OGH 6Ob351/97d

OGH6Ob351/97d17.12.1997

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kellner, Dr.Schiemer, Dr.Prückner und Dr.Schenk als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur, 1010 Wien, Singerstraße 17-19, wider die beklagte Partei Gottfried S*****, vertreten durch Dr.Maria-Christina Engelhardt, Rechtsanwältin in Wien, wegen 79.200 S, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 15.September 1997, GZ 14 R 53/97k-9, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 24.Jänner 1997, GZ 31 Cg 35/96m-5, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei hat der klagenden Partei die mit 5.072 S bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Beklagte war Privatankläger in einem gegen die Beschuldigte Marga S***** wegen des Vergehens der üblen Nachrede nach § 111 StGB geführten Strafverfahren. Neben seinem Strafantrag stellte er weitere Anträge auf Urteilsveröffentlichung (§ 34 Abs 1 MedienG) und Veröffentlichung einer Mitteilung über das eingeleitete Verfahren (§ 37 Abs 1 MedienG) und sprach eine Entschädigung von 200.000 S an.

Das übliche Entgelt für die am 9.9.1995 erfolgte Veröffentlichung der Mitteilung nach § 37 Abs 1 MedienG beträgt 79.200 S.

Anfang März 1996 schlossen der Beklagte als Privatankläger und die Beschuldigte einen Vergleich, wonach der Beklagte einen Pauschalbetrag von 50.000 S erhalten sollte. Nach Eingang des verglichenen Betrages zog der Beklagte die Privatanklage samt den darin gestellten Anträgen zurück, worauf das Strafverfahren gemäß § 227 Abs 1 StPO eingestellt wurde. Die Klägerin entrichtete das Einschaltungsentgelt für die Veröffentlichung der Mitteilung gemäß § 39 Abs 2 MedienG an die Medieninhaber.

Die Klägerin begehrt nun den Rückersatz dieses Betrages gemäß § 39 Abs 4 MedienG, weil der Beklagte auf die Weiterverfolgung seines Anspruches durch Klagerückziehung verzichtet habe.

Der Beklagte beantragt die Abweisung des Klagebegehrens. Er habe die Weiterverfolgung seines Anspruches nicht unterlassen, sein Anspruch sei durch Zahlung befriedigt worden.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Unter "Weiterverfolgung des Anspruches" im Sinn des § 39 Abs 4 MedienG könne nur eine Weiterverfolgung im gerichtlichen Verfahren verstanden werden. Wolle man dazu auch den Abschluß eines außergerichtlichen Vergleiches zählen, läge es ausschließlich in der Hand des Privatanklägers und des Beschuldigten, ob der Rückgriffsanspruch bestehe oder nicht, wodurch Manipulationen Tür und Tor geöffnet würde. Es bestünde die Möglichkeit, die Veröffentlichung nach § 37 MedienG vom Bund bezahlen zu lassen, ohne daß dieser Einfluß auf den Inhalt des Vergleichs nehmen könnte.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten nicht Folge und sprach aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei, weil zur Frage des Ersatzes und des Rückersatzes von Einschaltungskosten nach § 39 Abs 2 und 4 MedienG Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes fehle.

Die "Weiterverfolgung des Anspruches" im Sinn des § 39 Abs 4 MedienG umfasse nicht auch eine außergerichtliche Einigung zwischen Privatankläger und Beschuldigtem. Der Bund habe dem Medieninhaber die Einschaltungskosten nur dann zu ersetzen, wenn es - aus welchem Grund immer - weder zu einem Schuldspruch, einer Einziehung oder einer Urteilsveröffentlichung komme. Der Privatankläger werde dann regreßpflichtig, wenn er seinen zunächst geltend gemachten Anspruch auf Beschlagnahme oder Urteilsveröffentlichung nicht verfolgt, somit die prozessualen Voraussetzungen zur Durchsetzung seines zunächst erhobenen Begehrens vereitelt. Er hafte auch dann für den Rückersatz, wenn die Weiterverfolgung ohne sein Verschulden unterblieb. Auch das Nichterscheinen des Privatanklägers bei der Hauptverhandlung und die damit verbundene Fiktion der Rückziehung der Privatanklage führten zu einer Rückersatzpflicht des Privatanklägers. Dieselbe Folge müsse eine zwischen den Parteien des Strafverfahrens vereinbarte entgeltliche Rückziehung der Privatanklage haben. Die Auslegung des Beklagten führte dazu, daß der Medieninhaber für seine herabsetzende unrichtige Tatsachenmitteilung auf Kosten der Klägerin 79.200 S an Einschaltungsentgelt lukriere, wogegen er lediglich 50.000 S an den Privatankläger gezahlt habe.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Beklagten ist aus den vom Berufungsgericht angeführten Gründen zulässig, aber nicht berechtigt.

(Paragraphen ohne Gesetzesangabe sind solche des MedienG.)

Ist anzunehmen, daß der objektive Tatbestand eines Medieninhaltsdelikts hergestellt worden ist, hat das Gericht nach § 37 Abs 1 auf Antrag des Anklägers (im Strafverfahren) oder des Antragstellers in einem selbständigen Verfahren (§ 8 a) die Veröffentlichung einer kurzen Mitteilung über das eingeleitete Verfahren anzuordnen. Ist das in der Veröffentlichung erwähnte Verfahren beendet worden, ohne daß ein Schuldspruch ergangen oder auf Einziehung oder Urteilsveröffentlichung im selbständigen Verfahren erkannt worden ist, hat der Bund auch das übliche Einschaltungsentgelt für die Veröffentlichung der Mitteilung nach § 37 zu entrichten (§ 39 Abs 2). Nach Ersatzleistung hat der Bund gegen den Privatankläger (bzw Antragsteller im selbständigen Verfahren) Anspruch auf Rückersatz, wenn dieser bei seiner Antragstellung wider besseres Wissen gehandelt oder die Weiterverfolgung seines Anspruchs unterlassen hat (§ 39 Abs 4 idF BGBl 1993/20).

Während § 39 Abs 3 idF BGBl 1987/211 und 1988/233 auf eine "Weiterverfolgung des Strafanspruches" abstellte, ist nunmehr maßgeblich, was der Gesetzgeber unter "Weiterverfolgung des Anspruchs" versteht.

Dabei ist von den im Anlaßverfahren (somit jenem Verfahren, das Anlaß für eine Mitteilung nach § 37 war) geltend gemachten Ansprüchen auszugehen.

Eine üble Nachrede als Medieninhaltsdelikt nach § 6 iVm § 111 StGB begründet nicht nur einen Strafverfolgungsanspruch des Betroffenen im Wege der Privatanklage, sondern verschafft ihm auch einen Anspruch auf Urteilsveröffentlichung, Veröffentlichung einer Mitteilung über das Verfahren im Sinn des § 37 Abs 1 und auf Entschädigung für die erlittene Kränkung (§ 6 Abs 1).

Der Betroffene kann seine Entschädigungsansprüche im Rahmen des Strafverfahrens, an dem der Medieninhaber als Beschuldigter oder nach § 41 Abs 6 beteiligt ist, oder mit selbständigem Antrag nach § 8 a geltend machen. Eine Mitteilung über das eingeleitete Verfahren ist sowohl im Strafverfahren selbst, im selbständigen Einziehungs- oder Urteilsveröffentlichungsverfahren sowie im selbständigen Entschädigungsverfahren nach den §§ 6 ff zulässig (vgl dazu RV 503 BlgNR 18.GP 9).

Die Revision vermeint nun, der Beklagte habe seinen Anspruch ungeachtet des Abschlusses eines außergerichtlichen Vergleiches im Sinn des Gesetzes "weiterverfolgt", ein Regreß finde daher nicht statt.

Die Argumentation der Revision übersieht, daß der Beklagte im vorliegenden Fall sowohl eine Entschädigung für die erlittene Kränkung im Rahmen des Strafverfahrens geltend gemacht, als auch Anträge auf Bestrafung, Urteilsveröffentlichung, Mitteilung nach § 37 und Entschädigungsleistung gleichzeitig mit der Erhebung der Privatanklage gestellt hat. Seine Ansprüche erschöpfen sich somit nicht in einer Entschädigungsleistung. Es kann daher hier dahingestellt bleiben, ob im Falle eines selbständigen Entschädigungsverfahrens nach § 8 a der außergerichtliche Vergleich einer "Weiterverfolgung des Anspruchs" im Sinn des § 39 Abs 4 entgegensteht.

Im vorliegenden Fall hat der Beklagte den mit der Privatanklage geltend gemachten Strafverfolgungsanspruch und sein Begehren auf Urteilsveröffentlichung nach Abschluß des außergerichtlichen Vergleichs über die Entschädigungsleistung nicht mehr weiter verfolgt. Er hat die Privatanklage zurückgezogen, also auf die Verfolgung verzichtet, und damit die Voraussetzungen für die Einstellung des Verfahrens nach § 227 Abs 1 StPO geschaffen. Von einer Weiterverfolgung des Anspruches kann somit im vorliegenden Fall nicht die Rede sein.

Wie das Berufungsgericht zu Recht ausführt, kann überdies die ausdrückliche Rückziehung der Privatanklage aufgrund eines Vergleiches nicht anders behandelt werden als der nach § 46 Abs 3 StPO aus einem Nichterscheinen des Privatanklägers zur Hauptverhandlung fingierte Rücktritt von der Verfolgung. Im letztgenannten Fall hat die Rechtsprechung aber schon bisher die Rückersatzpflicht des Privatanklägers an den Bund bejaht (SZ 59/181 = MR 1986, 12). Auch die Regierungsvorlage zur Mediengesetznovelle BGBl 1993/20 (RV 503 BlgNR 18.GP, 9) sieht in einer Verfahrenseinstellung oder einem Freispruch wegen vermuteten Rücktritts von der Anklage einen Fall des Unterlassens der Weiterverfolgung des Anspruchs im Sinn des § 39 Abs 4.

Die Vorinstanzen haben daher mit Recht die Voraussetzungen des Rückgriffs nach der zitierten Gesetzesstelle bejaht.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 Abs 1 ZPO.

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