OGH 12Os45/98 (12Os46/98)

OGH12Os45/98 (12Os46/98)23.4.1998

Der Oberste Gerichtshof hat am 23. April 1998 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Rzeszut als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schindler, Dr. E. Adamovic, Dr. Holzweber und Dr. Philipp als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Poech als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Mag. Josef L***** wegen des Vergehens nach § 159 PatG über die vom Generalprokurator zur Wahrung des Gesetzes gegen die Urteile des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 25. Juli 1997, GZ 6 a E Vr 6575/95-36, sowie des Oberlandesgerichtes Wien vom 29. Jänner 1998, AZ 23 Bs 483/97 (= GZ 6 a E Vr 6575/95-46), erhobene Nichtigkeitsbeschwerde nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwältin Dr. Bierlein, jedoch in Abwesenheit des von der Privatanklage freigesprochenen Mag. L***** und seines Verteidigers zu Recht erkannt:

 

Spruch:

In der Strafsache 6 a E Vr 6575/95 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien verletzen das Gesetz die Urteile

1. des Einzelrichters vom 25. Juli 1997 (ON 36), soweit es keinen Ausspruch über die Kostenersatzpflicht des Privatanklägers enthält, im § 390 Abs 1 StPO;

2. des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 29. Jänner 1998, AZ 23 Bs 483/97 (= ON 46 des Vr-Aktes), soweit darin dem Privatankläger die Kosten des Berufungsverfahrens auferlegt wurden, im § 390 a Abs 1 StPO.

Der Kostenbestimmungsantrag des Angeklagten, soweit er sich auf den Ersatz der Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens bezieht, wird zurückgewiesen.

Text

Gründe:

Mit dem im Spruch (1.) bezeichneten Urteil sprach das Landesgericht für Strafsachen Wien Mag. Josef L***** von der gegen ihn durch den Privatankläger B***** AB wegen des Vergehens nach § 159 PatG erhobenen Privatanklage gemäß § 259 Z 3 StPO frei, unterließ es entgegen der zwingenden Vorschrift des § 390 Abs 1 zweiter Satz StPO jedoch, die Kostenersatzpflicht des Privatanklägers festzustellen.

Dieses Versäumnis ließ der anwaltlich vertretene Angeklagte unbekämpft.

Der Privatankläger erhob gegen das Urteil Berufung wegen Nichtigkeit und des Ausspruchs über die Schuld (ON 39), welcher das Oberlandesgericht mit Urteil vom 29. Jänner 1998 (2.) nicht Folge gab. Überdies verpflichtete es den Privatankläger ungeachtet der Tatsache, daß das Erstgericht insoweit rechtskräftig über dessen Kostenersatzpflicht dem Grunde nach (§ 390 Abs 1 StPO) nicht abgesprochen hatte, und damit ohne rechtliche Basis (15 Os 116-120/96) gemäß § 390 a Abs 1 StPO zum Ersatz der Kosten des Rechtsmittelverfahrens.

Rechtliche Beurteilung

Diese von der Generalprokuratur in ihrer zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde aufgezeigten Gesetzesverletzungen waren daher spruchgemäß festzustellen.

Eine Sanierung derselben in analoger Anwendung des § 292 letzter Satz StPO durch Ergänzung des Ersturteils um den gesetzlich gebotenen Kostenausspruch kommt hingegen nicht in Betracht:

Der Oberste Gerichtshof hat bei der Ermessensfrage, ob seiner Entscheidung über eine Nichtigkeitsbeschwerde nach § 33 Abs 2 StPO ausnahmsweise zugunsten des Angeklagten konkrete Wirkung zuzuerkennen ist, die Umstände des Einzelfalles dahin abzuwägen, ob die Durchbrechung der Rechtskraft zugunsten der Rechtsrichtigkeit im Interesse des Angeklagten tatsächlich gerechtfertigt ist.

Unter Bedachtnahme auf die Besonderheiten des Privat- und Subsidiaranklageverfahrens, einer nach § 395 Abs 1 StPO auch möglichen Parteiendisposition über die Verfahrenskosten, welche überdies außerhalb der eigentlichen Unrechtsfolgen des Strafrechts liegen, und schließlich die aus der rechtskräftigen Entscheidung erworbenen Rechte Dritter hat der Oberste Gerichtshof in gleichgelagerten Fällen unter ausdrücklicher Ablehnung früherer auch gegenteiliger Entscheidungen klargestellt, daß die unterlassene Anfechtung des dem Angeklagten im Kostenpunkt nachteiligen Ersturteils zumindest dann zu seinen Lasten geht, wenn er anwaltlich vertreten war (15 Os 116-120/96, 12 Os 153, 154/97), weil es diesfalls keiner spezifischen Anfechtungsbelehrung bedurfte.

Die Generalprokuratur vermag keinen stichhältigen Grund anzugeben, der ein Abgehen von dieser Rechtsprechung geboten erscheinen ließe.

Mag auch die strafgerichtliche Verpflichtung zur (verfahrensbeendenden) Entscheidung (auch) über die grundsätzliche Kostenersatzpflicht vorweg davon unberührt bleiben, ob die Prozeßparteien im Sinne des § 395 Abs 1 StPO über die Höhe der zu ersetzenden Kosten ein Übereinkommen erzielen oder nicht, so stellt sich - in dem solcherart nach dem Gesetz ausdrücklich für die Prozeßparteien disponiblen Bereich - die (egal ob gewollte oder bloß unterlaufene) Nichtanfechtung einer (hier rechtsfehlerhaften) Entscheidung an sich als rechtswirksame und damit für den (insoweit zugunsten des Verfahrensgegners geänderten) Rechtsbestand beachtliche Verfügung über den ingerierten Rechtsanspruch dar, die nur im - vorliegenden nicht aktuellen - Fall antragsgemäß bewilligter Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinfällig wird. Für die reklamierte konkrete Maßnahme nach § 292 letzter Satz StPO bleibt demnach - der Auffassung der Generalprokuratur zuwider - kein Raum.

Lediglich vollständigkeitshalber ist festzuhalten, daß ein Verfahren nach § 292 StPO weder die Möglichkeit eröffnet noch dazu dient, ein Beweisverfahren über die für die Unterlassung einer im Interesse des Angeklagten rechtlich gebotenen Anfechtung maßgebliche Motivation seines beruflichen Parteienvertreters abzuführen. Selbst wenn sie jedoch auf einem Rechtsversehen beruhen sollte - wofür die Aktenlage im konkreten Fall spricht - würde es den Rahmen noch vertretbarer extensiver Interpretation des § 292 letzter Satz StPO übersteigen, die daraus abgeleitete vermögensrechtliche Benachteiligung des Angeklagten durch eine konkrete Maßnahme auszugleichen. Sein Schaden wäre in diesem Fall nämlich ohnehin dadurch entscheidend relativiert, daß er bei Bejahung eines dann nach § 1299 ABGB naheliegenden Verschuldens gegenüber seinem Rechtsanwalt, welcher durch die unterlassene Anfechtung auch einen Ersatzanspruch seines Mandanten nach dem Amtshaftungsgesetz (§ 2 Abs 2 AHG) verwirkt hätte, entweder überhaupt nicht kostenersatzpflichtig, jedenfalls aber schadenersatzberechtigt wäre (RdW 1996, 521).

Fallbezogen wird ein möglicher Vermögensnachteil des Angeklagten zudem dadurch begrenzt, daß ihm die - wenn auch rechtlich verfehlte - Kostenentscheidung des Oberlandesgerichtes zumindest den Anspruch gegen den Privatankläger auf Ersatz der ihm durch das Rechtsmittelverfahren entstandenen Kosten sichert. Aus diesem Grund kommt im Sinne der Beschwerdeausführungen auch eine Kassierung dieser Kostenentscheidung nicht in Betracht.

Mithin war unter gleichzeitiger Zurückweisung des Kostenbestimmungsantrages des Angeklagten (ON 48), soweit er sich auf die erstinstanzlichen Verfahrenskosten bezieht, spruchgemäß zu entscheiden.

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