Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei hat die Kosten ihrer Revisionsrekursbeantwortung vorläufig selbst zu tragen; die beklagte Partei hat die Kosten ihres erfolglosen Revisionsrekurses endgültig selbst zu tragen.
Text
Begründung
Die Klägerin betreibt ein Unternehmen für Produktion und Vertrieb (ua) von Schulmöbeln; sie erzeugt unter anderem den Doppelschülertisch Modell "Gamma". Auch die Beklagte stellt Schulmöbel her und handelt mit diesen; unter ihren Produkten befindet sich auch ein Doppelschülertisch Modell "Wien", den die Beklagte am 19. 4. 1995 nach dem NormenG 1971 unter der Register-Nummer 95.218 und am 20. 6. 1995 nach dem MuSchG beim österreichischen Patentamt unter Muster-Nummer 16.541 registrieren ließ.
Zur Sicherung eines inhaltsgleichen Unterlassungsanspruches beantragt die Klägerin die Erlassung einer einstweiligen Verfügung, wonach es der Beklagten verboten werde, "Schülertische, welche eine Nachahmung des Schülerdoppeltisches "Gamma" der Klägerin darstellen oder diesen Schülerdoppeltischen verwechselbar ähnlich sind", insbesondere ihren Schülertisch "Wien" im geschäftlichen Verkehr anzubieten, zu verkaufen oder in sonstiger Weise zu vertreiben, in den Verkehr zu bringen oder Dritten zu überlassen. Sie bringt dazu vor, sie selbst bzw. ihre Rechtsvorgängerin im Betrieb des Unternehmens "Sonett Metallmöbelfabrik" hätten sich bereits seit Jahren an Ausschreibungen des Magistrates der Stadt Wien für Schülertische beteiligt und allein in den Jahren 1993 bis 1995 mit ihrem Tisch "Gamma" zweistellige Millionenbeträge als Kaufpreis erzielt. Die Beklagte habe nunmehr einen Schülerdoppeltisch hergestellt, der in Konstruktion und technischer Ausführung eine sklavische Nachahmung des Tisches der Klägerin sei. Zu dieser Nachahmung sei es dadurch gekommen, daß der seit Jahrzehnten bei der Klägerin beschäftigte technische Produktionsleiter Helmut S***** per 31. 12. 1994 als Angestellter bei der Klägerin ausgeschieden sei, jedoch noch am 12. 12. 1994 Angestellten der Beklagten unter anderem einen Tisch der Marke "Gamma" sowie Spezialrohre, die bei dessen Herstellung verwendet würden, nur zu dem Zweck übergeben habe, der Beklagten den Nachbau des Tisches zu ermöglichen. Seine Verantwortung im Zuge eines Strafverfahrens wegen Diebstahls, die Übergabe des Tisches an die Beklagte sei zur Einholung eines Angebots für die Beschichtung von Schulmöbeln mit Kunststoff erfolgt, sei unrichtig, da ein derartiger Auftrag der Geschäftsleitung der Klägerin an Helmut S***** nicht vorgelegen sei und die Klägerin selbst eine Beschichtungsanlage besitze, mit deren Hilfe sie derartige Arbeiten im eigenen Hause durchführe. Nachträglich habe sich herausgestellt, daß Helmut S***** noch im Dezember 1994 ein Dienstverhältnis zur Beklagten eingegangen sei. Die Bestandteile und Materialien für den Schülertisch "Gamma" der Klägerin seien keine für jedermann auf dem Markt erhältlichen Standardprodukte. Erst durch die Übergabe des Tisches an Angestellte der Beklagten wäre es dieser möglich gewesen, eine Nachahmung des Tisches der Klägerin unter Vermeidung von ins Gewicht fallendem Aufwand herzustellen. Mit diesem Nachahmungsprodukt, dem Tisch "Wien", habe die Beklagte dann bei der Ausschreibung des Magistrates der Gemeinde Wien für die Lieferung von Schulmöbeln in den Jahren 1996/97 den Zuschlag erhalten. Sie habe sich damit den Zeit-, Kosten- und Entwicklungsaufwand der Klägerin erspart, was - ebenso wie die Umstände, auf welche Weise die Beklagte in den Besitz des kopierten Produktes gelangt sei - als sittenwidrig zu beurteilen sei.
Die Beklagte beantragt die Abweisung des Sicherungsbegehrens. Ihr Tisch "Wien" sei keine sklavische Nachahmung eines Tisches der Klägerin sei, weil er sich in konstruktiven und designmäßigen Merkmalen von diesem unterscheide. Verwechslungsfähigkeit liege daher nicht vor. Auf Grund des Umstandes, daß beide Tische nur im Rahmen öffentlicher Vergabeverfahren angeboten und eingehend verglichen würden, sei insbesondere dem einzigen Abnehmer beider Tische, der Gemeinde Wien, stets klar gewesen, daß es sich um unterschiedliche Produkte verschiedener Hersteller handle. Die Erlassung der beantragten Provisorialmaßnahme laufe auf ein Verbot des Betriebes der Beklagten hinaus und füge dieser unwiederbringliche Vermögensnachteile zu, weshalb dem Antrag nur gegen Erlag einer Sicherheitsleistung in Höhe von S 9,000.000.- stattzugeben sei.
Das Erstgericht wies den Provisorialantrag ab. Ohne Personalbeweise aufzunehmen hielt es ergänzend zu dem eingangs wiedergegebenen Sachverhalt für bescheinigt, daß bei der Ausschreibung des Magistrates der Gemeinde Wien für die Jahre 1996/97 die Beklagte deshalb zum Zug gekommen sei, weil deren Tisch "Wien" infolge eines zweiten Fußes stabiler als der Tisch "Gamma" der Klägerin sei und weiters einen steiferen Ablagekorb als dieser aufweise. Rechtlich beurteilte das Erstgericht die festgestellten Unterschiede als Ergebnis einer Entwicklungsarbeit der Beklagten und verneinte die Verwechslungsgefahr; ein Verstoß gegen § 1 UWG liege damit nicht vor.
Das Rekursgericht erließ die einstweilige Verfügung, ohne der Klägerin eine Sicherheitsleistung aufzutragen. Es stellte nach Einsichtnahme in die vorgelegten Urkunden ergänzend fest, daß die beiden Tische bis auf kleine Details konstruktiv identisch seien; einziger offensichtlicher Unterschied sei ein beidseitig zusätzlich eingezogener Steher. Beide Hersteller verwendeten dieselben Kunststoffteile, dieselben Tischplatten, dieselben Formrohre; bei diesem Halbzeug handle es sich nicht um Serienprodukte, sodaß zu deren Beschaffung genaue Informationen über die Hersteller und die von diesen verwendeten speziellen Werkzeuge erforderlich seien. Das Dienstverhältnis zwischen Helmut S***** und der Klägerin sei von der Klägerin am 28. 10. 1994 zum 31. 12. 1994 aufgekündigt worden. Bereits am 2. 12. 1994 habe Helmut Sobol einen Dienstvertrag mit der Beklagten mit Wirkung vom 1. 1. 1995 unterfertigt. Am 24. 1. 1995 habe die Klägerin gegen Helmut S***** Strafanzeige erstattet, da dieser am 23. 12. 1994, seinem letzten Arbeitstag, Mitarbeitern der Beklagten einen Schülertisch "Gamma" der Klägerin und zwei Sessel ohne Rechnung und Lieferschein übergeben habe; der Tisch sei erst am 27. 1. 1995 wieder zurückgestellt worden. Helmut S***** habe sich bei seiner Vernehmung dahin verantwortet, der Tisch sei zur Erstellung eines Anbotes zur Beschichtung von Möbeln am 19. 12. 1994 abgeholt worden; aufgrund der jahrelangen Bekanntschaft mit T***** habe er auf eine Ausstellung von Lieferscheinen verzichtet. Das Rekursgericht beurteilte das Verhalten der Beklagten als sittenwidrig, da sie ohne eigenen ins Gewicht fallenden Schaffensvorgang das ungeschützte Arbeitsergebnis der Klägerin in erheblichen Teilen glatt übernommen habe und dieser unter Ausbeutung fremder Leistung schmarotzerisch Konkurrenz gemacht habe. Aus dem Umstand, wie der Tisch der Klägerin im Dezember 1994 unter gleichzeitigem Personalwechsel zwischen den Streitteilen in die Hände der Beklagten gelangt und bereits im Frühjahr 1995 die Registrierung des Tisches "Wien" als Muster erfolgt
sei, ergäbe sich die bewußte sittenwidrige Nachahmung. Dazu komme noch die Verwechslungsgefahr bei oberflächlicher Betrachtung durch einen Durchschnittskäufer.
Rechtliche Beurteilung
Der außerordentliche Revisionsrekurs der Beklagten ist zulässig, weil das Rekursgericht in seiner Beurteilung einer unmittelbaren Leistungsübernahme und der Verwechslungsgefahr von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes abgewichen ist; er ist aber nicht berechtigt.
Das Nachahmen eines fremden Produktes, das keinen Sonderschutz - etwa nach dem MschG, dem UrhG oder als Unternehmenskennzeichen - genießt, ist an sich nicht wettbewerbswidrig; ein Verstoß gegen § 1 UWG ist aber dann anzunehmen, wenn im Einzelfall besondere Umstände hinzutreten, aus denen sich die Sittenwidrigkeit der Handlung ergibt (ÖBl 1989, 39 - Klimt-Wandleuchte mwN; ÖBl 1992, 19 - Verpackungs-Etiketten; ÖBl 1997, 34 - Mutan-Beipackzettel; MR 1997, 222 - Schokobananen uva). Als solche besonderen Umstände hat die Rechtsprechung etwa Fälle unmittelbarer Leistungsübernahme qualifiziert, wo das Nachgeahmte mittels beliebiger Technik kopiert oder abgeschrieben wird (ÖBl 1989, 138 - MBS Familie; ÖBl 1995, 116 - Schuldrucksorten u.a.). Ein derartiger Sachverhalt liegt aber hier - entgegen der Ansicht des Rekursgerichtes - nicht vor, hat doch die Beklagte ihren Schülerdoppeltisch "Wien" (wenn auch in äußerst enger Anlehnung an das Modell "Gamma" der Klägerin) selbst gebaut und auch durch die festgestellten Unterschiede gegenüber dem Tisch der Klägerin weiterentwickelt. Bei der Fallgruppe der identischen sklavischen Nachahmung (vgl. Koppensteiner, Österreichisches und europäisches Wettbewerbsrecht3 707f § 33 Rz 69ff mwN) ist unlauterkeitsbegründend vor allem die herbeigeführte Gefahr von Verwechslungen mit dem Originalprodukt; weiß aber - wie hier - die einzige Abnehmerin aufgrund ihrer vorangegangenen Tests genau um die Unterschiedlichkeit beider Produkte in Ausführung und Herkunft Bescheid, kann auch eine vermeidbare Herkunftstäuschung nicht vorliegen (ÖBl 1994, 58 - Makramee-Spitzen; ÖBl 1996, 23 - Hotelpässe).
Die Sittenwidrigkeit der Nachahmung eines fremden Arbeitsergebnisses kann aber auch darin liegen, daß das fremde Arbeitsergebnis erschlichen worden ist (Koppensteiner aaO 710 Rz 73 mwN). Dies ist dann anzunehmen, wenn sich jemand die zur Nachbildung nötigen Kenntnisse auf unredliche Weise gegenüber dem Ersthersteller verschafft, so zB durch unreele Erlangung der Vorbilder (Baumbach/Hefermehl16 Rz 476 zu § 1 mit Nachweisen aus der deutschen RSp). Gerade einen solchen Vorwurf hat die Klägerin gegen die Beklagte erhoben und auch die verdächtigen Umstände im Zuge des Arbeitsplatzwechsels von Helmut S*****, einem früheren leitenden Mitarbeiter der Klägerin, bescheinigt, die dazu führten, daß ein Tisch "Gamma" der Klägerin über einen längeren Zeitraum in die Hände der Beklagten geriet. Zu diesem im Provisorialantrag behaupteten (und vom Rekursgericht als bescheinigt angenommenen) Sachverhalt hat die Beklagte weder in ihrer Äußerung zum Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung vom 13. 3. 1997 (ON 6) noch im vorbereitenden Schriftsatz vom 20. 3. 1997 (ON 1) Stellung bezogen oder Gegenbescheinigungsmittel angeboten; die Vernehmung des Geschäftsführers der Beklagten sowie des Zeugen Sobol zur Widerlegung des als "Kriminalroman" bezeichneten Vorbringens der Klägerin wurde nämlich nur in der Klagebeantwortung beantragt, die aber nicht Gegenstand des Provisorialverfahrens ist.
Es ist dem Rekursgericht im Ergebnis daher beizupflichten, daß der nahezu identische Nachbau eines Produktes der Klägerin durch die Beklagte als sittenwidrig iS des § 1 UWG zu beurteilen ist, hat doch die Klägerin ausreichend bescheinigt, daß sich die Beklagte die zur Nachbildung des Produktes fremder Arbeit erforderlichen Kenntnisse auf unredliche Weise verschafft hat. Ob sich dieser Vorwurf, dem die Beklagte im Provisorialverfahren nicht entgegengetreten ist, im Hauptverfahren aufrechterhalten läßt, wird dort zu klären sein.
Die bekämpfte einstweilige Verfügung wurde vom Rekursgericht erst am 14. 10. 1997 erlassen. Zu diesem Zeitpunkt war nach den von der Beklagten vorgelegten Urkunden (./1, ./4) die Lieferfrist für den weitaus größten Teil der beanstandeten Schülertische bereits abgelaufen. Bescheinigt ist auch, daß die Beklagte neben diesen Tischen noch eine breite Produktpalette vertreibt (Beilagen bei ON 8), weshalb die Argumentation der Beklagten, die beantragte Provisorialmaßnahme erzwinge praktisch ihren Unternehmensstillstand, nicht nachvollziehbar ist. Daß das Rekursgericht unter diesen Umständen die Wirksamkeit der einstweiligen Verfügung nicht vom Erlag einer Sicherheitsleistung abhängig gemacht hat, bedeutet damit keine Fehlbeurteilung.
Daß das von der Klägerin betriebene Unternehmen schon seit Jahrzehnten besteht und im Wege des Unternehmenserwerbes auf die Klägerin übergegangen ist (erster Absatz der Klage), blieb von der Beklagten unbestritten (§ 267 Abs 1 ZPO); die rekursgerichtliche Feststellung, das klägerische Unternehmen sei bereits seit Jahren tätig, bildet damit auch im Hinblick auf das Registrierungsdatum der Klägerin (16. 12. 1995) keine Aktenwidrigkeit.
Dem Revisionsrekurs war deshalb ein Erfolg zu versagen.
Der Ausspruch über die Kosten der Klägerin gründet sich auf § 393 Abs 1 EO, jener über die Kosten der Beklagten auf §§ 78, 402 Abs 4 EO iVm §§ 40, 52 ZPO iVm § 50 Abs 1 ZPO.
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