber nicht berechtigt.

§ 234 ZPO findet zwar auf jede Art von Einzelrechtsübergang während des Prozesses, auch aufgrund einer richterlichen Verfügung, Anwendung, insbesondere auch in Kündigungs- und Räumungsprozessen (MietSlg 45.668; EvBl 1992/49; SZ 63/151; JBl 1988, 787; MietSlg 35.775; Fasching, Lehrbuch2 Rz 1195), doch ist damit für den Kläger nichts gewonnen. § 234 ZPO hat nämlich zur Voraussetzung, daß die in Streit verfangene Sache oder Forderung an einen Dritten veräußert wird. Das ergibt sich schon aus dem zweiten Satz des § 234 ZPO, wonach der Erwerber nicht berechtigt ist, ohne Zustimmung des Gegners als Hauptpartei einzutreten. Der Gesetzgeber unterstellt dabei als selbstverständlich, daß der Erwerber der in Streit verfangenen Sache vom Prozeßgegner verschieden sein muß; jede andere Auslegung des § 234 ZPO wäre sinnwidrig, stünden einander doch sonst (bei "Eintritt" in den Prozeß) dieselben Parteien wie vorher gegenüber. § 234 ZPO soll seiner Intention nach auch nur verhindern, daß sich eine Partei durch Veräußerung des Streitgegenstands ihrer Sachlegitimation entledigt und dadurch einen Anspruch des Gegners zum Scheitern bringt (ecolex 1997, 250; SZ 63/151; MietSlg 35.775). Er ist also eine prozessuale Schutzvorschrift zugunsten des Gegners (Fasching aaO Rz 1199). Im vorliegenden Fall wurde dem Kläger dessen allfälliger Räumungsanspruch gegen die Beklagten durch richterliche Verfügung, durch die Pfändung des Verfügungsrechts über den Anspruch zugunsten der Beklagten, also jener Person, die vor einer "Veräußerung" des Räumungsanspruchs geschützt werden sollte, entzogen. Schon allein deshalb wäre die Anwendung des § 234 ZPO im vorliegenden Fall widersinnig.

Zu bedenken ist auch, daß der Kläger - käme § 234 ZPO zur Anwendung - bei Veräußerung einer Sache durch ihn weiterhin so zu behandeln wäre, als ob er noch das Recht an der Sache hätte, und der Beklagte demgemäß zur Herausgabe der Sache an ihn zu verurteilen wäre. Der Beklagte könnte ihm keine Einwendungen entgegenhalten, die ihm aus den rechtlichen Beziehungen zum Erwerber der Sache zustünden (Fasching aaO Rz 1200). Es ist also bei § 234 ZPO stets an ein dreipersonales Verhältnis gedacht, nicht aber an einen Rechtsübergang im Verhältnis zwischen den Streitteilen.

Der Revision ist demnach nicht Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

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