OGH 4Nd503/98

OGH4Nd503/986.4.1998

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kodek als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Graf und Dr.Schenk als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj. Ilona B*****, infolge Vorlage des Aktes 13 P 65/97a, des Bezirksgerichtes für Zivilrechtssachen Graz zur Entscheidung über die Übertragung der Zuständigkeit (§ 111 Abs 2 JN) an das Bezirksgericht Bezau, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die mit Beschluß des Bezirksgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 6.11.1997, 13 P 65/97a-20 gemäß § 111 Abs 1 JN verfügte Übertragung der Zuständigkeit an das Bezirksgericht Bezau wird nicht genehmigt.

Text

Begründung

Das Pflegschaftsverfahren wurde anläßlich eines Unterhaltsfestsetzungsantrages der ehelichen Mutter beim Bezirksgericht für Zivilrechtssachen Graz eröffnet. Im Zeitpunkt der Antragstellung waren Mutter und Minderjährige in Graz wohnhaft, der Vater wohnte im Sprengel des Bezirksgerichtes Bezau. In einer Stellungnahme zum nachfolgenden Antrag des Vaters auf Übertragung der Obsorge, teilte das Amt für Jugend und Familie Graz mit, die Mutter halte sich mit der Minderjährigen bei ihrem Mann in Vorarlberg auf und habe vor, dort zu bleiben. Das Bezirksgericht für Zivilrechtssachen Graz übertrug daraufhin die Zuständigkeit gemäß § 111 Abs 1 JN dem Bezirksgericht Bezau. Eine Zustellung dieses Beschlusses an die Kindeseltern war bisher nicht möglich. Diese sind nach dem Bericht des Zustellers und einer Verwandten des Vaters nach Hamburg verzogen.

Das Bezirksgericht Bezau lehnte die Übernahme der Zuständigkeit mit der Begründung ab, weder Kind noch Eltern seien in seinem Sprengel wohnhaft, worauf das Bezirksgericht für Zivilrechtssachen Graz den Akt im Sinne des § 111 Abs 2 JN dem Obersten Gerichtshof zur Entscheidung vorlegte.

Rechtliche Beurteilung

Die Übertragung der Zuständigkeit wird nicht genehmigt.

Voraussetzung einer Übertragung der Zuständigkeit nach § 111 JN ist nach dem Gesetz, daß sie im Interesse des Pflegebefohlenen begründet ist (Mayr in Rechberger ZPO Rz 1 zu § 111 JN mwN), um eine wirksame Handhabung des pflegschaftsgerichtlichen Schutzes zu gewährleisten. Sie ist nur dann zulässig, wenn das übertragene (neue) Gericht zur Wahrung der Interessen des Minderjährigen besser in der Lage ist, als das bisher zuständige Gericht. Dabei kommt es primär auf den gewöhnlichen Aufenthaltsort des Pflegebefohlenen und nicht auf die polizeiliche Meldung an (Mayr aaO Rz 2).

Im vorliegenden Fall halten sich Eltern und Minderjährige gemeinsam in Deutschland auf. Es wird zu klären sein, ob die beim Bezirksgericht für Zivilrechtssachen Graz davor gestellten Anträge überhaupt noch weiter verfolgt werden. Zu der dafür erforderlichen Anfrage bedarf es jedoch keiner Übertragung der Zuständigkeit. Nach der derzeit gegebenen Aktenlage kann somit von einer wirksameren Handhabung des pflegschaftsbehördlichen Schutzes durch das Bezirksgericht Bezau keine Rede sein.

Für die Anwendung der Ausnahmebestimmung des § 111 JN fehlen daher derzeit die Voraussetzungen.

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