Spruch:
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung
Die Beklagte war ab 1.12.1993 als Angestellte der B***** GmbH beschäftigt, über deren Vermögen mit Beschluß des Landesgerichtes Salzburg vom 9.10.1996 das Konkursverfahren eröffnet wurde; der Kläger wurde zum Masseverwalter bestellt. Seit der Geburt ihres Kindes am 3.4.1996 befindet sich die Beklagte in einem 2-jährigen Karenzurlaub.
Der klagende Masseverwalter begehrte in seiner am 10.2.1997 eingelangten Klage als Hauptbegehren die gerichtliche Zustimmung zur Kündigung der Beklagten unter Einhaltung einer 2-monatigen Kündigungsfrist - die Abweisung des Hauptbegehrens ist inzwischen in Teilrechtskraft erwachsen - und hilfsweise (als Eventualbegehren) die Zustimmung zur Kündigung der Beklagten unter Einhaltung einer 2-monatigen Kündigungsfrist nach Ablauf des ersten Lebensjahres des Kindes.
Während das Erstgericht in rechtlicher Hinsicht ausführte, eine Klage auf Zustimmung zur Kündigung gemäß § 10 Abs 4 MSchG könne erst nach Ablauf des ersten Lebensjahres des Kindes gestellt werden, sodaß auf das diesbezügliche Vorbringen des klagenden Masseverwalters nicht einzugehen sei, gab das Berufungsgericht seiner Berufung Folge, hob das erstgerichtliche Urteil hinsichtlich des Eventualbegehrens auf und trug ihm insoweit eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf; weiters erklärte es den Rekurs an den Obersten Gerichtshof für zulässig.
Rechtliche Beurteilung
Die Entscheidungsbegründung des Berufungsgerichtes, die Klage auf Zustimmung zur Kündigung der im Karenzurlaub befindlichen Mutter könne schon vor Vollendung des ersten Lebensjahres des Kindes eingebracht und auf Zustimmung zur Kündigung nach Ablauf des ersten Lebensjahres des Kindes gestellt werden, weshalb im fortzusetzenden Verfahren die vom klagenden Masseverwalter behaupteten Kündigungsgründe nach § 10 Abs 4 MSchG zu prüfen sein werden, ist zutreffend (§ 48 ASGG; § 510 Abs 3 idF WGN 1997).
Ergänzend ist den Rekursausführungen entgegenzuhalten:
In den §§ 10 Abs 3 und 15 c Abs 10 MSchG gebraucht der Gesetzgeber den Ausdruck "Einbringung der Klage" bzw "die Klage bei Gericht .... eingebracht hat", während es in § 10 Abs 4 MSchG heißt "wenn die Klage auf Zustimmung zur Kündigung nach Ablauf des ersten Lebensjahres des Kindes gestellt wurde ......". Vergleichbar mit § 10 Abs 3 MSchG heißt es im § 12 Abs 4 APSG "Einbringung der Klage", wobei die Wendung aus § 226 Abs 1 ZPO "anzubringende Klage", § 434 Abs 1 ZPO "anbringen" zu Protokoll, § 520 Abs 1 ZPO "anbringen" zu Protokoll bzw § 39 Abs 2 Z 2 ASGG "anbringen" zu Protokoll aufgegriffen wird. Der Unterschied in der Vorsilbe (anbringen bzw einbringen) kann vernachlässigt werden und macht erkennbar keine normativen Unterschied, hingegen verbietet § 10 Abs 4 MSchG nicht das Einbringen (Anbringen) einer Klage vor Ablauf des ersten Lebensjahres des Kindes im Falle der Inanspruchnahme eines Karenzurlaubes.
Da die Kündigung erst nach der rechtsgestaltenden Zustimmung des Gerichtes ausgesprochen werden kann, müssen die Kündigungsgründe im Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Streitverhandlung (§ 406 erster Satz ZPO) vorliegen und innerhalb der danach arbeitsvertraglich gebotenen Frist nicht wegfallen, was nur über Einwand der beklagten Partei zu beachten ist. Da die Kündigung ohnedies erst nach dem Urteil der ersten Instanz - gemäß § 61 Abs 1 ASGG schon vor Rechtskraft - ausgesprochen werden kann, kann das Vorliegen der Kündigungsgründe nur auf den Zeitpunkt des rechtzeitigen Ausspruches der Kündigung im Falle eines die Kündigung gestattenden Rechtsgestaltungsurteiles bezogen werden. Die in § 10 Abs 4 MSchG gebrauchte Formulierung ist nur dann sinnvoll und entspricht dem eingeschränkten Kündigungsschutz im zweiten Lebensjahr des Kindes (Knöfler, MSchG11, 188 f), wenn die Klage schon vorher angebracht werden kann und die Zustimmung auf einen Zeitpunkt nach Ablauf des ersten Lebensjahres gerichtet ist.
Personenbezogene Kündigungsgründe werden bei fehlender Arbeitspflicht der Arbeitnehmerin während des Karenzurlaubes wohl an Bedeutung in den Hintergrund treten, sind aber bei Verstößen gegen die auch während des Karenzurlaubes fortbestehende Treuepflicht bzw gegen das Konkurrenzverbot (vgl § 27 Z 1 und 3 AngG) bzw bei Tätlichkeiten oder erheblichen Ehrverletzungen (§ 27 Z 6 AngG) keineswegs ausgeschlossen, mögen diese auch nicht das Gewicht von Entlassungsgründen erreichen. Es ist dem Gesetzgeber nicht zu unterstellen, daß er in einer verengten Sicht nur Verstöße gegen die Arbeitspflicht bedachte, die zur Unanwendbarkeit der im Gesetz angeführten persönlichen Gründe für die Zustimmung zur Kündigung im zweiten Lebensjahr des Kindes führen könnten.
Das "Beschaffen einer Kündigungszustimmung auf Vorrat" vor Ablauf des ersten Lebensjahres des Kindes verstößt nur scheinbar gegen die Entscheidung 9 ObA 178/91 (= Arb 10.935 = SZ 64/115 = DRdA 1992/20 [Petrovic] = RdW 1992, 85); dabei handelte es sich um eine vom Arbeitgeber während des noch aufrechten Kündigungsschutzes ausgesprochene Kündigung. Demgegenüber gestattet § 10 Abs 4 MSchG das Stellen eines Klagebegehrens auf Zustimmung zur Kündigung nach Ablauf des ersten Lebensjahres des Kindes.
Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 Abs 1 ZPO.
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