OGH 10ObS35/98i

OGH10ObS35/98i31.3.1998

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Bauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Ehmayr und Dr.Steinbauer sowie durch die fachkundigen Laienrichter Dr.Carl Hennrich (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Ernst Boran (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Branka M*****, vertreten durch Dr.Christian Klausegger, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter, Roßauer Lände 3, 1092 Wien, wegen Invaliditätspension, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 23.Juli 1997, GZ 7 Rs 162/97p-21, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 28.Oktober 1996, GZ 17 Cgs 192/96s-10, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Klägerin hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der am 30.7.1945 geborenen Klägerin wurde aufgrund des Bescheides vom 15.2.1984 eine Invaliditätspension gewährt. Die Pension begann mit 29.7.1982 und ruhte gemäß § 90 ASVG bis 20.4.1983 wegen Bezuges von Krankengeld. Vom Mai 1983 bis einschließlich Dezember 1993 bezog die Klägerin von der Beklagten die Invaliditätspension. Mit Beschluß vom 11.11.1993 wurde ihr diese Pension mit Ablauf des Monates Dezember 1993 entzogen. Die Klage auf Weitergewährung dieser Invaliditätspension wurde rechtskräftig abgewiesen. Die Klägerin hat in der Zeit vom Juli 1968 bis April 1983 insgesamt 130 Versicherungsmonate, davon 104 Beitragsmonate der Pflichtversicherung und 26 Ersatzmonate erworben. Mit Schreiben vom 22.11.1995 beantragte die Klägerin wegen einer Verschlechterung ihres Gesundheitszustandes neuerlich die Gewährung der Invaliditätspension. Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 30.4.1996 diesen Antrag auf Zuerkennung der Invaliditätspension ab, weil die Wartezeit nicht erfüllt sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die auf Gewährung der Invaliditätspension ab 1.12.1995 gerichtete Klage.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab, weil die Wartezeit nicht erfüllt sei. Es führte rechtlich aus, daß der Stichtag nach Vollendung des 50.Lebensjahres der Klägerin liege und sich sohin die Wartezeit von 60 Versicherungsmonaten auf 64 Monate erhöhe, die innerhalb des durch 105 neutrale Monate verlängerten Rahmenzeitraums von 128 Monaten vom 1.7.1976 bis 30.11.1995 liegen müssen. In diesen Zeitraum fielen jedoch anstelle der erforderlichen 64 Versicherungsmonate lediglich 63 Versicherungsmonate. Die Wartezeit nach § 236 Abs 4 Z 1 und 2 ASVG sei ebenso nicht erfüllt, weil weder 180 Beitragsmonate noch Versicherungsmonate im Ausmaß von 300 Monaten gegeben seien. Die Zeiten vom 1.1.1994 bis zur neuerlichen Antragstellung seien infolge der taxativen Aufzählung neutraler Zeiten im § 234 ASVG nicht zu berücksichtigen.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung.

Es trat der Rechtsmeinung des Erstgerichtes bei, daß die Wartezeit nicht erfüllt sei. Es führte jedoch aus, daß nicht 105, sondern wegen des Bezuges der Invaliditätspension bis November 1993 lediglich 104 neutrale Monate gegeben seien und der verlängerte Rahmenzeitraum des § 236 Abs 2 und 3 ASVG vom 1.8.1976 bis 30.11.1995 reiche. Da nur 62 Versicherungsmonate (38 Beitragsmonate und 24 Ersatzmonate) in diesen Zeitraum fielen, sei die Wartezeit nicht erfüllt. Im übrigen verwies es auf die rechtliche Beurteilung des Erstgerichtes.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der Klägerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung der Sache und dem Antrag, in Stattgebung der Revision das angefochtene Urteil im Sinne einer Klagestattgebung abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Klägerin vertritt die Ansicht, daß sie vom Mai 1983 bis einschließlich Dezember 1993 mit dessen Ablauf die Invaliditätspension erst entzogen worden sei, Pensionsbezugszeiten und sohin 105 und nicht 104 neutrale Monate nachgewiesen habe, so daß in den verlängerten Rahmenzeitraum vom 1.7.1976 bis 30.11.1995 63 und nicht 62 Versicherungsmonate fallen. Es hätten auch die Zeiten vom Entzug der Invaliditätspension bis zur neuen Antragstellung, nämlich die Zeiten, in denen das Verfahren auf Zuerkennung einer Invaliditätspension vor dem Arbeits- und Sozialgericht geführt wurde sowie eine allenfalls tatsächliche in diesen Zeitraum fallende Invalidität als neutrale Zeiten berücksichtigt werden müssen.

Die Revision ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Da der durch die neuerliche Antragstellung ausgelöste Stichtag 1.12.1995 nach Vollendung des 50.Lebensjahres der Klägerin liegt, erhöhte sich die Wartezeit nach § 236 Abs 1 Z 1 b ASVG auf 64 Monate. Dabei wirkt nach dem Gesetzeswortlaut nur jeder volle Lebensmonat nach Vollendung des 50.Lebensjahres wartezeiterhöhend. Die für Versicherungszeiten geltende Regelung, daß Resttage unter gewissen Umständen Versicherungsmonate bilden können (§ 231 ASVG) ist mangels Vergleichbarkeit von Versicherungsmonaten mit Lebensmonaten nicht anzuwenden. Der Rahmenzeitraum nach § 236 Abs 2 Z 1 ASVG von 128 Monaten liegt zwischen 1.4.1985 und 30.11.1995 (Stichtag: 1.12.1995). In diesen Zeitraum fallen Zeiten des Pensionsbezuges vom 1.4.1985 bis 31.12.1993, sohin 105 Monate, die nach § 234 Abs 1 Z 2 a ASVG neutrale Zeiten sind. Da nur die innerhalb des Rahmenzeitraumes nach § 236 Abs 2 ASVG fallenden Pensionsbezugszeiten gemäß § 236 Abs 3 ASVG diesen Rahmenzeitraum verlängern, müssen die vor diesem liegenden Pensionsbezugszeiten vor dem 1.4.1985 unberücksichtigt bleiben. Diese 105 neutralen Monate verlängern den Zeitraum nach § 236 Abs 2 Z 1 ASVG um diese Monate (§ 236 Abs 3 ASVG). Es liegt daher ein Rahmenzeitraum vom 1.7.1976 bis 30.11.1995 vor, in dem 64 Versicherungsmonate liegen müßten, aber nur 63 Versicherungsmonate (39 Beitrags- und 24 Ersatzmonate) vorliegen. Die Wartezeit ist daher nicht erfüllt.

Aus sozialpolitischen Gründen hat der Gesetzgeber in äußerst kasuistischer Weise im § 234 ASVG Zeiten, während derer der Versicherte gegen seinen Willen oder ohne eigenes Verschulden aus in seiner Person gelegenen Gründen gehindert war, der Versicherung anzugehören als zugunsten des Versicherten nicht schädliche Zeiten (= neutrale Zeiten) anerkannt (Tomandl, Grundriß des österreichischen Sozialrechts4 49; Nentwich, Die Rentenansprüche in der Pensionsversicherung: Versicherungszeiten und neutrale Zeiten SoSi 1959, 261 [395]; ähnlich Hauck, SGB VI, I Erl 1 f zu § 58). Zeiten vom Entzug einer Leistung bis zur neuen Antragstellung nennt § 234 ASVG nicht als neutrale Zeiten. Die Frage der Qualifikation als neutrale Zeiten ist nur an Hand des § 234 ASVG zu prüfen, sodaß nur die in dieser Gesetzesbestimmung angeführten Zeiten als neutral zu werten sind. Aus der Judikatur (SSV-NF 6/58 und 6/127) ergibt sich, daß der Oberste Gerichtshof schon bisher von einer taxativen Aufzählung der neutralen Zeiten in § 234 ASVG ausgegangen ist.

Da davon auszugehen ist, daß zum Zeitpunkt des Entzuges einer Leistung die Voraussetzungen hiefür nicht mehr vorlagen, bestand bis zu einer Verschlimmerung auch keine geminderte Arbeitsfähigkeit, so daß kein Hindernis für den Erwerb von Versicherungszeiten bzw anderer in § 234 ASVG angeführter neutraler Zeiten gegeben war. Die Zeiten bis zu dem durch den Verschlimmerungsantrag ausgelösten neuen Stichtag nach § 223 Abs 2 ASVG (SSV-NF 4/129) lassen sich daher nicht unter den Regelungszweck dieser Gesetzesstelle des § 234 ASVG einordnen. Es handelt sich um Zeiten, in denen die Klägerin grundsätzlich nicht gehindert war, wartezeitrelevante Zeiten zu erwerben. Da der Nichterwerb von Versicherungszeiten nicht unter den sozialpolitischen Regelungszweck fällt, ist auch eine analoge Anwendung der Ausnahmebestimmung auf den Fall der Klägerin nicht geboten (JBl 1996, 646). Von einer unbilligen und dem Sinn und Zweck des ASVG entgegenstehenden Regelung kann keine Rede sein. Unbilligen, vom Versicherten nicht beeinflußbaren Härten ist ohnehin weitestgehend durch die Bestimmung des § 234 ASVG begegnet worden. Ein Verfahren vor dem Arbeits- und Sozialgericht oder ein vor Antragstellung behauptetes Bestehen einer Invalidität begründet daher keinen Fall, der die analoge Anwendung der Ausnahmebestimmung über neutrale Monate rechtfertigen könnte.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG.

Stichworte