OGH 8ObA35/98z

OGH8ObA35/98z12.2.1998

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Petrag als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Langer und Dr.Adamovic sowie die fachkundigen Laienrichter Dr.Erwin Blazek und ADir.Winfried Kmenta als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Land Steiermark, vertreten durch Frau Landeshauptmann Waltraud Klasnic, Graz, Hofgasse 15, diese vertreten durch Dr.Reinhard Tögl, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagte Partei Arbeiterbetriebsrat Landespflegeheim M*****, ***** vertreten durch Dr.Gerhard Hiebler, Rechtsanwalt in Leoben, wegen Zustimmung zur Versetzung (Streitwert S 150.000,--), infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 29.Oktober 1997, GZ 8 Ra 127/97a-23, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Leoben als Arbeits- und Sozialgericht vom 28.November 1996, GZ 23 Cga 31/96t-17, aufgehoben wurde, folgenden Beschluß gefaßt und in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Es wird in der Sache selbst zu Recht dahin erkannt, daß das Urteil des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 8.370,-- bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 1.395 USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die klagende Partei beschäftigte Vertragsbediensteten Martina D***** und Gertraud K***** zunächst in der Wäscherei des Altenpflegeheimes M*****. Als Teile dieser Arbeiten an einen externen Betrieb vergeben wurden, verringerte sich der Personalbedarf in der Wäscherei. Unter der Bedingung, daß keine Änderung (Verminderung) des Entgelts der beiden Vertragsbediensteten erfolgen werde, wurden diese mit Zustimmung des Betriebsrates mit Wirkung vom 1.3.1993 in den Reinigungsdienst, der nach dem Entlohnungsschema niedriger entlohnt wird, versetzt. Im Oktober 1993 verfügte die klagende Partei eine Entgeltreduktion der beiden Vertragsbediensteten mit Wirkung ab 1.12.1993, wogegen diese auf Feststellung eines höheren Entgeltanspruches und Nachzahlung der Differenzbeträge klagten. In diesen Verfahren trat Ruhen der Verfahren ein, nachdem die Landesregierung beschlossen hatte, "die Rücküberstellung in die niedrigere Entlohnungsgruppe aufzuheben", die beiden Vertragsbediensteten seien so zu behandeln, als wären sie nie rücküberstellt worden, allfällige Bezugsdifferenzen würden nachgezahlt werden. Entsprechende Nachträge zu den Dienstverträgen wurden im März 1995 ausgefolgt. Ein Vorbehalt, daß die Entschließung der Landesregierung nicht von Dauer sein solle, wurde nicht gemacht; der Verwaltungsdirektor des Altenpflegeheimes und die beiden Vertragsbediensteten hielten die Angelegenheit für erledigt. Die beiden Vertragsbediensteten verrichteten weiterhin ihre Tätigkeit im Reinigungsdienst.

Die beklagte Partei versuchte jedoch später, zunächst den dafür nicht zuständigen Zentralbetriebsrat und sodann den beklagten Betriebsrat zu einer Zustimmung zur "Versetzung" der beiden Vertragsbediensteten in das dem Reinigungsdienst entsprechende Entlohnungsschema zu bewegen. Der Betriebsratsvorsitzende wurde aufgefordert, eine schriftliche Stellungnahme in diesem Sinne abzugeben; er äußerte sich nach Rücksprache mit den betroffenen Vertragsbediensteten und der Arbeiterkammer, daß einer "Rücküberstellung" der Betroffenen nicht zugestimmt werde.

Mit der am 24.1.1996 beim Erstgericht eingelangten Klage begehrte die klagende Partei die gerichtliche Zustimmung zur künftigen Versetzung der beiden Vertragsbediensteten; diese Versetzung sei betrieblich notwendig, da infolge Fremdvergabe der Wäschereiarbeiten die Arbeitsplätze (in diesem Bereich) reduziert worden seien. Dies bringe eine finanzielle Schlechterstellung für die Betroffenen mit sich, der beklagte Arbeiterbetriebsrat habe der "Rücküberstellung" nicht zugestimmt.

Der beklagte Betriebsrat beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und brachte vor, die Versetzungen seien bereits am 1.3.1993 durchgeführt worden. Sowohl der beklagte Betriebsrat als auch beide Vertragsbediensteten hätten den Versetzungen nur unter der Bedingung zugestimmt, daß keine finanzielle Schlechterstellung damit verbunden sei. Diese Bedingung sei zumindest bis Februar 1994 und sodann nach Klage der Vertragsbediensteten durch unverminderte Weiterzahlung des Entgelts erfüllt worden. Die "neuerlich beabsichtigte Überstellung" stelle eine finanzielle Schlechterstellung dar, die zugesicherte Ergänzungszulage sei aufsaugbar. Die klagende Partei wolle lediglich eine finanzielle Schlechterstellung der beiden Arbeitnehmerinnen auf den bestehenden Arbeitsplätzen bewirken.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.

In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, daß eine Zustimmung zu den bereits erfolgten Versetzungen sowohl seitens der Vertragsbediensteten als auch des beklagten Betriebsrates erfolgt sei und wegen Erfüllung der damals gesetzten Bedingungen - unverminderte Weiterzahlung des früheren Entgelts - noch immer wirksam sei; dies führe zur Abweisung des Begehrens.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der klagenden Partei Folge; es hob das Urteil auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurück. Weiters erklärte es den Rekurs an den Obersten Gerichtshof für zulässig.

In rechtlicher Hinsicht führte es aus, eine Versetzung der beiden Vertragsbediensteten sei zum 1.3.1993 von der Tätigkeit in der Wäscherei in den Reinigungsdienst erfolgt. Die klagende Partei begehre jedoch die Zustimmung zu einer künftigen Versetzung. Es sei diese frühere Versetzung aber nicht unumkehrbar in dem Sinn, daß der Arbeitgeber nur eine Änderungskündigung versuchen könne. Die Feststellungen seien nicht ausreichend für die Beurteilung, ob die künftige Versetzung sachlich gerechtfertigt sei.

Der Rekurs an den Obersten Gerichtshof sei zulässig, weil es zur Frage der Zulässigkeit einer bedingten Betriebsratszustimmung nur eine einzige ältere Entscheidung gebe, deren Richtigkeit in Zweifel gezogen werden könne; weiters, weil die Tragweite der höchstgerichtlichen Ansicht, zu einer bereits vollzogenen Versetzung gebe es keine Betriebsratszustimmung mehr, Anlaß zu Zweifeln geben könnte, so wie darüber, ob - für den Fall der Rückgängigmachung einer solchen Versetzung - im voraus die Zustimmung des Betriebsrates und die ersatzweise Zustimmung des Gerichtes begehrt werden könne.

Gegen diesen Beschluß richtet sich der Rekurs der beklagten Partei aus dem Grunde der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, ihn abzuändern und das klagsabweisende Urteil des Erstgerichtes wiederherzustellen.

Die klagende Partei beantragt, dem Rekurs nicht Folge zu geben.

Der Rekurs ist zulässig und berechtigt, wobei gemäß § 519 Abs 2 letzter Satz ZPO sogleich in der Sache selbst erkannt werden kann.

Rechtliche Beurteilung

Die Versetzungen der beiden Arbeitnehmerinnen im März 1993 wurde von den Beteiligten als wirksam angesehen. Aktenwidrig sind die Ausführungen der klagenden Partei in der Rekursbeantwortung, die Beklagten hätten in den Vorverfahren übereinstimmend erklärt, daß mangels Zustimmung des Betriebsrates die Versetzung im Jahre 1993 unwirksam gewesen sei; sie haben sich vielmehr in beiden Klagen - ebenso wie in diesem Verfahren - darauf berufen, daß die Zustimmung des Betriebsrates nur unter der Bedingung erteilt worden sei, daß keine Verschlechterung der Vertragslage (bezüglich des Entgeltes) eintrete.

Zum Zeitpunkt des Einlangens der Klage bei Gericht waren die beiden Arbeitnehmerinnen schon fast drei Jahre auf ihren neuen Arbeitsplätzen tätig, wobei der Betriebsrat dieser Versetzung zugestimmt hatte. Daß die Zustimmung unter der Bedingung der unveränderten Weiterzahlung des bisherigen Entgeltes erfolgte, ändert nichts an der Zustimmung, zumal die Tätigkeit von weitaus mehr als 13 Wochen zu einer dauernden Einreihung führte. Im übrigen kann die Zustimmung auch unter Bedingungen - etwa, daß dem Arbeitnehmer seine bisherigen Gehaltsansprüche erhalten bleiben - erteilt werden (DRdA 1981, 409; Strasser in Hdkomm ArbVG 593).

Die klagende Partei strebt in Wahrheit nicht eine neuerliche Versetzung der beiden Arbeitnehmerinnen auf die Arbeitsplätze an, auf denen sie seit über 3 Jahren tätig sind, sondern sucht eine rechtliche Möglichkeit zur Entgeltverminderung, weil die Tätigkeit im Reinigungsdienst nach dem Entlohnungsschema eine niedrigere Entlohnung rechtfertigt als die (frühere) Tätigkeit in der Wäscherei.

Nach der "Zwei-Ebenen-Theorie" (ZAS 1975/1, 15 mit Anm Fischer 17; ZAS 1997/13, 144 mit Anm Spitzl; Arb 11.273; ZAS 1995/10, 88 mit Anm Tomandl) ist die betriebsverfassungsrechtliche Beurteilung der Zulässigkeit einer Versetzung gemäß § 101 ArbVG von der arbeitsvertraglichen Zulässigkeit (§ 1153 ABGB; § 6 Abs 1 AngG) einer Versetzung zu trennen; mit anderen Worten: die Zustimmung des Betriebsrates vermag die des einzelnen Arbeitnehmers zu einer Vertragsänderung nicht zu ersetzen. Wird überdies berücksichtigt, daß der Betriebsrat nicht gesetzlicher Vertreter der Belegschaft oder einzelner Arbeitnehmer in bezug auf deren privatrechtliche Ansprüche ist (SZ 54/49), dann folgt, daß die Zustimmung des beklagten Betriebsrates zu einer "Versetzung", mit der eine Entgeltverschlechterung bei unverändertem Arbeitsbereich der beiden betroffenen Arbeitnehmerinnen bewirkt werden soll, die arbeitsvertraglich erforderliche Zustimmung des Arbeitnehmers zu einer verschlechternden Vertragsänderung nicht ersetzen kann. Die Befugnisse des Betriebsrates im Bereiche von Entgeltregelungen (dazu Cerny, Entgeltregelungen in Betriebsvereinbarungen, FS Strasser, 1983, 487 ff) sind wegen des Vorranges des Kollektivvertrages (Cerny aaO 510) sehr gering; die übrigen Befugnisse (zB Einsicht in Entgeltabrechnung und Kontrolle der Auszahlung gemäß § 89 Z 1 ArbVG; Mitteilung des Entgelts bei Einstellung gemäß § 99 Abs 4 ArbVG ua) ermöglichen dem Betriebsrat ohne rechtsgeschäftliche Vollmacht des betroffenen Arbeitnehmers keine Zustimmung zu einer Entgeltverminderung. Es kann allenfalls der Betriebsrat zugunsten der Belegschaft oder einzelner Arbeitnehmer tätig werden, soferne die "freie" Betriebsvereinbarung als Vertrag zugunsten Dritter gedeutet wird (überwiegend wird eine durch stillschweigende Zustimmung der betroffenen Arbeitnehmer bewirkte Vertragsergänzung gemäß § 863 ABGB angenommen), keinesfalls kann durch einen Vertrag zu Lasten Dritter eine Verschlechterung des vertraglich bedungenen Entgeltes mit Zustimmung des Betriebsrates im Bereich des Individualarbeitsrechtes erfolgen.

Die einzige Möglichkeit, die Verschlechterung der Entgeltbedingungen rechtlich zulässig vorzunehmen, ist neben einer einvernehmlichen Vertragsänderung die Änderungskündigung (Dungl, Zur Änderungskündigung FS Floretta 1983, 357 ff; Strasser, Zur Problematik zur sogenannten Änderungskündigung, DRdA 1988, 1 ff); die gegen den Betriebsrat gerichtete Klage auf Zustimmung zur "Versetzung" hingegen ist - wie zuvor dargelegt - ein für die Bewirkung (nur) der Entgeltreduktion untaugliches Instrument.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO iVm § 58 Abs 1 ASGG; auf die Kosten der zweiten Instanz ist ungeachtet des fehlerhaften Kostenvorbehaltes bei der Kostenbestimmung nicht Bedacht zu nehmen.

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