OGH 15Os12/98

OGH15Os12/9812.2.1998

Der Oberste Gerichtshof hat am 12.Februar 1998 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Reisenleitner als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag.Strieder, Dr.Rouschal, Dr.Schmucker und Dr.Zehetner als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr.Benner als Schriftführer, in der Strafsache gegen Ewald H***** wegen des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Geschworenengerichtes beim Landesgericht für Strafsachen Graz vom 9.Oktober 1997, GZ 10 Vr 3044/96-58, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben; es werden der Wahrspruch der Geschworenen zu den Hauptfragen II und IV sowie das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, in den darauf beruhenden Schuldsprüchen wegen der Verbrechen des versuchten Mordes nach §§ 15, 75 StGB und der schweren Nötigung (an Anita G*****) nach §§ 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 StGB (Punkt 2 und 4 des Urteilssatzes) und demgemäß auch im Strafausspruch aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an ein anderes Geschworenengericht beim Landesgericht für Strafsachen Graz verwiesen, dem aufgetragen wird, den unberührt gebliebenen Teil des Wahrspruches (zu den Hauptfragen I und III) der Entscheidung mitzugrundezulegen.

Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde zurückgewiesen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten die durch den erfolglos gebliebenen Teil seiner Nichtigkeitsbeschwerde verursachten Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil wurde Ewald Valentin H***** der Verbrechen des Mordes nach § 75 StGB (1), des versuchten Mordes nach §§ 15, 75 StGB (2) und der schweren Nötigung nach §§ 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 StGB (3 und 4) schuldig erkannt.

Danach hat er am 18.November 1996 in Frauental

1. Erich E***** durch einen gezielten Schuß aus einem Kleinkalibergewehr getötet;

2. versucht, Anita G***** durch einen gezielten Schuß aus einem Kleinkalibergewehr zu töten, wobei die Tatvollendung unterblieb, weil sich Anita G***** bückte und das Geschoß sie daher verfehlte;

3. Gernot P***** dadurch mit Gewalt und durch gefährliche Drohung mit dem Tod zu einer Handlung und einer Unterlassung genötigt, daß er ihn durch die Ankündigung, er werde ihn sonst aufschlitzen, zum Loslassen des Kleinkalibergewehres veranlaßte und, indem er ihn zur Seite stieß und ankündigte, er werde ihn sonst erschießen, zur Abstandnahme von einer Verhinderung der Schußabgabe auf Erich E*****;

4. Anita G***** durch die "wiederholte" Ankündigung, er werde die Person erschießen, die die Gendarmerie verständige, und indem er den zu Punkt 2 beschriebenen gezielten Schuß auf sie abgab, sohin durch gefährliche Drohung mit dem Tod und teils mit Gewalt zu einer Unterlassung, nämlich der geforderten Abstandnahme von der "weiteren telefonischen Verständigung der Gendarmeriebeamten" genötigt.

In ihrem Wahrspruch hatten die Geschworenen die anklagekonform gestellten Hauptfragen I bis IV bejaht; folgerichtig blieben die für den Fall der Verneinung der Hauptfrage II gestellte Eventualfrage V nach dem Verbrechen der versuchten absichtlichen schweren Körperverletzung gemäß §§ 15, 87 Abs 1 StGB und die für den Fall der Verneinung der Hauptfrage II und Verneinung der Eventualfrage V gestellte weitere Eventualfrage VI nach dem Vergehen der versuchten schweren Körperverletzung gemäß §§ 15, 83 Abs 1, 84 Abs 1, Abs 2 Z 1 StGB unbeantwortet.

Der Angeklagte erhob eine auf die Z 6, 8 und 10 a des § 345 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde, welcher in Ansehung der Schuldsprüche 2 und 4 Berechtigung zukommt.

Rechtliche Beurteilung

Obwohl der Nichtigkeitswerber eingangs der Rechtsmittelschrift erklärt, das Urteil werde nur in den Fakten 2 und 4 angefochten, und sich die Ausführungen inhaltlich auch nur auf diese Schuldsprüche beschränken, erstrecken sich die Rechtsmittelanträge (... das angefochtene Urteil aufzuheben ...) auf alle Schuldsprüche. Soweit die Beschwerde damit über den Umfang der Schuldsprüche 2 und 4 hinausgeht, ist sie schon deshalb unzulässig, weil es ihr an der vom Gesetz vorausgesetzten deutlichen und bestimmten Bezeichnung von gesetzlichen Nichtigkeitsgründen mangelt und sie auch ausdrückliche oder doch durch deutliche Hinweisung angeführte Tatumstände vermissen läßt, die Nichtigkeitsgründe bilden sollen. In diesem Umfang war daher die Nichtigkeitsbeschwerde gemäß §§ 285 d Abs 1 Z 1, 344 iVm § 285 a Z 2 StPO bereits bei der nichtöffentlichen Beratung zurückzuweisen.

In seiner Tatsachenrüge (Z 10 a - der Sache nach jedoch Z 12 des § 345 Abs 1 StPO) macht der Beschwerdeführer geltend, die Verbrechen des versuchten Mordes nach §§ 15, 75 StGB und der schweren Nötigung nach §§ 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 StGB in bezug auf das Urteilsfaktum 4 könnten nicht nebeneinander bestehen, weil die Abgabe eines Schusses auf die Zeugin G***** nur entweder mit Tötungsvorsatz oder nur mit dem (Nötigungs-)Vorsatz, die Genannte von der weiteren Verständigung der Gendarmerie abzuhalten, erfolgt sein konnte.

Diesem Einwand kommt Berechtigung zu.

Eine Nötigung ist ihrem Wesen nach grundsätzlich eine Willensbeugung und nicht eine Willensausschaltung. Auch wenn der Täter Gewalt als Nötigungsmittel anwendet, soll das Opfer hiedurch zu einer Willensentschließung oder -betätigung in Form einer Handlung, Duldung oder Unterlassung veranlaßt werden (Leukauf/Steininger Komm3 RN 14 ff; Foregger/Kodek StGB6 Anm II; aM Kienapfel BT I4 Rz 14 f jeweils zu § 105).

Wenn nun der Angeklagte einen gezielten Schuß auf Anita G***** mit dem Vorsatz abgab, sie zu töten (Schuldspruch 2), steht diese Handlung im logischen Gegensatz dazu, daß er durch denselben Schuß sein Opfer (auch) zu einer Unterlassung "der weiteren Verständigung der Gendarmeriebeamten" nötigen wollte. Denn war der Vorsatz auf Tötung gerichtet, wäre die logische Folge eine beabsichtigte unmittelbare Ausschaltung des Willens des Tatopfers und nicht die Beugung seines Willens, um eine Unterlassung zu erreichen.

Die beiden in Verdikt der Geschworenen und im Urteil angenommenen Taten schließen einander daher in dieser - von der Anklageschrift und von der dieser folgenden Fragestellung vorgegebenen - Form aus.

Wie die Fragestellungsrüge (Z 6) zutreffend aufzeigt, hat es der Schwurgerichtshof unterlassen, der in diesem Punkt bereits verfehlten Anklage nach der gemäß § 312 Abs 1 StPO gebotenen Stellung der anklagekonformen Hauptfragen II und IV mit einer entsprechenden Aufgliederung sowie Stellung von Eventualfragen zu begegnen. Auch die Instruktion der Geschworenen ist, wie die Beschwerde (Z 8) bemängelt, infolge Nichterörterung der Problematik der Abgrenzung der Begehung der Verbrechen des versuchten Mordes und der schweren Nötigung durch dieselbe Gewalthandlung derart unvollständig geblieben, daß die Geschworenen bei Lösung der maßgeblichen wesentlichen Rechtsbegriffe irregeleitet werden konnten.

Dazu kommt, daß sich hinsichtlich des gleichrangigen Nötigungsmittels der Drohung mit dem Erschießen - im Sinne der weiteren Tatsachenrüge - aus den Akten tatsächlich erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der im Wahrspruch der Geschworenen festgestellten entscheidenden Tatsachen ergeben.

Wie die Zeugin Anita G***** in der Hauptverhandlung angegeben hat, drohte der Angeklagte unmittelbar nach Abgabe des ersten Schusses gegen Erich E***** mit den Worten: "Wennst die Gendarmerie rufst, dann erschieße ich euch". Trotz dieser "Warnung" sei sie sofort zum Telefon gegangen und habe die Gendarmerie gerufen (71/II). Weitere Drohungen, nachdem sie den Anruf getätigt hatte, hat sie nicht behauptet. Dies bestätigten auch die Zeugen Josef M***** (83/II), Thomas G***** (89/II) und Werner P***** (95/II). Der Zeuge Johann A***** sprach sogar davon, daß die Drohung vom Angeklagten vor Abgabe des ersten Schusses ausgesprochen wurde (75/II).

Diesen Aussagen folgend, ergäbe sich aber, daß es dem Angeklagten mit seiner Drohung nicht gelungen ist, die Zeugin G***** von der Verständigung der Gendarmerie abzuhalten, diese Tat daher beim Versuch geblieben ist und weitere Drohungen, die auf ein Abhalten der Zeugin von einer "weiteren telefonischen Verständigung der Gendarmeriebeamten" abzielten, vom Angeklagten nicht ausgesprochen wurden.

Dieses Tatsachenvorbringen in der Hauptverhandlung hätte eine Eventualfrage gemäß § 314 Abs 1 StPO nach dem Verbrechen der versuchten schweren Nötigung indiziert, die aber - wie die Beschwerde unter der Z 6 des § 345 Abs 1 StPO zu Recht aufzeigt - nicht gestellt wurde; demzufolge unterblieb auch eine Instruktion der Geschworenen hiezu.

Daraus folgt aber, daß der Wahrspruch zur Hauptfrage IV und der darauf gegründete Schuldspruch 4 zur Gänze und wegen des inneren Zusammenhanges sowie, um den Geschworenen eine Gesamtbeurteilung des Sachverhaltes zu ermöglichen, zudem auch der Wahrspruch zur Hauptfrage II und der darauf gegründete Schuldspruch 2 gemäß §§ 285 e, 344 StPO bereits bei der nichtöffentlichen Sitzung aufzuheben waren und in diesem Umfang die Verfahrenserneuerung stattzufinden hat.

Im erneuerten Verfahren wird daher zunächst zu klären sein, in welcher zeitlichen Abfolge des Gesamtgeschehens der Angeklagte Drohungen ausgesprochen oder Gewalthandlungen (etwa Abgabe eines Schusses über die Köpfe hinweg) gesetzt hat und ob diese eine Willensbeugung bei der Zeugin G***** bewirkten oder nicht. Je nach dem substantiierten Vorbringen in der Hauptverhandlung wird sodann allenfalls das Frageschema dahin zu ergänzen sein, daß eine entsprechende Eventualfrage gemäß § 314 Abs 1 StPO nach dem Verbrechen der versuchten schweren Nötigung gemäß §§ 15, 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 StGB gestellt wird. In der schriftlichen Rechtsbelehrung werden die Geschworenen im Sinn der herrschenden Rechtsprechung über die bereits zitierte Abgrenzung zur Willensbeugung und Willensausschaltung, somit darüber zu instruieren sein, daß die Abgabe eines gezielten Schusses mit Tötungsvorsatz dessen gleichzeitige Beurteilung als Gewalthandlung zur Verwirklichung des Verbrechens der schweren Nötigung ausschließt und letztere nur dann angenommen werden könnte, wenn es sich um einen solchen Schuß handelte, der nur zur Einschüchterung und damit zur Willensbeugung diente, was aber diesfalls der gleichzeitigen Annahme eines Tötungsvorsatzes widersprechen würde.

Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf den kassatorischen Teil der Entscheidung zu verweisen.

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