OGH 6Nd502/98

OGH6Nd502/987.4.1998

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kellner und Dr.Schiemer als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj. Heidi Maria W*****, geboren am 16.März 1984, wegen Übertragung der Zuständigkeit nach § 111 Abs 2 JN, in nichtöffentlicher Sitzung folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die mit Beschluß des Bezirksgerichtes Linz-Land vom 2.Oktober 1997, GZ 14 P 130/96p-49, gemäß § 111 Abs 1 JN verfügte Übertragung der Zuständigkeit zur Führung der Pflegschaftssache der mj. Heidi Maria W*****, geboren am 16.März 1984, an das Bezirksgericht Zell am Ziller wird gemäß § 111 Abs 2 JN genehmigt.

Text

Begründung

Die Ehe der Eltern des Kindes ist geschieden, die Obsorge für die Pflegebefohlene kommt nach dem Scheidungsfolgenvergleich der Mutter zu, die mit dem Kind in den Sprengel des Bezirksgerichtes Linz-Land verzogen ist. Die Pflegebefohlene wohnt jetzt beim Vater; am 26. August 1997 stellte der Vater den Antrag auf Übertragung der Obsorge an ihn, dies entspricht auch dem Wunsch der Pflegebefohlenen, die bisher obsorgeberechtigte Mutter ist mit dem Obsorgewechsel einverstanden. Das bisher zuständige Bezirksgericht Linz-Land übertrug, ohne über den beantragten Obsorgewechsel zu entscheiden, die Zuständigkeit zur Besorgung dieser Pflegschaftssache an das Bezirksgericht Zell am Ziller, weil sich das Kind nun ständig beim Vater in Fügen aufhalte und es daher zweckmäßiger sei, wenn das örtlich zuständige Bezirksgericht Zell am Ziller diese Pflegschaftssache führe. Das Bezirksgericht Zell am Ziller lehnte die (sofortige) Übernahme der Zuständigkeit ab (ON 50), weil die Obsorgeentscheidung noch offen sei.

Die vom Bezirksgericht Linz-Land verfügte (sofortige) Übertragung der Zuständigkeit ist gerechtfertigt:

Rechtliche Beurteilung

Nach § 111 Abs 1 JN kann das Pflegschaftsgericht seine Zuständigkeit einem anderen Gericht übertragen, wenn dies im Interesse des Pflegebefohlenen gelegen erscheint, insbesondere, wenn dadurch die wirksame Handhabung des dem Pflegebefohlenen zugedachten Schutzes voraussichtlich befördert wird. Die Bestimmung bezweckt, die wirksamste Handhabung des pflegschaftsbehördlichen Schutzes sicherzustellen und ermöglicht Ausnahmen vom Grundsatz der perpetuatio fori (EFSlg 79.096). Diese Voraussetzungen liegen in der Regel vor, wenn die Pflegschaftssache dem Gericht übertragen wird, in dessen Sprengel der Mittelpunkt der Lebensführung des Kindes liegt (EFSlg 75.979, 72.819, 69.749 uva).

Auch offene Anträge sind kein grundsätzliches Übertragungshindernis (EFSlg 75.992, 72.832, 69.764 uva; Mayr in Rechberger, § 111 JN Rz 4 mwN); es hängt von den Umständen des einzelnen Falles ab, ob die Entscheidung über einen solchen Antrag durch das bisherige Gericht zweckmäßiger ist (EFSlg 79.111, 75.993 uva). Der hier noch offene Antrag des Vaters stellt kein Hindernis für eine Übertragung der Zuständigkeit dar, weil dem übertragenden Gericht zur Entscheidung hierüber nicht mehr Sachkenntnis zukommt als dem übernehmenden Gericht und die erforderlichen Vernehmungen bereits durchgeführt sind. Verzögerungen wegen Schwierigkeit des Falles durch die notwendige Einarbeitung des neuen Gerichtes sind im vorliegenden Fall nicht zu befürchten. Wegen der Verlegung des ständigen Aufenthaltes der Pflegebefohlenen und damit ihres Lebensmittelpunkts nach Fügen entspricht die Übertragung der Zuständigkeit dem nach ständiger Rechtsprechung (EFSlg 79.098, 72.818 uva) allein maßgeblichen Kindeswohl.

Der entsprechende Beschluß des Bezirksgerichtes Linz-Land ist daher zu genehmigen.

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