OGH 13Os186/97

OGH13Os186/9710.12.1997

Der Oberste Gerichtshof hat am 10.Dezember 1997 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Brustbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Markel, Dr.Rouschal, Dr.Habl und Dr.Ratz als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag.Grems als Schriftführer, in der Strafsache gegen Peter W***** wegen des Vergehens nach § 16 Abs 1 SGG über die von der Generalprokuratur erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen das Urteil des Landesgerichtes Korneuburg als Berufungsgericht vom 17.Februar 1997, AZ 19 Bl 5/97, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr.Weiß, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten Peter W*****, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

In der Berufungsverhandlung vom 17.Februar 1997, AZ 19 Bl 5/97 des Landesgerichtes Korneuburg, wurde das Gesetz verletzt durch das Unterbleiben

1. der Aufforderung an den Angeklagten, seine Berufung zu begründen, in § 473 Abs 3 StPO, und

2. einer Entscheidung über die Berufung des Angeklagten in dem aus dem Abschnitt IV des XXVI.Hauptstückes der StPO hervorgehenden Grundsatz, daß über alle von welcher Seite immer ergriffene Berufungen gegen Urteile der Bezirksgerichte gleichzeitig entschieden werden muß.

Das Urteil des Landesgerichtes Korneuburg als Berufungsgericht vom 17. Februar 1997, AZ 19 Bl 5/97, wird aufgehoben und dem Berufungsgericht die neuerliche Entscheidung über die Berufungen des Angeklagten Peter W***** und der Staatsanwaltschaft Korneuburg aufgetragen.

Text

Gründe:

Peter W***** wurde mit Urteil des Bezirksgerichtes Wolkersdorf vom 10. Oktober 1996, GZ U 71/96-29, wegen § 16 Abs 1 SGG schuldig erkannt und zu einer für eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von drei Wochen verurteilt. Der Beschuldigte und der Bezirksanwalt meldeten noch in der Hauptverhandlung mündlich gegen das Urteil "Berufung" an, ohne Beschwerdepunkte bestimmt zu bezeichnen (S 107). Die Berufung wurde jedoch lediglich vom öffentlichen Ankläger (unter gleichzeitiger Rückziehung der Berufung wegen Nichtigkeit und Schuld S 2 d) wegen des Ausspruches über die Strafe ausgeführt (ON 30).

Dem Landesgericht Korneuburg als Berufungsgericht wurden die Berufungen mit gesonderten Vorlageberichten (ON 32 und 33) vorgelegt, die Berufungsverhandlung vom 17.Februar 1997 aber irrtümlich (siehe Äußerung des Berichterstatters vom 11.Juni 1997 in 19 Bl 5/97 des Berufungsgerichtes) nur zur Verhandlung über die Berufung der Staatsanwaltschaft anberaumt.

In der Berufungsverhandlung erhielt der Angeklagte bloß Gelegenheit, sich zur Berufung der Staatsanwaltschaft zu äußern. Es wurde auch nur über deren Berufung entschieden.

Die Verhandlung und Entscheidung des Berufungsgerichtes steht, wie der Generalprokurator zutreffend in seiner gemäß § 33 Abs 2 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde ausführt und bereits vom Berufungsgericht erkannt wurde, mit dem Gesetz nicht im Einklang.

Rechtliche Beurteilung

Nach dem Gesamtzusammenhang der im Abschnitt IV des XXVI.Hauptstücks der Strafprozeßordnung enthaltenen Bestimmungen ist über Rechtsmittel gegen Urteile der Bezirksgerichte in einer nichtöffentlichen Sitzung oder Berufungsverhandlung und über alle, von welcher Seite immer ergriffenen Berufungen gleichzeitig zu entscheiden (EvBl 1949/158). In der Berufungsverhandlung ist jede Verfahrenspartei, die Berufung eingelegt hat, zu ihrer Begründung und sodann der Gegner zur Erwiderung aufzufordern (§ 473 Abs 3 StPO).

Im vorliegenden Berufungsverfahren wurde dem anwesenden Angeklagten zu dessen Nachteil weder das Recht, seine Berufung vorzutragen, eingeräumt noch über seine Berufung entschieden, obgleich die Erklärung, "gegen die Verurteilung Berufung einzulegen", jedenfalls als Urteilsanfechtung wegen Schuld und Strafe zu werten ist (vgl EvBl 1986/43). Infolge des inneren Zusammenhanges der dasselbe Urteil im Schuld- und Strafpunkt bekämpfenden Rechtsmittel war das gesetzesverletzende Urteil somit zu kassieren.

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