Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben und dem Erstgericht eine neuerliche, nach Ergänzung des Verfahrens zu fällende Entscheidung aufgetragen.
Die Kosten der Rechtsmittelverfahren sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung
Die Klägerin kündigte die dem Beklagten vermietete Wohnung unter Einhaltung einer einmonatigen Kündigungsfrist zum 30.11.1996 auf. Als Kündigungsgründe berief sie sich auf § 30 Abs 2 Z 3 und 6 MRG und brachte vor, es bestehe die Gefahr einer besonderen Verschlechterung der Wohnung durch eineinhalbjährige Nichtbenutzung und damit die Gefahr einer Substanzschädigung. Im übrigen diene die Wohnung nicht der Befriedigung eines dringenden Wohnbedürfnisses des Beklagten, der sich aufgrund eines Aufenthaltsverbotes im Ausland befinde; eintrittsberechtigte Personen seien nicht vorhanden.
Der Mietvertrag sieht in seinem Punkt IV. die Einhaltung einer zwölfmonatigen Kündigungsfrist zum Ende eines jeden Jahres vor. In Punkt XVII. "Vertragsauflösung" wurde vereinbart, daß der Vermieter den Mietvertrag ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist mit sofortiger Wirkung auflösen kann, wenn der Mieter den finanziellen Verpflichtungen nicht nachkommt oder vom Mietobjekt einen erheblich nachteiligen Gebrauch macht, wiederholt und hartnäckig gegen Bestimmungen des Vertrages verstößt oder über sein Vermögen das Ausgleichs- oder Konkursverfahren rechtskräftig eröffnet oder mangels Vermögens abgewiesen wird.
Das Erstgericht hob die Kündigung mit der wesentlichen Begründung auf, die Klägerin habe die vertraglich vereinbarte Kündigungsfrist nicht eingehalten. Sie könne sich daher - als gelinderes Mittel der sofortigen Vertragsaufhebung - nur auf den Kündigungsgrund des erheblich nachteiligen Gebrauches berufen. Diesen Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 3 erster Fall MRG und § 1118 erster Fall ABGB habe die Klägerin wohl im Sinn des § 33 Abs 1 MRG ausreichend bezeichnet, im weiteren Verfahren jedoch kein hinreichendes, einem Beweis durch Sachverständigen zugängliches Tatsachenvorbringen erstattet, so daß ihr der Nachweis des behaupteten Kündigungsgrundes nicht gelungen sei.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge. Darin hatte diese vorgebracht, die Tatsache, daß die eineinhalbjährige Nichtbenutzung der Wohnung die Gefahr einer Substanzverschlechterung in sich berge, sei offenkundig und gerichtsbekannt und bedürfe keines Beweises. Das Berufungsgericht vertrat die Auffassung, der Aufhebungsgrund des erheblich nachteiligen Gebrauches setze neben einem erheblichen Nachteil für den Vermieter eine vertragswidrige Benützung des Objekts durch den Bestandgeber voraus. Diese Benützung könne in einer wiederholten bzw längerwährenden ordnungswidrigen Benützung des Objekts oder in einer längeren Reihe von Unterlassungen notwendiger Vorkehrungen bestehen, nicht aber in einem Verhalten, das - wie hier - nicht als Benützung der Bestandsache anzusehen sei. Selbst wenn man in der eineinhalbjährigen Nichtbenützung der Wohnung eine Benützung im weitesten Sinn sehe, wäre es Sache der Klägerin gewesen, bereits in der Aufkündigung auszuführen, worin die Nachteile für den Vermieter bzw die Gefahr der Verschlechterung des Objekts gelegen sein sollte. Der Verweis auf ein erst einzuholendes Sachverständigengutachten komme einem Erkundigungsbeweis gleich, damit sei dem Gebot der Konkretisierung des Kündigungsgrundes nicht Genüge getan.
Zum auf § 30 Abs 2 Z 6 MRG gestützten Kündigungsgrund führte das Berufungsgericht aus, dieser entspreche nicht den im Gesetz geregelten Gründen, für die die sofortige Auflösung vorgesehen sei. § 29 Abs 1 MRG anerkenne als Auflösungsgründe neben der formfreien und sofort wirksamen Auflösungserklärung nach § 1118 ABGB nur mehr die sofortige Auflösung aus den beiden in § 1118 ABGB angeführten Gründen, im wesentlichen somit aus den Gründen des § 30 Abs 1 Z 1 und 3 MRG. Damit sei im Anwendungsbereich des MRG jede Vereinbarung über die Erweiterung der mietrechtsgesetzlich anerkannten Auflösungsgründe um andere Tatbestände, mögen sie auch als Kündigungsgründe anerkannt sein, rechtsunwirksam.
Das Berufungsgericht sprach aus, daß die ordentliche Revision nicht zulässig sei.
Rechtliche Beurteilung
Die außerordentliche Revision der Klägerin ist zulässig, weil das Berufungsgericht die ausreichende Individualisierung des Kündigungsgrundes zu Unrecht verneint hat und zur Frage, ob in der Nichtbenützung des Bestandobjektes ein erheblich nachteiliger Gebrauch liegen kann, von der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes abgewichen ist.
Die Revision macht geltend, für alle hier geltend gemachten Kündigungsgründe komme die gesetzliche Frist des § 560 Abs 1 Z 2 ZPO zur Anwendung. Der zwischen den Streitteilen abgeschlossene Mietvertrag enthält zwei Kündigungsbestimmungen. Nach Punkt IV kann der Mietvertrag von jedem der beiden Vertragsteile unter Einhaltung einer 12-monatigen Kündigungsfrist zum Ende eines jeden Jahres durch eingeschriebenen Brief aufgekündigt werden. Nach Punkt XVII. besteht die Möglichkeit der sofortigen Vertragsauflösung ohne Einhaltung der vereinbarten Kündigungsfrist und des vereinbarten Kündigungstermines bei Vorliegen bestimmter Gründe, darunter auch jenem des nachteiligen Gebrauchs (nicht jedoch der Nichtbenutzung des Bestandobjektes).
Die Auffassung des Berufungsgerichtes, wonach die Klägerin ihre auf den Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 6 MRG gestützte Aufkündigungen in der vertraglich vereinbarten 12-Monatsfrist hätte einbringen müssen, wird geteilt. Auf die zutreffende Begründung wird hingewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO). Die vorzeitige Auflösung eines dem MRG unterliegenden Bestandvertrages ist gemäß § 29 Abs 1 Z 5 MRG nur wegen des ersten oder zweiten Tatbestandes des § 1118 ABGB zulässig; alle anderen vertraglich vorgesehenen Auflösungsgründe bedürfen der Form der Kündigung (Würth in Rummel, ABGB2 Rz 9 zu § 1118). Die Zulässigkeit einer besonderen Vereinbarung der Parteien über Termin und Frist der Aufkündigung ergibt sich schon aus § 560 Abs 1 Z 1 ZPO. Ein derartiges Übereinkommen schließt die Anwendung der Bestimmungen des § 560 Abs 1 Z 2 ZPO in Ansehung des hier geltend gemachten Kündigungsgrundes nach § 30 Abs 2 Z 6 MRG aus (RIS-Justiz RS0044734).
Zum Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 3 erster Fall MRG:
Gemäß § 33 Abs 1 zweiter Satz MRG hat der Vermieter die Gründe, auf die er seine Kündigung stützt, bei sonstiger Nichtberücksichtigung in diesem Verfahren, kurz anzuführen. Zweck dieser Bestimmung ist es, den Gegenstand des Kündigungsstreites von vornherein deutlich abzugrenzen (WoBl 1991/32). Hiebei genügt die Angabe einer bestimmten Gesetzesstelle nur dann, wenn diese lediglich einen Tatbestand enthält. Ist dies nicht der Fall, muß der herangezogene Kündigungsgrund weiter individualisiert werden, wobei die Anführung von Schlagworten genügt (WoBl 1991/32 und 1992/19; RIS-Justiz RS0106599; Würth aaO Rz 3 zu § 33 MRG).
Die Klägerin hat sich in ihrer Kündigung auf den Grund des § 30 Abs 2 Z 3 MRG berufen und ausgeführt, in der Vorgangsweise der gekündigten Partei, die die Wohnung infolge über eineinhalbjähriger Nichtbenutzung der Gefahr einer besonderen Verschlechterung aussetze, liege erheblich nachteiliger Gebrauch im Sinn dieser Gesetzesbestimmung. Damit hat sie entgegen der Auffassung des Berufungsgerichtes den geltend gemachten Kündigungsgrund im Sinn des § 33 Abs 1 MRG ausreichend individualisiert und hat - nach Erhebung von Einwendungen der Beklagten - das Vorliegen dieses Kündigungsgrundes zu beweisen.
Die Auffassung des Berufungsgerichtes, wonach der Kündigungsgrund des nachteiligen Gebrauches schon deshalb nicht verwirklicht sei, weil das Verhalten der Beklagten nicht als "Benützung der Bestandsache" anzusehen sei, widerspricht der ständigen Rechtsprechung (MietSlg 24.167; 26.229; 39.163). Der Begriff "Benützung" ist im weitesten Sinn zu verstehen (Würth aaO Rz 10 zu § 1118 ABGB) und umfaßt nicht nur die vertragswidrige Benützung der Bestandsache an sich, sondern auch die Unterlassung der dem Benützer obliegenden Vorkehrungen. In diesem Sinn hat die ständige Rechtsprechung den Kündigungsgrund des erheblich nachteiligen Gebrauches auch dann bejaht, wenn durch eine längere Unterlassung notwendiger Vorkehrungen eine erhebliche Verletzung der Substanz des Mietgegenstandes erfolgt oder droht (SZ 48/132; MietSlg 47.340; stRsp RIS-Justiz RS0021053) oder wichtige Interessen des Bestandgebers verletzt werden (WoBl 1991/84).
MietSlg 20.183, wonach es sich um einen Akt des Mieters handeln müsse, der sich als Ausübung der Benützung der Bestandsache darstellt, steht dieser Rechtsprechung nicht entgegen.
Die Klägerin hat sich nun darauf berufen, daß die Gefahr einer Verschlechterung der Wohnung durch eineinhalbjährliche Nichtbenützung bestehe und hat zum Beweis ein Sachverständigengutachten aus dem Baufach angeboten. Entgegen der Auffassung der Vorinstanzen ist dieses Vorbringen einem Beweisverfahren, somit auch einem Sachverständigenbeweis durchaus zugänglich. Die Klägerin hat damit den entscheidungswesentlichen Tatbestand (die Schädigung der Vermögenssubstanz durch jahrelange Nichtbenutzung) behauptet, sodaß von einem Ausforschungs- oder Erkundigungsbeweis nicht gesprochen werden kann (vgl Rechberger in Rechberger, ZPO Rz 32 vor § 266; Fasching, Lehrbuch2 Rz 898). Eine zur Einschränkung des Beweisthemas allenfalls fehlende Konkretisierung hätte das Erstgericht im Rahmen seiner Prozeßleitungsverpflichtung veranlassen und die Klägerin auffordern müssen, jene Schäden näher zu präzisieren, die durch Nichtgebrauch der Wohnung über den behaupteten Zeitraum entstanden sind und welche Gefahr für das Bestandobjekt durch Nichtgebrauch entsteht. Es wird daher im fortgesetzten Verfahren die angebotenen Beweise durchzuführen haben.
Zur Durchführung des von der Klägerin beantragten Beweises erweist sich somit eine Verfahrensergänzung als unumgänglich.
Der Berufung wird Folge gegeben, die Entscheidungen der Vorinstanzen aufgehoben und die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 Abs 1 ZPO.
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