OGH 3Ob385/97g

OGH3Ob385/97g15.4.1998

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Hofmann als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Graf, Dr.Pimmer, Dr.Zechner und Dr.Sailer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei R*****-P***** GmbH, ***** vertreten durch Dr.Johann Etienne Korab, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Dr.Edith W*****, vertreten durch Dr.Wolfram Themmer ua Rechtsanwälte in Wien, wegen Einwendungen gegen den Anspruch gemäß § 35 EO (Streitwert im Rechtsmittelverfahren: S 6,500.000), infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 7.Oktober 1997, GZ 46 R 1010/97p-19, womit das Endurteil des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 16.Juni 1997, GZ 56 C 11/97s-8, in der Sache bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der außerordentlichen Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, daß das Endurteil lautet:

"Der Anspruch auf Erwirkung der Erstellung und Übergabe einer Gewinn- und Verlustrechnung nach den für die stille Gesellschaft geltenden gesetzlichen Bestimmungen (insbesondere nach § 182 HGB) zum 31.12.1995 betreffend die Liegenschaft Wien 4, Rechte Wienzeile *****, zu dessen Durchsetzung zu 69 E 2438/97i des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien die Exekution bewilligt wurde, ist erloschen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen S 295 zu bezahlen; die übrigen Kosten werden gegeneinander aufgehoben."

Die Entscheidung der zweiten Intanz über den Ersatz der Kosten des Kostenrekurses der beklagten Partei (Spruchpunkt II letzter Absatz) bleibt aufrecht.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 97.469,80 (darin S 15.798,30 Umsatzsteuer und S 2.680 Barauslagen) bestimmten Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit Beschluß des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 25.4.1997 wurde der Beklagten als betreibende Partei wider die klagende als verpflichtete Partei aufgrund des vollstreckbaren Anerkenntnisurteiles des Handelsgerichtes Wien vom 29.10.1996 die Exekution zur Erwirkung der Erstellung und Übergabe einer Gewinn- und Verlustrechnung nach den für die stille Gesellschaft geltenden gesetzlichen Bestimmungen (insbesondere nach § 182 HGB) sowie einer Auseinandersetzungsbilanz nach den gesetzlichen Bestimmungen (insbesondere nach § 186 HGB), jeweils zum 31.Dezember 1995 betreffend die Liegenschaft Rechte Wienzeile *****, 1040 Wien, bewilligt.

Mit der am 15.5.1997 überreichten Klage erhob die klagende Partei dagegen Einwendungen gemäß § 35 EO und führte aus, daß sie der Beklagten mit Schreiben vom 12.11.1996 eine Einnahmen- und Ausgabenrechnung betreffend die Liegenschaft für den Zeitraum 1.11.1993 bis 31.12.1995 (Beilage ./A), sowie eine Bewertungsgutachten der Liegenschaft übermittelt habe. Vor dem Erstgericht wurde am 10.6.1997 außer Streit gestellt, daß Beilage ./A die einzige Abrechnung ist, die von der klagenden Partei gelegt wurde, sowie daß erstmals mit Schreiben vom 15.5.1997 die klagende Partei der Beklagten eine Auseinandersetzungsbilanz zum 31.12.1995 übermittelt hat.

Die Beklagte anerkannte das Klagebegehren hinsichtlich der Übergabe einer Auseinandersetzungsbilanz nach den gesetzlichen Bestimmungen nach § 186 HGB zum 31.12.1995, beantragte hinsichtlich dieses Teiles Einstellung der Exekution und begehrte Kostenzuspruch nach § 45 ZPO. Im übrigen beantragte sie Abweisung des weiteren Klagebegehrens und brachte vor, die klagende Partei habe noch keine Gewinn- und Verlustrechnung gelegt.

Das Erstgericht erließ das beantragte Teilanerkenntnisurteil, wies hingegen mit Endurteil das weitere Klagebegehren ab und hob die Kosten gemäß § 43 Abs 1 ZPO gegeneinander auf, wobei es die Voraussetzungen des § 45 ZPO verneinte und der Beklagten den Ersatz der halben Pauschalkosten auferlegte. Es war der Auffassung, die dem Urteil angeschlossene Aufstellung laut Beilage .A stelle keine gesetzmäßige Gewinn- und Verlustrechnung dar, weil darin die Erträge nicht im Sinne des § 195 HGB dargestellt seien.

Gegen das Endurteil des Erstgerichtes erhob die klagende Partei Berufung, die Beklagte legte Kostenrekurs ein. Das Gericht zweiter Instanz bestätigte das Endurteil in der Sache, verpflichtete jedoch die klagende Partei unter Bejahung der Voraussetzungen des § 45 ZPO für das Teilanerkenntnisurteil zum Ersatz der gesamten Verfahrenskosten erster Instanz sowie der Kosten des Kostenrekurses. Es sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes 50.000 S übersteige und die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Die klagende Partei als Gesellschaft mbH treffe zufolge ihrer Vollkaufmanneigenschaft die Buchführungspflicht im Sinne des dritten Buches des HGB. Der Auffassung der klagenden Partei, daß sie betreffend das Haus Rechte Wienzeile ***** keine Bilanz führen müsse, sei zwar zuzustimmen, weil die Pflicht zur Erstellung eines Jahresabschlusses die GmbH als solche treffe. Die stille Gesellschaft sei eine Innengesellschaft, einen Jahresabschluß einer stillen Gesellschaft könne es daher nicht geben. Dessenungeachtet resultiere aus § 182 HGB die Pflicht des Geschäftsinhabers und korrespondierend der Anspruch des stillen Gesellschafters auf Erstellung einer gesonderten Ergebnisrechnung, einer auf die stille Gesellschaft zugeschnittenen besonderen "Gewinn- und Verlustrechnung". Nicht anders könne daher die Bewilligung der Exekution der "Erwirkung der Erstellung und Übergabe einer Gewinn- und Verlustrechnung nach den für die stille Gesellschaft geltenden gesetzlichen Bestimmungen (insbesondere nach § 182 HGB)" verstanden werden. Üblicherweise reiche für diese Ergebnisrechnung eine Zusatzrechnung zum Jahresabschluß des Geschäftsinhabers aus. Im vorliegenden Fall jedoch sei die Beklagte nur an einem Teil des Geschäftsbereichs der klagenden GmbH als stille Gesellschafterin beteiligt. Der Jahresabschluß der GmbH sei daher zur Ergebnisrechnung der stillen Gesellschaft nicht geeignet. Deshalb und weil die stille Gesellschaft als solche nicht buchführungs- und bilanzierungspflichtig sei, sei die Gewinnermittlung der stillen Gesellschaft durch eine Einnahmen-Ausgabenrechnung zulässig. Damit stelle sich zuletzt die Frage nach der Gliederung einer solchen Einnahmen-Ausgabenrechnung:

Zwar bestünden hiefür keine Vorschriften, aus der Verpflichtung des Geschäftsinhabers zu einer ordnungsgemäßen jährlichen Abrechnung folge aber auch die Beachtung der Grundsätze der ordnungsgemäßen Buchführung. Die §§ 189, 195 und 200 HGB seien analog anwendbar. Die Aufstellung der Erträge in Beilage ./A sei jedoch mit diesen Grundsätzen, insbesondere mit dem Grundsatz der "Bilanzklarheit" unvereinbar. Die einzelnen Positionen auf der Einnahmenseite seien klar und zutreffend zu bezeichnen, so daß sie eindeutig gegen andere Positionen abgrenzbar seien. Jedenfalls sei eine ausreichende Aufschlüsselung der Einnahmen vorzunehmen; unterbleibe eine solche, so sei die Abrechnung mit dem stillen Gesellschafter nicht formell vollständig.

Dem Kostenrekurs der beklagten Partei sei hingegen Folge zu geben, weil die Voraussetzungen des § 45 ZPO für das dem Teilanerkenntnisurteil zugrundeliegende Anerkenntnis hier gegeben seien.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen die zweitinstanzliche Entscheidung erhobene außerordentliche Revision der klagenden Partei ist zulässig und berechtigt:

Zutreffend verweist die betreibende Partei schon in der Klage darauf, daß es gesetzliche Vorschriften über eine "Gewinn- und Verlustrechnung" betreffend eine stille Gesellschaft nicht gibt. Der mit "Gewinn- oder Verlustberechnung" überschriebene, im Exekutionstitel zitierte § 182 HGB sieht im Abs 1 vor, daß am Schluß jedes Geschäftsjahres der Gewinn oder Verlust zu berechnen und der auf den stillen Gesellschafter fallende Gewinn auszuzahlen sei. Diese Berechnung des für die stille Gesellschaft maßgebenden Betriebsergebnisses und des Anteils des "Stillen" daran obliegt dem "Geschäftsinhaber" (hier der klagenden GmbH), sie hat unverzüglich nach der Fertigstellung der erforderlichen Grundlage (idR Handelsbilanz) zu erfolgen (Rebhahn in Jabornegg HGB § 182 Rz 1 mwN). Zu § 232 dHGB, der nahezu gleichlautenden deutschen Bestimmung über die Gewinn- oder Verlustberechnung, wird gelehrt, daß besondere Bestimmungen über die Rechnungslegung bei der stillen Gesellschaft nicht bestünden, und daß das Gesetz nicht aussage, wie die gesetzlich vorgesehene Berechnung zu erfolgen habe, aus den Rechtsformeigenschaften der stillen Gesellschaft folge aber, daß sie ihr Ergebnis jedenfalls nicht in einem eigenen Abschluß nachweisen könne, da es einen Jahresabschluß der stillen Gesellschaft nicht gebe (Bezzenberger im Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechtes Band II, 1228 ff, hier 1230 f). Grundlage für die Rechnungslegung bei der stillen Gesellschaft sei der nach handelsrechtlichen Grundsätzen aufgestellte Jahresabschluß des Geschäftsherrn, es sei denn, die Gesellschafter hätten etwas anderes vereinbart; jedenfalls seien aber die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung (GoB) einzuhalten. Dabei sei vom Jahresabschluß des Geschäftsherrn, in erster Linie also von seiner Gewinn- und Verlustrechnung auszugehen, die sodann durch Hinzu- oder Herausrechnung von den stillen Gesellschafter (nicht) betreffenden Erträgen und Aufwendungen zur Ertragsermittlung der stillen Gesellschaft fortzuschreiben sei (Bezzenberger aaO 1232; Zutt in GK-HGB4 § 232 Rz 2 ff; Paulick/Blaurock Handbuch der stillen Gesellschaft 237 f).

Schon diese Darlegungen zeigen, daß zwar Berechnungsinhalt das (hier: Teil-)Handelsgewerbe ist (Straube in Straube, HGB2 Rz 3 zu § 182). Mangels gesetzlicher Vorschriften über die Gliederung der Gewinn- oder Verlustberechnung im Sinne des § 182 Abs 1 HGB für die konkrete stille Gesellschaft maßgeblichen Beteiligung nur aus einem Teil des Handelsgewerbes hätte schon im Titelprozeß exakt festgelegt werden müssen, welchen formalen Anforderungen diese Berechnung entsprechen müßte. Diese Unbestimmtheit des Titels kann entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes durch analoge Heranziehung im Titel nicht genannter Vorschriften geschlossen werden.

Dies führt hier zum Nachteil der Beklagten (betreibenden Partei) zur Beurteilung, daß die von der klagenden (verpflichteten) Partei noch vor der Einleitung des Exekutionsverfahrens gelegte Abrechnung (Blg ./A) der "gesetzlichen" Verpflichtung gemäß "§ 182 Abs 1 HGB" schon deshalb entsprach, weil sie für den betreffenden Zeitraum eine detaillierte Gegenüberstellung von Erträgen und Aufwendungen sowie eine Saldierung mit dem Ergebnis eines hohen Verlustes aufweist. Die Berechnung ist daher als formell vollständig zu beurteilen; ihre Richtigkeit oder - in welche Einzelheiten auch immer vorzunehmende oder im Interesse der Beklagten wünschenswerte - Gliederung sind nicht Gegenstand der Titelverpflichtung und damit des Exekutionsverfahrens. Wegen Erfüllung der Titelverpflichtung ist der strittige betriebene Anspruch erloschen.

Dies führt zur Stattgebung auch dieses Teils des Klagebegehrens.

Für die Kostenentscheidung ist zunächst klarzustellen, daß das Gericht zweiter Instanz mit seiner Entscheidung über den Kostenrekurs der beklagten Partei, die beim Erstgericht mit ihrem Kostenbegehren nach § 45 ZPO nicht durchgedrungen war, diesem auf die Kostenfolgen des - im Rechtsmittelstadium sonst nicht mehr interessierenden - Teilanerkenntnisurteils bezogenen Einwand der beklagten Partei grundsätzlich stattgab, so daß über diesen Teil der zweitinstanzlichen Entscheidung gemäß § 528 Abs 2 Z 3 ZPO vom Obersten Gerichtshof nicht mehr entschieden werden kann. Die Abänderung des Berufungsurteils führt nun im Grunde zu einer für die klagende Partei günstigen Kostenentscheidung. Daraus folgt aber - wegen der Gleichwertigkeit der beiden betriebenen und Gegenstand des Oppositionsverfahrens bildenden Ansprüche - im Sinne des § 43 Abs 1

1. Satz ZPO für das erstinstanzliche Verfahren die gegenseitige Kostenaufhebung; gemäß § 43 Abs 1 3.Satz ZPO hat die Beklagte der klagenden Partei somit die Hälfte der erstinstanzlichen Pauschalgebühr, d.s. S 295, zu ersetzen.

Hingegen hat die Beklagte der klagenden Partei die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens auf der Kostenbemessungsgrundlage des halben Streitwertes (= S 6,500.000) gemäß §§ 50, 41 ZPO zu ersetzen.

Aufrecht zu bleiben hat allerdings die Entscheidung der zweiten Instanz über die Kosten des Kostenrekurses der beklagten Partei, der weiterhin zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig bleibt, hätte doch ohne den Erfolg im Kostenpunkt die beklagte Partei auch die gesamten Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens zu bezahlen.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte