Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Text
Entscheidungsgründe:
Die am 5.7.1967 geborene Klägerin fährt täglich von ihrer Wohnung in Sarleinsbach zu ihrer Arbeitsstätte in Marchtrenk. Sie legt diese Wegstrecke von 57 km, für die sie pro Richtung rund eine Stunde benötigt, mit ihrem privaten PKW zweimal am Tag zurück. Eine zumutbare Möglichkeit, die Arbeitsstätte mit einem öffentlichen Verkehrsmittel zu erreichen, besteht nicht. Die Klägerin benützt ihren PKW unter der Woche praktisch ausschließlich für die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsplatz. Jeden dritten oder vierten Tag ist ein Auftanken des Fahrzeuges erforderlich. In Windorf befindet sich am direkten Weg von der Wohnung zur Arbeitsstätte auf der rechten Fahrbahnseite eine Selbstbedienungstankstelle. Am 29.11.1996 fuhr die Klägerin morgens wie üblich auf dem Weg zur Arbeit zu dieser Tankstelle, da der Tank ihres Fahrzeuges von der Heimfahrt vom Vortag bereits fast leer war. Ohne ein Tanken hätte sie den Weg zur Arbeitsstätte nicht mehr fortsetzen können. Nach dem Tankvorgang ging die Klägerin von der Zapfsäule zu dem daneben liegenden Kassengebäude, um beim Tankwart zu zahlen. Dabei rutschte sie unmittelbar neben der Zapfsäule auf einer Eisplatte aus, kam zu Sturz und zog sich dabei einen beidseitigen Knöchelbruch links sowie einen Abrißbruch vom hinteren distalen Rand des linken Schienbeines zu. Das Ausmaß der unfallbedingten Minderung der Erwerbsfähigkeit steht ab 27.1.1997 mit 20 vH außer Streit.
Mit Bescheid vom 2.4.1997 lehnte die Beklagte eine Anerkennung des Unfalls der Klägerin vom 29.11.1996 als Arbeitsunfall und die Gewährung von Leistungen aus diesem Unfall ab.
Die Klägerin begehrte zuletzt die Gewährung einer Versehrtenrente im gesetzlichen Ausmaß ab 27.1.1997 (ON 3 AS 11).
Die Beklagte bestritt das Vorliegen eines Arbeitsunfalls und beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Das Auftanken habe eine eigenwirtschaftliche Tätigkeit der Klägerin dargestellt.
Unter Zugrundelegung des eingangs wiedergegebenen Sachverhaltes wurde die Beklagte mit Urteil des Erstgerichtes verpflichtet, der Klägerin ab 27.1.1997 eine vorläufige Versehrtenrente von 20 vH der Vollrente im gesetzlichen Ausmaß zu gewähren und bis zur Bescheiderlassung eine vorläufige Zahlung von monatlich S 1.000 ab 27.1.1997 zu leisten.
Rechtlich beurteilte das Erstgericht den festgestellten Sachverhalt dahin, daß ein geschützter Arbeitsunfall vorliege. Es komme zu keiner Unterbrechung des Versicherungsschutzes, wenn der Versicherte eine unmittelbar am Arbeitsweg liegende Tankstelle benütze. Das Auftanken des Fahrzeuges könne nicht generell dem ausschließlich eigenwirtschaftlichen Bereich des Versicherten zugerechnet werden. Das Auftanken sei hier insbesondere deshalb erforderlich gewesen, weil die Klägerin am Unfalltag schon auf Reserve gefahren sei und sonst außer Stande gewesen wäre, den Weg zur Arbeit fortzusetzen. Nicht nur der eigentliche Tankvorgang, sondern auch der kurze, unvermeidbare Weg zur Kasse einer Selbstbedienungstankstelle bewirke keine Unterbrechung des Versicherungsschutzes.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten nicht Folge. Es schloß sich der rechtlichen Beurteilung des Erstgerichtes an und führte ergänzend aus, daß von der Klägerin weder ein relevanter Umweg in Kauf genommen, noch das Tanken durch irgendwelche anderen, dem privaten Lebensbereich zuzuordnenden Tätigkeiten verlängert worden sei. Nicht nur das Zufahren zu einer Tankstelle stehe unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung, sondern auch der Tankvorgang selbst und das damit in untrennbaren Zusammenhang stehende Bezahlen des Treibstoffes. Daß sich für die Klägerin die Notwendigkeit des Tankens bereits am Vortag abgezeichnet habe, bestätige nur, daß das Zufahren zur Tankstelle am Arbeitsweg erforderlich gewesen sei.
Gegen das Berufungserkenntnis richtet sich die Revision der Beklagten aus dem Grunde der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung im Sinne der Abweisung des Klagebegehrens abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die Klägerin beteiligte sich nicht am Revisionsverfahren.
Die Revision ist nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichtes ist zutreffend (§ 510 Abs 3 ZPO). Zusammenfassend ist den Ausführungen der Revisionswerberin folgendes entgegenzuhalten:
Arbeitsunfälle sind nach § 175 Abs 1 ASVG Unfälle, die sich im örtlichen, zeitlichen und ursächlichen Zusammenhang mit der die Versicherung begründenden Beschäftigung ereignen, wobei gemäß § 175 Abs 2 Z 1 ASVG Arbeitsunfälle auch Unfälle sind, die sich auf einem mit der Beschäftigung nach Abs 1 zusammenhängenden Weg zur oder von der Arbeit ereignen. Danach kann grundsätzlich nur die Zurücklegung des direkten Weges von der Wohnung zum Arbeitsplatz in den Unfallversicherungsschutz einbezogen werden. Benützt der Versicherte für den Weg zum Arbeitsplatz ein Kraftfahrzeug, so kann nicht generell davon ausgegangen werden, daß die Beschaffung der Betriebsmittel ausschließlich dem eigenwirtschaftlichen Sektor zuzurechnen sei. Wird das Tanken auf dem Weg zur Arbeitsstätte notwendig und fährt der Versicherte deshalb zu einer unmittelbar am Weg liegenden Tankstelle, um seine Fahrt dann fortsetzen zu können, so handelt es sich um eine so geringe Einschiebung in den Versicherungsweg, daß ihr rechtliche Bedeutung nicht zukommt. Das Auftanken des für die Fahrt zum Arbeitsplatz benützten Fahrzeuges steht in diesem Fall in einem so engen inneren Zusammenhang mit der Zurücklegung des Arbeitsweges, daß diese Tätigkeit keine Unterbrechung des Versicherungsschutzes zur Folge hat. Voraussetzung ist, daß zum Tanken kein relevanter Umweg in Kauf genommen wird - dies ist bei der Zufahrt zu einer unmittelbar neben dem Weg liegenden Tankstelle nicht der Fall - und daß das Tanken nicht durch irgendwelche anderen, dem privaten Lebensbereich zuzuordnenden Tätigkeiten verlängert wird (Lauterbach, Unfallversicherung3 43. Lfg 269/1; SSV-NF 1/12, 4/64, 8/91). Diese Voraussetzungen liegen hier vor.
Richtig weist die Revisionswerberin darauf hin, daß Maßnahmen zur Erhaltung oder Wiederherstellung der Betriebsfähigkeit eines Verkehrsmittels den Versicherungsschutz nur ausnahmsweise bestehen lassen. Die Voraussetzung, daß diese Maßnahmen "unvorhergesehen" sein müssen, wurde vom Obersten Gerichtshof beispielsweise im Zusammenhang mit einer Autopanne (SSV-NF 3/71), einer Schneeräumung (SSV-NF 3/148) und einem Reifenwechsel (SSV-NF 9/57) bejaht. Das Tanken eines Fahrzeuges kann unter Umständen auch "unvorhergesehen" notwendig werden. Im Zusammenhang mit dem Tanken kann die "Unvorgesehenheit" jedoch nicht generell als anspruchsbegründendes Tatbestandsmerkmal gewertet werden. Ist nämlich damit zu rechnen, daß das Fahrzeug in nächster Zeit durch einen leeren Tank fahruntüchtig werden könnte, dann ist das Tanken nicht mehr "unvorhergesehen", wohl aber eine notwendige Maßnahme, um den eingeschlagenen Weg fortzusetzen. Auch in einem solchen Fall bleibt der innere Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit erhalten. Die Wiederherstellung der Betriebsfähigkeit muß sich aber auf solche Verrichtungen beschränken, die nötig sind, um die Fortsetzung nach oder von dem Ort der Beschäftigung zu ermöglichen (Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung Band III 79. Lfg Rz 212).
Das Argument der Revisionswerberin, der Tank des Fahrzeuges der Klägerin wäre schon bei der Heimfahrt von der Arbeit am Vortag fast leer gewesen, rechtfertigt keine andere rechtliche Beurteilung; es unterstreicht vielmehr, daß das Tanken am Unfallstag jedenfalls notwendig war, um die Fahrt fortsetzen zu können.
Dem weiteren Einwand der Revisionswerberin, daß sich die Klägerin allenfalls beim Tanken selbst, nicht mehr aber beim Bezahlen des Treibstoffes auf einem geschützten Weg befunden habe, kann gleichfalls nicht beigetreten werden. Entscheidend ist, daß das auf dem Arbeitsweg notwendige Tanken eine nur so geringe Einschiebung in den Versicherungsweg darstellt, daß es zu keiner Unterbrechung des Versicherungsschutzes führt. Der Weg von der Zapfsäule zur Kasse und das Bezahlen des Treibstoffes stehen zufolge Entgeltlichkeit des Treibstoffes in untrennbarem Zusammenhang mit dem Tankvorgang im engeren Sinn. Die Klägerin beschränkte sich im vorliegenden Fall auf jene Verrichtungen, die notwendig waren, um den Weg zur Arbeit fortzusetzen. Sie verunglückte auf dem direkten Weg von der Zapfsäule zur Kasse. Es kann hier daher nicht davon gesprochen werden, daß sie das Tanken durch irgendwelche anderen, also nicht tankbezogenen, dem privaten Lebensbereich zuzordnenden Tätigkeiten verlängert hätte.
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