OGH 4Ob325/97s

OGH4Ob325/97s25.11.1997

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Huber als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kodek und Dr.Niederreiter sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr.Griß und Dr.Schenk als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Hermann Ö*****, vertreten durch Dr.Andreas Ermacora, Rechtsanwalt in Innsbruck und des Nebenintervenienten auf Seiten der klagenden Partei Dr.Lucas L*****, vertreten durch Dr.Martin Dellasega, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagten Parteien 1.) T***** Gesellschaft mbH, ***** 2.) Land Tirol, vertreten durch den Landeshauptmann, Innsbruck, Landhaus, 3.) Univ.Doz.Dr.Gerhard K***** , sämtliche vertreten durch Dr.Walter Heel, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen Leistung und Feststellung (Gesamtstreitwert S 5,921.501,--), infolge (richtig:) Rekurses der beklagten Parteien gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht vom 17.Juni 1997, GZ 1 R 134/97h-19, womit infolge Berufung der klagenden Partei und ihres Nebenintervenienten das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 4.März 1997, GZ 15 Cg 117/96z-11, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Rekurs wird zurückgewiesen.

Die Parteien haben die Kosten des Rekursverfahrens selbst zu tragen.

Text

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Da die Beklagten in ihrem Rekurs keine im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO erheblichen Rechtsfragen geltend machen, ist ihr Rechtsmittel trotz des - den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 526 Abs 2 Satz 2 ZPO) - Zulässigkeitsausspruches des Berufungsgerichtes (§ 519 Abs 1 Z 2 und Abs 2 ZPO) unzulässig:

Seit der ZVN 1983 hat zwar das Berufungsgericht die Pflicht, grundsätzlich selbst das Verfahren zu ergänzen und durch Urteil in der Sache zu erkennen; im allgemeinen ist also nun die Verfahrensergänzung durch das Berufungsgericht zwingend (EvBl 1985/129; SZ 58/59 ua). War aber das erstinstanzliche Verfahren im Sinn des § 496 Abs 1 Z 3 ZPO derart mangelhaft, daß eine ergänzende Erörterung des Sachverhaltes oder - wie diesmal - umfangreiche weitere Beweisaufnahmen notwendig sind, dann muß das Berufungsgericht diese nicht selbst vornehmen, sondern kann einen Aufhebungs- und Zurückverweisungsbeschluß fassen (SZ 59/134; Delle-Karth, Mangelhaftigkeit des Verfahrens im Berufungssystem des österreichischen Zivilprozeßrechtes, ÖJZ 1993, 50; Kodek in Rechberger, ZPO, Rz 6 zu § 496). Das gleiche gilt auch dann, wenn die Vernehmung eines in erster Instanz übergangenen Zeugen durch das Berufungsgericht dieses zur Wiederholung aller zu demselben Thema vom Erstgericht aufgenommenen Beweise zwänge; könnte das doch höhere Kosten als eine Zurückverweisung der Sache an das Erstgericht zur Folge haben (Delle-Karth aaO; Kodek aaO).

Daß das Berufungsgericht im vorliegenden Fall das Verfahren nicht selbst ergänzt, sondern dem Erstgericht die Vernehmung der zahlreichen noch ungehört gebliebenen Zeugen aufgetragen hat, steht somit im Einklang mit der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zu § 496 Abs 3 ZPO.

Zweck des Rekurses nach § 519 Abs 1 Z 2 ZPO ist nur die Überprüfung der Rechtsansicht der zweiten Instanz durch den Obersten Gerichtshof; ist die dem Aufhebungsbeschluß zugrundeliegende Rechtsansicht richtig, kann der Oberste Gerichtshof, der nicht Tatsacheninstanz ist, nicht überprüfen, ob die Verfahrensergänzung tatsächlich notwendig ist (JBl 1991, 580 uva; Kodek aaO Rz 5 zu § 519). Soweit das Berufungsgericht, von einer zutreffenden Rechtsansicht ausgehend, die Vernehmung weiterer Zeugen zwecks Klärung des Sachverhaltes für notwendig erachtet, kann dem der Oberste Gerichtshof nicht entgegentreten. Die Rekursausführungen, die von den auf einer mangelhaften Grundlage getroffenen Feststellungen des Ersturteils ausgehen, sind nicht zielführend. Erst nach Aufnahme aller zu den maßgeblichen Fragen geführten Beweismittel wird eine abschließende rechtliche Beurteilung - insbesondere darüber, ob der von Dr.Jutta W***** erklärte Verjährungsverzicht den Beklagten oder doch zumindest der Erst- und der Zweitbeklagten zuzurechnen ist und wie weit die Erstbeklagte Verbindlichkeiten der Zweitbeklagten aus Behandlungen in Krankenhäusern vor dem 1.1.1991 übernommen hat - möglich sein.

Das Berufungsgericht hat den Rekurs aus der Erwägung für zulässig erklärt, daß es keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu der Frage gebe, ob die Verjährung erst mit dem Vorliegen eines Gutachtens in einem Schiedsverfahren zu laufen beginne. Diese Frage ist aber nicht Gegenstand des Rekurses der Beklagten; der Kläger und sein Nebenintervenient haben den Aufhebungsbeschluß nicht angefochten. Nur der Vollständigkeit halber sei darauf hingewiesen, daß aus dem Grundsatz der Rechtsprechung, wonach für jemanden, der durch einen ärztlichen Kunstfehler zu Schaden gekommen ist, ohne von dem Kunstfehler mangels entsprechenden Fachwissens Kenntnis zu haben, die Verjährungsfrist so lange nicht zu laufen beginnt, als diese Unkenntnis andauert (Schubert in Rummel, ABGB2 Rz 3 zu § 1489 mwN aus der Rechtsprechung), nicht gefolgert werden könnte, daß in dem hier zu beurteilenden Fall die Verjährung erst ab dem Vorliegen des Gutachtens in dem Verfahren vor der Schiedskommission der Ärztekammer für Tirol zu laufen begonnen hat. Ganz abgesehen davon, daß dieses Gutachten einen Kunstfehler verneint hat, kommt es nicht unbedingt auf ein Gutachten, sondern allein darauf an, ab welchem Zeitpunkt dem Geschädigten der Sachverhalt so weit bekannt ist, daß die Klage mit Aussicht auf Erfolg erhoben werden kann (Schubert aaO mwN aus der Rechtsprechung, insbesondere SZ 60/204; JBl 1989, 321 uva). Nur dann, wenn ein Laie die Ursachen und das Ausmaß eines Schadens ohne Beiziehung eines Sachverständigen nicht zu erkennen vermag, beginnt die Verjährungsfrist erst mit dem Einlangen des Sachverständigengutachtens (WBl 1987, 66; OLG Linz ZVR 1994/12). Der Kläger hat aber - nach der bisherigen Aktenlage - schon zu der Zeit, als er sich an die Schiedsstelle der Ärztekammer für Tirol wandte, all die Sachverhaltselemente gekannt, auf die er seine Klage stützt.

Auf Vergleichsverhandlungen, welche nach ständiger Rechtsprechung den Ablauf der Verjährungsfrist hemmen (JBl 1973, 260; JBl 1989, 460; Mader in Schwimann, ABGB2, Rz 3 vor §§ 1494 bis 1496), hat sich der Kläger nicht berufen. Wie der Oberste Gerichtshof ausgesprochen hat, könnte einer über die Ablehnung des gegnerischen Standpunktes hinausgehenden Beteiligung der Parteien am Schlichtungsverfahren eine den Ablauf der Verjährungsfrist ebenso wie Vergleichsverhandlungen hemmende Wirkung nicht abgesprochen werden (SZ 68/60 = RdM 1995, 88). Dazu fehlen aber Behauptungen. Der gegen die "Universitätsklinik Innsbruck" gerichtete Antrag konnte mangels entsprechender gesetzlicher Regelung den Lauf der Verjährungsfrist weder unterbrechen noch hemmen (vgl zur Rechtslage in der Bundesrepublik Deutschland BGH NJW 1983, 2075). Aus diesem Grund hat der Oberste Gerichtshof schon in SZ 68/60 ausgesprochen, daß eine Ärztekammer, die eine Schiedsstelle unterhält, deutlich auf die Gefahr der Verjährung hinweisen muß.

Da somit die Entscheidung nicht von der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage abhängt, war der Rekurs zurückzuweisen.

Der Ausspruch über die Kosten des Rekursverfahrens gründet sich auf §§ 40, 50 Abs 1 ZPO. Da weder der Kläger noch der Nebenintervenient auf die Unzulässigkeit des Rekurses hingewiesen haben, dienten ihre Rechtsmittelbeantwortungen nicht der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung.

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