OGH 1Ob407/97b

OGH1Ob407/97b28.4.1998

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr.Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr.Schiemer, Dr.Gerstenecker, Dr.Rohrer und Dr.Zechner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Wolfgang R*****, vertreten durch Dr.Wolfgang Vacarescu, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagte Partei Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien 1., Singerstraße 17-19, wegen 140.000 S sA und Feststellung (Streitwert 20.000 S) infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgerichts vom 24.Juni 1997, GZ 5 R 77/97a-22, womit das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 25.Februar 1997, GZ 13 Cg 304/95d-17, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 8.370 S (darin 1.395 S Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Text

Begründung

Der Kläger wurde als Wehrpflichtiger des Milizstands vom 16. bis 21.September 1991 zu einer Truppenübung einberufen und „sollte“ am 17.September 1991 an einem Scharfschießen als Panzerabwehrrohrschütze teilnehmen. Er war als Jäger nicht als Ladeschütze ausgebildet. Als Gehörschutz wurden ihm Schaumgummipfropfen zugeteilt, die er vorschriftsgemäß verwendete. Dennoch verspürte er im Zuge seines militärischen Einsatzes „plötzlich einen brennenden Schmerz im rechten Ohr“ und meldete es seinem Vorgesetzten. Weil sich sein Zustand tags darauf nicht gebessert hatte, wurde er ins Krankenhaus gebracht und dort eine Trommelfellperforation am rechten Ohr festgestellt. Danach blieben zwei operative Versuche, die Perforation plastisch zu schließen, erfolglos. Zwischen April 1992 und 6.Juni 1994 (Untersuchungstermin) war der traumatische Trommelfelldefekt unverändert. Der Kläger hatte bis 6.Juni 1994 unfallkausal 4 Tage starke, 23 Tage mittelstarke und 65 Tage leichte Schmerzen zu erdulden. Spätfolgen sind nicht auszuschließen. Durch das in Paukenhöhe offene Mittelohr werden Entzündungen bzw sonstige Veränderungen begünstigt. Ein weiterer Operationsversuch zwecks Schließung der Trommelfellperforation wäre nicht aussichtslos. Mittels rechtskräftigen Bescheids des Bundessozialamts Steiermark vom 22.November 1994 wurde „die traumatische Trommefellperforation des rechten Ohrs und eine geringgradige Schalleitungsschwerhörigkeit des rechten Ohrs“ als Dienstbeschädigung anerkannt, aber die Zuerkennung einer Beschädigtenrente abgelehnt.

Nach den Vorschriften haben Heeresangehörige „bei Lärmexposition im Dienst einen geeigneten Gehörschutz zu tragen“. Dafür sind Gehörschutzpfropfen, Gehörschutzbügel, Funkkopfhörer für Panzerbesatzungen und Funkkopfhörer für Stahlhelme in Verwendung. Das Aufsichts- und Ausbildungspersonal sowie der Schütze haben „beim Scharfschießen auf dem Schießstand Gehörschutzbügelgeräte“ zu benützen. Diese sind von der jeweiligen Einheit zur Verfügung zu stellen und „verbleiben ständig beim Mann“. Die Verwendung des jeweils erforderlichen Gehörschutzes ist vor Beginn des Scharfschießens vom Vorgesetzten festzulegen.

Der Kläger begehrte den Zuspruch von 140.000 S an Schmerzengeld und die Feststellung, daß ihm die beklagte Partei für alle künftigen Schäden aufgrund des Unfalls vom 16.September 1991 (richtig wohl 17.September 1991) hafte. Er brachte vor, ihm sei in Verletzung bestehender Sicherheitsvorschriften kein Gehörschutzbügel ausgefolgt worden. Hätten diese Vorschriften lediglich die Verwendung von Gehörschutzpfropfen vorgesehen, wäre das „für die Lärmentwicklung am Panzerabwehrrohr“ unzureichend gewesen. Die Wahrscheinlichkeit einer Verletzung der „Gehörschutzgänge“ sei relativ groß. Unmittelbar neben der Panzerabwehrrohrstellung sei mit einem schweren Granatwerfer geschossen worden. „Im Zuge dieser extremen Lärmbelastung“ habe er einen heftigen Ohrschmerz, der durch eine Trommelfellperforation verursacht worden sei verspürt. Das Verschulden der Organe der beklagten Partei liege in der „Nichteinhaltung der entsprechenden Sicherheitsvorschriften“, in „ungenügenden Sicherheitsvorkehrungen“ und in der „Zurverfügungstellung von nicht ausreichendem Gehörschutzmaterial“. Dadurch habe die beklagte Partei ihre Fürsorgepflicht gegenüber „Grundwehrdienern“ verletzt. Die unfallkausalen Schmerzen rechtfertigten ein Schmerzengeld von 140.000 S. Der „Dauerzustand“, der weitere Schmerzen verursachen werde, begründe auch ein Feststellungsinteresse.

Die beklagte Partei wendete ein, ihre Organe hätten alle erforderlichen Sicherheitsvorkehrungen eingehalten. Die dem Kläger für die Schießübung zugeteilten Gehörschutzpfropfen hätten dem „Stand der Wissenschaft und Technik“ entsprochen; sie seien zur Vermeidung von Gehörschäden ausreichend gewesen. Darauf hätten Organe der beklagten Partei vertrauen dürfen, weil es vorher keine Schädigungen als „Präzedenzfälle“ gegeben habe. Zusätzliche bzw andere „Sicherungsmittel“ seien „nicht zumutbar“ gewesen. Der Kläger habe keinen „erheblichen Schaden“ erlitten. Der Schmerzengeldanspruch sei überhöht. Künftige nachteilige Folgen für dessen Gesundheitszustand seien auszuschließen. Deshalb sei auch das Feststellungsbegehren nicht berechtigt.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab und stellte außer dem eingangs wiedergegebenen Sachverhalt - in ungeprüfter Übernahme von Prozeßbehauptungen - noch fest:

Kurz vor Beginn der Schießübung mit dem Panzerabwehrrohr sei in unmittelbarer Nähe des Klägers ein schwerer Granatwerfer abgefeuert worden. Die vom Kläger verwendeten Gehörschutzpfropfen entsprächen „dem Stand der Wissenschaft und Technik“.

Nach Ansicht des Erstgerichts hätten die Organe der beklagten Partei die Sicherheitsvorschriften eingehalten. Gehörschutzpfropfen seien zur Verhütung von Gehörschäden geeignet gewesen. Organen der beklagten Partei sei daher kein Verschulden anzulasten, weshalb der Amtshaftungsanspruch scheitern müsse.

Das Berufungsgericht hob dieses Urteil auf, verwies die Rechtssache zur Ergänzung des Verfahrens und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurück und ließ den Rekurs an den Obersten Gerichtshof zu. Es erwog in rechtlicher Hinsicht, die Frage, ob Gehörschutzpfropfen vor schädlichem Lärm beim Scharfschießen mit Panzerabwehrrohren nur unzureichend schützten, erlange erst dann Bedeutung, wenn die Verwendung solcher Pfropfen den maßgeblichen Sicherheitsvorschriften entsprochen hätte. Maßgeblich für die Beurteilung sei nicht die Funktion des Klägers am Panzerabwehrrohr, sondern dessen Entfernung von der „Schallquelle“. Unklar sei, ob der Kläger während des Scharfschießens überhaupt ein Panzerabwehrrohr bedient habe, weil er an einem solchen Schießen nach den Feststellungen nur teilnehmen „sollte“. Aufklärungsbedürftig seien ferner die Einzelheiten des Scharfschießens, des Abschießens eines schweren Granatwerfers in der Nähe des Klägers und der Anordnungen des militärischen Vorgesetzten über den Gehörschutz. Dieser sei im Erlaß vom 28.Februar 1990, GZ 54.340/61-4.10/90, über den Gehörschutz beim Scharfschießen mit Feuerwaffen sowie bei Lärmexposition, der am 17.April 1990 im Verlautbarungsblatt I des Bundesministeriums für Landesverteidigung kundgemacht worden sei, für alle Angehörigen des Bundesheers und der Heeresverwaltung näher geregelt. Danach sei von Angehörigen des Bundesheers bei Lärmexposition im Dienst ein geeigneter Gehörschutz zu tragen. Auf dem Schießstand hätten jedenfalls das Aufsichts- und Ausbildungspersonal sowie der Schütze Gehörschutzbügel anzulegen. Bei jeder anderen Form der Schießausbildung sei ebenfalls ein Gehörschutz zu verwenden. Dessen Auswahl obliege dem Vorgesetzten vor Beginn des Scharfschießens. Dieser habe sich, wenn es notwendig sein sollte, vom zuständigen Militärarzt beraten zu lassen.

Nach der „Dienstvorschrift für das Bundesheer - Sicherheitsbestimmungen für das Scharfschießen mit allen Waffen (3.Ausgabe April 1987)“ sei der Schießstand Teil einer bestimmten Schießanlage. Er bestehe aus der Stellung und dem Ziel. Die Schießanlage sei meist eine ortsfeste Einrichtung als ständige Übungsfläche für das Scharfschießen. Schießanlagen seien je nach ihrem Zweck Schul-, Schulgefechts-, Einzelgefechts-, Kleinkaliber-, Panzerabwehrrohr-, Zuggefechts-, Kompaniegefechts-, Flieger-, Fliegerabwehr- und Sonderschießanlagen sowie „Schießanlagen mit Waffen in festen Anlagen“. Nach den Regelungen des Erlasses vom 28.Februar 1990 habe der Schütze beim Scharfschießen auf dem Schießstand einen Gehörschutzbügel zu tragen. Das gelte auch für das Abfeuern schwerer Waffen auf Schießbahnen. Die Feuerstellung solcher Waffen, zu denen Granatwerfer und Panzerabwehrrohre gehörten, sei „Teil eines Schießstandes bzw einer Schießanlage“. Gehörschutzbügel seien daher nicht nur auf einer „Schulschießanlage“ zu verwenden. Ausnahmen von der Verpflichtung zur Verwendung derartiger Bügel als Gehörschutz seien nur aus „Gründen der Adjustierung oder aus Gründen der Verständigung“ vorgesehen.

Mangels Kenntnis der Einzelheiten des Übungsablaufs lasse sich die Frage nach dem erforderlichen Gehörschutz nicht beantworten. Im fortgesetzten Verfahren werde daher zu klären sein, in welcher Funktion der Kläger an der Schießübung tatsächlich teilgenommen, „in welchem Lärmschädigungsbereich welcher Waffen“ er sich „wann bzw für wie lange“ befunden habe und „welche Lärmexposition(en) auf ihn“ eingewirkt hätten. Erst dann könne die Frage beantwortet werden, „welcher Gehörschutz“ nach dem Erlaß vom 28.Februar 1990 zu verwenden gewesen wäre. Sollte sich die Verwendung von Gehörschutzpfropfen als vorschriftsmäßig herausstellen, werde auf das weitere Vorbringen des Klägers einzugehen sein, daß die Verwendung einer solchen Schutzvorrichtung „zur Vermeidung von Gehörschäden zum Zeitpunkt des Vorfalls unzureichend gewesen“ sei.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist zulässig, jedoch nicht berechtigt.

Der erkennende Senat teilt die Ansicht des Berufungsgerichts zur Auslegung der Bestimmungen des Erlasses vom 28.Februar 1990 über den Gehörschutz von Heeresangehörigen beim Scharfschießen mit Feuerwaffen sowie bei Lärmexposition in Verbindung mit den „Sicherheitsbestimmungen für das Scharfschießen mit allen Waffen“. Dem setzt die beklagte Partei nur die Behauptung entgegen, für die Funktion des Klägers beim Übungsschießen hätten Gehörschutzpfropfen jedenfalls ausgereicht. Der Versuch einer begründeten Widerlegung der Interpretation des Erlasses vom 28.Februar 1990 und der „Sicherheitsbestimmungen für das Scharfschießen mit allen Waffen“ durch das Gericht zweiter Instanz wird dagegen gar nicht unternommen, sodaß sich der Oberste Gerichtshof soweit gemäß § 528a ZPO in Verbindung mit § 510 Abs 3 ZPO in der Fassung der WGN 1997 BGBl 140 mit einem Verweis auf die Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung begnügen kann.

Im Kern ihrer Rechtsmittelausführungen versucht die beklagte Partei, eine Unschlüssigkeit des Klagebegehrens darzutun. Der Kläger habe gar nicht behauptet, die Sicherheitsvorschriften seien „selbst rechtswidrig (in eventu schuldhaft) erlassen“ worden, dessen Vorbringen beschränke sich vielmehr auf „nicht ausreichendes Gehörschutzmaterial“. Es fehle an „Sachverhaltsangaben“, auf die eine Vorschrift des Erlasses vom 28.Februar 1990 über die Verpflichtung zum „Tragen von Gehörschutzbügeln“ zuträfe. Deshalb sei die Rechtssache im Sinne einer Klageabweisung spruchreif.

Die beklagte Partei verkennt die Bedeutung und die Tragweite des Klagevorbringens. Danach sei der Kläger aufgrund der näheren Umstände des Übungsschießens (Panzerabwehrrohr- und Granatwerferfeuer) einer „extremen Lärmbelastung“ ausgesetzt gewesen, weshalb der Gefahr einer Gesundheitsschädigung durch die Verwendung eines Gehörschutzbügels zu begegnen gewesen wäre. Hätte eine Vorschrift bloß die Anlegung von Gehörschutzpfropfen „für die Lärmentwicklung am Panzerabwehrrohr“ vorgesehen, wäre das für die Vermeidung einer Gesundheitsschädigung ungeeignet gewesen. Nach den Klagegründen hätten Gehörschutzpfropfen den eingetretenen Körperschaden daher wegen der näheren Umstände der Lärmbelastung durch Panzerabwehrrohr- und Granatwerferfeuer nicht nur nicht verhüten können, sondern hätten nicht einmal ausgereicht, eine Gesundheitsschädigung durch Trommelfellperforation zu vermeiden, wenn sich die Lärmexposition auf das Scharfschießen mit dem Panzerabwehrrohr beschränkt hätte. Ferner hat der Kläger aber auch behauptet, daß allfällige Sicherheitsvorschriften der beklagten Partei, die als Schutz gegen die Lärmexposition durch Panzerabwehrrohrfeuer - und umsomehr daher bei Hinzutreten von Granatwerferfeuer - bloß die Verwendung von Ohrpfropfen vorgesehen hätten, wären ungenügend gewesen. Angesichts dieses Vorbringens vermag der erkennende Senat - entgegen der Ansicht der beklagten Partei - keine Unschlüssigkeit des Klagebegehrens zu erkennen.

Ist aber das Klagebegehren schlüssig, so ist dem Berufungsgericht auch darin zu folgen, daß - nach den noch festzustellenden Umständen des Einzelfalls - vorerst zu beurteilen sein wird, ob Organe der beklagten Partei deren Sicherheitsvorschriften im Erlaß vom 28.Februar 1990 nach den näheren Darlegungen des Berufungsgerichts zuwiderhandelten und dadurch den Schaden herbeiführten ob also dem Kläger je nach der konkret vorherzusehenden Lärmexposition (Panzerabwehrrohr- bzw. Panzerabwehrrohr- und Granatwerferfeuer) nicht bloß Gehörschutzpfropfen, sondern Gehörschutzbügel zur Vermeidung einer Trommelfellperforation zur Verfügung zu stellen gewesen wären. Wäre das zu bejahen, hätte die beklagte Partei für eine solche schadensursächliche Sorgfaltsverletzung ihrer Organe in Verletzung ihrer eigenen Sicherheitsvorschriften einzustehen.

Hätte die beklagte Partei dagegen den Kläger in seiner konkreten militärischen Funktion während des Scharfschießens in Befolgung ihrer Sicherheitsvorschriften nur mit Gehörschutzpfropfen auszustatten gehabt, so stünde bereits jetzt fest, daß dieser Gehörschutz im konkreten Fall trotz vorschriftsmäßiger Anlegung ungeeignet war, den Kläger vor Schaden zu bewahren, weil dieser aufgrund der tatsächlichen Lärmexposition - gleichviel, welches Scharfschießen als Schadensursache immer stattgefunden haben mag, - eine Trommelfellperforation am rechten Ohr erlitt. Es stellt sich dann die Frage, ob die Sicherheitsvorschriften des Erlasses vom 28.Februar 1990 im Übungszeitpunkt ausreichten, um Verletzungen des Gehörs unter Zugrundelegung der konkret vorhersehbaren Lärmexposition zu vermeiden.

Im öffentlich-rechtlichen Schrifttum überwiegt die Ansicht, Erlässe seien keine Verordnungen im Sinne des Bundesverfassungsgesetzes, sondern generelle Weisungen (Mayer, BVG2 Art 139 I.1.; Öhlinger, Verfassungsrecht [1997] 400; Walter/Mayer, Grundriß des österreichischen Bundesverfassungsrechts8 Rz 594, 1105). Diesem Standpunkt entspricht die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs, der Erlässe nicht anwendet (Mayer aaO; Öhlinger aaO; Schragel, AHG2 Rz 62 je mN aus der Rsp des VwGH). Dagegen prüft der Verfassungsgerichtshof Erlässe als „Verwaltungsverordnungen“ auf deren Gesetzmäßigkeit (VfSlg 14.154; Mayer aaO; Walter/Mayer aaO Rz 1105; Öhlinger aaO; Schragel aaO je mwN aus der Rsp des VfGH), wenn sie - wie hier der Gehörschutzerlaß vom 28.Februar 1990 - „imperative“ Anordnungen enthalten (VfSlg 14.154; Öhlinger aaO). Dem Amtshaftungsverfahren ist die Ansicht des Verfassungsgerichtshofs, der gemäß Art 139 B-VG zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit von Verordnungen berufen ist, zugrundezulegen. Hängt daher die Entscheidung von der Gesetzmäßigkeit einer Verwaltungsverordnung ab und hat das Amtshaftungsgericht gegen die Gesetzmäßigkeit eines solchen Aktes der Vollziehung Bedenken, so ist gemäß § 11 Abs 3 AHG das Verordnungsprüfungsverfahren nach Art 89 Abs 2 bzw 3 B-VG einzuleiten (1 Ob 31/94; SZ 62/72 = JBl 1991, 177; Schragel aaO), wenn der Rechtsträger den Beweis mangelnden Organverschuldens gar nicht antritt bzw ihm einer solcher Beweis mißlingt (1 Ob 31/94; 1 Ob 43/91 [schlüssig] = ecolex 1992, 410; SZ 62/72) oder wenn der Amtshaftungsanspruch nicht aus anderen Gründen zu verneinen ist. Dabei ist von der Anwendung einer Verordnung im Sinne des Art 89 Abs 2 und 3 B-VG auch dann auszugehen, wenn deren Gesetzmäßigkeit als Vorfrage der Entscheidung über den geltend gemachten Amtshaftungsanspruch zu klären ist (1 Ob 31/94; SZ 62/72).

Läßt sich jedoch die Gesetzmäßigkeit einer Verordnung nicht schon durch einen Auslegungsakt beurteilen, der die vorherige Ermittlung bestimmter - möglicherweise strittiger - Tatumstände nicht voraussetzt, sind jene Tatsachen, die erst Bedenken an der Gesetzmäßigkeit einer Verordnung nahelegen könnten, vom Amtshaftungskläger konkret zu behaupten und zu beweisen.

Die Gesetzmäßigkeit des Erlasses vom 28.Februar 1990 kann durch einen rein abstrakten Auslegungsakt nicht beurteilt werden. Allfällige Bedenken an der Gesetzmäßigkeit dieses Akts der Vollziehung können sich vielmehr erst dann ergeben, wenn der Kläger konkret behauptete und bewies, daß die Sicherheitsvorschriften zum Schutz des Gehörs der Angehörigen des Bundesheers beim Scharfschießen sowie bei Lärmexposition jedenfalls im Übungszeitpunkt nicht mehr dem Stand des medizinischen und technischen Wissens über die zur Vermeidung von Verletzungen des Gehörs erforderlichen Schutzmaßnahmen entsprachen.

Dagegen obliegt die Behauptungs- und Beweislast für fehlendes Organverschulden dem Rechtsträger (SZ 62/72; SZ 60/217 = JBl 1988, 178 = EvBl 1988/30). Bei Verordnungen ist zu beachten, daß sie gewöhnlich nicht unter einem solchen Zeitdruck erlassen werden, wie er bei Entscheidungen im Einzelfall unvermeidlich sein kann. Den Organen eines Rechtsträgers ist daher zuzumuten, der inhaltlichen Ausgestaltung von Verordnungen besonderes Augenmerk zuzuwenden (SZ 62/72; SZ 60/217). Diese am Beispiel von Rechtsverordnungen ausgesprochenen Grundsätze gelten auch für Verwaltungsverordnungen (1 Ob 43/91 [finanzbehördlicher Erlaß]).

Bevor jedoch der Kläger die bereits erwähnten Tatsachen behauptet und deren Zutreffen - nach einem allenfalls erforderlichen Beweisverfahren - zu bejahen wäre, stellen sich die bereits erörterten Fragen mangelnden Organverschuldens an der Erlassung einer allenfalls gesetzwidrigen Verwaltungsverordnung und, falls dem Rechtsträger ein solcher Beweis mißlingen sollte, deren Prüfung auf Gesetzmäßigkeit durch den Verfassungsgerichtshof nicht.

Sollten daher die im fortgesetzten Verfahren erst festzustellenden näheren Umstände des Übungsverlaufs und der dadurch bedingten Lärmexposition des Klägers keinen Schluß darauf zulassen, daß Organe der beklagten Partei deren Sicherheitsvorschriften verletzten, wofür letztere als Rechtsträger einzustehen hätte, so wird das Erstgericht den Kläger gemäß § 182 Abs 1 ZPO zu einem konkreten Prozeßvorbringen dahin anzuleiten haben, weshalb der Erlaß vom 28.Februar 1990 im Übungszeitpunkt nicht mehr dem Stand des medizinischen und technischen Wissens über die zur Vermeidung von Verletzungen des Gehörs erforderlichen Schutzmaßnahmen entsprochen haben und deshalb gesetzwidrig sein soll. Bestritte die beklagte Partei solche Tatsachenbehauptungen, wird der Kläger zum Nachweis seines Vorbringens auch geeignete Beweismittel anzubieten haben.

Der Oberste Gerichtshof kann daher mangels Spruchreife - entgegen der Ansicht der beklagten Partei - keine Sachentscheidung gemäß § 519 Abs 2 ZPO fällen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 41 und 50 ZPO. Die beklagte Partei, die ihre Rechtsansicht im Rekursverfahren nicht durchsetzte, hat dem Kläger die sich aus dem Spruch dieser Entscheidung ergebenden Kosten der Rekursbeantwortung zu bezahlen.

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