OGH 12Os130/97 (12Os167/97)

OGH12Os130/97 (12Os167/97)11.12.1997

Der Oberste Gerichtshof hat am 11.Dezember 1997 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Rzeszut als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schindler, Dr.Holzweber, Dr.Zehetner und Dr.Philipp als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag.Grems als Schriftführer, in der Strafsache gegen Ali S***** wegen des Vergehens der Schändung nach § 205 Abs 2 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Schöffengericht vom 1.Juli 1997, GZ 27 Vr 3727/96-23, ferner über die Beschwerde des Angeklagten gegen den Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck vom 30.Juni 1997, GZ 27 Vr 3727/96-21, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr.Weiß, des Dolmetschers Nurhan Sürmeyan, des Angeklagten Ali S***** und des Verteidigers Dr.Grill zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch wegen des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 2 StGB (2 des Urteilssatzes) sowie im Strafausspruch aufgehoben und gemäß § 288 Abs 2 Z 3 StPO im Umfang der Aufhebung in der Sache selbst erkannt:

Ali S***** wird für das ihm nach dem unberührt gebliebenen Schuldspruch 1 weiterhin zur Last liegende Vergehen der Schändung nach § 205 Abs 2 StGB nach dieser Gesetzesstelle unter Anwendung des § 43 a Abs 3 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 15 (fünfzehn) Monaten, wovon ein Strafteil in der Dauer von 11 (elf) Monaten unter Bestimmung einer dreijährigen Probezeit bedingt nachgesehen wird, verurteilt.

Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde verworfen.

Mit seiner Berufung gegen den Strafausspruch wird der Angeklagte auf die Strafneubemessung verwiesen.

Der Berufung gegen den Ausspruch über die privatrechtlichen Ansprüche wird nicht Folge gegeben.

Die Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld und die Beschwerde werden zurückgewiesen.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Ali S***** der Vergehen der Schändung nach § 205 Abs 2 StGB (1) und der Körperverletzung nach § 83 Abs 2 StGB (2) schuldig erkannt.

Darnach hat er am 12.Juni 1996 in Schwaz

1. eine Person, die sich in einem Zustand befand, der sie zum Widerstand unfähig machte, außer dem Fall des § 205 Abs 1 StGB zur Unzucht mißbraucht, indem er an Barbara E*****, die auf Grund des Konsums von Alkohol willenlos und (so das angefochtene Urteil:) "weggetreten" war, im Genitalbereich geschlechtliche Handlungen unbekannter Art und Weise durchführte, und

2. Barbara E***** durch die zu 1 angeführten Tathandlungen am Körper mißhandelt und ihr dadurch fahrlässig Schwellungen im äußeren Genitalbereich und kratzerartige Schürfungen an der Innenseite der kleinen Schamlippen zugefügt.

Diese Schuldsprüche bekämpft der Angeklagte mit einer auf § 281 Abs 1 Z 5, 5 a und 10 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde sowie mit "Berufung wegen Schuld".

Rechtliche Beurteilung

Mag auch dem Urteil nicht zu entnehmen sein, welcher Detailbeschaffenheit die im Genitalbereich des infolge Alkoholkonsums willenlosen Tatopfers vorgenommenen geschlechtlichen Handlungen waren, ist dieser Ausspruch des Gerichtes über entscheidende Tatsachen weder undeutlich noch steht er mit sich selbst im Widerspruch (Z 5):

Unter Mißbrauch einer Person zur Unzucht im Sinne des § 205 Abs 2 StGB ist das Ausnützen des die Bildung oder Verwirklichung eines ausreichenden Abwehrwillens ausschließenden Zustandes des Opfers zu verstehen, den der Täter bewußt als einen Faktor einkalkuliert, der sein Vorgehen begünstigt (Leukauf/Steininger StGB3 § 205 RN 7). Als unzüchtig unterfallen dieser Gesetzesstelle Handlungen sexueller Art und Tendenz von bestimmter Erheblichkeit, nach ständiger Judikatur jedenfalls Berührungen von gewisser Intensität am Geschlechtsteil entweder unmittelbar oder über (hautnahen) Kleidern oder auch mittels eines Werkzeuges (Pallin WK § 207 StGB RN 6; Mayerhofer/Rieder StGB4 § 207 E 2 a, 7 a, 7 d).

Nach den Urteilsfeststellungen hat der Angeklagte erkannt, daß sich Barbara E***** nach erheblichem Alkoholkonsum in einem wehr- und willenlosen Zustand befand, und diese reduzierte Verfassung zu Manipulationen im Genitalbereich des Opfers ausgenützt. Daß diese geschlechtlichen Handlungen auch die für eine Strafbarkeit des Verhaltens erforderliche Intensität aufwiesen, leitete das Erstgericht aus den im Punkt 2 des Schuldspruches beschriebenen leichten Verletzungen der Geschädigten ab, für die angesichts des gleichfalls konstatierten ausschließlichen Gelegenheitsverhältnisses des Angeklagten (US 5, 7) und der (auf medizinische Sachverständigengutachten - ON 18 S 245 ff - gestützten) Eliminierung anderer Erklärungsmöglichkeiten nur Manipulationen durch den Angeklagten mit kantigen Strukturen (etwa mit den Fingernägeln oder Gegenständen vergleichbarer Beschaffenheit) ursächlich sein konnten (US 8). Auch wenn dem Erstgericht (mangels bezüglicher Aussagen) eine nähere Konkretisierung der Tathandlungen nicht möglich war, hat es damit im Sinne des § 270 Abs 2 Z 5 StPO zureichend die äußere Tatseite und den (bedingt) vorsätzlichen Mißbrauch zur Unzucht dargestellt.

Wenn der Beschwerdeführer (sachlich aus § 281 Abs 1 Z 3 StPO) eine nähere Konkretisierung der Tathandlungen zum Schuldspruch 1 vermißt, ist ihm entgegenzuhalten, daß das Gesetz eine erschöpfende Beschreibung der Tat im Urteilssatz nicht verlangt; vielmehr reicht es hin, daß sie dort soweit umschrieben (individualisiert) wird, daß sie mit einer anderen nicht verwechselt werden kann (Mayerhofer StPO4 § 260 E 21).

Die Tatsachenrüge (Z 5 a) vermag erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde gelegten entscheidenden Tatsachen nicht aufzuzeigen. Sie erschöpft sich vielmehr in der Wiederholung der vom Erstgericht abgelehnten (US 9) leugnenden Verantwortung des Angeklagten, wonach er im Tatzeitraum nicht mehr in der Wohnung der Barbara E***** gewesen sei, sowie in den Hinweisen darauf, daß E***** die Tat nicht sogleich zur Anzeige gebracht habe und deren Verletzungen nicht objektiviert seien. Damit bekämpft er aber in unzulässiger Weise (lediglich nach Art einer Schuldberufung) die Beweiswürdigung des Schöffengerichtes, das der Aussage des Tatopfers auch in bezug auf die angegebenen Verletzungen folgte (US 8).

Berechtigung hingegen kommt der gegen den Schuldspruch 2 (§ 83 Abs 2 StGB) gerichteten Subsumtionsrüge (Z 10) zu:

Nach § 205 Abs 3 StGB erweist sich eine schwere Körperverletzung im Sinne des § 84 Abs 1 StGB als Folge einer Tathandlung nach § 205 Abs 1 oder Abs 2 StGB als strafsatzerhöhender Umstand. Bei allen Delikten, bei denen der Eintritt schwerer Verletzungsfolgen zur Ausmessung der Strafe nach einem höheren Strafsatz führt, tritt aber die Zufügung einer leichten Verletzung nicht idealkonkurrierend als zusätzliche Deliktsverwirklichung (nach § 83 Abs 1 oder Abs 2 StGB) hinzu (Mayerhofer/Rieder aaO E 19 zu § 28 sowie E 20 zu § 83). Dies gilt insbesondere im Verhältnis zu Gewaltdelikten wie nach §§ 131, 140, 142, 201, 202, 312 Abs 1 StGB (vgl Kienapfel BT I4 § 83 RN 52) aber auch - der Meinung des Erstgerichtes (US 11) zuwider - im Verhältnis zu dem (nicht begriffsessentiell durch Anwendung von Gewalt gekennzeichneten) Verbrechen nach § 207 Abs 1 StGB (Mayerhofer/Rieder aaO E 28 zu § 207; 13 Os 60/94) und demzufolge auch im Verhältnis zu den Tatbeständen nach § 205 Abs 1 und Abs 2 StGB, weshalb dabei zugefügte leichte Körperverletzungen nicht gesondert nach § 83 StGB zuzurechnen sind (Leukauf/Steininger aaO § 83 RN 31; Pallin aaO § 205 RN 22 unter Bezugnahme auf die allerdings nur §§ 201 bis 204 aF betreffende Entscheidung SSt 46/66).

Der zusätzliche Schuldspruch des Angeklagten wegen vermeintlich idealkonkurrierenden Vergehens nach § 83 Abs 2 StGB, für den das Urteil im übrigen auch eine zureichende Begründung des festgestellten Mißhandlungsvorsatzes (US 6) vermissen läßt, entspricht somit nicht dem Gesetz und war daher auszuschalten.

Bei der wegen Kassation des Schuldspruchs 2 erforderlichen Strafneubemessung war erschwerend, daß die Tathandlungen Verletzungen des Opfers zur Folge hatten, mildernd hingegen der bisher ordentliche Lebenswandel des Angeklagten und seine Enthemmung durch Alkohol (frühere Auffälligkeiten in dieser Richtung sind nicht aktenkundig - § 35 StGB).

Unter Bedachtnahme auf diese Strafzumessungsgründe entspricht die (schon vom Erstgericht in dieser Höhe) ausgemessene Sanktion der tat- und täterbezogenen Schuld. Der Entfall des Schuldspruchs wegen Körperverletzung wird (ohne jede schuld- bzw unrechtsrelevante Reduktion des inkriminierten Sachverhaltes) durch Hinzutreten eines entsprechenden Erschwerungsgrundes aufgewogen.

Der massive Eingriff in die Sexualsphäre einer durch Alkoholkonsum wehrlosen Person mit physischen und psychischen Folgen gebietet hier schon aus spezialpräventiver Sicht den Vollzug eines viermonatigen Strafteils.

Mit seiner Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe war der Angeklagte auf die Strafneubemessung zu verweisen.

Seiner Berufung gegen den Zuspruch von 1.000 S an Teilschmerzengeld (S 251) kommt Berechtigung nicht zu, reichen doch (dem dazu unsubstantiierten Rechtsmittelvorbringen zuwider) die aktenkonform auf die Aussage der Geschädigten (S 197) und das medizinische Sachverständigengutachten (S 223) gestützten Urteilsfeststellungen über die tatbedingte körperliche Beeinträchtigung der Privatbeteiligten Barbara E***** in der Größenordnung von fünf bis sieben Tagen (US 6) für den Zuspruch des in Ansehung dieser Schmerzperiode verläßlich nicht problematischen geringen Teilbetrages hin (§ 366 Abs 2 StPO).

Die im kollegialgerichtlichen Strafverfahren gesetzlich nicht vorgesehene (§§ 280, 283 Abs 1 StPO) Berufung wegen Schuld war als unzulässig zurückzuweisen.

Nicht anders war bezüglich der gegen den Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck vom 30.Juni 1997 (ON 21) gerichteten Beschwerde gegen die Abweisung des Antrages auf Verlegung der Hauptverhandlung (ON 25) vorzugehen, welche wegen ihres Sachkonnexes zum sonstigen Rechtsmittelvorbringen mitzuerledigen war. In Abweichung vom bezirksgerichtlichen Verfahren ist im Gerichtshofverfahren eine Beschwerde nämlich nur zulässig, soweit sie das Gesetz ausdrücklich einräumt (Foregger/Kodek StPO7 § 481 Anm I). Eine Beschwerdemöglichkeit sieht das Gesetz in bezug auf Beschlüsse, mit denen vom Vorsitzenden des Schöffengerichtes außerhalb der Hauptverhandlung Parteien- anträge auf Verlegung der Hauptverhandlung abgewiesen werden, nicht vor (vgl § 226 StPO). Im übrigen liegt der behauptete, mit Nichtigkeit bedrohte Verstoß gegen die Bestimmung des § 221 StPO nicht vor, hat doch der Angeklagte - für den allein (und nicht auch für seinen Verteidiger) die nach § 6 Abs 2 StPO zu berechnende Vorbereitungsfrist gilt (vgl Foregger/Kodek aaO § 221 Anm I) - die Ladung zur Hauptverhandlung vier Tage vor der für den 1.Juli 1997 anberaumten Hauptverhandlung eigenhändig übernommen (vgl Rückschein bei ON 20).

Die Kostenentscheidung beruht auf der bezogenen Gesetzesstelle.

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