OGH 6Ob2366/96a

OGH6Ob2366/96a17.12.1997

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kellner, Dr.Schiemer, Dr.Prückner und Dr.Schenk als weitere Richter in der Rechtssache der Antragsteller 1. Dr.Georg P*****, 2. Oswald A*****, 3. Dr.Susanne K*****, 4. Ing.Gerhard D*****, 5. Erich B*****, 6. Margarethe B*****, alle vertreten durch Dr.Hansjörg Zink ua Rechtsanwälte in Kufstein, wider den Antragsgegner Herbert T*****, vertreten durch Dr.Albert Tachezy, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen Einräumung eines Notweges infolge Revisionsrekurses der Antragsteller gegen den Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck als Rekursgerichtes vom 27.September 1996, GZ 54 R 66/96v-69, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Hopfgarten vom 31.März 1996, GZ Nc 18/95f-55, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Die Beteiligten sind Eigentümer folgender Grundstücke im Grundbuch *****:

Erstantragsteller 1964/2 EZ 435

Zweitantragsteller 1964/3 EZ 850

Drittantragstellerin als

Erbin nach dem während

des Verfahrens verstorbenen

Dr.Walter N***** zur ideellen

Hälfte 1961/2 EZ 526

Viertantragsteller zur ideellen

Hälfte 1961/2 EZ 526

Fünftantragsteller zur ideellen

Hälfte 1963/1 EZ 912

Sechstantragstellerin zur

ideellen Hälfte 1963/1 EZ 912

Antragsgegner 1966/1 EZ 90075

alle laut angeschlossenem Lageplan.

Alle Antragsteller haben keinen unmittelbaren Zugang zum öffentlichen Straßennetz. Sie begehren die Einräumung eines Notweges in Form einer Dienstbarkeit des Geh- und Fahrweges auf dem rund 65 m langen und 4 m breiten (laut Lageplan in südlicher Richtung verlaufenden) Wegstreifen im westlichen Bereich des angeführten Grundstückes des Antragsgegners gegen eine angemessene Entschädigung. Der Antragsgegner sei zur Einräumung entsprechender Dienstbarkeiten zu angemessenen Bedingungen nicht bereit. Die Erschließung der Grundstücke der Antragsteller sei nur über den bereits bestehenden Weg, der von der Gemeinde H***** bereits als Dienstbarkeitsweg benützt werde, sinnvoll möglich. Eine ordentliche Bewirtschaftung und Benützung der Grundstücke der Antragsteller, insbesondere eine Bauführung und ähnliches, sei ohne den begehrten Notweg nicht möglich. Dem Antragsgegner entstünden durch den Notweg keine wesentlichen Nachteile, die Vorteile für die betroffenen Liegenschaften würden allfällige Nachteile jedenfalls bei weitem übersteigen. Die Antragsteller hätten keine auffallende Sorglosigkeit beim Erwerb der Liegenschaften zu vertreten. Wegen der fehlenden Wegverbindung sei die Gemeinde nicht bereit, einer Umwidmung der Grundstücke näherzutreten.

Der Antragsgegner wandte ein, die im Freiland liegenden Grundstücke 1964/2, 1964/3 und 1964/6 seien Brachland und seit Jahrzehnten ungenützt. Der Mangel der Wegverbindung sei bei allen Antragstellern auf auffallende Sorglosigkeit der Grundeigentümer zurückzuführen. Diese hätten sich bereits bei der Teilung der Grundstücke, durch die der Mangel einer Wegverbindung erst entstanden sei, ein Zufahrtsrecht einräumen lassen müssen. Sie hätten die Selbstversorgung grob fahrlässig versäumt. Es bestünden auch andere mögliche Notwegverbindungen, die für die Antragsteller günstiger wären und den Antragsgegner weniger belasteten. Der vorhandene, nur 2 m breite Weg müsse nach einer Vereinbarung mit der Gemeinde begrünt werden; schon aus Gründen des Wasserschutzes (Quellschutzgebiet) sei die Anlegung eines befestigten und rege frequentierten Fahrweges auf der bestehenden Wegtrasse nicht möglich. Ein Weg an der westlichen Grundstücksgrenze des Antragsgegners entlang dem dort fließenden Marchbach wäre für den Antragsgegner weniger belastend und wirtschaftlich sinnvoller. Die Grundstücke der Antragsteller seien überwiegend im Freiland gelegen, sodaß eine Verbauung gar nicht möglich sei. Die Antragsteller hätten die Grundstücke zu Billigstpreisen als Brachland erworben, der begehrte Notweg diene nur der Aufwertung ohne Kostenaufwand zu Lasten des Antragsgegners. Überdies sei eine Wegverbindung auch über das Grundstück der Fünft- und Sechstantragsteller nach Westen hin möglich.

Das Erstgericht gab dem Begehren in der beantragten Form gegen Zahlung einer Entschädigung von 109.710 S statt. Es stellte im wesentlichen fest, daß die Grundstücke 1964/2 (Erstantragsteller) und 1964/3 (Zweitantragsteller) durch Teilung einer zu einem geschlossenen Hof gehörenden Liegenschaft entstanden und schließlich vom Erstantragsteller mit Kaufvertrag vom 7.10.1985 und vom Zweitantragsteller mit Kaufvertrag vom 14.3.1983 erworben wurden. Als die Rechtsvorgänger des Erstantragstellers das Grundstück erwarben, stand die Trassierung einer von Hopfgarten nach Niederau geplanten Straße noch nicht fest. Deshalb wurde für den Fall des Nichtzustandekommens einer Zufahrt ein Rücktrittsrecht vereinbart. Dem Erstantragsteller war zum Zeitpunkt des Grundstückerwerbes die mangelnde Zufahrtsmöglichkeit und die fehlende Regelung hierüber bekannt, er akzeptierte die Situation, wie sie war. Er hat eine Familie mit vier Kindern und nicht die Absicht zu bauen. Das bis heute vollkommen brach liegende und nicht bewirtschaftete Grundstück ist im Flächenwidmungsplan der Gemeinde H***** als Freiland ausgewiesen und grenzt im Westen an Bauland (Fremdenverkehrsaufschließungsgebiet) an.

Der Zweitantragsteller war beim Erwerb seines Grundstückes im Jahr 1977 der Meinung, der nun als Notweg beanspruchte, in der Natur bereits vorhandene Weg gehöre der Gemeinde. Er ist Vater von acht Kindern und plant, seine Grundstücke, die als Freiland ausgewiesen sind und ebenfalls seit Jahren brachliegen, seinen Kindern später zur Bebauung zu übergeben.

Die Drittantragstellerin hat das Hälfteeigentum am Grundstück 1961/2 durch Einantwortung nach dem verstorbenen Dr.Walter N***** erworben, der Viertantragsteller seine ideelle Hälfte durch Kaufvertrag vom 9.5.1964. Voreigentümer dieses Grundstückes sowie der weiter in nördlicher Richtung anschließenden Grundstücke 1961/6 und 1961/7 war Balthasar B*****, der mit Kauf- und Wohnungseigentumsverträgen im Jahr 1962 das Grundstück 1961/6 an vorwiegend ausländische Interessenten verkaufte. Damals bestand bereits der Plan, ein Appartementhaus (Tirotel) zu errichten, die Parifizierung war bereits 1962 erfolgt. 1963 verkaufte Balthasar B***** das Grundstück 1961/7 an die Dkfm.Dr.N***** und Baumeister Ing.D***** GmbH. Deren Gesellschafter Dr.N***** und Ing.D***** kauften schließlich 1964 das Grundstück 1961/2 je zur ideellen Hälfte. Schon damals führte von der Südostecke dieses Grundstückes ein geschotterter Weg über das Grundstück 1966/1, das damals dem Vater des Antragsgegners gehörte, zum öffentlichen Grafenweg im Süden. Über die rechtliche Situation erkundigte sich der Viertantragsteller nicht, der Rechtsvorgänger der Drittantragstellerin erhielt möglicherweise vom Verkäufer die Auskunft, es bestehe eine Wegservitut. Das Grundstück war als Aufschließungsgrundstück gewidmet und stellt in der Natur eine Wiese dar. Die Schaffung einer Wegverbindung von Norden her über das Grundstück 1961/6, wo mit dem Bau eines weiteren Appartementhauses (Clubhaus) begonnen worden war und das bereits im Wohnungseigentum zahlreicher Fremder stand, war zu kompliziert und wegen der geforderten Einstimmigkeit praktisch unmöglich. Der Servitutsweg hätte an den beiden größeren Häusern vorbei unter den Balkonen und über die PKW-Abstellplätze führen müssen. Konkret haben (der ursprüngliche) Dritt- und Viertantragsteller keine Schritte zur Sicherung einer Zufahrt unternommen.

Die Fünft- und Sechstantragsteller haben ihr ebenfalls als Bauaufschließungsgebiet gewidmetes, wirtschaftlich nicht genutztes Grundstück 1963/1 je zur Hälfte mit Kaufvertrag vom 24.9.1980 vom Antragsgegner gekauft. Dieses Grundstück wurde ebenso wie die Grundstücke des Antragsgegners 1963/2, 1963/1 und 1963/4 durch Abteilung des geschlossenen Hofes "Dunner" gebildet. Bei der Grundstücksteilung wurde darauf geachtet, vom Grundstück 1963/4 entlang der Westgrenze zum Grundstück 1961/2 einen 2 m breiten Grundstreifen in Vereinigung mit dem Grundstück 1963/1 zu belassen. Hinsichtlich dieser im Vertrag als "Wegstreifen" bezeichneten langgezogenen Teilfläche räumten die Käufer dem Verkäufer und dessen Rechtsnachfolgern Geh- und Fahrrechte ein. Im Vertrag ist ausdrücklich von einem "geplanten Weg" die Rede, der dem Vertrag angeschlossene Lageplan stellt sich in der Verlängerung des Wegstreifens des Grundstückes 1963/1 in Richtung Süden im Bereich des in der Natur bestehenden Schotterweges in strichlierter Andeutung als "Wegservitut" über das Grundstück 1966/1 des Antragsgegners dar. Die Fünft- und Sechstantragsteller, die eine dann nicht ausgeübte Option zum Erwerb der Grundstücke 1963/2 und 1963/1 (damals noch vereinigt mit 1963/4) erworben hatten, vertrauten bei der Vertragserrichtung darauf, daß die Wegverbindung zum Grafenweg im Süden über das Grundstück 1966/1 des Antragsgegners erfolgen werde. Sie hatten gehört, daß der über das Grundstück 1966/1 verlaufende Weg "der Gemeinde gehöre". Die Fünft- und Sechstantragsteller haben angegeben, sie seien wegen ihrer gespannten finanziellen Situation gezwungen, das Grundstück zu verkaufen und benötigten hiezu den Notweg.

Wann der Weg, der vom öffentlichen Grafenweg in senkrechter Richtung nach Norden abzweigend über das Grundstück 1966/1 führt, tatsächlich entstanden ist, kann nicht mehr genau festgestellt werden; er dürfte aber schon länger als 30 Jahre bestehen. Er wurde ca 1962 in einer Breite von 2,10 m aufgeschottert, um den Fahrzeugen während der Errichtung der Häuser Tirotel und Clubhaus, die sich eine Zufahrtsmöglichkeit von Norden her gesichert hatten, die Zufahrt zu ermöglichen. Die Aufschüttung wurde von der Gemeinde H***** gemeinsam mit der Bergliftgesellschaft W***** vorgenommen. Die Gemeinde wollte den Weg käuflich erwerben, es wurde aber lediglich eine Servitut begründet. Anfang der 80er-Jahre wurden Quellen im Bereich der Grundstücke 1966/1, 1964/1 und 1963/1 entdeckt. Mit Zustimmung des damaligen Grundeigentümers wurden die Quellen gefaßt, als Gegenleistung erhielt der Grundeigentümer Wasserbezugsrechte. Mit Bescheid des Landeshauptmannes vom 2.4.1982 wurde ein Quellschutzgebiet normiert, das nicht bis zu dem begehrten Notweg heranreicht. Hinsichtlich der durch die Anlage berührten Grundstücke wurden der Gemeinde nach § 111 Abs 4 WRG 1959 die erforderlichen Dienstbarkeiten für den Bau, Bestand, Betrieb und die Instandhaltung der Anlage sowie zum Betreten der Grundstücke zu Betriebs- und Instandhaltungszwecken eingeräumt. Daß die Gemeinde zur Wiederbegrünung des Weges verpflichtet sei, kann nicht festgestellt werden. Ein Ansuchen des Antragsgegners im Jahr 1990 auf Umwidmung des Grundstückes 1966/1 in Bauland wurde mit Rücksicht auf den Schutz der öffentlichen Wasserversorgung abgelehnt. Da anläßlich der Quellfassung versehentlich auch das Grundstück 1964/1 des Anton P***** in Anspruch genommen wurde, forderte dieser eine Verwendungszusage der Gemeinde zur Wegerschließung. Deshalb und weil die Fünft- und Sechstantragsteller aus finanzieller Not ihre Grundstücke verkaufen wollten, verhandelte der Bürgermeister mit dem Antragsgegner über eine Servitutslösung. Zu einem Ergebnis ist es nicht gekommen, weil der Antragsgegner erklärte, er wolle durch eine entsprechende Entschädigung an der nur zur Wertsteigerung der Grundstücke der Antragsteller begehrten Servitutslösung entsprechend partizipieren. Die Schnellstraße von Wörgl nach Hopfgarten wurde auf einer völlig neuen, anderen als ursprünglich im Flächenwidmungsplan projektierten Trasse gebaut. Im Jahr 1995 wurde der bis dahin eher desolate Grafenweg in das Landesstraßennetz übernommen, ausgebaut und verbreitert. Auch der Antragsgegner war dadurch von Enteignungen betroffen.

Die von den Antragstellern geforderte Notwegtrasse ist für die Antragsteller die schonendste und dem Antragsgegner gegenüber den von diesem vorgeschlagenen Varianten am wenigsten belastende und gegenüber einer Anlegung des Weges entlang des Marchbaches zu bevorzugen. Der Verkehrswert der betroffenen Grundfläche beträgt

109.710 S.

Rechtlich führte das Erstgericht aus, den Antragstellern könne keine auffallende Sorglosigkeit beim Erwerb ihrer Liegenschaften vorgeworfen werden. Sie strebten eine Nutzung der Flächen als Bauland an, es werde eine Umwidmung beantragt, soferne die Grundstücke noch als Freiland gewidmet seien. Auch die Gemeinde habe die Erschließung im Auge gehabt. Für die Erteilung von Baubewilligungen sei aber die Herstellung einer Wegverbindung Voraussetzung. Die angestrebte Notwegtrasse sei die schonendste Variante, die die Antragsteller mit dem geringsten Aufwand belaste. Andere Wegverbindungen kämen nicht in Betracht. Das Quellschutzgebiet sei durch die Weganlegung nicht betroffen. Die Entschädigungssumme sei von den Sachverständigen nach dem Verkehrswert ermittelt worden.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Antragsgegners Folge und wies den Notwegantrag ab. Nach Darlegung der Grundsätze der §§ 1 bis 4 NotwegeG und der hiezu bestehenden Rechtsprechung sei davon auszugehen, daß nicht die faktische Nutzung, sondern die nach der öffentlich-rechtlichen Widmung entscheidend sei. Sei beabsichtigt, auf einer Liegenschaft ein Gebäude zu errichten, könne die Einräumung eines Notweges gerechtfertigt sein. Abzustellen sei auf die Bedürfnisse der Liegenschaft. Wegen des Eingriffes in sonst weitgehend geschützte absolute Rechtsgüter seien die Bestimmungen des Notwegegesetzes einschränkend auszulegen. Nicht schon jede rechtlich mögliche Nutzung oder Benützung einer Liegenschaft rechtfertige die Einräumung eines Notweges, die bloße Möglichkeit, ein Grundstück für Bauzwecke zu verwenden, reiche nicht aus, wenn eine Bebauung tatsächlich nicht beabsichtigt sei. Es müsse zur öffentlich-rechtlichen Widmung auch ein durch Willensentschluß des Eigentümers geschaffener konkreter Bedarf hinzukommen, das Grundstück im Rahmen seiner Widmung selbst zu bebauen. Die Absicht, ein Grundstück nach Anlegung eines Notweges zu günstigeren Preisen zu verkaufen, entspreche nicht dem Sinn des Gesetzes. Weder dem Vorbringen noch den Feststellungen sei ein ausreichender Hinweis zu entnehmen, daß den Antragstellern eine ordentliche Bewirtschaftung nicht möglich sei, sie hätten keinerlei konkretes Vorbringen über Bauabsichten erstattet. Der Erstantragsteller habe angegeben, nicht die Absicht gehabt zu haben, gleich zu bauen, sondern nur für seine vier Kinder vorsorgen zu wollen. Ebenso plane der Zweitantragsteller, mit seinen Grundstücken zu einem späteren Zeitpunkt seine acht Kinder zu versorgen. Dritt- und Viertantragsteller, deren Grundstücke als Bauaufschließungsland gewidmet seien, hätten keinerlei konkrete Behauptungen über eine konkrete Bauabsicht erstattet, die Fünft- und Sechstantragsteller zugestanden, den Notweg nur zur Behebung ihrer finanziellen Schwierigkeiten durch günstigere Veräußerung ihrer Grundstücke, die sie zu Brachlandpreisen erworben hätten, zu benötigen. Schon aus diesen Gründen sei der gemeinsame Antrag abzuweisen, ohne auf andere Varianten eines Notweges oder die vom Antragsgegner behaupteten wasserrechtlichen Schwierigkeiten im Quellfassungsgebiet noch eingehen zu müssen.

Das Rekursgericht sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes 50.000 S übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil die Frage, ob als Voraussetzung für die Einräumung eines Notweges zugunsten einer als Bauland gewidmeten Liegenschaft auch die Absicht einer konkreten Bebauung hinzutreten müsse, eine gefestigte Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes fehle.

Rechtliche Beurteilung

Dem Revisionsrekurs der Antragsteller kommt keine Berechtigung zu.

Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Obersten

Gerichtshofes, daß die Frage, ob zur ordentlichen Bewirtschaftung und

Benützung der Liegenschaft ein Notweg erforderlich ist, nicht nach

ihrer derzeitigen faktischen Nutzung, sondern nach ihrer

öffentlich-rechtlichen Widmung zu beurteilen ist. Fehlt es an einer

entsprechenden Widmung, kann auch eine angestrebte Widmungsänderung

die Einräumung eines Notweges rechtfertigen, es ist aber

erforderlich, daß konkret mit einer Umwidmung in naher Zukunft zu

rechnen ist. Ist die Umwidmung in naher Zukunft unwahrscheinlich, ist

der Antrag abzuweisen, ohne daß die übrigen Voraussetzungen für die

Einräumung eines Notweges noch geprüft werden müssen (EvBl 1994/26

mwN; 2 Ob 552/95 ua). Nach dem Flächenwidmungsplan sind die

Grundstücke des Erst- und Zweitantragstellers als Freiland gewidmet,

die der übrigen Antragsteller als "Baulandaufschließungsgebiet". Nach

dem seit 1994 gültigen Tiroler Raumordnungsgesetz, das gegenüber der

früheren Rechtslage ganz erhebliche Verschärfungen und Beschränkungen

der Entscheidungsfreiheit der Gemeinden zur Sicherstellung einer

geordneten räumlichen Entwicklung unter Bedachtnahme auf die Ziele

und Grundsätze der überörtlichen Raumordnung, eine ausgewogene

Anordnung und Gliederung des Baulandes im Hinblick auf die

Erfordernisse des Schutzes des Landschaftsbildes, der verkehrsmäßigen

Erschließung (!) und eine Reihe weiterer Aufgaben und Ziele der

örtlichen Raumordnung normiert (§ 27), entspricht

Baulandaufschließungsgebiet oder Fremdenverkehrsaufschließungsgebiet

dem Mischgebiet nach § 40 TROG. Das neue TROG sieht unter bestimmten

Voraussetzungen die zwingende Änderung des örtlichen

Raumordnungskonzeptes (§ 32) und der Flächenwidmungspläne (§ 36) vor.

Die Sachverständigen haben zutreffend darauf verwiesen, daß der hier

zugrundeliegende Flächenwidmungsplan - die Gemeinde H***** verfügte

zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung noch über

keinen Bebauungsplan - eine vollkommen andere Erschließung der hier betroffenen Grundstücke durch eine abweichend vom tatsächlichen Verlauf eingezeichnete Straßenführung vorsieht und daß hier nicht für ein einzelnes notleidendes Grundstück ein Notweg geschaffen, sondern über die im Antrag genannten vier Grundstücke im Ausmaß von ca 3,5 ha (!) hinaus weitere Grundparzellen miterschlossen werden sollen, wofür die Einreichung eines Teilbebauungsplanes und dessen Bewilligung notwendig ist. Schließlich hat der Bürgermeister als Zeuge angegeben, daß die Gemeinde von der Tiroler Landesregierung zur Rückwidmung vieler Flächen der Fremdenverkehrsaufschließungsgebiete im fraglichen Bereich aufgefordert wurde. Bei dieser Situation kann - abgesehen davon, daß es an konkreten Behauptungen und Beweisen fehlt - keinesfalls davon ausgegangen werden, daß mit einer Umwidmung der als Freiland gewidmeten Grundstücke der Erst- und Zweitantragsteller in naher Zukunft konkret zu rechnen ist. Aber auch hinsichtlich der übrigen (noch?) als Fremdenverkehrsaufschließungsgebiet gewidmeten Grundstücke wäre es Sache der Eigentümer gewesen, ausreichende Behauptungen aufzustellen und diese zu bescheinigen, daß konkrete Bauabsichten bestehen, die nur an der mangelnden Wegverbindung scheitern und nicht etwa auch an anderen öffentlich-rechtlichen Hindernissen. Entgegen der Ansicht des Rekursgerichtes ist es zwar nicht erforderlich, daß die - allein antragsberechtigten - Grundeigentümer selbst, sondern auch etwa ihre Kaufinteressenten oder sonstige Nutzungsberechtigte eine Bauführung beabsichtigen, für die die begehrte Wegverbindung unerläßlich ist (6 Ob 578/92). Die konkrete, in naher Zukunft bevorstehende und auch erfolgversprechende Absicht muß aber nachgewiesen werden. Ein Abgehen von diesem Grundsatz würde, wie gerade der vorliegende Fall zeigt, zu nicht zu rechtfertigenden nachteiligen Eingriffen in das Eigentum des Antragsgegners zugunsten von Grundstücksspekulationen führen, die dem Zweck des Notwegegesetzes zuwiderlaufen. Zu Recht hat daher das Rekursgericht das Vorliegen der Voraussetzungen für die Einräumung eines Notweges hinsichtlich aller Antragsteller verneint.

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