OGH 4Ob383/97w

OGH4Ob383/97w27.1.1998

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Hofrätin des Obersten Gerichtshofes Dr.Griß als Vorsitzende, durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kodek, den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr.Graf, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofes Dr.Schenk und den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr.Vogel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Heidi P*****, vertreten durch Dr.Markus Ch.Weinl, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Hans P*****, vertreten durch Mag.Martin Mennel, Rechtsanwalt in Feldkirch, wegen Feststellung der Unwirksamkeit gerichtlicher Vergleiche (Streitwert S 60.000,--), infolge Rekurses der klagenden Partei gegen den im Ablehnungsverfahren ergangenen Beschluß des Oberlandesgerichtes Innsbruck vom 26.November 1997, GZ 3 Nc 31/97k-30, womit die Ablehnung aller Richter des Landesgerichtes Feldkirch als nicht gerechtfertigt erkannt wurde, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Ablehnungswerberin hat die Kosten ihres Rekurses selbst zu tragen.

Text

Begründung

Die Klägerin begehrte in ihrer am 15.September 1995 beim Bezirksgericht F***** eingebrachten Klage, mit Urteil festzustellen, daß die im (Scheidungs-)Vergleich vom 15.11.1984 (richtig 29.10.1984) unter Punkt 4. enthaltene Verpflichtung, die Rückzahlungen von monatlich S 2.500,-- für die Investitionen in der Ehewohnung ab sofort allein zu übernehmen und insoweit den Beklagten schad- und klaglos zu halten, und die in dem (im Verfahren 1 C 5/92p des Bezirksgerichtes F***** geschlossenen) Vergleich vom 27.1.1992 unter Punkt 2 enthaltene Verpflichtung, an den Beklagten als Ausgleich für die angeblich von diesem geleisteten Zahlungen den Pauschalbetrag von S 40.000 in monatlichen Raten zu S 1.000 zu zahlen, rechtsungültig bzw erloschen seien (ON 1). In der Folge begehrte sie die weitere Feststellung, daß mit dem Vergleich vom 27.1.1992 unter Punkt 1 keine neue Unterhaltsvereinbarung getroffen worden sei, sondern die ursprüngliche Unterhaltsvereinbarung vom 29.10.1984 wiederholt worden bzw unverändert aufrecht geblieben sei (S 51). Als die Klägerin in der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 13.5.1996 die zeugenschaftliche Vernehmung des Richters Dr.Franz S***** beantragte, vor welchem die angeführten Vergleiche geschlossen worden waren, wies der die Verhandlung führende Richter darauf hin, daß er mit diesem Zeugen befreundet sei, daraus aber vorerst keine Befangenheit ableiten könne. Daraufhin lehnte die Klägerin den Verhandlungsrichter wegen Befangenheit ab. Sie beabsichtige, der Republik Österreich wegen Amtshaftung den Streit zu verkünden, weil Dr.Franz S***** sie seinerzeit in den Vorprozessen als unvertretene Prozeßpartei nicht ausreichend belehrt und angeleitet habe. Hieraus könnten sich Schadenersatzansprüche gegen die Republik Österreich und auch gegen den als Zeugen geführten Richter als schuldhaftes Organ ergeben. Im Hinblick auf das freundschaftliche Verhältnis zwischen dem Verhandlungsrichter und dem Zeugen sei zu befürchten, daß nicht mit völliger Unbefangenheit verhandelt und entschieden werde.

In der Folge erklärten sämtliche Richter des Bezirksgerichtes F*****, dessen Vorsteher Dr.Franz S***** ist, ihre Befangenheit.

Mit Beschluß vom 9.7.1996 erkannte das Landesgericht Feldkirch die (Selbst-)Ablehnung der Richter des Bezirksgerichtes F***** für gerechtfertigt, sprach auch (in der Begründung) aus, daß der Vorsteher des Bezirksgerichtes ausgeschlossen sei, weil er als Zeuge vernommen werden solle, und wies den Akt dem Bezirksgericht B***** zu (ON 11).

In dem dagegen erhobenen Rekurs lehnte die Klägerin sämtliche Richter des Landesgerichtes Feldkirch wegen Befangenheit ab. Der Rekurssenat des Oberlandesgerichtes Innsbruck unterbrach hierauf das Rekursverfahren bis zur Entscheidung durch den nach der Geschäftsverteilung zur Entscheidung über Ablehnungs- und Befangenheitsangelegenheiten in Zivilsachen berufenen Senat desselben Gerichtes über die Ablehnung sämtlicher Richter des Landesgerichtes Feldkirch.

Mit Beschluß vom 6.11.1996, 2 Nc 21/96f-10, erklärte der Ablehnungssenat die Ablehnung aller Richter des Landesgerichtes Feldkirch für nicht gerechtfertigt.

Der Oberste Gerichtshof gab dem dagegen von der Klägerin erhobenen Rekurs mit Beschluß vom 28.1.1997, 4 Ob 2373/96s, nicht Folge.

Mit Beschluß des nunmehr zuständigen Bezirksgerichtes B***** vom 22.9.1997, ON 22, wurde Dr.Reinhard H***** zum (psychiatrischen) Sachverständigen bestellt und beauftragt, Befund und Gutachten darüber zu erstatten, ob die Klägerin bei Abschluß der beiden Vergleiche die dafür erforderliche "Dispositionsfähigkeit" besessen habe.

Gleichzeitig mit dem gegen diesen Beschluß erhobenen Rekurs lehnte die Klägerin abermals sämtliche Richterinnen und Richter des Landesgerichtes Feldkirch, einschließlich des Präsidenten und des Vizepräsidenten, ab. Der Rechtszug vom Bezirksgericht B***** führe wiederum zum Landesgericht Feldkirch. Der Richter Dr.Franz S*****, welcher als Zeuge einvernommen werden solle, sei früher Richter des Landesgerichtes Feldkirch gewesen. Es sei daher zu befürchten, daß er auch zu den Richtern dieses Gerichtes nicht nur rein dienstliche, sondern freundschaftliche Beziehungen unterhalte. Außerdem hätten die Mitglieder des Rechtsmittelsenates Dr.Alfons D*****, Dr.Josef F***** und Dr.Richard H***** im Verfahren 1 C 56/95b des Bezirksgerichtes F***** als Mitglieder des Berufungssenates an einer sachlich unrichtigen Entscheidung mitgewirkt. Auch wegen dieser unvertretbaren Entscheidung sei ein Amtshaftungsprozeß gegen die Republik Österreich anhängig. In der Berufungsentscheidung vom 13.2.1996, 1 R 23/96g, werde nämlich (ua) ausgeführt, daß mit dem Vergleich vom 27.1.1992, 1 C 5/92-3, auch der Unterhalt geregelt werden sollte. Tatsächlich sei es aber in diesem Verfahren nur um die Frage der Unterhaltsherabsetzung gegangen und Punkt 1 des Vergleiches vom 29.10.1984 nur nochmals festgehalten worden. Auch die Rechtsansicht des Berufungssenates, es sei nicht geboten oder üblich, vor Abschluß von Vergleichen über Ehegattenunterhalt von Amts wegen die Einkommensverhältnisse der Parteien zu erkunden, sei sachlich unrichtig und dokumentiere die fehlende Unvoreingenommenheit. Da die Parteien bei Abschluß der Vergleiche anwaltlich nicht vertreten gewesen seien, habe den Verhandlungsrichter eine erhöhte Anleitungspflicht getroffen. Das Berufungsgericht wolle offensichtlich den Erstrichter decken. Die im vorliegenden Verfahren zu erwartenden Entscheidungen berührten die Rechtsposition des betroffenen Richters Dr.Franz S*****.

Die nach der Geschäftsverteilung des Landesgerichtes Feldkirch zuständigen Senatsmitglieder Vizepräsident des Landesgerichtes Dr.Alfons D***** sowie die Richter des Landesgerichtes Dr.Josef F***** und Dr.Richard H***** erklärten, sich nicht befangen zu fühlen.

Mit dem angefochtenen Beschluß wies das Oberlandesgericht Innsbruck die Ablehnung aller Richter des Landesgerichtes Feldkirch als nicht gerechtfertigt zurück und sprach aus, daß der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei. Den Entscheidungsgegenstand in dem konkreten Rekursverfahren bilde die Frage der rechtmäßigen Bestellung eines Sachverständigen aus dem Bundesland Vorarlberg zur Klärung, ob die Klägerin bei Abschluß der Vergleiche in den Vorverfahren dispositionsfähig gewesen sei. Bei der Beurteilung der Frage, ob diese Sachverständigenbestellung zu Recht erfolgt sei, spielten Erwägungen über die Glaubwürdigkeit der Aussage des Zeugen Dr.Franz S***** keine Rolle. Das von der Klägerin geltend gemachte angebliche Naheverhältnis der Richter und Richterinnen des Landesgerichtes Feldkirch zu Dr.Franz S***** habe daher auf die Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Bestellung Dr.Reinhard H*****s zum Sachverständigen keinerlei Einfluß. Ob die mit Dr.Franz S***** befreundeten Richter des Landesgerichtes Feldkirch, welche über eine im Verfahren 4 C 666/97m des Bezirksgerichtes B***** (= 2 C 765/96d des Bezirksgerichtes F*****) in Zukunft allenfalls ergehende Entscheidung zu befinden haben werden, in diesem künftigen Rechtsmittelverfahren befangen sein könnten, sei hier nicht zu beurteilen. Soweit sich die Klägerin darauf berufe, daß die Mitglieder des Berufungssenates an einer sachlich unrichtigen Entscheidung mitgewirkt hätten, sei darauf zu verweisen, daß nach ständiger Rechtsprechung eine unrichtige Sachentscheidung nicht zur Begründung einer Befangenheit herangezogen werden könne. Selbst für den Fall, daß die Ablehnungswerberin wegen einer unrichtigen Entscheidung des nunmehr zuständigen Rechtsmittelsenates in einem Vorprozeß Amtshaftungsansprüche gegen die Republik Österreich geltend gemacht haben sollte, könnte daraus eine Befangenheit der betroffenen Richter nicht abgeleitet werden. Unrichtige Sachentscheidungen und der Umstand, daß aus Amtshandlungen des abgelehnten Richters ein Amtshaftungsanspruch abgeleitet werde, begründeten keinen tauglichen Ablehnungsgrund.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen diesen Beschluß erhobene Rekurs der Klägerin ist nicht berechtigt.

Die geltend gemachte Mangelhaftigkeit des Rekursverfahrens liegt nicht vor. Auch bei Berücksichtigung der Umstände, welche nach dem Rechtsmittelvorbringen aus den dort angeführten - im übrigen dem Ablehnungssenat erster Instanz ohnehin bekannten - Akten zu entnehmen sind, wäre für die Ablehnungswerberin nichts zu gewinnen:

Die Klägerin hat die Ablehnung sämtlicher Richter des Landesgerichtes Feldkirch in erster Instanz nicht darauf gestützt, daß diese mit Dr.Reinhard H***** - um dessen Bestellung zum Sachverständigen es im Rekursverfahren geht - mit allen Richtern des Landesgerichtes Feldkirch befreundet seien und deshalb eine Unbefangenheit dieser Richter bei Entscheidung über den Rekurs in Zweifel zu ziehen wäre. Sie hat lediglich in ihrer Bekanntgabe vom 2.9.1997, ON 21, behauptet, daß die in Vorarlberg ansässigen Sachverständigen für Psychiatrie "mit den befangenen Richtern dienstlichen, teilweise privaten Kontakt" hätten, sodaß es objektiv geboten sei, einen außerhalb von Vorarlberg tätigen Sachverständigen heranzuziehen. Ganz abgesehen davon, daß sie dieses Vorbringen in ihren Ablehnungsantrag ON 25 nicht aufgenommen hat, wurde damit auch nicht konkret behauptet, daß alle Richter des Landesgerichtes Feldkirch oder doch bestimmte namentlich angeführte Richter tatsächlich einen privaten Kontakt mit Dr.H***** hätten, der so weit gehe, daß eine unvoreingenommene Entscheidung über den Rekurs gegen dessen Bestellung zum Sachverständigen nicht zu erwarten wäre. Überdies hat es die Klägerin unterlassen, für das Vorliegen dieser - von den Mitgliedern des Berufungssenates bestrittenen - Ablehnungsgründe Bescheinigungsmittel anzubieten (§ 22 Abs 3 JN).

Die Rechtsmittelwerberin vermag nicht schlüssig darzulegen, welcher Zusammenhang zwischen einer allfälligen Freundschaft von Richtern des Landesgerichtes Feldkirch, insbesondere der Mitglieder des zuständigen Rechtsmittelsenates, mit Dr.Franz S***** und der Entscheidung über den Rekurs gegen die Bestellung Dr.H*****s zum Sachverständigen bestehen sollte. Weder die Frage, wer zum psychiatrischen Sachverständigen bestellt wird, noch jene, zu welchen Schlüssen dieser Sachverständige einst kommen wird, kann - soweit nach der Aktenlage zu überblicken - irgendeinen Einfluß auf Amtshaftungsansprüche haben, die allenfalls Dr.Franz S***** betreffen könnten.

Der Klägerin kann auch darin nicht gefolgt werden, daß sich die Befangenheit der Mitglieder des Rechtsmittelsenates - geschweige denn jene aller übrigen Richter des Landesgerichtes Feldkirch - aus der Entscheidung 1 R 23/96 ergebe, weil diese auf einer unvertretbaren Rechtsansicht beruhe. Der Oberste Gerichtshof hat die von der Klägerin gegen dieses Urteil erhobene außerordentliche Revision mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO mit Beschluß vom 29.8.1996, 8 Ob 2084/96w, zurückgewiesen. Weist der Oberste Gerichtshof aber eine Revision mit der Begründung zurück, es fehlten die Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO, dann kann dieser Ausspruch nur so verstanden werden, daß das Revisionsgericht das Vorliegen eines für den Streitausgang erheblichen groben Auslegungsfehlers oder krassen Denkfehlers verneinte, hätte es doch einen solchen zur Wahrung der Rechtssicherheit und Rechtseinheit jedenfalls aufgreifen müssen. Damit hat das Revisionsgericht denknotwendigerweise die Vertretbarkeit der dem berufungsgerichtlichen Urteil zugrundeliegenden Rechtsauffassungen unterstellt, weil es bei Annahme einer unvertretbaren Rechtsansicht selbst in einem Fall, in dem der zur Lösung anstehenden Rechtsfrage keine über den konkreten Rechtsstreit hinausgehende allgemeine Bedeutung beizumessen ist, aus Erwägungen der Einzelfallgerechtigkeit das Rechtsmittel meritorisch zu erledigen gehabt hätte (EvBl 1997/141 = ecolex 1997, 573 [Rabl] = ÖJZ-LSK 1997/192). Tatsächlich erscheinen die Einwände der Klägerin gegen die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes geradezu unverständlich. Wenn auch der Vergleich vom 27.1.1992 in einem Verfahren über die vom (nunmehrigen) Beklagten angestrebte Unterhaltsherabsetzung geschlossen wurde, kann doch nach dem Wortlaut des Punktes 1 kein Zweifel darüber bestehen, daß der Beklagte damit sein Herabsetzungsbegehren fallen gelassen und - anderseits - die Klägerin auf die Möglichkeit eines Erhöhungsbegehrens verzichtet hat. Der strittige Vergleichspunkt ist demnach dahin zu verstehen, daß die Unterhaltspflicht des Beklagten gegenüber der Klägerin im Sinne des Vergleichs vom 29.10.1984 unverändert bestehen bleiben sollte. Dem Berufungsgericht ist auch darin beizustimmen, daß es nicht Sache des Gerichtes ist, im Zusammenhang mit Vergleichsgesprächen amtswegige Erhebungen über den Sachverhalt - hier über die Einkommensverhältnisse - durchzuführen.

Mit Recht hat daher der Ablehnungssenat erster Instanz den Ablehnungsantrag der Klägerin für nicht gerechtfertigt erkannt.

Dem Rekurs mußte somit ein Erfolg versagt bleiben.

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