OGH 2Ob2283/96s

OGH2Ob2283/96s20.11.1997

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Angst als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Graf, Dr.Schinko, Dr.Tittel und Dr.Baumann als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach dem am 2.August 1995 verstorbenen Ludwig M*****, infolge Rekurses der Witwe Sophie M*****, vertreten durch Dr.Adolf Concin und Dr.Heinrich Concin, Rechtsanwälte in Bludenz, gegen den Beschluß des Landesgerichtes Feldkirch als Rekursgericht vom 31.Juli 1996, GZ 3 R 222/96m-33, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Bezau vom 3.Juli 1996, GZ 2 A 179/95z-28, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Revisionsrekursbeantwortung der Antragsteller wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Im vorliegenden Verlassenschaftsverfahren haben die Kinder des Erblassers einerseits und seine Witwe andererseits einander widersprechende bedingte Erbserklärungen abgegeben, die mit Beschluß vom 10.5.1996 zu Gericht angenommen wurden. Den Kindern wurde zur Geltendmachung und Durchsetzung ihres Erbrechtes die Klägerrolle zugewiesen.

Am 5.Juni 1996 stellten die Kinder den Antrag, für den ruhenden Nachlaß einen Nachlaßkurator zu bestellen, der eine beiliegende Vertragsausfertigung beglaubigt zu unterfertigen habe. Der Verstorbene habe mit Vertrag vom 2.Juli 1995 den Antragstellern seine ideelle Eigentumshälfte am Grundbesitz in M***** Grundbuch M***** übertragen. Der Vertrag enthalte zwar keine Aufsandungsklausel, doch habe der Verstorbene die Antragsteller ausdrücklich ermächtigt, alle zur Abwicklung des Vertrages notwendigen Anträge bei den zuständigen Stellen in seinem Namen zu stellen.

In dem im Antrag erwähnten Vertrag vom 2.Juli 1995 verkaufte der Verstorbene seinen ideellen Hälfteanteil an der Liegenschaft EZ ***** GB M***** seinen Kindern Alice K***** und Oliver M***** zum Kaufpreis von S 70.000, wobei festgehalten wird, daß der Kaufpreis durch die bisher erbrachte Hilfe "meiner Kinder durch Mitarbeit und Betreuung" bereits erbracht, mithin abgegolten/bezahlt ist. Weiters wird ausgeführt, daß der Besitzübergang mit heutigem Tag erfolgt.

Schließlich heißt es: "Wir beantragen

a) die Eintragung einer Auflassungsvormerkung zur Sicherung des vereinbarten Eigentumsübergangs zugunsten der Käufer im Grundbuch,

b) die Eigentumsumschreibung im Grundbuch auf die Käufer".

Weiters:

"Ich bevollmächtige meine Kinder Alice K***** und Oliver M*****, sämtliche zur Abwicklung dieses Vertrags notwendigen Anträge bei den zuständigen Behörden und Ämtern in meinem Namen zu stellen". Dieser Vertrag ist vom Verstorbenen sowie von Alice K***** und Oliver M***** beglaubigt unterfertigt.

Die Witwe des Verstorbenen hat sich gegen die Bestellung eines Verlassenschaftskurators ausgesprochen.

Das Erstgericht hat den Antrag auf Bestellung eines Nachlaßkurators abgewiesen. Es liege weder ein im Gesetz ausdrücklich geregelter Fall noch ein von der Rechtsprechung bisher anerkannter Fall für die Bestellung eines Nachlaßkurators vor. Es könne auch nicht davon gesprochen werden, daß es sich um eine dringliche Angelegenheit handle, weil es sowohl den Antragstellern als auch der Testamentserbin möglich sei, ihre Ansprüche zu verfolgen, ohne daß hiezu ein Nachlaßkurator bestellt werde.

Mit dem angefochtenen Beschluß hat das Rekursgericht diesen Beschluß dahin abgeändert, daß es für den ruhenden Nachlaß zwecks allfälliger Unterfertigung der Aufsandungsklausel laut Antrag in ON 23 bzw für eine allfällige Klage auf Abgabe der Aufsandungserklärung einen Verlassenschaftskurator bestellte und die Auswahl der Person des Verlassenschaftskurators dem Erstgericht überließ.

Es sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei.

Es vertrat die Rechtsansicht, daß ein Verlassenschaftskurator nicht nur dann zu bestellen sei, wenn die Erben "gänzlich unbekannt" seien oder wenn sie keine Erbserklärung abgegeben hätten, sondern auch dann, wenn widersprechende Erklärungen abgegeben würden, weil in diesem Fall keinem der erbserklärten Erben die Besorgung und Verwaltung des Nachlasses übertragen werden könne. Zur Vertretung des Nachlasses, sei es für laufende Verwaltungsgeschäfte oder für Prozesse, müsse ein Verlassenschaftskurator bestellt werden, weil noch nicht feststehe, wer letzten Endes berechtigt sei, den Nachlaß zu vertreten. Der Verlassenschaftskurator sei nicht Vertreter von Beteiligten im Abhandlungsverfahren, sondern der vom Gericht bestellte Vermögensverwalter und Vertreter des ruhenden Nachlasses; er vertrete nicht die Erben und habe insbesondere auch nicht die Interessen einzelner und aller erbserklärten Erben zu wahren.

Da im vorliegenden Fall widerstreitende Erbserklärungen vorlägen, stehe grundsätzlich der Bestellung eines Nachlaßkurators nichts im Wege. Dessen Bestellung sei auch zur Vertretung und Verwaltung des Nachlasses erforderlich.

Nach dem vorgelegten "Grundstückskaufvertrag" sei der Hälfteanteil an der Liegenschaft EZ ***** GB M***** zwar verkauft, aber noch nicht grundbücherlich übergeben worden. Dem Vertrag fehle eine wirksame Aufsandungserklärung; dies führe jedoch nicht zur Ungültigkeit des Kaufvertrages, weil auch aus einem formfreien Kaufvertrag darauf geklagt werden könne, daß der Verkäufer einen in Form des Grundbuchsgesetzes entsprechenden Kaufvertrag unterfertige, um seiner Eigentumsverschaffungspflicht Genüge zu tun.

Da die Antragsteller jedenfalls im Hinblick auf den gegenständlichen Kaufvertrag einen Rechtsanspruch auf Abgabe der Aufsandungserklärung hätten, lägen die Voraussetzungen für die Bestellung eines Nachlaßkurators vor.

Sollte er die Abgabe der beantragten Aufsandungserklärung verweigern bzw diese vom Verlassenschaftsgericht nicht genehmigt werden, müßten die Antragsteller klagsweise gegen die Verlassenschaft vorgehen. Es erscheine daher zweckmäßig, bereits für diesen Fall einen Verlassenschaftskurator zu bestellen, um eine neuerliche Antragstellung zu vermeiden. Wenngleich im allgemeinen ein Verlassenschaftskurator nur zur Vertretung in einem Rechtsstreit vorgesehen sei, könne es nicht unzulässig sein, auch einen Verlassenschaftskurator für eine Rechtshandlung zu bestellen, die ohne weiteres und ohne Rechtsstreit gesetzt werden könne.

Dem dagegen von der Witwe des Erblassers erhobenen Revisionsrekurs kommt keine Berechtigung zu.

Rechtliche Beurteilung

Die Revisionsrekurswerberin macht geltend, daß es sich bei dem vorliegenden Kaufvertrag in Wahrheit um ein unentgeltliches Geschäft gehandelt habe, das mangels tatsächlicher Übergabe nichtig sei.

Ob dies zutrifft, ist aber im derzeitigen Verfahrensstadium nicht zu prüfen.

Zutreffend verweist die Revisionsrekurswerberin zunächst darauf, daß ein Verlassenschaftskurator nicht Vertreter von Beteiligten im Abhandlungsverfahren, sondern der vom Gericht bestellte Vermögensverwalter und Vertreter des ruhenden Nachlasses ist. Er vertritt nicht die Erben, insbesondere hat er auch nicht die Interessen (einzelner oder aller) erbserklärten Erben zu wahren (ständige Rechtsprechung, vgl EFSlg 79.725 mwN).

Nach der ebenfalls ständigen Rechtsprechung ist aber ein Verlassenschaftskurator - über ein enges Verständnis des Wortlautes des § 78 AußStrG hinaus - nicht nur dann zu bestellen, wenn die Erben "gänzlich unbekannt sind" oder wenn sie keine Erbserklärung abgeben, sondern auch dann, wenn widersprechende Erklärungen abgegeben wurden, weil in diesem Fall keinem der erbserklärten Erben die Besorgung und Verwaltung des Nachlasses übertragen werden kann. Daher muß zur Vertretung des Nachlasses, sei es für laufende Verwaltungsgeschäfte oder für Prozesse, ein Verlassenschaftskurator bestellt werden, weil noch nicht feststeht, wer letzten Endes berechtigt ist, den Nachlaß zu vertreten (EFSlg 79.724 mwN).

Im vorliegenden Fall geht es anders als im Fall der angeführten Entscheidung nicht um Ansprüche zwischen Miterben in einem Verlassenschaftsverfahren, sondern um Ansprüche gegen die Verlassenschaft aus einem Kaufvertrag, der nach den Behauptungen der Antragsteller zwischen dem Erblasser und ihnen abgeschlossen wurde. Es steht ihnen daher als Gläubiger der Verlassenschaft grundsätzlich das Recht zu, die Bestellung eines Kurators im Sinne des § 811 ABGB zur Unterfertigung der Aufsandungserklärung zu beantragen, weil widersprechende Erbserklärungen vorliegen und nach dem vorliegenden, formell gültigen Kaufvertrag ein Anspruch auf Abgabe der Aufsandungserklärung bestehen kann (vgl JBl 1988, 714). Die Frage, ob eine derartige Aufsandungserklärung tatsächlich abzugeben bzw deren Abgabe vom Verlassenschaftsgericht zu genehmigen ist, bildet nicht den Gegenstand der hier zu treffenden Entscheidung, weshalb hierauf nicht näher einzugehen ist.

Nicht zielführend sind die Ausführungen, die im Revisionsrekurs zur Frage enthalten sind, ob der Verlassenschaftskurator auch für einen in Zukunft allenfalls zu erwartenden Rechtsstreit bestellt werden durfte. Da es zulässig gewesen wäre, ihn für alle mit dem Kaufvertrag vom 2.7.1995 im Zusammenhang stehenden Angelegenheiten zu bestellen, ist die Revisionsrekurswerberin nicht dadurch beschwert, daß sein Wirkungskreis auf einzelne dieser Angelegenheiten eingeschränkt wurde.

Die Revisionsrekursbeantwortung der Antragsteller war zurückzuweisen, weil der Revisionsrekurs lediglich einseitig ist.

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