OGH 8Ob2343/96h

OGH8Ob2343/96h22.12.1997

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Petrag als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Langer, Dr.Rohrer, Dr.Adamovic und Dr.Spenling als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Günther W.D*****, vertreten durch Dr.Rudolf Gürtler, Rechtsanwalt in Wien, Nebenintervenient auf Seiten der klagenden Partei Dr.Alfred H*****, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Verlassenschaft nach Ruth D*****, vertreten durch den Verlassenschaftskurator Dr.Walter P*****, dieser vertreten durch Dr.Georg Fialka, Rechtsanwalt in Wien, Nebenintervenient auf Seiten der beklagten Partei Uwe D*****, vertreten durch Dr.Alexandra Sedelmayer, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 4,936.000,-- sA und Feststellung (Feststellungsinteresse S 100.000,--), infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 1.Oktober 1996, GZ 5 R 26/96x-82, mit dem infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 20.November 1995, GZ 13 Cg 221/90 = 13 Cg 101/93f-77, bestätigt wurde, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben und die Rechtssache zur Ergänzung des Verfahrens und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Ruth D***** ist am 6.5.1987 verstorben und war deutsche Staatsbürgerin. Wohnsitz und Vermögen hatte sie in Österreich. Sie hat nachstehende letztwillige Verfügung hinterlassen:

"Hiermit erkläre ich meine Kinder Sabine Z*****, geborene D*****, geboren am 16.7.1952, und Uwe D*****, geboren am 28.8.1949, zu meinen Haupterben. Ich hoffe, daß mein Mann Günther D*****, geboren am 6.1.1913 auf seinen Pflichtteil zugunsten unserer gemeinsamen Kinder verzichtet. Sobald mir genügend Zeit zur Verfügung steht, werde ich mein Vermögen genauestens aufteilen. Heute lege ich aber schon fest, daß das gesamte Grundstück F*****gasse 26 meine Tochter Sabine bekommt, während mein Sohn Uwe meine Anteile von S***** erhalten soll. Wien, am 7.9.1984."

Am 4.9.1985 verfaßte sie einen Nachtrag zu dieser letztwilligen Verfügung, der hier nicht relevant ist.

Von dieser letztwilligen Verfügung hatte der Kläger Kenntnis und zwar anläßlich einer Besprechung in den Räumlichkeiten des Steuerberaters S***** am 26.5.1987. Dort wurde in Anwesenheit des Steuerberaters, des Klägers und des Sohnes Uwe die gesamte letztwillige Verfügung genau besprochen.

Das Verlassenschaftsverfahren ist beim Bezirksgericht Hietzing zu 7 A 35/90 anhängig. Die Testamentskundmachung fand am 3.10.1987 statt. Sohn Uwe hat eine unbedingte Erbserklärung ohne Angabe der Quote und seine Schwester Sabine eine bedingte Erbserklärung ohne Angabe der Quote abgegeben. Diese beiden Erbserklärungen vom 20.10.1987 wurden am 1.12.1987 zu Gericht angenommen. Die Besorgung und Verwaltung des Nachlasses wurde den Erben bis jetzt nicht überlassen.

Mit der am 27.9.1990 eingebrachten, gegen die Verlassenschaft, diese vertreten durch die erbserklärten Erben Uwe und Sabine gerichtete Klage begehrte der Kläger den Pflichtteil in Höhe von S 4,936.000,-- (d.i. ein Sechstel des Reinnachlasses in der vermutlichen Höhe von S 29,620.457,--) und stellte ein Feststellungsbegehren dahin, daß ihm auch ein Sechstel eines allenfalls höheren Reinnachlasses zustehe. Er sei der Ehegatte der verstorbenen Erblasserin und habe mit dieser in aufrechter Ehe gelebt, weshalb ihm ein Pflichtteil gebühre. Sein Feststellungsbegehren sei berechtigt, weil noch kein Inventar errichtet, sondern erst ein Entwurf eines eidesstättigen Vermögensbekenntnisses vorliege und ihm gegenüber den Erben der Anspruch zur Angabe des Verlassenschaftsvermögens und Rechnungslegung zustehe, worüber die Erben gemäß Art XLII EGZPO einen Eid zu leisten hätten. Da der Anspruch gegenüber den Erben erst nach Einantwortung bestehe, sodaß er derzeit nicht geltend gemacht werden könne, sei zur Verhinderung der Verjährung auch sein Feststellungsbegehren berechtigt.

Die beklagte Partei bestritt das Klagebegehren sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach und beantragte die Klagsabweisung. Nach § 28 IPRG sei materiell deutsches Recht anzuwenden. Gemäß § 2332 BGB verjähre der Pflichtteilsanspruch in drei Jahren ab Kenntnis des Erbfalles und der den Pflichtteilsberechtigten beeinträchtigenden Verfügung. Die Klage sei erst am 27.9.1990 beim Prozeßgericht eingelangt; zu diesem Zeitpunkt habe der Kläger bereits mehr als drei Jahre Kenntnis vom Tod seiner Frau und von jenem Testament gehabt, mit dem lediglich die Kinder der Verstorbenen zu Erben eingesetzt worden seien. Die Klage sei daher verfristet. Überdies habe der Kläger das Verfahren nicht gehörig fortgesetzt, da ihm der Mangel der Vertretung der beklagten Partei spätestens seit der Beweisbeschlußtagsatzung vom 12.12.1990 bekannt gewesen sei, er jedoch erst über Aufforderung des Gerichtes am 9.7.1991 die Zustellung der Klage an einen zu bestellenden Verlassenschaftskurator beantragt habe. Ein allfälliger Pflichtteilsanspruch des Klägers richte sich nach deutschem Recht. Ein solcher stehe ihn aber aus diversen, näher ausgeführten Gründen, die in diesem Verfahrensstadium noch nicht von Belang sind, aber nicht zu. Das Feststellungsbegehren sei nicht berechtigt, weil der Pflichtteilsanspruch ein reiner Geldanspruch sei, der sich auf Grundlage des zum Todestag zu bewertenden Verlassenschaftsvermögen berechne.

Der Kläger replizierte - soweit dies im vorliegenden Verfahrensstadium von Belang ist -, er habe erst zum Zeitpunkt der Testamentseröffnung vom genauen Inhalt der letztwilligen Verfügung Kenntnis erlangt. Dem Verbesserungsauftrag zur Beseitigung des Mangels der Vertretung habe er fristgerecht Rechnung getragen.

Das Erstgericht erstreckte am 12.12.1990 die Tagsatzung zur Klärung der Frage, ob den erbserklärten Erben die Besorgung und Verwaltung des Nachlasses überlassen worden sei und erteilte nach Klärung dieser Frage im verneinenden Sinn dem Kläger am 3.6.1991 den Auftrag, spätestens bis 11.7.1991 den Antrag zu stellen, die Klage an einen vom Verlassenschaftsgericht zu bestellenden Kurator zustellen zu lassen. Diesem Antrag kam der Kläger fristgerecht nach und es wurde in der Folge ein Verlassenschaftskurator bestellt. Da dieser das bisherige Verfahren nicht genehmigte, wurde das gesamte Verfahren einschließlich der Klagszustellung mit Beschluß vom 30.6.1992 als nichtig aufgehoben.

In der Folge wies das Erstgericht mit Urteil vom 20.11.1995 die Klage gegen die Verlassenschaft, die nunmehr durch den Verlassenschaftskurator vertreten war, zur Gänze ab. Da die Erblasserin deutsche Staatsbürgerin gewesen sei, sei gemäß § 28 Abs 1 IPRG deutsches Recht anzuwenden. Nach diesem sei ein Pflichtteilsanspruch des Klägers verjährt, weil sich gemäß § 2332 BGB die dreijährige Verjährungsfrist ab Kenntnis des Erbfalles und der den Pflichtteilsberechtigten beeinträchtigenden Verfügung berechne; dies sei der 26.5.1987 gewesen. Sei aber der Anspruch des Klägers verjährt, bestehe auch kein Rechtschutzinteresse an dem Feststellungsbegehren. Die erbserklärten Kinder hätten entgegen den Ausführungen des auf Seiten des Klägers beigetretenen Nebenintervenienten den Pflichtteilsanspruch des Klägers nicht anerkennen können, weil sie für die Verlassenschaft gar nicht vertretungsbefugt gewesen seien.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil und ließ mangels erheblicher Rechtsfrage die Revision an den Obersten Gerichtshof nicht zu. Es übernahm die erstgerichtlichen Feststellungen hinsichtlich der Kenntnis des Klägers vom Inhalt des Testaments seit 26.5.1987. Das Verfahren sei infolge der Nichtvernehmung des Nebenintervenienten auf Seiten des Klägers und der erbserklärten Tochter Sabine zur Frage des Anerkenntnisses des Pflichtteilsanspruchs des Klägers bzw der darüber gepflogenen Vergleichsverhandlungen nicht mangelhaft geblieben, weil mangels Überlassung der Besorgung und Verwaltung des Nachlasses an die erbserklärten Erben nur der Verlassenschaftskurator berechtigt gewesen sei, für die Verlassenschaft Vergleichsverhandlungen zu führen und für diese Erklärungen abzugeben. Es kam ebenfalls zum Ergebnis, daß der Pflichtteilsanspruch des Klägers verjährt sei: Das Erbstatut beherrsche neben der gesetzlichen Erbfolge auch das gesamte Noterb- und Pflichtteilsrecht, so auch die Berechnung des Pflichtteiles, die Rechtsstellung des Pflichtteilsberechtigten, sowie die Frage, gegen wenn der Pflichtteilsanspruch geltend zu machen sei. Da die Erblasserin Angehörige der BRD gewesen sei, richte sich die Stellung des Klägers als Pflichtteilsberechtigter gegenüber der beklagten Verlassenschaft grundsätzlich nach deutschem Recht. Auch die Frage der Verjährung des Pflichtteilsanspruches sei nach deutschem Recht zu beurteilen, da die Verjährung im Erbrecht nach der Sachrechtsordnung zu beurteilen sei, die das Recht selbst beherrsche. Nach § 2332 BGB verjähre der Pflichtteilsanspruch in drei Jahren von dem Zeitpunkte an, in welchem der Pflichtteilsberechtigte vom Eintritt des Erbfalles und von der ihn beeinträchtigenden Verfügung Kenntnis erlangt habe. Durch die Setzung auf den Pflichtteil im Testament werde die Rechtstellung des Klägers beeinträchtigt, sodaß das Testament die beeinträchtigende Verfügung sei, auf deren Kenntnis es für den Beginn der Verjährung ankomme. Da der Kläger jedenfalls am 26.5.1987 vom Inhalt der letztwilligen Verfügung, nach der er von der Erbfolge ausgeschlossen wurde, Kenntnis erlangt habe, sei der Pflichtteilsanspruch des Klägers im Zeitpunkt der Klagserhebung bereits verjährt gewesen.

Gegen dieses Urteil richtet sich die außerordentliche Revision des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung und daran anknüpfender sekundärer Verfahrensmängel mit dem Antrag auf Abänderung im klagsstattgebenden Sinn; hilfsweise stellt er einen Aufhebungs- und Rückverweisungsantrag.

Die beklagte Partei beantragt, die außerordentliche Revision als unzulässig zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.

Die Revision ist zulässig und im Sinn des Eventualantrages auch berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionswerber macht als erhebliche Rechtsfragen geltend, daß das Berufungsgericht zu Unrecht nur die Frage des Verjährungsstichtages bzw des Beginnes und der Berechnung der Verjährungsfrist, nicht aber alle anderen Rechtsfragen, insbesondere im Zusammenhang mit der Unterbrechung und Hemmung der Verjährung nach deutschem Recht beurteilt habe, sodaß es zu einer unsystematischen und unzulässigen Verquickung der beiden Rechtsordnungen gekommen sei, die vom Obersten Gerichtshof geklärt werden müsse. Auch die Frage, wer zu Verhandlungen über den Nachlaß berechtigt gewesen sei, - nämlich die erbserklärten Erben oder der Verlassenschaftskurator - gehörten dazu, weil sie die Unterbrechung der Verjährung durch ein allfälliges Anerkenntnis sowie die Verjährungshemmung durch außergerichtliche Vergleichsgespräche beträfen, die das Berufungsgericht aber offensichtlich nach österreichischem Recht beurteilt habe. Nach dem hier anzuwendenden deutschen Recht dürften die erbserklärten Erben jedenfalls rechtsverbindlich Erklärungen für den Nachlaß abgeben und seien diesem zuzurechnen. In Verkennung dieser Rechtslage sei das Verfahren mangelhaft geblieben, weil rechtserhebliche Tatsachen in Bezug auf die Hemmung und Unterbrechung der Verjährung nicht erhoben worden seien.

Damit macht der Kläger - entgegen der Behauptung der beklagten Partei in ihrer Revisionsbeantwortung, die Rechtsfragen wären ausreichend durch die Entscheidungen 6 Ob 638/91 und 4 Ob 522/91 geklärt - sehr wohl erhebliche Rechtsfragen im Sinne des § 502 ZPO geltend, sodaß die außerordentliche Revision zulässig und im Ergebnis im Sinn des hilfsweise gestellten Aufhebungsantrages auch berechtigt ist. Zeigt nämlich der Revisionswerber in seiner außerordentlichen Revision erhebliche Rechtsfragen iSd § 502 Abs 1 ZPO auf und ist die Rechtsrüge wie hier ordnungsgemäß ausgeführt, ist der Oberste Gerichtshof ohne Beschränkung auf die vom Rechtsmittelwerber geltend gemachten Gründe zu einer allseitigen rechtlichen Überprüfung verpflichtet (MGA ZPO14 § 503/E 111 mwN; Fasching, ZPR2 Rz 1929).

Diese ergibt folgendes rechtliches Bild:

Nach § 28 Abs 1 IPRG richtet sich die Rechtsnachfolge von Todeswegen nach dem Personalstatut des Erblassers im Zeitpunkt seines Todes. Zutreffend sind daher die Vorinstanzen davon ausgegangen, daß die deutsche Staatsangehörigkeit der Erblasserin ins deutsche Recht verweist. Die Verweisung ist gemäß § 5 Abs 1 IPRG eine Gesamtverweisung; sie umfaßt auch deren Verweisungsnormen, die das deutsche Recht über Art 25 Abs 1 EGBGB annimmt, da auch dieser hinsichtlich der Rechtsnachfolge von Todeswegen an die Staatsangehörigkeit des Erblassers anknüpft.

In beiden Rechtsordnungen ist das Erbstatut dafür maßgebend, ob, wem und in welchem Umfang Pflichtteilsansprüche zustehen (RV 784 BlgNr

14. GP 45; Duchek/Schwind IPR 73; Schwimann in Rummel II2 Rz 1c zu § 28 IPR; Schwimann, Internationales Privatrecht 93; SZ 59/205; EvBl 1987/95 ua; für das deutsche Recht für alle Palandt BGB56 Rz 10 zu Art 25 EGBGB mwN). Wenngleich aus deutscher Sicht das Erbstatut auch darüber entscheidet, ob Selbsterwerb eintritt oder Einantwortung erforderlich ist (Palandt aaO; BayObLG 95, 47 [zitiert nach Palandt aaO]) führt - worauf die Revisionsgegnerin zu Recht verweist - die Sonderanknüpfung hinsichtlich des Erbschaftserwerbes und der Haftung für Nachlaßschulden bei Abhandlung in Österreich (§ 28 Abs 2 IPRG) hier zur Anwendung österreichischen Rechts: Da bei manchen Fragen wie etwa dem Erwerb der Erbschaft und einer - nach österreichischem Recht von der Errichtung eines Inventars abhängigen - Beschränkung der Erbenhaftung für die Nachlaßschulden eine Loslösung des materiellen Rechts vom Verfahrensrecht geradezu unmöglich ist, sieht § 28 Abs 2 IPRG vor, daß im Falle der Durchführung einer Verlassenschaftsabhandlung in Österreich der Erbschaftserwerb (also insbesondere das Erfordernis der Erbserklärung und der Einantwortung) und die Haftung für Nachlaßschulden (zB beschränkte Erbenhaftung im Falle einer Inventarserrichtung) nach österreichischem Recht zu beurteilen sind (RV aaO). Während die RV (aaO) nur der Beschränkung der Erbenhaftung bei Inventarserrichtung zu gedenken scheint, hat Schwimann (in Rummel aaO Rz 3) unter Hinweis auf NZ 1984, 195 (die allerdings die Aktivlegitimation der Erben vor Abführung des Verlassenschaftsverfahrens betrifft) auch die negative Wirkung im Auge: Da sich der Erbschaftserwerb bei Verlassenschaftsabhandlung in Österreich gemäß der Ausnahmebestimmung des § 28 Abs 2 IPRG nach österreichischem Recht richtet, gibt es vor Einantwortung keinen Erbschaftserwerb und damit noch keine Universalsukzession.

Dieser Ansicht ist zu folgen, entscheidet sich doch das österreichische Sachrecht auch hinsichtlich der Haftung für den Pflichtteil vor der Einantwortung für den Nachlaß, nachher für den Erben (vgl SZ 43/30; 45/36 ua). Da damit die Haftung für die Nachlaßschulden angesprochen ist, ist mangels abweichender Behandlung durch das Gesetz diese auch kollisionsrechtlich so zu qualifizieren, daß österreichisches Recht anzuwenden ist. In diesem Sinne erkannte auch der Oberste Gerichtshof in seiner grundlegenden Entscheidung 4 Ob 522/91 (JBl 1992, 460 = ZfRV 1995, 35 [m Anm v Zemen]): Zur Erfüllung der Pflichtteilsansprüche aus dem österreichischen Nachlaßteil ist bis zur Einantwortung der Nachlaß und erst danach der Erbe passiv legitimiert; hingegen könne der Pflichtteilsanspruch hinsichtlich des deutschen Nachlaßteils (Liegenschaften in Deutschland) schon mit dem Erbanfall gegen den Erben geltend gemacht werden.

Die Parallele im deutschen Recht besteht darin, daß der Erbe bis zur Nachlaßteilung nur mit seinem Anteil an diesem haftet, soweit nicht aufgrund des Gesetzes (§ 2059 BGB) eine unbeschränkte Haftung besteht. Der Zugriff des Pflichtteilsberechtigten auf den Nachlaß als solchen ist dadurch nicht gehindert (§ 2059 Abs 2 BGB).

Im vorliegenden Fall war der Nachlaß bis zur Zeit der Klagseinbringung und auch noch geraume Zeit danach unvertreten; es war nämlich weder den erbserklärten Erben die Besorgung und Verwaltung des Nachlasses nach § 810 ABGB anvertraut, noch war ein Nachlaßkurator bestellt. Gegen den Nachlaß konnten somit keine Ansprüche geltend gemacht werden.

Die Verjährung richtet sich grundsätzlich nach der Sachrechtsordnung, die das jeweilige Recht selbst beherrscht. Dies gilt unbestritten auch für das Erbrecht (Schwimann in Rummel aaO Rz 6 vor § 35 IPRG aE; für das deutsche Recht Palandt aaO; BGH FamRZ 1996, 727 [zitiert nach Palandt]).

Nach dem auf die Pflichtteilsforderung und die Verjährung dieses Anspruchs anwendbaren deutschen Recht (so BGH FamRZ 1996, 727) ist die Pflichtteilsforderung nicht verjährt:

Die Verjährung war nämlich nach deutschem Recht bis zum Zeitpunkt der Bestellung eines Vertreters für den Nachlaß nach § 207 Fall 3 BGB im Ablauf gehemmt. Der erste Fall - Annahme der Erbschaft durch den Erben - ist ungeachtet der Erbserklärungen nicht gegeben. Die Universalrechtsnachfolge tritt nach deutschem Recht regelmäßig mit dem Tod des Erblassers (Erbfall) ein (§ 1922 BGB). Nach Annahme der Erbschaft oder Ablauf der Frist für die Ausschlagung gilt die Erbschaft als angenommen (§ 1943 BGB). § 2059 läßt aber erkennen, daß es in Wahrheit nicht auf die "Annahme der Erbschaft durch den Erben", sondern auf die Universalrechtsnachfolge ankommt. Sinn des § 2059 BGB ist es nämlich, den in der Verfügung über den Nachlaß beschränkten oder ausgeschlossenen Erben idR nicht mit seinen persönlichen Vermögen für Nachlaßschulden haften zu lassen. Da im vorliegenden Fall die Erben über den Nachlaß (noch) gar nicht verfügen konnten, weil hiefür aufgrund der in Österreich geführten Verlassenschaftsabhandlung die Einantwortung maßgeblich ist, war in analoger Anwendung des § 2059 BGB ein Anspruch gegen den Erben überhaupt nicht durchsetzbar. Da bis zum Klagszeitpunkt kein Vertreter für den Nachlaß bestellt war (§ 207 Fall 3 BGB), konnte die Frist für die Klage auf den Pflichtteilsanspruch auch nicht zuvor ablaufen, sondern erst sechs Monate nach Bestellung des Nachlaßvertreters. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Kläger aber seine Pflichtteilsklage längst eingebracht.

Diese Rechtslage deckt sich insoweit mit der neueren österreichischen Rechtsprechung zum unvertretenen Nachlaß. § 1494 ABGB wird nämlich seit der EvBl 1990/14, der Ansicht Hubers in JBl 1985, 474 f folgend, auch auf den unvertretenen Nachlaß angewendet; der einzige Unterschied liegt in dem hier nicht relevanten Umstand, daß es sich bei § 207 BGB um eine Ablaufhemmung handelt.

Zusammenfassend ergibt sich daher, daß deshalb, weil der Nachlaß aufgrund des in Österreich geführten Abhandlungsverfahrens auch nach deutschem Recht als unvertreten anzusehen war, auch nach diesem Recht bis zur Beendigung dieses Zustandes die Frist zur Geltendmachung der Pflichtteilsforderung nicht ablaufen konnte. Darauf, wer und wann einen Antrag stellen konnte, diesen Zustand zu beenden, kommt es nicht an. Es ist daher gleichgültig, ob die erbserklärten Erben selbst für eine ordnungsgemäße Vertretung des Nachlasses zu sorgen gehabt hätten oder der Kläger bereits vor der Aufforderung des Prozeßgerichtes, einen Nachlaßvertreter bestellen zu lassen, aus eigenem früher einen solchen Antrag hätte stellen können. Es kann dem Kläger jedenfalls nicht zum Nachteil gereichen, daß sich die erbserklärten Erben nicht zügig um eine ordnungsgemäße Vertretung des Nachlasses gekümmert hatten.

Da die Klagsforderung nicht verjährt ist, sind die Urteile der Vorinstanzen, die sich nur auf die Verjährung gestützt hatten, aufzuheben und dem Erstgericht die Ergänzung des Verfahrens und neuerliche Urteilsfällung unter Berücksichtigung des Umstandes aufzutragen, daß auf den Pflichtteilsanspruch des Klägers deutsches Recht anzuwenden ist.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.

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