OGH 13Os153/97

OGH13Os153/9719.11.1997

Der Oberste Gerichtshof hat am 19.Novem- ber 1997 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Brustbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Mayrhofer, Dr.Rouschal, Dr.Habl und Dr.Ratz als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag.Grems als Schriftführer, in der Strafsache gegen Erkan K***** wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 erster Satz zweiter Fall StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Geschworenengerichtes beim Landesgericht für Strafsachen Wien vom 24.Juni 1997, GZ 20 i Vr 1878/97-44, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr.Kirchbacher, und des Verteidigers Dr.Rudolf Mayer, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit auf dem Wahrspruch der Geschworenen beru- hendem Urteil wurde Erkan K***** des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 erster Satz zweiter Fall StGB (A) und des Vergehens nach § 36 Abs 1 Z 2 WaffG (B) schuldig erkannt.

Ihm liegt zur Last, am 24.Februar 1997 in Wien Milka M***** mit Gewalt gegen ihre Person, indem er sie am Hals packte und würgte, sowie durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben, indem er ihr einen Signalstift mit aufschraubbarem Lauf am Hals ansetzte und mehrfach äußerte: "Ich will Geld; sei ja ruhig, sonst bist du tot !" mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz ca 8.000 S Bargeld weggenommen zu haben.

Die Geschworenen haben die Hauptfrage A nach schwerem Raub (stimmenmehrheitlich 5:3) bejaht, die Zusatz- frage a nach Zurechnungsunfähigkeit des Angeklagten (ein- hellig) verneint und demzufolge die für den Fall der Ver- neinung der Hauptfrage A gestellten Eventual- (I-VII) und Zusatzfragen (b-d) unbeantwortet gelassen.

Die (inhaltlich) gegen den Schuldspruch wegen schweren Raubes erhobene, auf § 345 Abs 1 Z 5, 6, 8, 10 a und 11 lit a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Ange- klagten geht fehl.

Rechtliche Beurteilung

Als Verfahrensmangel (Z 5) rügt sie die Abweisung von (in der Hauptverhandlung gestellten) Anträgen auf Vernehmung von Polizeibeamten über die Angaben der Zeugin M***** vor der Polizei, der Doris S***** als Zeugin sowie auf Anfertigung einer Fotomappe über den Tatort zur Rekonstrunktion von "Bewegungsabläufen" (S 293 f). Da die Zeugin M***** ihre Angaben vor der Polizei über die von der Verteidigung relevierte Abfolge der Abgabe von Schüssen mit Sprach- und Verständnisschwierigkeiten erklärte und die von der Polizei (ohne Dolmetsch) protokollierten Angaben aber ohnehin als richtig niedergeschrieben bestätigte, war das Beweisziel erreicht. Aus einer "Fotomappe" aber lassen sich "Bewegungsabläufe" nicht ersehen. Im übrigen betraf der Antrag auf Vernehmung von Polizeibeamten einerseits nach seiner Formulierung ("ob") einen bloßen Erkundungsbeweis und andrerseits vorliegend keine entscheidungswesentliche Tatsache, nämlich nach dem Antragsvorbringen (S 292) ein Geschehen nach Tatvollendung (= die Schußabgabe war nicht Begehungsmittel des Raubes). Ähnliches gilt für den Umstand, ob vor ode nach dem Eintreffen der Polizei am Tatort zur Feststellung der Beute im Geldversteck der Beraubten nachgesucht wurde.

Dem weiteren Beschwerdevorbringen zuwider hat das Opfer im Vorverfahren und in der Hauptverhandlung übereinstimmend deponiert, daß bereits vor dem Eintreffen der von ihrem Arbeitgeber verständigten Polizei nach dem Geld gesucht wurde (S 41, 285 f).

Die Anträge auf Anfertigung einer Fotomappe vom Tatort zur Überprüfung der "von der Zeugin und vom Angeklagten geschilderten Bewegungsabläufe" und auf Zeugenvernehmung der Doris S***** "zum Beweis dafür, was ihr der Angeklagte nach der Tat geschildert hat, insbesondere zur Klärung dieser in Berichtsform verfaßten Aussage der Zeugin, wo es um die Geldbörse geht", sind gleichfalls bloß unzulässige Erkundungsbeweise; im übrigen mangelt es zur Erheblichkeit der Anträge an Gründen, aus denen ein den Angeklagten entlastendes Ergebnis zu erwarten gewesen wäre. Die Aussage des Opfers über die Attacken des Angeklagten und die anfängliche Gegenwehr weist keinen spezifischen Bezug zu den räumlichen Verhältnissen am Tatort auf (S 280 ff). Doris S***** konnte bloß mitteilen, was ihr der verstört wirkende Angeklagte am Tag nach der Tat (seiner leugnenden Verantwortung entsprechend) erzählt hat (S 115). Die Antragstellung ließ nicht erkennen, weshalb die begehrte Beweisaufnahme dennoch der weiteren Klärung des Sachverhaltes dienen könnte. Die Begründung eines Beweisantrages muß aber umso eingehender sein, je fraglicher die Brauchbarkeit des geforderten Verfahrensschrittes im Licht der übrigen Verfahrensergebnisse ist (Mayerhofer, StPO4, § 281 Z 4 E 19, 19 c).

Die Nichtigkeitsbeschwerde zu Z 6, 8 und 11 lit a geht davon aus, den Tatbestand des Raubes verwirkliche nur, wer einem anderen eine fremde bewegliche Sache entweder mit Gewalt gegen eine Person wegnehme oder durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben abnötige. Werde als Tatmittel eine gefährliche Drohung eingesetzt, komme nur Raub durch Abnötigen in Betracht (I 5 der Beschwerdeausführungen). Die Hauptfrage A (Z 6), die Rechtsbelehrung (Z 8) und die rechtliche Beurteilung der Tat (Z 11 lit a) seien deshalb unrichtig.

Die Einwände versagen. Das Verbrechen des Raubes kann mit zwei rechtlich gleichwertigen Begehungs- mitteln, nämlich mit Gewalt gegen eine Person oder mit qualifizierter Drohung (§ 89 StGB) begangen werden. Welches der Begehungsmittel mit dem Vorsatz auf unrechtmäßige Bereicherung zur Wegnahme (oder Abnötigung) einer fremden beweglichen Sache eingesetzt wird, ist bedeutungslos (Zipf, WK, Rz 1 f, 23, 33, 37; Kienapfel BT II3 RN 7, 16 und 55; Leukauf-Steininger, aaO, RN 9 a; alle zu § 142).

Die Geschworenen wurden zutreffend über die gesetzlichen Merkmale des Raubes (Rechtsbelehrung S 3 ff), wie über jene des Diebstahls (S 8) belehrt. Der Beschwerde zuwider waren sie daher zur Beantwortung der gestellten Fragen in der Lage und konnten insbesondere den Unterschied zwischen der Hauptfrage A nach Raub und der Eventualfrage VI nach Diebstahl erfassen.

Wird der Raub durch Drohung begangen, muß diese in der vom Gesetz bezeichneten Weise qualifiziert sein. Eine Drohung mit anderen Übeln als mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben genügt für einen Raub nicht. Das Beschwerdeargument, eine Wegnahme durch (bloße) gefähr- liche Drohung erfülle nicht den Tatbestand des § 142 Abs 1 StGB, ist daher an sich zutreffend, übergeht aber den Wahrspruch.

Die Tatsachenrüge (Z 10 a) vermag keine Beden- ken gegen die Richtigkeit der im Wahrspruch der Geschworenen festgestellten entscheidenden Tatsachen hervorzurufen. Solche Bedenken setzen in der Regel das Aufzeigen von schwerwiegenden, unter Außerachtlassung der Pflicht zur amtswegigen Wahrheitsforschung zustandegekom- menen Mängel der Sachverhaltsermittlung oder von Hinweisen auf aktenkundige Beweisergebnisse voraus, die nach den Denkgesetzen oder der allgemeinen menschlichen Erfahrung erhebliche Zweifel gegen die Richtigkeit der Beweiswürdigung in entscheidungswesentlichen Fragen auf- kommen lassen (Mayerhofer StPO4, § 345 Z 10 a E 3).

Im übrigen erörtert die Beschwerde nach Art einer im Nichtigkeitsverfahren unzulässigen Schuldberufung nur solche Umstände, die (wie das Gelegenheitsverhältnis der Beraubten und die Möglichkeit des Angeklagten zur Entdeckung des Geldverstecks) durch Vernehmung oder (wie der Polizeibericht über die Auswertung von Fingerabdrücken, ON 22 iVm S 292) durch Verlesung in die Hauptverhandlung eingeführt wurden und damit für die Entscheidungsfindung der Geschworenen zur Verfügung standen. Bedenken am Wahrspruch werden damit nicht geweckt.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Das Geschworenengericht verurteilte den Ange- klagten nach §§ 28, 143 StGB (unter Anrechnung der Vorhaft) zu sechs Jahren Freiheitsstrafe und wertete dabei als erschwerend das Zusammentreffen eines Verbrechens mit einem Vergehen sowie die Verletzung des Opfers, als mildernd hingegen das Geständnis zum unbefugten Waffen- besitz sowie das Alter des Angeklagten unter 21 Jahren.

Die dagegen erhobene, Strafherabsetzung anstre- bende Berufung des Angeklagten ist nicht im Recht.

Bei einem mit Gewalt ausgeführten Raub ist zwar eine leichte Körperverletzung des Opfers nicht als selbständiges Delikt zuzurechnen. Eben deshalb ist sie aber (zur Abgeltung des Unwertes der Verletzung) als allgemeiner Erschwerungsumstand zu berücksichtigen. Allfällige Auswir- kungen von Alkoholkonsum sind dem Angeklagten als (ehemaligen) Kaffeehausbetreiber (siehe 4 b Vr 7569/96 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien) bekannt und wirken nicht strafmildernd. Das Beweisverfahren hat der Berufungsbehauptung zuwider ebensowenig Hinweise auf eine beson- ders verlockende Gelegenheit zur Tatbegehung im Sinn des § 34 Abs 1 Z 9 StGB (Leukauf-Steininger aaO § 34 RN 9) ergeben wie eine strafmildernd wirkende Einschränkung seiner Schuldfähigkeit. Daß sich der Angeklagte allenfalls durch einen Spielverlust zur Tat hinreißen ließ, kann nicht mildernd wirken, wäre dies bei Zutreffen doch als Charaktermangel und damit nicht als Milderungsumstand zu beurteilen.

Angesichts des Umstandes, daß der Milderungs- grund des teilweisen Geständnisses nicht besonders ins Gewicht fällt, weil er nur das im Vergleich zum Raub- verbrechen geringfügig strafbedrohte Vergehen nach dem WaffG betrifft, ist die vom Geschworenengericht im Bereich der Mindeststrafe angesiedelte Sanktion einer Reduzierung nicht zugänglich.

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