OGH 2Ob386/97x

OGH2Ob386/97x12.2.1998

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Angst als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Niederreiter, Dr.Schinko, Dr.Tittel und Dr.Baumann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Wolfgang D*****, vertreten durch Dr.Wolfgang Paumgartner, Rechtsanwalt in Salzburg, wider die beklagte Partei Dr.Friedrich L*****, vertreten durch Dr.Peter Bönsch, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen S 367.393,41 sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 7.Oktober 1997, GZ 1 R 211/97y-11, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 2.Juni 1997, GZ 2 Cg 62/97k-5, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben und das angefochtene Urteil aufgehoben; zugleich wird auch das Urteil des Erstgerichtes aufgehoben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an dieses zurückverwiesen.

Die Kosten der Rechtsmittelverfahren sind als weitere Verfahrenskosten zu behandeln.

Text

Begründung

Der Kläger war als selbständiger Versicherungskaufmann als Vermittler für eine Versicherungsgesellschaft tätig. Abgeschlossene Verträge gab er bei dieser Gesellschaft ab und erhielt dafür Provisionen. Ab 1989 war auch Manfred K***** als Maklerbetreuer dieser Gesellschaft tätig. K***** füllte 1989 zwei Versicherungsverträge aus und setzte den Kläger als Vermittler ein. Er reichte die Verträge bei der Versicherungsgesellschaft ein und verlangte die Überweisung der Provision. Insgesamt wurden S 209.156 überwiesen, wovon jedenfalls S 153.000 an Manfred K***** ausbezahlt wurden. Da auf die Versicherungsverträge keine Prämien einbezahlt wurden, belastete die Versicherungsgesellschaft den Kläger mit S 209.156 auf seinem Provisionskonto und machte den Betrag zu 2 Cg 40/93 des Landesgerichtes Salzburg klageweise geltend. Am 12.9.1991 erging ein klagsstattgebendes Versäumungsurteil. Die vom Kläger gestellten Anträge auf Aufhebung der Vollstreckbarkeit, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und auch die von ihm erhobene Nichtigkeitsberufung blieben erfolglos. Der Kläger wurde verpflichtet, die mit S 40.401,70 bestimmten Prozeßkosten zu ersetzen. Das Gericht ging davon aus, daß der Kläger zur Zeit der Zustellung der Klage und des Versäumungsurteiles seinen regelmäßigen Aufenthalt an der Abgabestelle hatte und die Hinterlegung daher rechtmäßig erfolgt und kein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis vorgelegen sei. Infolge seiner Säumnis war es dem Kläger verwehrt, in diesem Rechtsstreit geltend zu machen, daß er mit beiden Versicherungsanträgen nichts zu tun hatte.

Im Verfahren 5 Cg 117/94 des Landesgerichtes Salzburg machte der Kläger gegenüber Manfred K***** in eventu einen Anspruch auf Zahlung von S 209.156 sA geltend. Er führte aus, K***** habe ihn bei der Versicherungsgesellschaft als Empfänger der Provisionen angegeben, weshalb er von dieser auf Rückzahlung in Anspruch genommen worden sei.

Manfred K*****, vertreten durch den Beklagten, wendete in der Klagebeantwortung ein, das Klagebegehren werde sowohl der Höhe nach als auch dem Grunde nach bestritten; dem Kläger stehe keine wie immer geartete Forderung zu.

Diese Klage wurde vom Erstgericht mit der Begründung abgewiesen, daß der Kläger wegen seiner Säumnis im Verfahren zu 2 Cg 40/93 des Landesgerichtes Salzburg selbst an seinem Schaden schuld sei und aus Gründen der Schadensminderungspflicht und der Schadensvermeidung verpflichtet gewesen wäre, sich gehörig in dieses Verfahren einzulassen. In diesem Falle wäre es nicht zur Verurteilung und zu dem nunmehr geltend gemachten Schaden gekommen. Das vom Kläger angerufene Berufungsgericht gab hingegen dem Eventualbegehren auf Zahlung von S 209.156 sA statt; Manfred K***** habe den Schaden des Klägers adäquat verursacht und verschuldet und habe deshalb dem Kläger gegenüber zu haften. Da er nur eine leere Klagebeantwortung erstattet und kein Mitverschulden eingewendet habe, sei ein solches auch nicht zu prüfen.

Nach Rechtskraft des Urteiles brachte der Kläger gegen Manfred K***** einen Antrag auf Exekution durch Pfändung und Überweisung des dem Verpflichteten Manfred K***** gegen seinen Verfahrenshelfer, den nunmehrigen Beklagten, zustehenden Schadenersatzanspruches bis zur Höhe der betriebenen Forderung ein. Die Exekutionsbewilligung wurde dem Beklagten am 18.12.1996 zugestellt, eine Drittschuldneräußerung wurde nicht erstattet.

In der vorliegenden Drittschuldnerklage brachte der Kläger vor, der Beklagte habe es im Vorprozeß unterlassen, einen Allein- bzw Mitverschuldenseinwand zu erheben, weshalb Manfred K***** diesen zur Gänze verloren und zur Zahlung des Betrages von S 209.156 sA samt Zinsen und Kosten verurteilt worden sei. Der Beklagte hätte auch nicht auf die Parteienvernehmung von K***** verzichten und sich mit der Verlesung seiner (des Klägers) Aussage einverstanden erklären dürfen. Aufgrund der Unterlassungen des Beklagten sei seiner Klage gegen Manfred K***** stattgegeben worden, weshalb K***** einen Anspruch auf Ersatz des von ihm zu zahlenden Betrages von S 209.156 samt Zinsen und Kosten habe.

Der Beklagte bestritt und wendete ein, keine Drittschuldnerverständigung erhalten zu haben. Weiters habe er im Vorprozeß von Manfred K***** trotz mehrfacher Aufforderung keine Information erhalten, weshalb er auch kein konkretes Vorbringen erstatten habe können. Überdies sei die Prozeßführung des Klägers mutwillig. Der Kläger hätte, falls er (Beklagter) so gehandelt hätte, wie es vom Kläger nunmehr verlangt werde, den Vorprozeß verloren und stünde ihm daraus kein Anspruch zu.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren kostenpflichtig ab, weil der Kläger durch die Geltendmachung der Forderung von K***** insoferne bereichert sei, als er denselben Anspruch zweimal erhalten würde. Schließlich habe er gerade durch die angebliche Säumnis des Beklagten den Prozeß gegen K***** gewonnen, was nach seinen eigenen Ausführungen nicht der Fall gewesen wäre, wenn der Beklagte K***** auch ordnungsgemäß vertreten hätte. Der Kläger könne nicht das, was er aufgrund des angeblichen Fehlers des Beklagten nunmehr von K***** erhalte, vom Beklagten noch einmal bekommen.

Dagegen erhob der Kläger in zwei getrennten Schriftsätzen Berufung und Kostenrekurs.

Das Berufungsgericht bestätigte die angefochtene Entscheidung in der Hauptsache und im Kostenpunkt und sprach aus, die ordentliche Revision nach § 502 Abs 1 ZPO sei zulässig, der Rekurs gegen die Kostenentscheidung aber jedenfalls unzulässig.

Das Berufungsgericht lehnte die Ansicht des Erstgerichtes, eine stattgebende Entscheidung würde zu einer Bereicherung des Klägers führen, ab, weil K***** offensichtlich seiner Verpflichtung zur Erfüllung der Judikatschuld nicht nachgekommen sei. Dennoch sei die Entscheidung des Erstgerichtes im Ergebnis zutreffend. Im Vorbringen des Beklagten, die Prozeßführung sei mutwillig und es hätte der Kläger den Prozeß verloren, wenn der Beklagte den Einwand des Allein- oder Mitverschuldens erhoben hätte, sei der Einwand der Sittenwidrigkeit zu erblicken. Daß der Beklagte nicht ausdrücklich Sittenwidrigkeit behauptet habe, sei bedeutungslos, weil sich dieser Einwand aus seinem Vorbringen ableiten lasse.

Dazu werde sowohl in der österreichischen Rechtsprechung (SZ 26/310; JBl 1997, 252 = ÖBA 1997, 201 = RdW 1997, 74; immolex 1997, 253 = RdW 1997, 391) als auch in der deutschen Lehre und Rechtsprechung (Heinrichs in Palandt, BGB56 Rz 55 f zu § 242) die Auffassung vertreten, daß widersprüchliches Verhalten (venire contra factum proprium) einen Verstoß gegen die guten Sitten darstellen könne. Allgemein sehe man darin Fälle, in denen ein Teil für den anderen einen Vertrauenstatbestand geschaffen habe und nun von dieser Vertrauensbasis abrücken wolle. Dieser für das Vertragsrecht geschaffene Sittenwidrigkeitstatbestand lasse sich aber auch auf prozessuales Verhalten wie im zu entscheidenden Fall anwenden. Der Kläger habe durch die behauptete Pflichtverletzung des Beklagten als Prozeßvertreter von K***** im Vorprozeß zur Gänze obsiegt. Hätte also der Beklagte unter Zugrundelegung der Behauptungen des Klägers eine ordnungsgemäße Prozeßvertretung durchgeführt, wäre der Kläger im Vorprozeß voll oder teilweise unterlegen und wäre die bestrittene Forderung gar nicht oder nur zum Teil entstanden. Um im gegenständlichen Drittschuldnerprozeß zu obsiegen, müsse der Kläger also ein pflichtwidriges Verhalten des Beklagten unter Beweis stellen. Damit nehme er aber eine rechtliche Position ein, welche seiner im Vorprozeß eingeschlagenen Prozeßführung zuwiderlaufe. Ein derartig widersprüchliches Verhalten, aus welchem der Kläger Vorteile für die Einbringlichmachung seiner Forderung ziehen wolle, sei aber mit dem Grundsatz von Treu und Glauben, der das österreichische Zivilrecht und auch das Verfahrensrecht (Fasching, LB**2 Rz 135) beherrsche, unvereinbar.

Die ordentliche Revision wurde als zulässig angesehen, weil zu einer derartigen Fallkonstellation eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofes fehle.

Dagegen richtet sich die Revision des Klägers mit dem Antrag, die Entscheidungen der Vorinstanzen dahin abzuändern, daß dem Klagebegehren stattgegeben werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Beklagte hat sich am Revisionsverfahren nicht beteiligt.

Die Revision ist aus den vom Berufungsgericht aufgezeigten Gründen zulässig und im Sinne ihres Eventualantrages auf Aufhebung auch berechtigt.

Die klagende Partei weist in ihrem Rechtsmittel darauf hin, daß es sich bei der gegenständlichen Klage um eine Drittschuldnerklage handle. Manfred K***** würde bei einer Klage gegen den Beklagten auf Schadenersatz deshalb durchdringen, weil dieser im Vorprozeß den Mitverschuldenseinwand nicht erhoben habe. Mit einem entsprechenden Urteil würde K***** den erlittenen Schaden ersetzt bekommen, den er dann an ihn (den Kläger) bezahlen könnte. Ohne Zweifel könne er auch die Manfred K***** gegen den Beklagten zustehende Forderung auf Zahlung eines obsiegten Betrages pfänden und sich überweisen lassen. Das einzig ungewöhnliche am vorliegenden Fall sei, daß er nicht abwarte, bis K***** seinerseits die Klage gegen den Beklagten einbringe, sondern daß der Anspruch vorweg gepfändet worden sei. Es sei von den Vorinstanzen auch nicht beachtet worden, daß eine rechtskräftige Exekutionsbewilligung vorliege, in welcher zu seinen Gunsten der Anspruch des Manfred K***** gegen den Beklagten aus mangelhafter Vertretung gepfändet und an ihn überwiesen wurde. An diese Exekutionsbewilligung sei das Gericht gebunden. Es könne nicht sittenwidrig sein, wenn er aufgrund dieser Exekutionsbewilligung die Klage gegen den Drittschuldner einbringe. Die "vorzeitige" Inanspruchnahme des Beklagten könne kein widersprüchliches Verhalten gegen die guten Sitten darstellen.

Im übrigen stelle das Vorbringen des Beklagten, daß die Prozeßführung mutwillig sei bzw daß er (Kläger) den Prozeß verloren hätte, wenn der Beklagte den Einwand des Allein- oder Mitverschuldens gemacht hätte, nicht den Einwand der Sittenwidrigkeit dar. Dieser sei nur dann zu beachten, wenn er ausdrücklich eingewendet wurde. Dies sei im vorliegenden Fall nicht geschehen.

Diesen Ausführungen kann nicht gefolgt werden; hiezu wurde erwogen:

Rechtliche Beurteilung

Durch die Überweisung des dem Verpflichteten Manfred K***** gegen den Beklagten zustehenden Schadenersatzanspruches an den betreibenden Kläger wurde dieser berechtigt, die Forderung so geltend zu machen, wie sie dem Verpflichteten gegen den Drittschuldner (Beklagten) zusteht (SZ 52/37 mwN). Gegenstand des hier vorliegenden Drittschuldnerprozesses kann daher nur das Bestehen der Forderung des Verpflichteten gegen den Drittschuldner sein (ecolex 1996, 272 = NZ 1996, 341 = RdW 1996, 410; GesRZ 1996, 242). Dem Verpflichteten gegenüber kann sich der Drittschuldner aber zweifellos nicht auf ein sittenwidriges Verhalten des Überweisungsgläubigers berufen, zumal aus § 308 Abs 2 EO abzuleiten ist, daß die Verhältnisse beim Kläger im Drittschuldnerprozeß überhaupt keine Rolle spielen. Es kann aber keinen Unterschied machen, ob der Verpflichtete den Anspruch selbst einklagt oder ob der Kläger es tut. Dem Drittschuldner sind auch Einwendungen aus dem Verhältnis zwischen dem Kläger und dem Verpflichteten versagt (Heller/Berger/Stix III 2231).

Dies bedeutet, daß sich der beklagte Drittschuldner nicht auf ein sittenwidriges Verhalten des klagenden Überweisungsgläubigers berufen kann. Es kann daher dahingestellt bleiben, ob den Ausführungen des Beklagten der Einwand der Sittenwidrigkeit zu entnehmen ist.

Die von den Vorinstanzen herangezogenen Gründe für die Klagsabweisung sind sohin nicht zutreffend, sondern bedarf es einer Prüfung der vom Kläger geltend gemachten Forderung des Manfred K*****. Da darüber keine Feststellungen getroffen wurden, waren die Entscheidungen der Vorinstanzen aufzuheben und es war dem Erstgericht eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufzutragen.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf §§ 52 ZPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte