OGH 2Ob2382/96z

OGH2Ob2382/96z19.3.1998

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Angst als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter, Dr. Schinko, Dr. Tittel und Dr. Baumann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Manfred A*****, vertreten durch Dr. Johannes Kirschner, Rechtsanwalt in Wels, wider die beklagte Partei ***** Versicherungs-AG, *****, vertreten durch Dr. Klaus Dieter Strobach und Dr. Wolfgang Schmidbauer, Rechtsanwälte in Grieskirchen, wegen Vorlage von Urkunden, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Wels als Berufungsgericht vom 8. Mai 1996, GZ 22 R 266/96s-14, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Wels vom 16. Februar 1996, GZ 8 C 293/95v-10, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 6.086,40 (darin enthalten S 1.014,40 USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Am 6.3.1994 ereignete sich ein Verkehrsunfall, an dem die Gattin des Klägers als Lenkerin eines ihm gehörenden PKWs und ein bei der beklagten Partei haftpflichtversicherter Lenker beteiligt waren.

Der Kläger begehrte mit einer beim Bezirksgericht Wels eingebrachten Klage vom Haftpflichtversicherten der beklagten Partei und von ihr Zahlung von S 85.300,-- sA mit der Begründung, der damalige Erstbeklagte sei mit überhöhter Geschwindigkeit auf das von seiner (des Klägers) Gattin gelenkte Fahrzeug aufgefahren. Vom eingetretenen Schaden in Höhe von S 170.600,-- werde die Hälfte geltend gemacht.

Die damals beklagten Parteien wendeten dagegen ein, der Gattin des Klägers treffe das Alleinverschulden, weil sie unter Mißachtung des Vorranges des damals Erstbeklagten in eine Bundesstraße eingefahren sei.

Das Bezirksgericht Wels wies mit Urteil vom 26.1.1995 das damalige Klagebegehren zur Gänze ab. Das Alleinverschulden treffe die Gattin des Klägers, die den Vorrang des Erstbeklagten mißachtet habe. Der Vorwurf der Geschwindigkeitsüberschreitung durch den damaligen Erstbeklagten habe nicht nachgewiesen werden können.

Der Kläger begehrt nunmehr, die beklagte Partei zur Vorlage der in ihrem Besitz befindlichen Lichtbilder seines Fahrzeuges zu verpflichten. Der Beklagtenvertreter im Vorverfahren habe in der letzten mündlichen Streitverhandlung angegeben, nicht im Besitze von solchen Lichtbildern zu sein und sie daher nicht vorlegen zu können. Nach dem Prozeß habe sich herausgestellt, daß die beklagte Partei tatsächlich über Lichtbilder des beschädigten klägerischen Fahrzeuges, die von einem Sachverständigen aufgenommen worden seien, verfüge. Er strebe eine Wiederaufnahme des Vorverfahrens an, wobei er das Wiederaufnahmebegehren darauf stützen wolle, daß durch die Lichtbilder als neue Beweismittel im wiederaufzunehmenden Verfahren eine für ihn günstigere Entscheidung herbeigeführt worden wäre. Er habe daher ein rechtliches Interesse an der Vorlage der Lichtbilder. Die Besichtigung seines Fahrzeuges sei über seinen Wunsch erfolgt.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Der Kläger habe im Vorverfahren keinen Antrag auf Vorlage der Lichtbilder gestellt. Außerhalb eines anhängigen Rechtsstreites könne im Wege der Klage nur die Vorlage gemeinschaftlicher Urkunden begehrt werden. Bei den Lichtbildern handle es sich nicht um solche. Der Kläger habe auch kein rechtliches Interesse an der Vorlage der Lichtbilder, weil auch bei deren Vorliegen kein - für den Kläger günstigeres - Zeit-Weg Diagramm erstellt werden könne. Überdies sei ihm bzw seinem Vertreter die Existenz der Lichtbilder schon im Vorverfahren bekannt gewesen.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.

Es ging von nachstehenden Feststellungen aus:

Nach dem Unfall wurden über Wunsch des Klägers, aber im Auftrag und auf Kosten der beklagten Partei, Lichtbilder von seinem Fahrzeug angefertigt. Diese Lichtbilder wurden während des Verfahrens vor dem Bezirksgericht Wels dem Vertreter der beklagten Partei ausgefolgt. Sie befinden sich noch bei ihm. In der letzten Tagsatzung im Vorverfahren legte der Beklagtenvertreter zwar den das Fahrzeug des Klägers betreffenden Berichtigungsbericht, nicht aber die Lichtbilder vor. Er erklärte auf Anfrage des Klagevertreters, daß er keine Lichtbilder habe. Der Kläger war selbst nicht imstande, Lichtbilder vorzulegen, stellte aber keinen Antrag, der beklagten Partei die Vorlage der Lichtbilder aufzutragen. Es steht nicht fest, ob die beklagte Partei oder deren Vertreter dem Klagevertreter die Vorlage der Lichtbilder zusagte. Auch bei Vorlage der Bilder hätte der Unfallshergang nicht exakt im Sinne eines Zeit-Weg-Ablaufs rekonstruiert, es hätte aber die Differenzgeschwindigkeit errechnet werden können.

Rechtlich erörterte das Erstgericht, daß der Kläger sein Begehren ausschließlich auf Art XLIII EGZPO gestützt habe. Danach könne die Vorlage einer gemeinschaftlichen Urkunde auch außerhalb eines anhängigen Rechtsstreites gefordert werden. Bei den vom Fahrzeug des Klägers aufgenommenen Lichtbildern handle es sich nicht um gemeinschaftliche Urkunden, sondern um Augenscheinsgegenstände. Eine analoge Anwendung des Art XLIII EGZPO auf solche Gegenstände komme nicht in Betracht.

Das vom Kläger angerufene Berufungsgericht verpflichtete die beklagte Partei, sämtliche in ihrem Besitz befindlichen Lichtbilder vom Fahrzeug des Klägers binnen 14 Tagen bei sonstigen Zwangsmaßnahmen zur Einsicht vorzulegen.

Es vertrat die Rechtsansicht, daß es sich bei den Lichtbildern des beschädigten Fahrzeuges des Klägers nicht um Urkunden im Sinne der ZPO, sondern um Augenscheinsgegenstände handle. Es sei zu prüfen, ob die Bestimmung des Art XLIII EGZPO über die Vorlage einer gemeinschaftlichen Urkunde außerhalb eines anhängigen Rechtsstreites auf bestimmte Augenscheinsgegenstände analog angewendet werden könne. Dabei sei davon auszugehen, daß während eines anhängigen Prozesses hinsichtlich der Verpflichtung des Prozeßgegners zur Vorlage eines in seinem Besitz befindlichen Augenscheinsgegenstandes nach § 369 ZPO die Bestimmungen der §§ 303 bis 307 ZPO mit der Maßgabe anzuwenden seien, daß die Beurteilung, welchen Einfluß die Verweigerung der Vorzeigung und Herausgabe der Sache seitens des Gegners habe, dem durch sorgfältige Würdigung aller Umstände geleiteten richterlichen Ermessen überlassen bleibe. Der vorlagepflichtige Gegner dürfe die Vorlage der Augenscheinsgegenstände zwar nicht verweigern, doch könne diese nicht erzwungen werden. Da die Regelungen über die Verpflichtung des Prozeßgegners zur Vorlage von Urkunden und Augenscheinsgegenständen während eines anhängigen Rechtsstreites praktisch gleich seien, sei auch Art XLIII EGZPO auf die Vorlage von Augenscheinsgegenständen außerhalb eines anhängigen Rechtsstreites analog anzuwenden. Der Kläger hätte im Vorprozeß die Vorlage der Lichtbilder durch die beklagte Partei beantragen können, wenn er nicht auf Grund der unwahren Behauptung ihres Vertreters, keine Lichtbilder zu haben, eine derartige Antragstellung unterlassen hätte. Da die beklagte Partei nunmehr zugegeben habe, über die Lichtbilder zu verfügen, müsse es dem Kläger auch möglich sein, deren Vorlage außerhalb eines anhängigen Prozesses zu fordern, um eine Wiederaufnahmsklage vorzubereiten. Die Lichtbilder seien zwar auf Kosten der beklagten Partei, aber über ausdrücklichen Wunsch des Klägers aufgenommen worden und daher als gemeinschaftlich anzusehen. Auch das rechtliche Interesse des Klägers an der Vorlage sei zu bejahen, weil es im Vorprozeß durch die unwahren Angaben der beklagten Partei bzw von deren Vertreter gar nicht zur Anwendung der Bestimmung über die Vorlage von Augenscheinsgegenständen gekommen sei. Ihm könne daher zur Vorbereitung eines Wiederaufnahmsprozesses das rechtliche Interesse an der Vorlage der Lichtbilder nicht abgesprochen werden. Ein Erfolg des vom Kläger angestrebten Wiederaufnahmsprozesses könne nicht von vornherein ausgeschlossen werden, zumal der Umstand, daß die Lichtbilder über Wunsch des Klägers aufgenommen worden seien, nicht bedeute, daß er während der Vorprozesses von deren Vorhandensein ausgehen habe müssen.

Das Berufungsgericht sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000,-- übersteigt und die ordentliche Revision zulässig sei.

Die beklagte Partei strebt mit ihrer wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobenen Revision die Wiederherstellung des erstgerichtlichen Urteils an. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Kläger beantragt, die Revision als unzulässig zurückzuweisen, hilfsweise, ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der beklagten Partei ist nicht berechtigt.

Der Oberste Gerichtshof ist an den Ausspruch des Berufungsgerichtes über den Wert des nicht ausschließlich in Geld bestehenden Entscheidungsgegenstandes nur dann nicht gebunden, wenn zwingende Bewertungsvorschriften verletzt wurden oder überhaupt keine Bewertung vorzunehmen gewesen wäre (vgl Kodek in Rechberger § 500 Rz 3 mwN). Da dies hier nicht zutrifft, ist daher der Ausspruch über den Wert des Streitgegenstandes bindend und es ist deshalb auf die hier in der Revisionsbeantwortung enthaltenen Ausführungen nicht einzugeben.

Die geltend gemachte Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt nicht vor, was gemäß § 510 Abs 3 ZPO nicht näher begründet werden muß.

Nach Art XLIII EGZPO kann die Vorlage einer gemeinschaftlichen Urkunde (§ 304 ZPO) auch außerhalb eines anhängigen Rechtsstreits im Wege der Klage gefordert werden. Urkunden im Sinne der Zivilprozeßordnung sind schriftliche Aufzeichnungen von Gedanken, die im Regelfall Tatsachen festhalten (vgl Rechberger in Rechberger § 292 Rz 10; Fasching, ZPR2 Rz 944). Davon zu unterscheiden sind Augenscheinsgegenstände, die mangels Aufzeichnung von Gedanken keine Urkunden darstellen (Rechberger aaO; Fasching aaO Rz 945). Lichtbilder sind daher nur dann Urkunden, wenn sie schriftliche Aufzeichnungen festhalten (Fasching aaO Rz 944; Rechberger aaO Rz 4 vor § 292), sonst Augenscheinsgegenstände, wenn sie keinen Gedankeninhalt vermitteln, sondern bloß die äußere Erscheinung von Personen oder Sachen darstellen (Walther, Zur Abgrenzung von Urkundenbeweis, Beweis durch Auskunftssachen und Augenschein im österreichischen Zivilprozeß, RZ 1993, 47 [49]; vgl auch die Beispiele bei Fasching aaO Rz 945).

Nach § 304 Abs 1 Z 3 ZPO kann die Vorlage einer gemeinschaftlichen Urkunde im Prozeß durch den Gegner nicht verweigert werden. Danach besteht für solche gemeinschaftliche Urkunden eine unbedingte Vorlagepflicht (Fasching aaO Rz 958), die zu einem - nicht vollstreckbaren (Fasching aaO Rz 959; Rechberger aaO § 307 Rz 2) - Vorlageauftrag führt (§ 303 Abs 1 ZPO). Kommt der Gegner diesem Auftrag nicht nach, unterliegt es der freien Beweiswürdigung des Gerichtes, ob die Angaben des Beweisführers über den Urkundeninhalt als erwiesen anzusehen sind (§ 307 Abs 2 ZPO). Hingegen kann einem Dritten die Vorlage gemeinschaftlicher Urkunden durch vollstreckbaren Vorlageauftrag aufgetragen werden (§ 308 ZPO).

Für Augenscheinsgegenstände, die sich im Besitz der Gegenpartei befinden, sind nach § 369 ZPO die Bestimmungen über die Urkundenvorlage (§§ 303 bis 307 ZPO) sinngemäß anzuwenden. Demnach ist der Gegner bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 304 ZPO verpflichtet, den Gegenstand vorzulegen. Die Vorlagepflicht des Gegners kann aber auch beim Augenscheinsbeweis nicht erzwungen werden. Die Verweigerung der Vorlage durch ihn unterliegt der freien richterlichen Beweiswürdigung (Fasching aaO Rz 1016; Rechberger aaO § 369 Rz 1).

Da die Vorlagepflicht des Gegners im Prozeß für gemeinschaftliche Urkunden und Augenscheinsgegenstände den sinngemäß gleichen Regelungen unterworfen ist, ist zu prüfen, ob die Ansicht vertreten werden kann, Art XLIII EGZPO sei nicht nur für gemeinschaftliche Urkunden sondern analog auch auf gemeinschaftliche Augenscheinsgegenstände anzuwenden.

Die Materialien führen dazu nur aus, Art XLIII EGZPO sei über Wunsch der Herrenhauskommission zur Beseitigung des Zweifels, ob die Vorlage einer gemeinsamen Urkunde (§ 304 ZPO) nur im Rahmen eines bereits anhängigen Prozesses begehrt werden kann oder ob diesbezüglich eine allgemeine Editionspflicht besteht, in die Regierungsvorlage eingefügt worden (1197 BlgAH XI. Session 20). Ob eine solche allgemeine Vorlagepflicht auch für gemeinschaftliche Augenscheinsgegenstände besteht, wird nicht erwähnt. Da aber in den Bestimmungen über die Vorlagepflicht solcher Augenscheinsgegenstände im Prozeß auf die Bestimmungen über die Vorlagepflicht von gemeinsamen Urkunden verwiesen wird, kann angenommen werden, daß es eine planwidrige Unvollständigkeit darstellt, wenn in Art XLIII EGZPO hierauf nicht Bedacht genommen wird. Diese Regelungslücke ist in erster Linie durch Analogieschluß auszufüllen (Bydlinski in Rummel2 § 7 Rz 3 mwN). Da die Bestimmungen über die Vorlagepflicht des Gegners bei gemeinsamen Urkunden im Prozeß denen der Vorlagepflicht gemeinsamer Augenscheinsgegenstände - und zwar entgegen der in der Revision vertretenen Ansicht auch in der Frage der Erzwingbarkeit - gleichen, kann nach Ansicht des erkennenden Senates auch Art XLIII EGZPO hierauf analog angewendet und daher die Vorlage schon vor anhängigem Prozeß im Wege der Klage gefordert werden.

Vorlage einer Urkunde bzw eines Augenscheinsgegenstandes nach dieser Gesetzesbestimmung bedeutet aber entgegen der in der Revisionsbeantwortung vertretenen Rechtsansicht nicht die Herausgabe, sondern lediglich die Gestattung der Einsichtnahme und der Feststellung der wesentlichen Punkte derselben (Neumann, Kommentar zu den Zivilprozeßgesetzen4 I 377 FN 1). Die Herausgabe einer Urkunde kann nämlich nur bei Vorliegen eines Eigentumstitels an der Urkunde oder am Augenscheinsgegenstand begehrt werden (vgl JBl 1979, 376).

Ferner ist noch auf die Rechtsprechung einzugehen, nach der für die Urkundenvorlage iSd Art XLIII EGZPO das Bestehen eines eigenen rechtlichen Interesses gefordert und ein solches immer dann verneint wurde, wenn sich der Anspruchsteller durch die Einsichtnahme in Urkunden Beweismittel für einen beabsichtigten Rechtsstreit, insbesondere gegen den Besitzer der Urkunde, sichern wollte (SZ 61/208 mwN; VR 1992, 403 = VersR 1993, 775). Dabei wurde davon ausgegangen, daß die Partei in dem einzuleitenden Rechtstreit die Vorlage der Urkunde begehren könne. Diese Rechtsprechung läßt sich aber auf den vorliegenden Fall nicht übertragen. Der Kläger begründet nämlich sein Vorlagebegehren mit seiner Absicht, eine Wiederaufnahmsklage anzustreben.

Voraussetzung für den allein in Betracht kommenden Wiederaufnahmsgrund des § 530 Abs 1 Z 7 ZPO, ist, daß die Partei in Kenntnis von neuen Tatsachen gelangt oder "Beweismittel auffindet oder zu benützen in den Stand gesetzt wird, deren Vorbringen und Benützung im früheren Verfahren eine ihr günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würde". Vor Einsichtnahme in den gemeinschaftlichen Augenscheinsgegenstand kann nicht gesagt werden, daß ein präsumtiver Wiederaufnahmswerber imstande ist, ihn zu benützen. In diesem Fall käme es nach § 538 ZPO zur Zurückweisung der Klage als zur Bestimmung einer Tagsatzung für die mündliche Verhandlung ungeeignet. Für dieses Vorprüfungsverfahren, das vor der Anberaumung einer Tagsatzung zur mündlichen Verhandlung stattfindet, besteht daher für die Anwendung des § 369 ZPO, der erkennbar auf die mündliche Verhandlung abstellt, keine Möglichkeit. Dem Wiederaufnahmewerber wäre deshalb mit der Bestimmung, daß die Verweigerung der Vorzeigung und Herausgabe des gemeinschaftlichen Augenscheinsgegenstandes im Rahmen der Beweiswürdigung zu berücksichtigen sei, nicht gedient.

Die oben angeführte Rechtsprechung ist daher dann nicht anzuwenden, wenn die Nichtbefolgung eines Auftrages zur Vorlage von Urkunden bzw Augenscheinsgegenständen im Rahmen der Beweiswürdigung, insbesondere also im Vorprüfungsverfahren bei einem angestrebten Wiederaufnahmsprozeß, nicht berücksichtigt werden kann. In diesem Fall ist somit das rechtliche Interesse an der Vorlage der Urkunde oder des Augenscheingegenstandes auch dann gegeben, wenn diese Vorlage für die Einleitung des Verfahrens notwendig oder zumindest zweckmäßig ist.

Entgegen der in der Revision vertretenen Auffassung besteht gegenüber dem Kläger eine Verpflichtung der beklagten Partei, die Lichtbilder vorzulegen. Das vom Erstgericht festgestellte Verhalten der beklagten Partei, wonach diese dem Wunsch des Klägers nach Anfertigung von Lichtbildern seines Fahrzeuges entsprach, muß nämlich nach der Übung des redlichen Verkehrs (§ 914 ABGB) dahin verstanden werden, daß der Kläger berechtigt sein sollte, in die Lichtbilder zumindest Einsicht zu nehmen, zumal für ihn im Hinblick auf dieses Verhalten der beklagten Partei kein Anlaß bestand, selbst solche Lichtbilder anzufertigen oder anfertigen zu lassen. Nicht gefolgt werden kann schließlich auch der in der Revision vertretenen Meinung, dem Kläger fehle das rechtliche Interesse an der Einsicht in die Lichtbilder deshalb, weil die bloße Einsicht zu keinem für die Wiederaufnahmsklage verwertbaren Ergebnis führen könne. Dem ist entgegenzuhalten, daß der Kläger die Möglichkeit hat, die Einsicht unter Beiziehung eines Sachverständigen vorzunehmen oder seinerseits Lichtbilder von ihm zur Einsicht vorgelegten Lichtbildern anzufertigen. Ob er auf diese Weise einen Wiederaufnahmsgrund dartun kann, ist in dem Rechtstreit, der bloß der Durchsetzung des Rechtes auf Vorlage der Lichtbilder dient, nicht von Bedeutung und daher nicht zu prüfen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte